Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser, Band 23 (2012)
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Die Landschaftsstation im Kreis Höxter wird zumeist über ihre Beteiligung an verschiedenen, im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Projekten wahrgenommen. Dazu zählt das Projekt „Erlesene Natur“, in dessen Rahmen viel beachtete Erlebnisgebiete wie der Weser-Skywalk im NSG „Hannoversche Klippen“, der neu gestaltete Wanderweg im NSG „Desenberg“ oder das Weidenpalais, ein gewaltiges Lebendbauwerk im Schlosspark Rheder, entstanden. Dazu zählen auch die naturnahe Gestaltung mittelwaldähnlicher Waldränder, Forschungsarbeiten zum Klimawandel sowie das 2011 begonnene Naturschutzprojekt „Vielfalt auf Kalk“ zur Optimierung von insgesamt 11 Trockenlebensräumen im Kreis Höxter. Gerne nutzen wir die „Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser“, um Sie, liebe Leserinnen und Leser, über die Ziele und den Fortgang unserer Projekte zu informieren. Der nachfolgende Tätigkeitsbericht bezieht sich auf die originären Aufgaben unserer Station, die von der Bevölkerung zwar nicht so intensiv wahrgenommen werden wie die oben beschriebenen Projekte, denen wir aber den Großteil unserer Arbeitszeit widmen. Bevor wir die fachlichen Aspekte unserer Arbeit darlegen, möchten wir die Einführung nutzen, um Sie über aktuelle Entwicklungen in unserer Geschäftsstelle zu informieren. Über 10 Jahre lang haben Zivildienstleistende die praktische Landschaftspflege in der Station entscheidend mit geprägt. Am 31. August 2011 endete diese Ära mit dem letzten Arbeitstag von Jannis IFFLAND, dem letzten „Zivi“ der Landschaftsstation. Ihm und all seinen Vorgängern gilt unser Dank für Ihren engagierten Einsatz zum Wohle der Natur im Kreis Höxter. Das bisherige Niveau der Landschaftspflegearbeiten wurde auch im Jahr 2011 durch die Stammbesetzung im Pflegetrupp mit Vorarbeiter Ralf SCHAPERDOT und Mitarbeiter Lars MASSMANN abgesichert. Die notwendigen personellen Verstärkungen zur Umsetzung der vielfältigen Aufgaben erfolgten einen Monat nach dem Weggang des letzten Zivis. Im Oktober 2011 leitete Pablo MENN aus Warburg als erster Bundesfreiwilliger der Landschaftsstation eine neue Ära ein. Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) wird als Nachfolgemodell zum bisherigen Zivildienst über den Bund finanziert. Die Einsatzzeit beträgt in der Regel 12 Monate. Im Vergleich zum Zivildienst besitzt der BFD einen deutlich höheren Bildungscharakter, der allein schon durch die vorgeschriebene Mindestzahl von 25 Bildungstagen/ Jahr für Teilnehmer/innen unter 27 Jahren deutlich wird. Die Landschaftsstation möchte Bundesfreiwilligen einen interessanten Mix aus dem breiten Aufgabenspektrum des Naturschutzes anbieten, der sich nicht nur auf die Landschaftspflege beschränkt, und freut sich auf weitere Bewerberinnen und Bewerber. Als weitere Verstärkung wurde ebenfalls im Oktober Werner HEINEMEIER aus Höxter eingestellt. Er wird als Teilnehmer des bundesweiten Modellprojektes „Bürgerarbeit“ über die ARGE Höxter kofinanziert und hat sich bemerkenswert schnell in die Arbeitsabläufe der Station integriert. Personelle Änderungen ergaben sich im Projektteam „Erlesene Natur“ durch das freiwillige Ausscheiden von Birte BRAND, die mit großem Engagement jeweils eine halbe Stelle beim Kreis Höxter und bei der Landschaftsstation ausfüllte. Sie betreibt inzwischen in ihrem Heimatdorf Hagedorn die „Futterkrippe“, einen kleinen Regionalladen. Die freigewordene halbe Stelle in der Station konnte im Anschluss mit Eike SPELLERBERG aus Höxter neu besetzt werden. Ihre Aufgabenschwerpunkte liegen im Bereich der Umsetzung von Maßnahmen und umfassen neben den Ausschreibungen auch die Bauüberwachung und die Abnahme der Gewerke. Weitere Verstärkung erhielt die Geschäftsstelle durch die Einstellung von Michael TILLY, der bereits über Praktika und Werkverträge für die Landschaftsstation tätig war und sich als „Allrounder“ in der Landschaftspflege sowie der Bearbeitung wissenschaftlicher Aufgabenstellungen bewährt hatte. Wie in den vergangenen Jahren waren auch 2011 wieder eine Reihe von Praktikantinnen und Praktikanten an der erfolgreichen Bearbeitung diverser Aufgaben in der Station beteiligt. So kümmerte sich Benjamin GERECKE im Rahmen eines über die ARGE finanzierten Praktikums und einer darauf folgenden halbjährigen Festeinstellung erfolgreich um den Aufbau einer GIS-gestützten Access-Datenbank und die Entwicklung einer praktikablen Eingabemaske. Britta LIEBE aus Höxter unterstützte im Rahmen ihres fünfmonatigen Praxissemesters insbesondere eine Vielzahl von Artenschutzmaßnahmen. Ihnen und allen an dieser Stelle namentlich nicht aufgeführten Helfern und ehrenamtlichen Unterstützern gebührt unser Dank. Sie alle haben dazu beigetragen, dass unser Verein den Naturschutz im Kreis Höxter weiter etablieren konnte. Unser Dank gilt weiterhin den Fachbehörden und Naturschutzverbänden/- vereinen für die gute Zusammenarbeit. Unser Dank gilt auch dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) für die hohe Wertschätzung der Arbeit der Biologischen Stationen in NRW. Nach vielen aus finanzieller Sicht schwierigen Jahren wurde 2011 der Gesamtetat zur Finanzierung der Biologischen Stationen in NRW angehoben und bis 2015 gesichert. Ein Erfolg für den Naturschutz in NRW, maßgeblich beeinflusst vom rührigen Vorstand des Dachverbandes der Biologischen Stationen. Das nachfolgend dokumentierte, vielfältige Aufgabenspektrum der Station führt dazu, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter Umweltbildung in Form von Exkursionen und Vorträgen nicht in der eigentlich gewünschten Quantität anbieten können. Diese vermeintliche Lücke wird inzwischen hervorragend von den auch über die Landschaftsstation ausgebildeten „KulturLand- Führern“ geschlossen, deren Angebote jeweils in einem ansprechenden Jahresprogramm zusammengefasst werden (s. www.kulturland.org). Dennoch können Sie Exkursionswünsche weiterhin gerne an unsere Geschäftsstelle richten. Bei Interesse nehmen wir vorzugsweise im Winterhalbjahr auch gerne Einladungen zu Versammlungen wahr, um unsere Lebensräume und Naturschätze im Kreis Höxter, sowie die Arbeit der Landschaftsstation zu präsentieren.
Der vorliegende ornithologische Sammelbericht beinhaltet eine Übersicht zu ausgewählten Vogelarten, die im Kreis Höxter sowie im unmittelbar angrenzenden Wesertal (Landkreis Holzminden, Niedersachsen) beobachtet wurden. Damit soll gleichzeitig die Tradition des durch Jochen MÜLLER eingeführten Sammelberichts fortgesetzt werden. Etwas mehr als ein Jahrzehnt hat Jochen Müller Beobachtungsdaten im Kreisgebiet gesammelt, ausgewertet und in der vorliegenden Schriftenreihe veröffentlicht. Aufgrund eines Wohnortwechsels hat er seine Tätigkeit an David SINGER übergeben. Für die geleistete Vorarbeit in den vergangenen Jahren sowie die noch immer fortwährende Unterstützung gilt Jochen MÜLLER unser besonderer Dank. Der Sammelbericht hat zum Ziel, das Wissen über die heimische Vogelwelt zu fördern. Auch sollen damit die Möglichkeiten für den Naturund Artenschutz verbessert werden. Die Datensammlung ist nicht das Ergebnis einer systematischen Kartierung, sondern sie stellt vielmehr eine Auswahl von Beobachtungen dar, die überwiegend ehrenamtlich im Rahmen der Freizeit erfolgten. Dieser Jahresbericht beinhaltet die Beobachtungen aus dem Jahr 2011 sowie vereinzelte Nachträge aus dem Jahr 2010. Sofern mehrere Beobachtungen (Primärdatensätze) von unterschiedlichen Meldern in einem Gebiet zu einer zusammenfassenden Bewertung (z. B. Brutzeitfeststellung, Brutverdacht o. ä.) geführt haben, werden in diesem Zusammenhang jeweils alle beitragenden Melderinnen und Melder mit genannt. Dies gilt beispielsweise auch für Einzelvogelbeobachtungen, sofern diese durch einen Brutnachweis überlagert werden. Bei der Abgrenzung von Revieren bzw. zum Werten einzelner oder zum Zusammenführen mehrerer Beobachtungen als Brutzeitfeststellung (Bruthinweis), Brutverdacht oder Brutnachweis wurden die definierten Zeitfenster (Wertungsgrenzen) sowie Bewertungskriterien nach SÜDBECK et al. (2005) zu Grunde gelegt. Einzelbeobachtungen (kein Zug) außerhalb der Wertungsgrenzen innerhalb eines Gebiets mit Brutzeitfeststellung, Revier, Brutpaar, Brutverdacht oder Brutnachweis gehen innerhalb der Bewertung auf. Bereits an dieser Stelle möchten wir für den kommenden Sammelbericht 2012 zur Mitarbeit und Meldung von Vogelbeobachtungen aufrufen. Für die Vereinfachung der Datenerfassung wurde eine digitale Datenbank eingerichtet. Mit Hilfe einer vereinfachten Dateneingabemaske können nunmehr Beobachtungsdaten direkt in eine Sammeldatenbank eingespielt werden und stehen damit unmittelbar für eine gezielte Auswertung zur Verfügung. Wer die ornithologische Datenbank für den Kreis Höxter mit seinen Beobachtungsdaten fördern möchte, kann Informationen hierzu bei den Verfassern dieses Berichts anfordern. Beobachtungsdaten für den nächstjährigen Sammelbericht 2012 können bis 15.01.2013 an David SINGER zur Veröffentlichung gemeldet werden.
In der „Illustrierten Flora von Deutschland“ von 1895 stellt Dr. August GARCKE die Seltenheit der weißlich-gelben Orchidee heraus. Der Blütenstand ist eine „armblütige Traube mit hängenden Blüten“. Der blattlose Stängel ist mit scheidigen Schuppen besetzt. Die Einzelblüte ist dreilappig mit großem Mittellappen. Es fällt auf, dass der Sporn nach oben gerichtet ist. Die weißlich-gelben großen Blüten hängen an gestielten Fruchtknoten. Im 24. Bericht des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld (LIENENBECKER 1979) werden die Ergebnisse der Kartierungsarbeit der Geobotanischen Arbeitsgemeinschaft vorgelegt. Danach weist der Widerbart (Epipogium aphyllum) eine deutlich abnehmende Tendenz auf. Von insgesamt 29 Fundpunkten in Ostwestfalen konnten nur sieben nach 1945 bestätigt werden. Von diesen bleibt in Ostwestfalen ab 1990 nur ein Standort. Zwei weitere Vorkommen sind aus der Nordeifel bekannt. Der blattlose Widerbart gilt in der Roten Liste NRW als „stark gefährdete“ Art. In Ostwestfalen-Lippe (OWL) muss die Art als „vom Aussterben bedroht“ gelten (LÖBF 1999).
Die kontaktfreudige Dohle ist meist in Gruppen mit ihrem Partner unterwegs. Auf Nahrungssuche oder auf ein lautes „Schwätzchen“ vor dem Schlafengehen schließt sie sich gerne Saatoder Rabenkrähen an. Unter ihnen fällt sie vor allem durch ihre geringere Größe auf, denn Dohlen sind die kleinsten Vertreter der Rabenvögel mit schwarzem Federkleid (s. a. Abb. 6, S. 106). Bis heute teilt sie das Schicksal ihrer schwarz gefiederten Verwandten: Früher galt sie als Unglücksbringer, der Krankheiten wie die Pest und damit den Tod ankündigte. Auf mittelalterlichen Abbildungen sind Dohlen häufig mit Hexen zu sehen. Studien des Verhaltensforscher Lorenz über ihre Lernfähigkeit und Intelligenz haben viel dazu beigetragen, dass die Dohle an Sympathie gewann. Die Geschichten über seine frei fliegenden Dohlen fanden ein breites Publikum, das von dem hoch organisierten Sozialleben dieser Art beeindruckt war. Dem Image der Dohle hat dies tatsächlich geholfen. Teils aus Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit, teils aus Absicht zerstörten Hausbesitzer bei Renovierungen oder Gebäudesanierungen in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Brutplätze der Dohlen. Viele Gemeinden vergitterten oder verschlossen Einflugmöglichkeiten in Kirchtürmen. Die Dohle ist jedoch dringend auf Nistplätze in unseren Siedlungen angewiesen, denn die Populationen der Baum- und Felsbrüter sind zusammengebrochen. Nur in unseren Dörfern und Städten in direkter Nachbarschaft zu uns Menschen können wir ihr eine Zukunft bieten. In Deutschland brüten nach gegenwärtigem Stand rund 100.000 Dohlenpaare. Nahezu aus allen Regionen werden rückläufige Zahlen gemeldet. Deshalb stehen die Dohlen in mehreren Bundesländern auf der Roten Liste der gefährdeten Vogelarten oder auf der Vorwarnliste. In Brandenburg ist die Art nach jahrzehntelangen Rückgängen inzwischen vom Aussterben bedroht. Nur im Nordwesten Deutschlands halten sich noch größere und stabile Bestände. Mit der Wahl zum Vogel des Jahres 2012 rückt die Dohle ins Rampenlicht. NABU und LBV zeigen in diesem Jahr, wie wir im Siedlungsbereich helfen können und wichtige Nahrungsgrundlagen in der Kulturlandschaft erhalten können. Auch für die wenigen verbliebenen Fels- und Baumbrüter setzen wir uns ein. Am Beispiel der schlauen Dohle wollen wir zudem eine Lanze brechen für die oft zu Unrecht geschmähten Rabenvögel.
Durch die politisch beschlossene Energiewende wird zunehmend auf einen Energiemix aus erneuerbaren Energien gesetzt. In der Kulturlandschaft spiegelt sich der in den letzten Jahren gestiegene Anteil erneuerbarer Energien an der Versorgung der Bundesrepublik deutlich wider. Neben Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist dabei vor allem der steigende Anteil an Biogasanlagen auffällig. Wurden 2007 im Kreis Höxter 13 Anlagen betrieben, so ist ihre Zahl im Jahr 2010 bereits auf 33 gestiegen (Bioenergie- Region Kulturland Kreis Höxter, schriftl. 2011). Diese dem Bundestrend entsprechende Entwicklung ist mit einer deutlichen Zunahme von Maisund Rapskulturen verbunden. Die auf diesen Flächen erzielte Ernte wird zum größten Teil einer energetischen Nutzung zugeführt. Insgesamt stieg die Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe in Deutschland zwischen 1993 und 2007 von 200.000 ha auf annähernd 1,6 Mio. ha, was einem Anteil von 13 % an der Gesamtackerfläche des Landes entspricht (MENGEL et al. 2010). Im Kreis Höxter wurden im Jahr 2010 10,7 % der Ackerflächen für den Anbau von Biomasse genutzt (LWK NRW 2011). Die Entwicklung des Bioenergiesektors lässt sich an der Steigerung des Flächenanteils für Maisund Rapskulturen verfolgen. So nahm dieser in den letzten 15 Jahren im Kreis Höxter deutlich zu. Allein von 1995 bis 2007 erhöhte sich der Flächenanteil von 14,6 auf 20,7 % (vgl. Abb.1). Diese Entwicklung ist als gesamteuropäischer Trend zu sehen (CHAMBERLAIN et al. 2000). Generell hat sich die Tendenz zu Energiepflanzenkulturen in den vergangenen Jahren verstärkt (FLADE et al. 2008). Die Beschränkung auf wenige, intensiv genutzte Feldfruchtarten führte und führt zu einem gebietsweise starken Verlust an Biodiversität (BAUMANN et al. 2007; UBA 2011; WIERSBINSKI et al. 2007). Die gestiegene Nachfrage an Flächen für Energiepflanzen hatte eine vermehrte Umwandlung von Stilllegungsflächen in Mais- und Rapsfelder zur Folge (JOEST 2008, ILLNER 2007). Die bis 2007 auf diesen Flächen durchgesetzte verpflichtende Stilllegung wurde im Zuge des Rohstoffanbaus für erneuerbare Energien im Jahr 2009 endgültig abgeschafft. Auch eine obligatorische Stilllegung von Flächen wird seit diesem Zeitpunkt nicht mehr finanziell unterstützt (LANDWIRTSCHAFTSKAMMER NRW 2011). Dieser Trend wirkt sich besonders negativ auf die Bestandstrends vieler Vogelarten aus (FLADE et al. 2008). So konnte beispielsweise in der Hellwegbörde eine rückläufige Brutbestandsentwicklung der Wiesenweihe im Zuge des Umbruchs von Brachflächen festgestellt werden (JOEST 2008). Auch die Entwicklung der Grauammerbestände lässt sich direkt an der Verfügbarkeit von Brachflächen messen (DZIEWIATY & BERNARDY 2007). Seit dem Jahr 2010 wird der Kreis Höxter als Bioenergieregion gefördert (BMELV). Das Fachgebiet Landschaftsökologie und Naturschutz der Hochschule Ostwestfalen-Lippe am Standort Höxter (Leiter: Prof. Dr. Ulrich RIEDL) wurde vom Kreis Höxter mit Begleitforschungen zu den Auswirkungen des Biomasseanbaus auf die landschaftliche und biologische Vielfalt im Kulturland Kreis Höxter beauftragt. Die hier dargestellten Daten zur Habitatnutzung und Siedlungsdichte für die Avifauna sind Ergebnisse dieser Begleitforschungen, die in den Jahren 2010 und 2011 durchgeführt wurden. Dabei wurden hauptsächlich die Vogelarten der offenen Feldfluren – die so genannten Feldvögel (vgl. HÖTKER 2004) – betrachtet.
Als Charakterfisch der Nethe war die Äsche (Thymallus thymallus) bis in die 1990er Jahre dort durchaus häufig anzutreffen. Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert – heute muss man lange suchen, um fündig zu werden. Die Ursachen für den Rückgang der Äsche in der Nethe sind vielfältig: Der mit Forelle und Lachs verwandte Fisch reagiert auf Gewässerbelastungen sehr empfindlich und bevorzugt reich strukturierte Gewässer mit einem Wechsel von schnell und langsam fließenden Abschnitten, Flachwasserbereichen und tiefen Kolken (Abb. 1). Zur Fortpflanzung ist die Äsche weiterhin auf von schnell fließendem Wasser über- und durchströmte Kiesbänke angewiesen (LANUV 2011). Eigentlich sollte die Nethe, immerhin ein Gewässer, das nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union Schutz genießt und zum europäischen Naturerbe gehört, dem Fisch günstige Lebensbedingungen bieten. Bei genauerem Hinschauen wird aber deutlich, dass insbesondere die Kiesbänke sich heute in keinem guten Zustand befinden. Von angrenzenden Äckern gelangt bei Starkniederschlägen oder Hochwasser Feinsediment in den Fluss, der das Lückensystem in den Kiesbanken verstopft. Die Folge: Das Verletzungsrisiko der adulten Tiere steigt, da durch den hohen Feinsedimentanteil die Steine in den Kiesbänken miteinander „verbacken“. Dieser Vorgang wird durch den natürlicherweise hohen Calciumgehalt in der Nethe noch verstärkt. In solch kolmatierten Bänken können die Fische ihre Laichgruben nur unter extremen Körpereinsatz anlegen. Dies führt häufig zu Verletzungen der empfindlichen Schleimhäute, woraufhin Pilze die Fische befallen. Häufig resultieren ernsthafte Erkrankungen daraus, nicht selten mit Todesfolge. Auch die Eier und Larven der Äschen sind von dieser Entwicklung betroffen, denn durch die Verstopfung des Lückensystems mit Feinsedimenten werden sie nicht mehr von sauerstoffreichem Wasser umspült und sterben häufig ab (vgl. BAARS et al. 2001). Diese Faktoren können die Reproduktionserfolge der Äschen dramatisch verringern. Seit gut 10 Jahren wirkt zudem der Kormoran, massiv bevorteilt durch die ungünstigen Gewässerstrukturen und zahlreichen Querbauwerke, negativ auf den Äschenbestand. Die Kormoranpopulation hat sich seit Ende des 20. Jahrhunderts, nach der beinahe Ausrottung durch den Menschen, wieder erholt und eine Bestandsgröße erreicht, wie es sie seit vermutlich seit mehr als 200 Jahren nicht mehr gegeben hat. Auf der Suche nach Nahrung werden die Äschen in strukturarmen Gewässern ohne Versteckmöglichkeiten zu einfacher Beute für den schwarzen Vogel, da sie sich oft im Freiwasser aufhalten (LANUV 2011). Weiterhin wirkt sich auch der Klimawandel negativ auf die Äschenbestände aus. Die Ergebnisse der vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie über die wahrscheinlichen Einflüsse des Klimawandels zeigen auf, dass in unseren Gewässern v. a. die Äsche der größte Verlierer sein wird. Die Erwärmung der Gewässer stellt für sie ein besonderes Problem dar, da die Art eine enge Toleranzgrenze bezüglich der Wassertemperatur besitzt (BUNZEL-DRÜKE 2011). Die hier aufgezeigten negativen Entwicklungen gelten natürlich nicht nur für die Äsche in der Nethe, sondern auch für die anderen Populationen im Weserbergland, z. B. in Diemel oder Emmer, die beide ebenfalls einmal bedeutende Äschengewässer waren.
Ein exotischer Gast versetzte im August 2011 die Beverunger Bevölkerung in Aufruhr. Zwischen den Enten am Weserkai stelzte plötzlich ein Ibis umher. Zunächst stand man beim NABU Holzminden und bei der Landschaftsstation im Kreis Höxter den Meldungen über die Sichtung des Schreitvogels skeptisch gegenüber. Denn Verwechslungen bei gemeldeten Raritäten aus der Vogelwelt sind nicht selten. Doch ein Ortstermin beseitigte schnell jeden Zweifel: Es war ein Heiliger Ibis (Threskiornis aethiopicus), dessen eigentliche Heimat sich über das südlich der Sahara befindliche Afrika erstreckt. Der Koloniebrüter ist als Neozoon in Frankreich, Spanien und Italien verbreitet, ferner gibt es einzelne kleinere Populationen in Nordamerika. Einzug erhielt der zu der Familie der Ibisse und Löffler zählende Vogel in diese Gebiete, wenn auch ungewollt, durch die Hilfe des Menschen. Durch sein elegantes Erscheinungsbild und seine Zutraulichkeit, aber auch bedingt durch den Mythos, den diese Spezies schon zur Zeit der Pharaonen umgab, war der Ibis ein willkommener Gast in zoologischen Gärten, in denen er in freifliegenden Kolonien gehalten wurde. Einigen Exemplaren gelang die Flucht, deren Nachfahren heute, zum Teil mit drastischen Folgen für andere Vogelarten, in freilebenden Populationen sowohl an den Küsten aber auch im urbanen Raum anzutreffen sind. Die Gefahr, die vom Ibis für andere Vogelarten ausgeht, besteht nicht darin, dass er den Lebensraum der einheimischen Arten besetzt, sondern darin, dass auf dem Speiseplan des Nahrungsopportunisten neben Wirbellosen, Amphibien und kleinen Fischen auch die Eier und Jungtiere anderer Seevögel stehen [YÉSOU & CLERGEAU 2005]. Bei dem Beverunger Ibis handelte es sich ebenfalls um einen Gefangenschaftsflüchtling. Ein deutliches Anzeichen dafür war der weiße Ring an seinem rechten Bein, aber auch seine Zutraulichkeit gegenüber dem durch ihn verursachten Zustrom neugieriger Besucher. Diese konnten den Ibis nicht nur aus nächster Nähe fotografieren sondern auch aus der Hand füttern.
Auf einer extensiv bewirtschafteten Rinderweide bei Ottbergen (Kreis Höxter) konnten erstmals am 09.06.2010 und an den darauf folgenden Tagen zwei stridulierende Männchen der Feldgrille (Gryllus campestris) festgestellt werden. Die Fläche am Mühlenberg grenzt unmittelbar an einen Kalkmagerrasen des NSG „Kalkmagerrasen bei Ottbergen und Bruchhausen“. Nach einem Jahr, am 30.04.2011, schien sich zunächst der Bestand mehr als verdoppelt zu haben, da insgesamt 5 Männchen von einem Standort aus gehört werden konnten. Einige Tage später, am 07.05.2011 wurde dort nur noch eine und an den beiden folgenden Tagen keine Feldgrille mehr vernommen. Stattdessen wurden 3 Tiere an einer bisher noch nicht untersuchten Stelle (ca. 200 m vom ersten Fundort entfernt) nachgewiesen.
Dem aufmerksamen Naturbeobachter wird es kaum entgangen sein, dass eine im Kreis Höxter neue Pflanze, ein sogenannter Neubürger oder Neophyt, schon seit geraumer Zeit die Weser und ihre Nebenflüsse, ja auch die Muschelkalkhänge und den Solling, erobert hat und teilweise einige Arten der ehemaligen Hochstaudenflur verdrängt. Wie HÄCKER (1988) nachweisen konnte, verschwinden z. B. an der Weser mannshohe einheimische Pflanzen wie der Knollige Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum), die Krause Distel (Carduus crispus), die Große Klette (Arctium lappa), der Gemeine Beifuß (Artemisia vulgaris) oder das seltenere Fluss-Kreuzkraut (Senecio fluviatilis), die u. a. bisher das Bild dieser beeindruckenden Formation prägten und dem Konkurrenzdruck dieses Neulings nicht mehr gewachsen sind. Anderen Orts ist der Verdrängungswettbewerb ein anderer (HAPPE & WENDLING 2005; HAPPE 2012). Es geht um das Indische oder Drüsige Springkraut, das schon bei geringer Berührung seine reifen Kapseln öffnet und die Samenkörner hinausschleudert (daher Springkraut!). Sein wissenschaftlicher Name ist Impatiens glandulifera ROYLE, ein Balsaminengewächs (Balsaminaceae). Die einjährige Pflanze, 50-200 cm hoch, mit oben verzweigtem, bis 5 cm dickem, glasigen Stängel, ähnelt unserem einheimischen Kräutchen „Rühr-mich-nicht-an“ (Impatiens nolitangere, vgl. lat. impatiens = ungeduldig, nolitangere = rühre nicht an), hat jedoch violette, purpurrote, rosa oder weiße Blüten in aufrechten 2-14-blütigen Trauben, inkl. Sporn 25-40 mm lang. Das Springkraut heißt "drüsig", weil zwischen Blattstiel und -grund kleine, rotspitzige Drüsen
"Kalkgeprägte Trockenlebensräume im Kreis Höxter" – ein LIFE+ - Projekt für den Kreis Höxter (NRW)
(2012)
Lebensräume auf Kalk zeichnen sich häufig durch eine besonders vielfältige Flora und Fauna aus. Für den Erhalt der Biodiversität sind sie daher von großer Bedeutung. Während Kalklebensräume im Süden Deutschlands recht weit verbreitet sind, beschränken sie sich in Nordwest- Deutschland im Wesentlichen auf das Weserbergland und die Eifel. Im Kreis Höxter haben im trockenen Standortbereich vor allem die Kalk- Halbtrockenrasen und Orchideen-Kalkbuchenwälder, auf nassen Standorten die Kalk-Flachmoore eine herausragende Bedeutung. Der Bedeutung dieser Lebensräume für den Erhalt der Biodiversität in Europa und als Bestandteil des europäischen Naturerbes Rechnung tragend, genießen sie den Schutz der Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie), die 1992 durch die Europäische Kommission erlassen wurde und für die Mitgliedsländer der EU bindend ist. Die FFH-Richtlinie sieht vor, dass für den Erhalt der im Anhang I der Richtlinie benannten Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse besondere Schutzgebiete, die sogenannten FFH-Gebiete oder Natura 2000-Gebiete, auszuweisen sind. Nach nationalem Recht werden diese in Deutschland zumeist als Naturschutzgebiete rechtlich gesichert. Das so entstandene europaweite Netz von Schutzgebieten repräsentiert im Wesentlichen unser europäisches Naturerbe. Gemäß FFH-Richtlinie sind aber nicht nur Lebensraumtypen zu schützen: Neben dem Netz der Natura 2000-Schutzgebiete ist der direkte Artenschutz die zweite wichtige Säule im europäischen Naturschutz. Da die Vorkommen von Arten des gemeinschaftlichen Interesses aber häufig nicht auf Schutzgebiete beschränkt sind, genießen ihre Vorkommen auch außerhalb derselben den Schutz der Richtlinie. In Deutschland wurde diesem Umstand im § 42 Bundesnaturschutzgesetz Rechnung getragen, wonach den Arten des Anhang IV der FFH-Richtlinie als sogenannte „streng geschützte Arten“ ein besonderer Schutzstatus verliehen wurde. Einen anderen Weg hat man bei den Arten des Anhanges II der FFH-Richtlinie gewählt: Für ihren Erhalt sind besondere Schutzgebiete auszuweisen. Dies ist im Kreis Höxter z. B. für den Kammmolch (Triturus cristatus) geschehen, für den insgesamt drei Schutzgebiete ausgewiesen wurden. Um den Zielsetzungen der Richtlinie gerecht zu werden, ist der sogenannte „günstige Erhaltungszustand“ der Natura 2000-Gebiete und der Arten des gemeinschaftlichen Interesses zu gewährleisten. Dies bedeutet häufig, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen durchführen zu müssen, was mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein kann. Die EU fördert die Umsetzung ihrer Richtlinie deshalb im Rahmen des sogenannten LIFE+ -Programmes (= L’ Instrument Financier pour l’ Environnement), welches EU-weit für die laufende Förderperiode von 2007 bis 2013 z. B. 2,143 Mrd. € bereitstellt. 2010 hat sich der Kreis Höxter dazu entschieden, zusammen mit der Landschaftsstation im Kreis Höxter einen LIFE+- Antrag zu stellen. Im Rahmen einer von der Bezirksregierung in Detmold finanzierten Studie zum Pflege- und Entwicklungsbedarf in den FFH-Gebieten des Kreises konnte gezeigt werden, dass der größte Handlungsbedarf im Bereich der Kalk-Halbtrockenrasen (LRT (= Lebensraumtyp) 6210), der Wacholderstände auf Kalkrasen (LRT 5130), der Flachland-Mähwiesen (LRT 6510) und der Kalk-Orchideen-Buchenwälder (LRT 9150) besteht. Der Antrag zielte daher insbesondere auf diese und weitere nah verwandte Lebensraumtypen ab. Allen Lebensraumtypen ist gemeinsam, dass sie im Weserbergland an Kalk als Ausgangsgestein gebunden sind und dem trockenen Standortbereich zuzuordnen sind. Als Projekttitel wurde daher „Kalkgeprägte Trockenlebensräume im Kulturland Kreis Höxter“ gewählt, oder abgekürzt und „griffiger“: „Vielfalt auf Kalk“.