Medienkomparatistik : Beiträge zur Vergleichenden Medienwissenschaft ; 4.2022
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'Goethe goes Rammstein' : Rammsteins "Vertonungen" von Goethes Gedichten als Arbeit am Klassiker
(2023)
Die mitunter freien, aber dennoch klar auf das Original verweisenden Adaptionen von Goethes Gedichten durch die Band Rammstein zeigen symptomatisch ein zu beobachtendes Phänomen in der Literaturgeschichte, das hier als "Arbeit am Klassiker" in Anlehnung an Blumenbergs "Arbeit am Mythos" betitelt wird. Texte und Narrative, denen ein allgemeiner Bekanntheitsgrad zu unterstellen ist, werden unter Nutzung dieses Bekanntheitsgrads über intertextuelle Verweise verwendet und variiert, kritisiert oder für die Erschließung neuer Perspektiven und Kontexte verwendet. Während Franz Schuberts Vertonungen von Goethes Gedichten "Heidenröslein" und "Erlkönig" eher darauf zielen, die 'lyrischen Qualitäten' der Gedichte durch die Intonierung weiter hervorzuheben und die Stimmung atmosphärisch greifbar zu machen, sind die Bearbeitungen durch Rammstein deutlich vielschichtiger, wobei die Bezugnahmen auf den stabilen 'Kern' von Goethes Gedichten und damit deren kanonisierten Status dennoch vorhanden bleiben. Damit kommt es zu einem ähnlichen Phänomen, wie Blumenberg es der Natur des Mythos zuschreibt, "daß er Wiederholbarkeit suggeriert, ein Wiedererkennen elementarer Geschichten". [...] Der Wiedererkennungswert dieser Geschichten bzw. in Goethes Fall der beiden Gedichte, zusammen mit ihren offenbar die Phantasie anregenden Inhalten beinhaltet eine Bedeutsamkeit, die ganz ähnlich zu der von Blumenberg dem Mythos attestierten, aufzufassen ist. Ihre Wiederholungen in verschiedenen medialen Kontexten steigern den Wiedererkennungswert, sodass dieser sich stets selbst aktualisiert, da die Bekanntheit überhaupt erst Grundlage für intertextuelle Verweisspiele ist und so der Rückgriff bzw. die "Arbeit am Klassiker" ein sich selbst stets wieder erweiterndes Geflecht aus Texten und anderen medialen Ausdrucksformen ist.
Sowohl in der bildenden Kunst als auch in der Literatur finden sich seit Beginn der Institutionalisierung des klassischen Büros, hierzu zählen bereits vor der Etablierung des Begriffs im 19. Jahrhundert unterschiedliche Räume wie Kontor, Kanzlei, Amts- und Schreibstuben, Versuche, dieses zunächst kunstfern und prosaisch wirkende Thema künstlerisch zu verarbeiten. Während sich zu den literarischen Figuren des Büros durchaus Forschungsliteratur finden lässt, ist eine umfassendere literatur- und kunstwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den räumlich-materiellen Dimensionen des Büros bisher ausgeblieben. Ich möchte daher im Folgenden unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten materieller Bürokultur in Kunst und Literatur untersuchen und diese Dinggeschichten auf ihr ästhetisches Potential und ihren Einsatz als Mittel zur Gesellschaftsreflexion hinterfragen. Besonders berücksichtigt werden dabei Facetten von Mensch-Ding-Beziehungen, die Formen der Verfremdung, Verdinglichung und der Verlebendigung generieren. Exemplarisch betrachtet werden sollen so verschiedene künstlerische Darstellungen wie Renaissance-Gemälde, Objektkunst und Installationen; als literarische Beispiele werden Romanauszüge aus dem 19. und 20. Jahrhundert und vor allem Gedichte hinzugezogen, da gerade lyrische Texte über das Büro aufgrund ihrer hohen Beschreibungsintensität oft kreativ auf Büroartefakte Bezug nehmen.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit ausgewählten Arbeiten des britischen Street-Art-Künstlers Banksy bzw. des ihn umgebenden künstlerischen Kollektivs, welche neben Graffiti auch Performances und Installationen umfassen. Wichtiges Charakteristikum der Werke ist dabei nicht selten der konkrete Bezug auf die jeweils unmittelbare Umgebung, d. h. die Interaktion von Text oder Bild mit der kontextuellen, zeitlichen und räumlichen, Realität. Die Arbeiten sollen entsprechend als Phänomen der reflektierten Intermedialität Betrachtung finden, die - so die Grundannahme - im Zeitalter des Digitalen potenziert ist. Sie sind durch ihren ephemeren Charakter gekennzeichnet und bedürfen nicht selten der medialen Dokumentation, um überhaupt Gegenstand der Analyse werden zu können. Dies erfolgt einerseits durch klassische Zeitungsmedien sowie andererseits durch digitale Social-Media-Einträge und -Clips, insofern Banksys Werke durch ihren provokativen Charakter nicht selten breite Aufmerksamkeit erzeugen. Für die bisweilen nur kurze Zeit ihrer Existenz werden die Orte der Entstehung dabei u. a. zu touristischen Zielen. Auch das Banksy-Kollektiv selbst nutzt diese Kanäle zur Dokumentation, teilweise zudem im Sinne von Meta-Kommentaren und um Kritik an wahrgenommenen Fehlentwicklungen zu äußern, etwa beispielsweise dem Massentourismus. Darüber entfaltet sich ein komplexes Spiel zwischen bisweilen sehr vielfältigen Deutungsebenen, die nicht zuletzt die klassischen Verständnisse von Werk, Rahmen und ästhetischer Erfahrung thematisieren, hinterfragen und vor dem Hintergrund einer potenzierten Medialität zur Diskussion stellen.
Eine alte Dame sitzt in ihrem Sessel im heimischen Wohnzimmer in Schottland und schaut im Fernsehen ihre Lieblingsserie - eine Naturdokumentation der BBC. Bei der skizzierten Situation handelt es sich eigentlich um nichts Ungewöhnliches. Die betreffende Person heißt Veronica McCreedy und ist eine fiktionale Figur, genauer gesagt, die weibliche Hauptfigur aus Hazel Priors Erfolgsroman "Away with the Penguins" (2020) mit der Fortsetzungsgeschichte "Call of the Penguins" (2021). [...] Priors Romane über die Begegnung der Seniorin mit der Welt der Pinguine liefern nicht allein ein bemerkenswertes Beispiel für die literarische Darstellung der Mensch-Tier-Beziehung in der Gegenwart, die sie zu einem bevorzugten Gegenstand der Human Animal Studies prädestinieren. Sie geben zudem darüber Aufschluss, wie sich Romanschriftsteller/innen beim Verfassen ihrer Fiktionen an einem anderen Leitmedium orientieren können, in diesem Fall an der seriellen TV-Naturdokumentation. Entscheidend ist dabei der Umstand, dass die Serie nicht nur auf der inhaltlichen Ebene der Erzählfiktion thematisiert wird, sondern die filmische Produktion selbst, vor allem im zweiten Roman, auch den Aufbau und die Struktur der Erzählung sowie die Figurenkonfiguration maßgeblich prägt. In "Call of the Penguins" kommt es überdies zu einer interessanten, immer wieder ironisch gebrochenen Reflexion auf den filmischen Produktionsprozess, die jeweils beteiligten Sprecher, Kamera und Regie, wie es für Romane, die zur (anspruchsvollen) Populärliteratur gehören, auf den ersten Blick eher ungewöhnlich erscheinen mag. Anders formuliert: Die Pinguin-Erzählungen von Hazel Prior erlauben Einblicke in den Vorgang einer interessanten und komplexen Adaption. Sie zeigen beispielhaft, wie es gelingen kann, das beliebte Genre der TV-Naturdokumentation in Erzählfiktionen anzueignen und in den fiktionalen Texten ästhetisch produktiv umzusetzen.
Der Aufsatz untersucht in einem kontrastiven Vergleich zwischen dem klassischen Detektiv Sherlock Holmes und heutigen Forschungsagenturen wie Forensic Architecture einen aktuellen Wandel des "Indizienparadigmas" (Ginzburg). Ausgehend von der Rolle, die das "Indizienparadigma" für eine kritische Literatur- und Kulturwissenschaft spielt, wird der staatstragende Positivismus eines Sherlock Holmes von dem staatskritischen Konstruktivismus von Forensic Architecture unterschieden: Während Holmes die Spur als ein positives Datum auffasste, wird sie in den virtuellen Investigationen von Forensic Architecture zu einem aus Daten Hervorgebrachten. Diese Gegenüberstellung ist jedoch zu differenzieren, wenn man die 'Ästhetik der Objektivität' (Charlesworth) der Animationsvideos kritisch untersucht, mit denen Forensic Architecture ihre Ergebnisse präsentieren. Der Aufsatz schließt mit der Frage, welche Konsequenzen sich aus den neuen Formen des Wissenserwerbs für die Methodik der Literatur- und Kulturwissenschaften ziehen lassen.
Die französische Krimiserie "L'art du crime" ist nicht die erste, die bildende Kunst und Verbrechen zueinander in Beziehung setzt. [...] Im Gegensatz zu anderen Serien und Filmen, die intermediale Bezüge innerhalb ihrer audiovisuellen Darbietung auf Inhaltsebene in Form von Bild- und anderen Kunstreferenzen in hoher Frequenz realisieren, zeichnet sich "L'art du crime" darüber hinaus durch eine komparatistische Verhandlung divergierender - bildkünstlerischer und televisiver - Medialitäten auf Diskursebene aus, die im Zentrum des vorliegenden Artikels steht. [...] Die seit 2017 mit bislang 20 Episoden in sechs Staffeln auf France 2 ausgestrahlte Serie um das ungleiche Ermittlerduo Antoine Verlay (Nicolas Gob), Capitaine beim Pariser OCBC, und Florence Chassagne (Eléonore Bernheim), Kunsthistorikerin im Louvre, inszeniert - so die grundlegende These - das Aufbrechen starrer Mediengrenzen, genauer: der malereiinhärenten Momenthaftigkeit statischer Visualität, indem sie diese unter Einsatz genuin televisiver Medienspezifika dynamisiert, komplexe Handlungsfolgen aus ihr generiert. Aus der audiovisuellen Kommunikationssituation, die das Seriengenre mit dem Film teilt und Elemente narrativer und dramatischer Kommunikationssituationen fusioniert, lässt sich die Hybridität der televisiven Medialität ableiten: Besitzt sie einerseits (dramatische) Charakteristika von Theatralität, zählen andererseits Merkmale audiovisueller Narration zu ihren festen Bestandteilen, die im Falle der TV-Serie von Serialität - dem Zusammenspiel von Wiederholung, Stagnation und Progression im seriell organisierten Erzählfluss - gekennzeichnet ist. Die in "L'art du crime" behandelten Gemälde französischer und europäischer Künstler werden so durch die Verwebung in die wöchentliche Kriminalgeschichte aus ihrer statischen Visualität und historischen Isolation herausgehoben und mittels bewegter Bilder, televisiv-remediatisiert, in einen neuen dynamischen und aktualisierten Handlungs- und Deutungszusammenhang integriert. Die Analyse vollzieht sich in drei Schritten: Nach einer ersten generischen Bestimmung von "L'art du crime", bei der insbesondere auch serielle und theatrale Elemente der Gesamtproduktion zur Diskussion kommen, werden audiovisuelle serielle Narrativität und Theatralität als Komposita televisiver Medialität sodann an je zwei exemplarischen Kriminalfällen in Bezug auf die in diesen Episoden jeweils aufgegriffenen bildkünstlerischen Artefakte untersucht.