Die Vogelwarte : Zeitschrift für Vogelkunde, Band 43 (2005), Heft 1
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Editorial
(2005)
Nach langen Jahren der Kontinuität stand nun zwangsläufig ein Generationswechsel an, der auch Anlass war, verschiedensten neuen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Dabei galt es nicht nur, Vogelwarte und Beringungszentrale Hiddensee in den Kreis der Herausgeber aufzunehmen und ein zeitgemäßes, dem Inhalt angepasstes, neues Layout zu gestalten, sondern nach der Umstrukturierung des Journals für Ornithologie auch wieder ein Vereinsorgan zu schaffen, mit dem sich möglichst alle Mitglieder identifizieren können und das ausreichend Platz bietet für Nachrichten und Mitteilungen aus dem Vereinsleben.
Entstanden ist eine neue „Vogelwarte“, in deren Schriftleitung neben den drei Vogelwarten (Wolfgang Fiedler, Radolfzell; Ommo Hüppop, Helgoland und Ulrich Koppen, Hiddensee) auch die DO-G (Christiane Quaisser) vertreten ist. Sie wird sich - durchgängig in deutscher Sprache - weiterhin allen überregional relevanten wissenschaftlichen Arbeiten aus der Ornithologie widmen, aber auch genügend Raum besitzen für Neuigkeiten und Persönliches aus den Beringungszentralen und der DOG, für Dissertationen, Rezensionen, Ankündigungen und vieles mehr. Wie zu Zeiten des „Vogelzug“ wird die „Vogelwarte“ nun wieder viermal im Jahr erscheinen und so den regelmäßigen Austausch von Informationen ermöglichen.
Während es viele Untersuchungen zu nordamerikanischen Limikolen in ihren Brut- und Rastgebieten in der nördlichen Hemisphäre gibt, weiß man sehr wenig über die Ökologie dieser Vögel in ihren tropischen Überwinterungs- und Rastgebieten. Ziel der dieser Dissertation zugrundeliegenden Untersuchungen war es, zunächs das Habitat und die Nahrungsverfügbarkeit in einem tropischen Wattgebiet zu beschreiben und die dort vorkommende Vogelgemeinschaft zu charakterisieren. Weiterhin sollten die Beziehungen zwischen den Vögeln und ihrem Nahrungshabitat analysiert und der Einfluss der Vogelkonsumption auf die tropischen Watten untersucht werden.
Reproduktive Leistung eines über zwölf Jahre brütend kontrollierten Steinkauzweibchens Athene noctua
(2005)
Ein über 12 Jahre brütend kontrolliertes Steinkauz-Weibchen zeigte eine hohe Brutortstreue und Partnertreue über drei Jahre. In 11 Brutjahren legte es 49 Eier, aus denen 36 Nestlinge das Beringungsalter (10.-14. Lebenstag) erreichten. Ab dem Alter von 10 Jahren wurden durchschnittlich 0,8 Eier pro Jahr weniger gelegt. Von den 36 Nachkommen siedelten sich 2 Weibchen und 1 Männchen selbst wieder in der untersuchten Population an. Bis zum Alter von 9 Jahren lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Bestandsdichte der Feldmaus als Hauptbeute und dem Termin des Legebeginns feststellen.
Ein nestjunger Weißstorch aus der Gegend von Kaliningrad, Russland, wurde im Juli 2000 in der Biologischen Station Rybatschij aufgezogen und im September verspätet freigelassen. Im Rahmen eines Projektes zur Untersuchung des Orientierungsvermögens wurde er mit einem Satellitensender (14554) ausgestattet. Obwohl die Weißstörche aus dem Kaliningrader Gebiet normalerweise nach SO ziehen, wanderte der besenderte Vogel nach SW ab, überquerte das Mittelmeer von Frankreich nach Tunesien, verbrachte seinen ersten Winter und zweiten Sommer in Nordafrika und seinen zweiten Winter im Tschad-See-Gebiet im Norden von Nigeria und Kamerun. Im Sommer 2002 hielt er sich auf der Iberischen Halbinsel auf, im Winter 2002/2003 im äußersten Süden Spaniens. Im Sommer 2003 kehrte der Storch im Alter von 3 Jahren in das Verbreitungsgebiet osteuropäischer Weißstörche zurück – nach Nordpolen, nur 220 km südwestlich von seinem Geburtsort, wo er möglicherweise brütete. Der Wegzug 2003 verlief über die für osteuropäische Weißstörche typische Ostroute. In Afrika zog der Storch weit nach Westen – bis in den West-Tschad – sodass sich sein Winterquartier nur 175 km von dem Gebiet entfernt befand, das er 2002 über die Westroute erreicht hatte.
Diese praxisbezogene Einführung stellt Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes multivariater statistischer Verfahren in der Feldornithologie vor. Hauptkomponentenanalyse, Diskriminanzanalyse und Clusteranalyse gehören zu den wichtigsten multivariaten Verfahren in der ökologischen Forschung. Dieser Artikel liefert die theoretischen Grundlagen und ist gleichzeitig eine Orientierungshilfe für die Anwendung dieser Verfahren. Außerdem werden für jedes Verfahren Indikatoren für die Qualität der Analyse sowie Möglichkeiten der Interpretation diskutiert und anhand eines Fallbeispiels demonstriert.
Von 1994 bis 2003 erfassten wir in einem Braunschweiger Untersuchungsgebiet die Brutbesiedlung von Nistkastenrondellen (jeweils 8 Höhlen rings um einen Eichenstamm). Wenn ein Rondell im selben Jahr von 2 Brutpaaren genutzt wurde, ging in die Auswertung nur die Wahl des Erstbesiedlers ein. Erstbesiedler waren 74 x Kohlmeisen Parus major, 7 x Blaumeisen Parus caerulus, 28 x Kleiber Sitta europaea, 34 x Trauerschnäpper Fidecula hypoleuca und 4 x Stare Sturnus vulgaris. Die meisten dieser Paare wählten Nisthöhlen, deren Eingang nach Osten (NE, E, SE) zeigte. Die stärkste Bevorzugung für den wetterabgewandten Ostsektor ließ sich bei Fidecula hypoleuca feststellen. Bei Nistkästen mit nach Osten weisendem Einflugloch dürfte das Risiko für Brutverluste durch Feuchtigkeit und/oder Überhitzung minimiert werden. Allerdings kann das Ergebnis der experimentellen Studie nicht auf die Situation von Naturhöhlen übertragen werden. Denn in benachbarten Waldparzellen waren die vom Star zur Brut genutzten Naturhöhlen (n = 72) bevorzugt in westliche Richtungen orientiert. Sekundäre Höhlenbrüter können ihre Präferenz hinsichtlich der Ausrichtung des Höhleneingangs unter natürlichen Verhältnissen offenbar nur eingeschränkt oder gar nicht realisieren, weil sich das Naturhöhlenangebot witterungsbedingt vor allem im S/SW-Sektor befindet.
Die bedeutendste Entdeckung der letzten 30 Jahre in Bezug auf das Fortpflanzungsverhalten von Vögeln war die Erkenntnis, dass es bei mehr als 80% aller sozial monogamen Singvogelarten regelmäßig zu Kopulationen außerhalb des Paarbundes kommt („extra-pair copulations“; EPCs). In der Folge setzte sich eine beeindruckende Zahl von Untersuchungen mit verschiedenen Aspekten dieses Verhaltens auseinander. Neben Studien, die sich mit Unterschieden in der Häufigkeit des Auftretens von „Fremdvaterschaften” bei verschiedenen Vogelarten beschäftigten, wurden vor allem Untersuchungen zum Kosten und Nutzen von EPCs für Männchen und Weibchen durchgeführt. Auf der Basis eigener Untersuchungen, die dazu dienten, das genetische Paarungssystem von sozial monogamen Kohl- und Tannenmeisen (Parus major and P. ater) zu ergründen, werden hier einige Resultate dieser Bemühungen und auch die ihnen zugrundeliegenden Überlegungen dargestellt. Kosten von EPCs beinhalten für Weibchen möglicherweise eine Reduktion in der Brutfürsorge durch die Männchen, weil die Anzahl eigener Nachkommen und damit der Fortpflanzungswert einer Brut für „betrogene“ Männchen abnimmt. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese fanden wir, dass sich die Brutverteidigung männlicher Kohlmeisen nach der Anzahl eigener Nachkommen und nicht nach der Brutgröße richtet. Außerdem fütterten „betrogene“ Männchen ihre Bruten weniger als nicht „betrogene“ Männchen. Wenn EPCs den Weibchen Kosten verursachen, so muss auf der anderen Seite ein entsprechender Nutzen vorhanden sein, da Selektion sonst zum Verschwinden dieses Verhaltens führen sollte. Während männliche Kohl- und Tannenmeisen ihren Fortpflanzungserfolg durch EPCs direkt erhöhen können, ist ein Nutzen für die Weibchen nicht derart offensichtlich. Bei der Analyse einer großen Zahl von Tannenmeisenbruten konnten wir keinerlei Hinweis dafür finden, dass die vieldiskutierten „Gute Gene”-Modelle den Nutzen von EPCs für Weibchen erklären. Würden Weibchen durch EPCs „bessere“ oder „kompatiblere“ väterliche Gene für die betreffenden Nachkommen erhalten, wäre zu erwarten, dass EPY ihren Halbgeschwistern in irgendeiner Form überlegen sind. Zwischen den beiden Halbgeschwistergruppen fand sich jedoch weder in Bezug auf die Überlebenswahrscheinlichkeit noch in Bezug auf den Fortpflanzungserfolg im ersten Brutjahr ein Unterschied. Aus diesen und anderen Befunden wird geschlossen, dass „Gute Gene”-Modelle das weit verbreitete Auftreten von EPCs bei Vögeln alleine kaum erklären können und dass wahrscheinlich mehr als ein einzelner Selektionsfaktor die Evolution dieses Verhaltens bei Vögeln beeinflusst hat.