Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, Jahrgang 36 (1999), Sonderheft
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Der Braunkohlenbergbau in Sachsen-Anhalt kann auf eine lange Geschichte verweisen. Bereits im Jahre 1382 wird für Lieskau bei Halle eine "Kolgrube" urkundlich bezeugt. Es handelt sich hierbei wahrscheinlich um den frühesten Nachweis der Braunkohlennutzung in Mitteldeutschland (OELKE 1999). In den meisten Tagebaugebieten kann die Gewinnung von Braunkohle bis zu 300 Jahre zurückverfolgt werden.
Aufbauend auf den in der Vergangenheit in der Bergbaufolgelandschaft meist zufällig und kleinflächig ausgewiesenen 33 Schutzgebieten konnten auf der Grundlage der Forschungsergebnisse des Verbundprojektes insgesamt 67 Vorschläge für die Ausweisung neuer Schutzgebiete (Tab. 10) unterbreitet werden. Darin eingeschlossen sind auch Empfehlungen für Prozessschutzgebiete (Totalreservate). Für jede der vorgeschlagenen Schutzgebietskategorien (Naturschutzgebiet - NSG, Landschaftsschutzgebiet - LSG, flächenhafte Naturdenkmale - ND und Geschützte Landschaftsbestandteile - GLB) wurde eine Beispielsverordnung erarbeitet sowie für die Bergbaufolgelandschaft spezifische Aspekte der Unterschutzsteilung von Flächen herausgearbeitet.
In Sachsen-Anhalt ist im Laufe einer mehr als 100 jährigen intensiven Abbautätigkeit nach Braunkohle im Tagebaubetrieb eine Fläche von ca. 27000 ha in Anspruch genommen worden (Karte 1). Während damit einerseits extreme Auswirkungen auf den Naturhaushalt und die völlige Zerstörung der gewachsenen Kulturlandschaft verbunden waren, zeigen andererseits insbesondere die der Sukzession unterliegenden Bereiche, dass die Bergbaufolgelandschaft aus der Sicht des langfristigen Schutzes von Natur und Landschaft einer neuen Bewertung bedarf.
Im Großraum um Halle und Leipzig wird seit mehr als 300 Jahren Braunkohle abgebaut. Sie war als Energieträger und ab dem 19. Jahrhundert auch als Rohstoff die Grundlage für die Entwicklung wichtiger chemischer Verfahren und machte Mitteldeutschland zum Zentrum der chemischen Industrie. In Spitzenzeiten wurden jährlich bis zu 100 Mio t Braunkohle gefördert.
Die standörtlichen Gegebenheiten und die ökologischen Bedingungen in der Bergbaufolgelandschaft sind grundverschieden von denen der gewachsenen, unverritzten Kulturlandschaft. Dadurch entstanden und entstehen neue Lebensräume, die in Sachsen-Anhalt sonst nur noch sehr selten, kleinflächig oder überhaupt nicht mehr anzutreffen sind. Im Folgenden werden die für die Erhaltung und Entwicklung von Natur und Landschaft hervorzuhebenden Merkmale dieser einmaligen Landschaft kurz charakterisiert.
Von den in Sachsen-Anhalt vorkommenden etwa 2300 höheren Pflanzenarten konnten ca. 725 Arten, also rund ein Drittel, in den Folgelandschaften des Braunkohlenbergbaues nachgewiesen werden. Diese Zahl erscheint relativ gering, ist aber bei Berücksichtigung der teilweise extremen abiotischen Bedingungen und des geringen Entwicklungsalters der Lebensräume doch erstaunlich groß.
Bei den im Rahmen des Forschungsverbundes erfolgten faunistischen Untersuchungen stand die Charakterisierung der unterschiedlichen, vor allem aber der wertvollen Biotoptypen der Braunkohlenfolgelandschaft mit Hilfe der dort lebenden Tierarten bzw. Artengemeinschaften im Vordergrund. Es wurden Tiergruppen bearbeitet, die zum einen ein hohes indikatorisches Potential besitzen, zum anderen unterschiedliche ökologische Hierachieebenen repräsentieren. Eine Auswertung der Ergebnisse erfolgte zumeist auf der Ebene der Biotoptypengruppen (siehe Heyde; Jakob; Köck; Reuter im gleichen Heft).
Eine Erfassung der tagebautypischen Biotoptypen mit den Kartierungsschlüsse in der ClR-Biotoptypen und Nutzungstypen- bzw der selektiven Biotopkartierung der § 30-Biotope Sachsen-Anhalts ist nur bedingt möglich. Deshalb wurde durch die Mitarbeiter des Forschungsverbundes ein spezieller Biotoptypenkatalog Für die Bergbaufolgelandschaft erarbeitet. Die wesentlichsten und für den Naturschutz interessantesten Biotoptypengruppen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.
Folgenutzungen
(1999)
Die Mitarbeiter des Forschungsverbundes bauten ein Geographisches Informationssystem (GIS) auf, das als zentraler Datenpool für die verschiedensten Nachnutzungen zur Verfügung steht. Die Strukturierung des GIS wurde vor allem an den Interessen des zukünftigen Hauptnutzers, der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbauverwaltungsgesellschaft, ausgerichtet. Eine Übernahme von Daten in das vom Land Sachsen-Anhalt gehaltene GIS ist über eine spezifische Schnittstelle möglich.
Durch den Tagebaubetrieb werden die vorbergbaulichen Ökosysteme irreversibel zerstört. Die nach dem Bergbau herrschenden geomorphologischen, pedologischen, hydrologischen und klimatischen Bedingungen weisen häufig Extreme auf. Charakteristisch sind instabile Verhältnisse und die hohe Entwicklungsdynamik der abiotischen Faktoren selbst. Neue Oberflächenformen mit teilweise erheblicher Morphodynamik durch Rutschungen, Sackungen, Auswehungen, Abspülungen, Tiefenerosion und Akkumulation, kleinräumig wechselnde Hangneigungs- und Expositionsbedingungen mit damit verbundenen Einstrahlungsunterschieden sowie neue Boden- und Substratverhältnisse durch Verkippung mit völlig veränderten bodenphysikalischen und -chemischen Eigenschaften prägen die Standorte in den Tagebauen.