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Der vorliegende Beitrag kann keinen umfassenden Überblick über die Literaturgeschichte moderner Engel in Aussicht stellen. Stattdessen möchte ich das vielseitige und zugleich ambivalente Nachleben der Figur und die divergierende Gestaltung religiöser Sinn- und Anspielungshorizonte textnah anhand von Gotthold Ephraim Lessings 'Nathan der Weise' (1779) und Heinrich von Kleists 'Das Käthchen von Heilbronn' (1808/10) untersuchen.
Die im religiösen Kontext entstandenen Formen des Umgangs mit Heil und Erlösung bleiben bis in die Gegenwart prägend für den literarischen Diskurs. Die Bibel stellt dabei einen zentralen Prätext dar, wobei in der Moderne nicht selten gerade ihre ambivalenten Erzählungen und Figuren in den Blick genommen werden. Auch mehrere Texte von Joseph Roth befassen sich mit der Frage nach dem Heil und beziehen sich dabei in unterschiedlicher Weise auf religiöse Literatur. Mit dem Roman 'Hiob. Roman eines einfachen Mannes' und der Novelle 'Die Legende vom heiligen Trinker' stehen zwei dieser Texte im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen. Beide Texte greifen neben ihren expliziten Bezügen zur religiösen Literatur auf das Motiv der Wüstenwanderung und das damit verbundene Schema von Exil und Wiederkehr zurück, beziehen sich dabei aber auf je unterschiedliche religiöse Konzepte und Erzähltraditionen. Nicht zuletzt steht 'Hiob' in engem Bezug zur jüdischen Kultur Osteuropas, während die 'Legende' stärker an der christlichen Kultur orientiert ist.
Im Folgenden soll die gegenseitige Befruchtung von Kunstschaffen und Religion am Beispiel Ludwig Meidners, einer der Doppelbegabungen aus dem Umkreis des Expressionismus, vorgeführt werden, der als Maler und Zeichner und Schriftsteller hervorgetreten ist. Interessant scheint das Exempel auch deshalb, weil gezeigt werden kann, wie die Bezogenheit auf das Heilige die Medien Text und Bild durchzieht und so in besonderer Weise transgressiv wirksam wird.
Die Bibel ist Weltliteratur 'und' eine heilige Schrift - damit spreche ich sowohl bereits den Kern des Beitrages als auch die Schwierigkeit dieser Konstellation an. In welchem Verhältnis steht die Bibel als Literatur zu dem Begriff der Heiligkeit, der ihr kanonisch, normativ und auch inhaltlich zuerkannt wurde und teils wird? Beide Aspekte, sowohl ihre Literarizität (1. 'Bible as Literature') als auch ihre Einordnung als eine heilige Schrift (2. Die Bibel als heilige Schrift), werden im Folgenden in einem Wechselspiel aus literaturwissenschaftlicher und theologischer Hermeneutik untersucht, da diese beiden Disziplinen die Bibel als literarisches und/oder religiöses Medium wahrnehmen und aufgreifen.
Heilige Texte im modernen Japan? : das "Kojiki" im Blick von Ōkura Kunihiko und Tsuda Sōkichi
(2017)
In räumlicher Erweiterung der Frage nach 'heiligen Texten' in der Moderne sei der Blick auf Japan gerichtet. Denn nicht unerheblich sind Überlegungen darüber, ob es sich beim 'heiligen Text' um eine über Europa hinaus anwendbare Denkfigur handelt, die auch Perspektiven für transkulturelle Forschungen eröffnet. Japan bietet durch seine lange, wechselvolle Erfahrung im Umgang mit anderen Kulturen einen idealen Fall für transkulturelle Vergleiche an, mit denen sowohl die Verhältnisse in Japan näher beleuchtet als auch zugleich die eigenen Ausgangsbedingungen hinterfragt werden können. Wie es dazu kam, dass gerade das 'Kojiki' zum exemplarischen 'heiligen Text' in Japan avancierte und welchem geistesgeschichtlichen Kontext diese Wahrnehmung verbunden ist, sei im Folgenden näher erläutert.
Im Lichte der "Redevielfalt" basiert textuelle (Über‑)Heiligkeit auf drei Punkten: erstens auf einer Polyphonie, d. h. einer Vielzahl von divergenten Heiligkeitsdeutungen und -perspektiven sowie Weltanschauungen, die sich in der Orchestrierung des Autors brechen und ergänzen. Zweitens: Ein Mehrwert dieser textuellen (Über‑)Heiligkeit liegt darin, dass postmoderne und postkoloniale Literatur sich gegen religiöse und kulturelle Vorstellungen von dogmatischer Homogenität wendet und sich in dieser literarischen Opposition gegen dogmatische Denkvorstellungen von Heiligkeit richtet. Insofern entsteht eine "Ästhetik des Überschreitens" (Michael Hofmann), also eine neue Weltliteratur, die den Herausforderungen der Globalisierung entgegentritt und sich jeder engen nationalen, kulturellen sowie religiösen Zuschreibung definitiv entzieht. Meine Behauptung der Überheiligkeit bzw. der textuellen Redevielfalt über das Heilige ließe sich drittens und schließlich mit einer Beobachtung begründen: Viele Arbeiten über die Darstellung von 'heiligen Texten' in der Literatur untersuchen das Heiligkeitskonzept mit einem Fokus auf die Buchreligionen. Dabei wird oft übersehen, dass es auch Praktiken des Heiligen gibt, die nicht in einer Buchreligion entstehen bzw. die jenseits von Buchreligionen ihren Bestand haben. Es ist diese Überschreitung von gewohnten Apperzeptionen des Heiligen, nämlich die Vorstellung des Heiligen mit und ohne Buchreligion, die ich im Folgenden näher betrachten werde.
Der vorliegende Essay möchte die Verbindung von Philosophie und Religion näher ausführen und sie exemplifizieren anhand der Exegese der Bibel im 'Stern der Erlösung'. Hierfür sollen zunächst ein paar einleitende Worte zur Biographie Rosenzweigs angeführt werden, da bei diesem Denker, wie bei kaum einem zweiten der jüdischen Moderne, Leben und Werk eng aufeinander bezogen sind. Daran anschließend konzentriere ich mich auf den 'Stern', um herauszuarbeiten, wie Rosenzweig die Bibel benutzt, um gewisse für sein Denken zentrale philosophische Sachverhalte anhand von Bibelstellen zu erläutern.
Indem Benjamin die "Umkehr" als zentrales Element herausgreift – also das Verwandeln von Leben in Schrift und nicht von Schrift in Leben -, löst er Kafka aus einer nur auf das Judentum beschränkten Bedeutung und zeigt dessen Relevanz für das Verständnis von Geschichte überhaupt. Die Form des Kafka’schen Werks enthalte "Hinweise auf einen Weltzustand". Insofern tut sich in der Auseinandersetzung zwischen Benjamin und Scholem bezüglich der Frage von Heiligkeit und Schrift etwas Neues auf: Wie wahre Hoffnung nur für die Hoffnungslosen ist, so erscheint das Verständnis echter Heiligkeit als rein theologischer Kategorie durch die Erkenntnis der nicht mehr heiligen Schrift bedingt.
Im ersten Teil der vorliegenden Analyse werden zwei Themen in Jungs Schrift untersucht: die Amoralität und Unbewusstheit Gottes sowie dessen Menschwerdung. Dann soll erörtert werden, wie Jung zu seiner Interpretation kommt, und schließlich wird gezeigt, welche Bedeutung Jung der Hiobschrift für das 20. Jahrhundert und danach beimisst.
Welche Signifikanz sich das über die 'Geistlichen Übungen' geregelte Bildliche bewahrt hat, möchte ich im Folgenden anhand einer Erzählung aus den 'Nachtstücken' E.T.A. Hoffmanns, der 'Jesuiterkirche in G.' aus dem Jahre 1816, skizzieren, die sich bei genauer Betrachtung als eine literarische Abhandlung über das jesuitische Bild- und Wahrnehmungsverständnis zu erkennen gibt.