830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Drei einleitende Abschnitte, die Mörikes Dingpoetik und Aspekte der Dingliteratur generell erschließen, führen im Folgenden hin zu einer Neuinterpretation seines Märchens Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Zunächst soll die gesamte Bandbreite der in Mörikes Dichtung verwendeten Dinge vorgestellt werden, danach werden die poetologischen Gründe für ihre Prominenz in seinem Werk erhellt. Drittens soll die Affinität von Ding und Spruch beziehungsweise Sprichwort beleuchtet werden. Erst nach diesen Vorläufen ist es möglich, den spezifischen Einsatz wundermächtiger Dinge im Stuttgarter Hutzelmännlein ausführlicher zu thematisieren. Hier kann und soll schließlich gezeigt werden, auf welche artistische und zugleich hochnotpeinliche Weise Mörike mit seinem Märchen eine Antwort zu geben versuchte auf die Herausforderung, die die Moderne und der poetische Realismus an das Wunderbare stellten.
Busfahrt mit Rilke
(2016)
Gedicht über Rainer Maria Rilke von Luca Buonaguidi
Zwar gibt sich Günter Grass' "Treffen in Telgte" ausschließlich als ein Poetentreffen und hat den Blick der Leser nahezu ausschließlich auf die Poetenfiguren, ihre Diskussionen und die Analogie zur Gruppe 47 gelenkt – geheimes Zentralgestirn aber, um den die barocken Poeten kreisen, ist der im Zentrum der Erzählung in Telgte eintreffende Überraschungsgast Heinrich Schütz. In der Gegenwart des Komponisten verzwergen die Dichter mit ihrem durchaus respektablen Anliegen, eine poetische Nationalkultur zu begründen, und unterwerfen sich seiner Autorität als moralischer Instanz und als Künstler. Der 'große Schütz' formuliert nicht nur die relevante poetologische Programmatik der Erzählung, sondern initiiert auch den hier noch als Musketier und Quartiermacher auftretenden Grimmelshausen in seine spätere Rolle als den für Grass größten Dichter des Barockzeitalters und sein ihn von Jugend an bestimmendes Vorbild. Während die Poeten angesichts der politischen Ohnmacht der Dichtung in den Zeiten des nicht enden wollenden Krieges schier verzweifeln, weisen diese beiden scheinbar als Nebenfiguren eingeführten Charaktere über die Erzählung hinaus in die Zukunft.
Aktualität und Relevanz realistischer Schreibverfahren in der Gegenwartsliteratur anhand einer Dorfgeschichte zu veranschaulichen, klingt erst einmal nicht nach einer guten Idee. Gerade die Dorfgeschichten haben der realistischen Prosa des 19. Jahrhunderts den Ruf eingetragen, altbacken, naiv und kitschig zu sein. Schauplatz der Handlungen ist üblicherweise ein bäuerlich-dörfliches Milieu, das detailreich und mit Rückgriff auf Oppositionspaare wie gut vs. böse beschrieben wird. Als formprägend gelten die heute kaum noch bekannten "Schwarzwälder Dorfgeschichten" Berthold Auerbachs (1843 ff.). Aber die Literaturwissenschaft hat gerade dieses Thema jüngst neu für sich entdeckt.
Realismus revisited
(2016)
Während sich unsere Wirklichkeit medial, technologisch und politisch rasant wandelt, macht Realismus wieder von sich reden. In der Philosophie liest man vom spekulativen oder neuen Realismus, Politiker werben um mehr Realismus, in den Sozialwissenschaften beginnt man am Primat des Konstruktivismus zu zweifeln, und auch in der Literatur hat Realismus Konjunktur. Das Semesterthema des ZfL widmet sich der Rückkehr des Realismus und seinen unterschiedlichen Manifestationen. Dabei geht es uns nicht nur um Sichtung und Analyse der aktuellen Realismus-Diskurse, sondern auch um ihre mehr oder weniger latenten Vorgeschichten. In ihnen spielt der künstlerische Realismus seit langem eine besondere Rolle.
Nach einer Rekonstruktion des Forschungsstandes (I.) soll in dieser Studie die literarische Modellierung des Frauenmörders Moosbrugger aus Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" nach Bleulers (II.), vor allem aber nach Freuds Konzept der Paranoia (IJI.) untersucht werden. Im Mittelpunkt steht dabei Moosbruggers narzisstische Persönlichkeitsstruktur und die, aus einer freudschen Perspektive gesprochen, damit zusammenhängende Vorstellung, dass "hinter den Weibern der andere Mann" steckt. In einem letzten Schritt wird untersucht, inwieweit diese Persönlichkeitsstruktur die Voraussetzung für eine, mit Ulrich parallelisierte, mystische Öffnung Moosburggers darstellt (IV.).
Mit dem Entschluss, aus der Sünde eine Tugend zu machen bzw. aus dem Faustischen oder Teuflischen heraus, aber ohne diese Ebene je vollständig zu verlassen, spielerisch zum Guten zu gelangen, unterläuft der Erzähler des Simplicissimus Teutsch die beschriebene manichäische Unterscheidung des Erzählers des Faustbuchs, die besagt, dass man nur entweder ein Glied Gottes sein oder zur Partei des Teufels gehören könne — und damit auch die Negation einer Entschuldung. Das Besondere an dieser Widerlegung des lutherischen 'Tertium non datur' des Faustbuchs-Erzählers besteht nun darin, dass sie aus dem Faustbuch heraus entwickelt wird. Denn Grimmelshausens Erzähler macht in der Schwarzkünstler-Episode nichts anderes, als die Vorgaben für einen ökonomisch gedachten Teufelspakt aus den Schwank-Partien des Faustbuchs konsequent zu Ende zu denken. Auch wenn es dem lutherischen Erzähler, zumindest in seinen moralisierenden Kommentaren zu den Exempeln der Faust-Geschichte, bitter ernst ist, lässt es sich Grimmelshausen nicht nehmen, aus den exempelhaften Schwank-Episoden mit teuflischem Humor den Funken der Moralität zu schlagen und damit das Grundprinzip satirischen Erzählens zu entwickeln.
Space is important in all arts, that attempt at representing a certain mood and at suggesting the idea of embodiment. Space results from the presence of objects, of characters and environment, it is generated by and generates itself performative acts and structures. Starting from speech act and performativity theories relevant in literary and theatre studies, our article aims at an analysis of the space dimension in some texts of German authors writing in Romania. The main accent will be laid on the role of literary province reflecting both a sense of universality and of spacelessness.
The paper presents the legal framework regulating the selection of alternative school textbooks for German language education in Romanian schools and compares the list of manuals recommended by the Ministry of Education for years 3–12 in 2015/16 with those currently used in practice by teachers. The 20 teachers surveyed for the current study were asked to indicate what textbooks they used in the classroom. Survey results were compared with the ministry-approved lists to check for concordances and discrepancies. Survey participants were further asked to give three reasons for their textbook selection and to indicate whether and to what purpose they used additional text-based resources in their teaching.
Symbole zu unsicheren und mehrdeutigen Identitäten im Roman "Ascheregen" von Joachim Wittstock
(2016)
Joachim Wittstock uses a large number of symbols to illustrate the ideas of his novel Ascheregen. His characters' unclear feeling of identity due to the war troubles is a key topic of his text. Thats why a lot of important symbols that refer to this topic can be identified. This study deals with the unsettled front line and the mixed uniform parts but also with the fissured lime tree and the parly loss of the eyesight as examples which can be connected with the feeling of identity of some of the characters. Besides the use of symbols Wittstock also builts on the mix of real facts and fiction. This way he creates a vagueness that can be connected with the identity topic too and that is dealt with in this study.
Through the emergence of a mysterious wall a nameless protagonist is forced to lead a life of isolation behind this wall. Through the resulting threshold the space is divided into a separate space of the defunct civil society and an interior, insulated survival space. The exterior space is marked by elements of dissatisfaction, basically caused by the lack of interpersonal communication. The initially hostile enclave gradually becomes a space of militant feminism, in which a recluse is compelled not only to surviving but also to establishing herself at the zero point of civilization. The paradisiacal environment, leading to the dissolution of formal boundaries and to the comunion with the nature is visibly disturbed by the appearance of a stranger. It congeals to a space of creation, as the unnamed woman writes down her experiences in this place on the backs of old calendar pages. The natural environment of the mountains becomes through writing a place a self-insurance.
The latest publication of Professor Ioana Crăciun from the University of Bucharest deals with the (de)construction of bourgeois values and norms in the silent movies during the Weimar Republic. In five substantial chapters the author approaches the representation in the silent movies of different aspects which she considers relevant for that epoch. The themes range from the metropolis and its psychopathological aspects, the male homosexuality, the destiny of children, the law-breaking and the Doppelgänger motif.
The subject of the present study represents the artistic personality of the German writer Mite Kremnitz (1852-1916), which takes into consideration both facets of her work, as a translator and as a novelist. On the one hand and as an author in her own right, Mite Kremnitz is the carrier of Romanian realities; on the other hand she has the merit of having been the first one to translate contemporary literature from Romanian into German.
Art is always an expression of the unconscious. By archetypal images, the artist addresses in addition to the conscious side also the unconscious side of the reader. For literature, this means the existence of two levels of text- a superficial one on which the conscious and deliberate act takes place, and a deeper, symbolic, expression of unconscious contents. According to Jungian theories of the archetype in literature, the choice of the archetype allows us to draw conclusions on the historical and social environment of the writer, because such images often have a compensatory nature.
The motif of silence falls not only on Herta Müller‘s first collection of short stories, but is a basic recurrent idea of her entire work. Silence and fear emerge through various mechanism of power and manifest themselves violently on the psyches of Herta Müllers figures. As the child of Niederungen is aware of his command of silence, he tries to turn against the instrumentally generated norms of the Banat Swabians society. The speech prohibition is a shocking experience, which he perceives physically.
While the title of Friedrich Schlegel’s novel Lucinde (1799) bears the name of a woman, the eponymic protagonist in Dorothea Schlegel’s novel Florentin (1801) is a man. Both novels have remained fragmentary as well in the literal as in the romantic sense of the word, both novels deal with literary constructions of femininity and masculinity. While Dorothea follows a more traditional role model in her primarily narrative novelistic text, Friedrich pursues in his predominantly speculative novelistic text rather new ways of thinking. According to the romantic concept of ‚progressive Universalpoesie’ he combines the two distinct principles of femininity and masculinity by establishing a connection between them and at the same time dissolving them in a universal context.
Aspekte der Raumgestaltung in Andreas Birkners Erzählung "Der Brautschmuck des Sebastian Hann"
(2016)
Since the twentieth century, literary critics have identified as study component space and its meanings in literary texts. The Russian semiologist Yuri M. Lotman developed a theory based on the concept of space divided into several subspaces necessarily delimited by a boundary. These spaces are characterized by opposite features on topological, topographical and semantic level. Based on this theory, this paper aims to examine from this point of view the story Der Brautschmuck des Sebastian Hann [The Bride’s Jewels of Sebastian Hann] written by the Romanian German-language author Andreas Birkner. Concrete examples are given listing aspects of Lotman's theory , which enable reception of both the text and the author from a different perspective.
This article focusses on the question of howfar thenew figure of the continuum can capture the categories gender, migration and spaceand how intra- and intercategorial shifts, variabilities, polypolarities can be specified. Also the article will be discussed to what extend the figure of the continuum can meet the challenges of pluralities existing in realities of the lived lifes of human beings as well as in literary texts dealing with gender, migration and/or space.
The German writer Gabriele Wohmann, who passed away in June 2015 at the age of 83 wrote over 100 books (novels, short stories) essays, poems, more than 20 filmskripts being translated into 15 languages. She ist known for her sharp, ruthless view on German everyday-life and its neurotic, lonely, frustrated protagonists, especially women. But it is not a distant and unaffectedportrayal, but one out of profound sympathy. The literary critic Reinhard Baumgart, even invented the term „Wohmannisieren“. He was referring to the seemingly unspectacular flowing ofher stories, but „under the surface it rages, however“. We then refer to a short story (Flitterwoche. Dritter Tag– Honeymoon. Third day) from her latest book Eine souveräne Frau. The main theme of this narrative, as well as in numerous other texts by Wohmann, is the familial relationship disorders in everyday middle-class existences. The main problem is the inability of the protagonists to communicate in a familiar and natural waywith each other, as one might expect of newlyweds.
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The hereby article deals with situational integration in Franz Hodjak‘s poetry. The lyrical work of the Sibiuborn author never refers to a classical „arrival“, but to a permanent voyage, that does not act exclusively as selfknowledge, but especially as a univocal refusal of identity. Hodjak creates his own topography, looking for an interspace beyond common categories, a place that provides a possibility of non-hindered existence for the human being.
Due to the fact he describes the south-eastern European area, Oscar Walter Cisek is a unique case in the German expression literature in Romania. It is praiseworthy the way he experiments on the oriental space in the short story Die Tatarin, the way he outlines the Balkan atmosphere in the story Spiel in der Sonne, or how successfully he renders the archaic atmosphere in the novels Strom ohne Ende and Vor den Toren. Thus, a reader has the opportunity to discover the motley world of Balcic, of the periphery of Bucharest, of the Danube Delta or Maramures area.
The following study is dedicated to the city of Sibiu as the literary place in the short story “The Blue Sphere” [Die blaue Kugel] by Joachim Wittstock.
Starting from the selection of historical monuments and buildings evoking important personalities of the Transylvanian Saxons, Joachim Wittstock recalls cultural and historical aspects of the Saxons who have left their mark on the present. Using the blue sphere as a metaphor for perfection and balance, the writer from Sibiu describes the city as a literary topos in a time when German culture had reached its peak (18th-19th centuries) suggesting the eventual final decline.
Joachim Wittstock (Sibiu/Hermannstadt): Klingsoriana Poetisches aus dem Umfeld einer Kulturzeitschrift und ihres Redakteurs Harald Krasser (13)
Roxana Nubert/Ana-Maria Dascălu-Romiṭan (Temeswar): Raumerfahrungen bei Oskar Walter Cisek (29)
Cosmin Dragoste (Craiova): “den ort, den es nicht gibt” über Weggehen und Ankunft in der Lyrik von Franz Hodjak (47)
Sunhild Galter (Sibiu/Hermannstadt): Weibliche Lebensräume in Gabriele Wohmanns Erzählungen (60)
Christel Baltes-Löhr (Luxemburg): Geschlecht, Migration und Raum als Kontinuum. Versuch einer Begriffsbestimmung (74)
Marcela Ivan (Sibiu/Hermannstadt): Aspekte der Raumgestaltung in Andreas Birkners Erzählung Der Brautschmuck des Sebastian Hann (99)
Ana Karlstedt (Bukarest): Raumbestimmung in der interkulturellen Fimvermittlung (119)
Markus Fischer (Bukarest): Romantische Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit – Die Romane von Dorothea und Friedrich Schlegel (130)
Claudia Spiridon (Klausenburg): Die Funktion des Schweigens in Herta Müllers Erzählung Niederungen (156)
Oana Angharad Frandeş (Sibiu/Hermannstadt): Der Mythos des Ahasver in der klinischen Praxis (174)
II. Sprachwissenschaft
Hermann Scheuringer (Regensburg): Historische Mehrsprachigkeit mit Deutsch im östlichen Europa (187)
Doris Sava (Sibiu/Hermannstadt): Empirische Methoden und Beschreibungsverfahren der korpusbasierten Phraseografie (204)
Adriana Dănilă (Bukarest): Die hölzerne Sprache und kulturelle Identitäten in einigen Reden und Ansprachen kommunistischer
Parteimitglieder Rumäniens (230)
Mihaela Parpalea (Kronstadt): Sprachliche Aspekte des Schweigens in verschiedenen Kulturen (256)
III. Übersetzungswissenschaft und –kritik
Delia Eṣian (Iassy): Mite Kremnitz als Übersetzerin und Romanschriftstellerin (275)
Alexandra Chiriac (Iassy): Katharina die II. von Russland. Die kulturelle Übersetzung und der ideologische Transfer vom Westen nach Osten (290)
Verzeichnis der AutorInnen (311)
Die Schriftstellerin Katja Lange-Müller hat in ihren fünf Frankfurter Poetikvorlesungen über »Das Problem als Katalysator« doziert. Der UniReport hatte nach der dritten Vorlesung, in der sie sich unter anderem mit Kurt Tucholsky und Wolfgang Hilbig beschäftigte, die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen – natürlich erst, nachdem sie unzählige Bücher signiert hatte.
Die von der Friedrich Stiftung sowie von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität unterstützte Ringvorlesung richtet sich an Studierende und Lehrende sowie an die interessierte Öffentlichkeit.
Sie wird am 19. April 2016 um 18 Uhr (c.t.) im Casinogebäude Raum 1.801 (Renate-von-Metzler-Saal) beginnen – und in der Folge jeweils dienstags von 16 bis 18 Uhr im Raum HZ 13 des Hörsaalzentrums auf dem Campus Westend der Goethe-Universität fortgesetzt werden.
PH Lesenswert : Online-Magazin des Zentrums für Literaturdidaktik Kinder Jugend Medien ; Nr. 1/2016
(2016)
In diesem Aufsatz wird die These vertreten, dass in Kafkas Türhüter-Legende der Begriff "Gesetz" nicht nur, wie man es häufig in der jüngeren Forschung findet, theologisch, sondern auch juristisch gelesen werden kann. Die Titel-Formulierung "Vor dem Gesetz" wird als Aufruf des im zeitgenössischen österreichischen Verfassungsrecht verankerten Gleichheitsgrundsatzes "Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich" verstanden. Dieser Aufruf erfolgt mit einer Neu- bzw. Wiederbetonung der ursprünglich räumlichen Bedeutung der zu Kafkas Zeit grammatikalisiert verwandten Präposition "vor", die ihren sprachlichen Ursprung im Vortreten des Menschen vor den Richterstuhl hat.
Die deutsche Sprache hat schon in mittelhochdeutscher Zeit das Polnische beeinflusst. In der mittelhochdeutschen Zeit beginnt die Ostkolonisation der deutschen Siedler in Schlesien, daher dringen viele deutsche Wörter in die polnische Sprache vor. Eine sehr starke Beeinflussung des Polnischen durch das Deutsche beobachtet man im 19. Jahrhundert, in der Zeit der Industrialisierung in Europa und auch in Polen, obwohl Polen als selbstständiger Staat zu dieser Zeit nicht mehr existierte. Der geschlossene polnische Sprachraum wurde in drei Teile aufgeteilt: Der eine Teil gehörte zu Preußen, der andere Teil zu Österreich und der dritte Teil zu Russland. Der Einfluss der deutschen Sprache zeigt sich im 19. Jahrhundert im gleichen Maße in allen drei Teilungsgebieten Polens, weil der lexikalische Einfluss des Deutschen auf die polnische Sprachenvor allem im Bereich der Technik und Industrie zu Tage tritt. [...] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen beginnt die Phase der Polonisierung der direkten deutschen Entlehnungen durch Lehnübersetzungen; dennoch haben wir es weiterhin mit dem lexikalischen Einfluss des Deutschen zu tun, der sich nun in Form von Lehnübersetzungen und -übertragungen zeigt.
Unter deutschen Handschriften, die in tschechischen Archiven und Bibliotheken aufbewahrt werden, findet man zahlreiche Überlieferungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Fachliteratur. Ein Teil dieser Texte ist in Böhmen und/oder in Mähren entstanden und ist auf die jahrhundertelange Zweisprachigkeit und das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen auf diesem Gebiet zurückzuführen. Ein beträchtlicher Teil der überlieferten Fachliteratur wurde jedoch anderswo geschrieben. Diese Werke, die auf verschiedene Art und Weise nach Böhmen oder Mähren gelangten, können heute als Zeugen der engen Kontakte zwischen tschechisch- und deutschsprachigen Ländern in der Vergangenheit angesehen werden.
Die älteste Olmützer Universitätsmatrikel ist eine spezifische anthroponymische Quelle, in die Namen der Universitätsstudenten eingetragen wurden. Die Studenten stammten meistens aus der Oberschichten – entweder der Schicht der Adeligen oder der Bürger. Das Bedürfnis nach Prestige war in diesen Schichten sicher groß, wahrscheinlich auch deswegen erscheinen im 17. Jahrhundert in der Universitätsmatrikel so viele Fälle der Mehrnamigkeit. Daneben spielte auch die Nachbenennung nach mehreren Vorfahren eine wichtige Rolle; unter den Studenten waren auch Adelige, was die Anzahl der Vornamen beeinflussen konnte. Da es sich um die Studenten an der von den Jesuiten gegründeten Universität handelte, war die Nachbenennung nach Heiligen ein weiterer wichtiger Grund für die Vergabe mehrerer Rufnamen. Ob auch barocke Freude an einer gewissen Namenfülle oder die Einbeziehung der Paten weitere Gründe für die Mehrnamigkeit in der Universitätsmatrikel waren, kann aufgrund dieser Quelle nicht belegt werden. Die Untersuchung der Rufnamen in der Matrikel hat gezeigt, wie die religiösen Verhältnisse die Namenvergabung beeinflussten. Im Vergleich zu den Untersuchungen der Rufnamen anhand der Olmützer Stadtbücher spiegelt sich in der Matrikel eine andere Tendenz in der Entwicklung der Olmützer Rufnamen wider: Neben den traditionellen Heiligennamen lateinischer, hebräischer und griechischer Herkunft wurden in der Zeit der Gegenreformation spanische Namen von Heiligen, die erst im 17. Jahrhundert heilig gesprochen wurden, immer beliebter.
"Concordia domi, foris pax" : zur sprichwörtlichen Mehrsprachigkeit der Rhetorik Helmut Schmidts
(2016)
In den zahlreichen Büchern Helmut Schmidts, die in Sammelbänden auch seine Interviews, Reden und Aufsätze enthalten, spielen fremdsprachliche Phraseologismen eigentlich nur eine kleine Rolle. Dieser Beitrag enthält im Prinzip alle aufgefundenen Belege, was deutlich zu erkennen gibt, dass Helmut Schmidt im Vergleich zu Otto von Bismarck und Willy Brandt seine lateinischen und englischen Sprachkenntnisse weniger unter Beweis stellt. Französisch fehlt wegen seiner Unkenntnis der ehemals so bedeutenden Diplomatensprache fast völlig, während sich die beiden aussagekräftigen lateinischen Sprichwörter "Concordia domi, foris pax" und "Salus publica suprema lex" als gewichtige Leitmotive der politischen Rhetorik Schmidts erweisen. Erwartungsgemäß vertritt die moderne lingua franca des Angloamerikanischen die Mehrsprachigkeit Schmidts am deutlichsten. Zusätzlich zu englischen Zwillingsformeln und Redensarten kommt es hier in der Tat zu einer Reihe von englischen und amerikanischen Sprichwörtern, die eine erhebliche kommunikative Funktion übernehmen. Zweifelsohne hätte Schmidt deutschsprachige Äquivalente finden können, doch will er offensichtlich seine Betrachtungen zur politischen Situation in Deutschland, Europa und der Welt durch angloamerikanische Sprichwortweisheiten international untermauern. Dafür gab es vormals Latein und Französisch, doch hat nuneinmal die englische Weltsprache diese Rolle im modernen Zeitalter übernommen.
Insgesamt zeigen die hier untersuchten Daten, dass die Bildung konversiver Idiome nach bestimmten Prinzipien, jedoch nicht nach produktiven Regeln erfolgt. Die meisten Faktoren, die an der konversiven Transformation in der Phraseologie beteiligt sind, sind konzeptueller Natur und führen zurück auf die semantisch-syntaktischen Eigenschaften des betreffenden Idioms. Aus der Sicht der Syntax ist es entscheidend, dass das betreffende Idiom über zwei aktive Valenzen verfügt. Normalerweise werden diese Valenzen semantisch mit dem Agens sowie mit dem Patiens gefüllt, seltener mit dem Agens und dem Adressaten oder Benefiziär. Syntaktisch gesehen hat das "linke" Mitglied des konversiven Idiom-Paares eine Subjekt-Valenz (entsprechend dem Agens) und eine Valenz des Dativobjekts (entsprechend dem Patiens oder dem Adressaten/Benefiziär).
Pastor Silber gehört zu den evangelischen Geistlichen seiner Zeit, die im Bereich ihrer Pfarrerpflichten nicht nur den gewöhnlichen, alltäglichen Schreibaufgaben nachgingen, sondern darüber hinaus sich der intensiven Produktion religiöser, aber auch teilweise weltlicher Texte widmeten, die sie auch drucken ließen. Obschon zerstreut in mehreren polnischen und deutschen Archiven und Bibliotheken lässt sich heutzutage sein gedrucktes Werk nachvollziehen. Es zeugt von seiner bemerkenswerten Produktivität. Seine gedruckten Werke repräsentieren vorwiegend die Textsorte Predigt, wobei die Subtextsorten Hochzeitspredigt und Leichenpredigt unter den Drucken quantitativ dominieren. Das umfangreichste (873 bedruckte Seiten), in der auf Kirchengeschichte und Ortsgeschichte bezogenen Fachliteratur häufig zitierte und für Forscher unterschiedlicher Disziplinen relevante Buch, das lange Zeit als verschollen galt, ist eine Predigtsammlung aus dem Jahre 1619, die – wie oben bereits erwähnt – 2016 bei der Bestandsaufnahme der deutschsprachigen Archivalien im Greiffenberger Pfarramt gefunden wurde.
Zu den traditionellen Gebieten des Kontaktes zweier Sprachen gehört bekanntlich das Rechtswesen. Die Ergebnisse unserer bisherigen sprachhistorisch vergleichenden Untersuchungen anhand von Rechtstexten belegen, dass die Rezeption des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Ost-und Mitteleuropa Spuren in den Sprachen der jeweiligen, das Recht rezipierenden Sprachgemeinschaften hinterlassen hat. Diesen Spuren wurde im Rahmen unserer Untersuchungen nachgegangen.
Hier soll es um zwei inhaltsgleiche Erfurter Handschriften aus den 1420er Jahren gehen, deren Edition unmittelbar vor dem Abschluss steht. Die eine, im Folgenden als H bezeichnet, war lange Zeit im Besitz des Erfurter Petersklosters und dort in den Bereich der Lektüre der Geistlichen und der Novizenausbildung eingeordnet, die andere wurde im Hause des Erfurter Patriziers Conrad Ziegeler und sicher für Erbauungszwecke der Patrizierfamilie 1428 geschrieben. Damit sind diese beiden Handschriften repräsentativ für die spätmittelalterliche deutsche Historienbibel, die Franz Simmler den wissensvermittelnden Textsorten zuordnet, und die vor allem für Adlige, Weltgeistliche und Angehörige einer städtischen Oberschicht hergestellt wurden.
Prosodie ist nach neuesten Untersuchungen das wichtigste Merkmal der deutschen Sprache und umfasst auditiv wahrnehmbare Merkmale wie Akzent, Rhythmus, Stimmfarbe, Melodie, Lautheit, Sprechgeschwindigkeit, Pausen usw. Die Funktionen, die durch die Prosodie im Deutschen erfüllt werden, sind sehr vielschichtig und tragen eindeutig zur besseren Verständlichkeit und zum reibungsloseren Verlauf der Kommunikation bei. In den letzten Jahren hat man zahlreiche Untersuchungen auf dem Gebiet phonetischer Fehlleistungen ausländischer Deutschlerner durchgeführt. Es zeigte sich rasch, dass die Fehler, die den kommunikativen Erfolg von Sprechakten am stärksten beeinträchtigen, in den Bereich der prosodischen Realisierung fallen.
Während der Begriff Sprachkontakt "die beteiligten Sprachen ins Zentrum der Aufmerksamkeit" rückt, stehen bei dem – häufig in Abgrenzung dazu verwendeten – Terminus Mehrsprachigkeit "die Eigenschaften der Menschen, die diese Sprachen sprechen", oder die "Gruppen, in denen diese Sprachen gesprochen werden", im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. "Sprachkontakt ist im Wesentlichen ein Ergebnis von Mehrsprachigkeit", und die Verwendung mehrerer Sprachen oder Varietäten führt auch zu "Veränderungen in den beteiligten Sprachsystemen". Wenn verschiedene Sprachen über einen längeren Zeitraum hinweg in einem bestimmten Gebiet verwendet werden, zeigen sie eine Tendenz zur gegenseitigen Beeinflussung auf verschiedenen sprachlichen Ebenen. Wenn Sprachen in Kontakt treten, beeinflussen sich nicht nur die jeweiligen Sprachsysteme, sondern auf vielfältige Weise auch verbale und nonverbale Diskursmuster.
Anhand ausgewählter Materialien – insbesondere anhand von Vorträgen, die zwischen 1966/68 und 2001 auf den vom Deutschen Germanistenverband (DGV) veranstalteten sog. Deutschen Germanistentagen gehalten wurden – wird gezeigt, dass sich das Fach in seinem expliziten bzw. impliziten Diskurs über das Verhältnis der Germanistik zur Politik nach – den für den fachhistorischen Diskurs einschneidenden Daten – 1966/68 auf mehreren relevanten Ebenen auf der Suche nach einer neuen Identität befindet.
Zugleich führen Spezialisierungs-, Ausdifferenzierungs- sowie Entdifferenzierungsprozesse der Disziplin als wissenschaftssysteminhärente Prozesse das Fach an seine Grenzen bis hin zur (Selbst-)Auflösung. Diese Auflösung ist systemtheoretisch als Prozess der Szientifizierung und der Entkoppelung von Wissenschaft und Politik zu beschreiben – eine Koppelung, die für die Entstehung des Faches wesentlich war. Gleichzeitig zeigen sich – gegen den sog. Elfenbeinturm gerichtete – Diskurse, diese Abkoppelung zu kompensieren (z.B. Sprachenpolitik).
Der vorliegende Band behandelt in 11 Beiträgen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Österreich, Polen, Russland, der Slowakei, Tschechien sowie den USA vielfältige Aspekte des Themenbereichs Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Das Spektrum reicht dabei von Untersuchungen zu Sprachkontakten in der spätmittelalterlichen religiösen Literatur, über Studien zu Idiomen und Sprichwörtern, bis zu den aktuellen (didaktischen) Aufgaben und Herausforderungen für den Unterricht in der Migrationsgesellschaft.
Die Mädchenfigur in Rilkes Werk ist keineswegs eine singuläre Erscheinung, sondern vielmehr ein Motivkomplex, der bei genauerer Betrachtung eine stringente Entwicklung erfährt. Zum Motivkomplex gehörig sind unter anderem die lyrischen Zyklen "Mädchen-Gestalten, die Lieder der Mädchen", die in diesem Aufsatz in den Mittelpunkt gestellten "Gebete der Mädchen zur Maria" sowie der Essay "Intérieur", worin Rilke einige theoretische Überlegungen zu – wie er betont – "seinen Mädchen" anstellt. Darüber hinaus lassen sich auch Verbindungen zu weiteren einzelnen Gedichten finden. Die Entwicklungslinie der Rilkeschen Mädchenfiguren verläuft bis hin zu den beiden wesentlich später entstandenen gleichnamigen Gedichten "Die Liebende", womit sich schließlich sogar eine Schnittmenge zur Theorie der Intransitiven Liebe aufweisen lässt. In den zumeist lyrischen Texten, die dem Motivkomplex der Mädchenfiguren angehören, ist der ständige Versuch Rilkes spürbar, "seinen Mädchen" einen Sonderstatus zukommen zu lassen. Allerdings ist damit auch die weitgehend unspezifische Suche verbunden, den Rilkeschen Mädchen eine außergewöhnliche Aufgabe und Funktion zuschreiben zu können, die eben diesem Sonderstatus gerecht wird.
Rezension zu Rainer Maria Rilke: "Im ersten Augenblick". Bildbetrachtungen. Herausgegeben von Rainer Stamm. Berlin: Insel Verlag 2015. Insel-Bücherei Nr. 1407. 96 Seiten, 75 farbige Abbildungen. ISBN 978-3-458-19407-1 und Rainer Maria Rilke: "Gesammelte Werke". Herausgegeben von Annemarie Post-Martens und Gunter Martens Stuttgart: Reclam 2015. 1006 Seiten. ISBN 978-3-15-011009-6
Rilke erzählen
(2016)
Für die Erforschung von Rilkes "Leben und Persönlichkeit", ihre Möglichkeiten und Probleme, hat Joachim W. Storck bereits 2004 eine Zwischenbilanz vorgelegt. Er zeigt dabei eine biographische Linie auf, die 1936 mit Joseph-François Angelloz
beginnt und u.a. über Hans Egon Holthusen (1958) und Eudo C. Mason (1964) bis zu Donald Prater (dt. 1989) und Ralph Freedman (dt. 2001/2002) führt. Der Erfolg von Klaus Modicks Roman "Konzert ohne Dichter" (2015)2 verweist jedoch noch auf eine zweite Linie – auf die künstlerische Auseinandersetzung mit Rilkes Biographie, die sich der Fiktionalität als Darstellungsmodus bedient. Hier wären etwa Walter Hasenclevers Roman "Irrtum und Leidenschaft" (entstanden 1934- 1939, veröffentlicht 1969) zu nennen, außerdem Béatrice Commengés Erzählung "En face du jardin: Six jours de la vie de Rainer Maria Rilke" (2007) und die Romane von Moritz Rinke: "Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel" (2010), Heiner Egge: "Tilas Farben" (2013) und die bereits erwähnte Publikation von Modick. Diese "erzählten Welten" sollten im Folgenden im Blick auf Rilke untersucht werden.
In den lyrikgeschichtlichen Erörterungen wird überwiegend angenommen, dass die Entstehung der modernen Lyrik eine Wende in der Geschichte der Gattung bedeutet. Um die Schlüssel-kategorien dieser Annahme in Erinnerung zu bringen: Die prämoderne Lyrik habe immer einen Ansatz zur abbildenden, figurativen, naturnahen und persönlichen Darstellung bewahrt, und sie habe dementsprechend ihren Aussagen auch eine außerkünstlerische, ja oft universale Gültigkeit zugetraut; während die moderne Lyrik, in thetischer Gegenüberstellung zur früheren Periode, sich durch einen stets zunehmenden Ansatz zur abstrakten, nicht-figurativen, imaginären und objektiven Schöpfung entwickelt habe. Sie habe dementsprechend die Gültigkeit ihrer Aussagen streng darauf beschränkt, was sie in ihr künstlerisch erschaffenes Universum hineingenommen hat – wobei dieses rein eigengesetzliche, rein selbstbestimmende Universum sich auf die Breite und die Tiefe einer wahrhaftigen Religion erstrecken kann. Im folgenden Beitrag will ich darzulegen versuchen, wie sich Rilke, mit dem Titel eines berühmten Gedichts gesagt, diese prinzipielle "Wendung" angeeignet hat. Um es im voraus kurz zu resümieren: Er hat sie aus einer noch stärker selbstthematisierenden Perspektive heraus, als Schicksalswende des schöpferischen Worts, begriffen – aus dieser Perspektive aber bis zu ihrer zwei-einen äußersten Konsequenz, sei es zu kosmischer Bestätigung, sei es zu kosmischer Verneinung des schöpferischen Worts geführt.
Die Gegenüberstellung David Gascoynes mit Rainer Maria Rilke ist alles Andere als selbstverständlich und hat nichts mit Übersetzung im gewöhnlichen Sinn zu tun, sondern mit übertragener Präsenz, also mit der Übertragung von Impulsen, die ein Werk der Moderne mitgestalten. Bezug, Beziehung und Bezogensein spielen alle eine implizite oder explizite Rolle. Das Gelände abzustecken, auf dem sich die folgenden Überlegungen bewegen, begründet sich mit einem Geflecht von Namen, das stellvertretend für dichterische Welten, für Epochenbewusstsein und -schwellen steht. Ein mögliches Gelände mögen folgende Namen beschreiben: Den Mittelpunkt bildet Rilke: Dessen letzte Lebensgefährtin war Baladine (oder Merline) Klossowska (1886-1969), deren Sohn Pierre Klossowski (1905-2001) dem Dichter Pierre Jean Jouve (1887-1976) half, Hölderlin zu übersetzen, den auch David Gascoyne mit Hilfe von Jouve ins Englische übertrug. Jouve wiederum war Rilke während seines letzten Aufenthalts in Paris begegnet; später kannte Gascoyne Jouve persönlich, von dessen Gedichten jener eine große Auswahl übersetzte; außerdem kannte Gascoyne Jouves Frau Blanche, eine Schülerin Freuds, die auch Gascoynes Therapeutin in Paris war. Mithin ein Geflecht von Namen, von denen man noch viele weitere nennen könnte, etwa die englischer Dichter der 20er, 30er und 40er Jahre sowie diejenigen französischer Surrealisten.
Rilkes Poesie des Grundes in den "Duineser Elegien" : Prolegomena zu einer metaphysischen Lektüre
(2016)
Die Perspektive auf eine Logik des Grundes mitsamt ihrer metaphysischen Diskursgeschichte in den "Duineser Elegien" ist deshalb sinnvoll, weil wesentliche ihrer Denkfiguren von Rilke poetisch aufgenommen und eigensinnig im Medium lyrischer Gestaltung neu vermessen werden: wie dem menschlichen Dasein das, worin es gründet, als Ganzes gerade deshalb entzogen bleibt, weil es darin gründet und sich dieses Gründens mittels Transzendenz und Freiheit zu vergewissern sucht. Die Paradoxie des absoluten Seinsgrundes, zwischen sich und das von ihm Begründete einen Abgrund zu legen, gerade weil er als letzter, tragender Grund aus der Logik des Ableitbaren und damit rational Rekonstruierbaren herausfällt, welche er zugleich erst ermöglicht, erfährt bei Rilke nicht nur eine poetische Zuspitzung: Die Elegien zeigen auf, wie diese Grenzfigur des Denkens einzig in lyrischer Bildlichkeit ihre adäquate Formulierbarkeit erhält.
Rilke und Twombly
(2016)
Konkordanz zu den Motivkomplexen in Rainer Maria Rilkes Gedichtzyklus "Vergers" : eine Einführung
(2016)
Im Bewusstsein der Transferleistung, die Rezipienten und Interpreten erbringen müssen, wenn sie sich der französischen Lyrik Rainer Maria Rilkes zuwenden, entstand im Rahmen meiner 2012 abgeschlossenen Masterarbeit die Überlegung, eine umfassende Konkordanz zu dem Zyklus "Vergers" zu erstellen. "Vergers" ist der längste und inhaltlich disparateste französische Zyklus Rilkes, der sich einer größeren Motivpalette bedient als die auf Landschafts- und einige wenige Einzelmotive abgestimmten Zyklen "Les Quatrains Valaisans", "Les Roses" und "Les Fenêtres".
Im Herbst 1938 und im Frühjahr 1939 weilte Ernst Zinn (geboren 1910 in Berlin, gestorben 1990 in Tübingen), damals Hilfsassistent am Institut für Altertumskunde der Universität Berlin und gleichzeitig von Anton Kippenberg mit der Herausgabe der Werke Rainer Maria Rilkes im Insel-Verlag betraut, auf Duino. Er kollationierte dort eine Handschrift, die den Anfang der "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" in einem früheren Zustand enthält und teilweise wohl auch für das Diktat der Satzvorlage im Januar 1910 in Leipzig verwendet wurde. Rilkes Manuskript (ein Taschenbuch) vom Rest des Ersten Teils der "Aufzeichnungen" gilt als verschollen; vom Zweiten Teil ist seine Handschrift nahezu vollständig erhalten (Taschenbuch des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern; eine Faksimile-Ausgabe erschien 2012 im Wallstein Verlag, Göttingen).
Wir lesen die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge wieder und finden Rilke hinter jeder Zeile, so wie ihn Rudolf Kassner beschreibt: den zartesten, reinsten Bogen der Brauen, zwei Augen blauesten Blaus, Augen zugleich des Knaben und des Sehers, die slawische und spürende Nase, den blonden Schnurrbart … Kassner fügt hinzu: Rilke war Dichter, auch wenn er sich nur die Hände wusch. [...] Patrick Modiano: "Préface". In: Rainer Maria Rilke: Les Cahiers de Malte Laurids Brigge. Récit. Traduit de l'allemand par Maurice Betz. Paris: Éditions du Seuil 1980
Klaus Modicks im Februar 2015 erschienener Worpswede-Roman "Konzert ohne Dichter" wurde vom Feuilleton begeistert aufgenommen, in der Rilke-Philologie sorgte er hingegen für hitzige Diskussionen. Doch neben einer recht oberflächlich ausagierten Häme gegen den im Titel ausgeschlossenen Dichter entwickelt der Roman eine komplexe Verflechtung von Bildern der bildenden Kunst und Bildern im Sinne von Images. Der folgende Beitrag führt Modicks biografischen Zugang in diesem höchst unterschiedlich rezipierten Text mit einem ekphrastischen Sonett Rilkes eng, das ebenso ein bestimmtes Image transportieren will.
Im Hinblick auf den Zugriff auf Rilkes Poesie kommt den filmischen Zeugnissen von Wenders und Schmerberg keine sekundäre Rolle zu. Ohne die Gedichte zu entstellen oder zu verfremden, entwickeln sie auf unterschiedliche Weise eigenständige Positionen: Während Wenders einen eher freien Dialog mit der Vorlage eingeht, auf der Ebene von Anspielungen, Modernisierung und Fortschreibung operiert, setzt der Regisseur von "Poem" auf eine künstlerisch anspruchsvolle Übersetzung des Textes in das audiovisuelle Medium. Obgleich sich Rilkes poetische Konstruktionen
aufgrund ihrer Vieldeutigkeit und Offenheit spezifischen Bedeutungsfixierungen entziehen, scheint doch gerade ihr Reichtum an Bildern sowie deren bewegliche Verknüpfung für filmische Zugriffe prädestiniert. Das Zusammenspiel aus visuellen und auditiven Eindrücken verhilft der performativen Anlage der Lyrik noch zu weiterer Entfaltung.
Das Rilke Projekt polarisiert: Einem beachtlichen Publikumserfolg steht eine Philologie gegenüber, die das Projekt weitgehend ignoriert. [...] Das Rilke-Projekt ist ein popmusikalisches Phänomen, dessen ästhetische Grundidee darin besteht, seinen Autor als Cover aus dem literarischen Kanon auf das ihm fremde Gebiet der Unterhaltungskultur zu überführen.
Rilkes "Der Geist Ariel" übt auf den Leser eine besondere Faszination aus. Ohne ganz zu verstehen, wo diese Faszination herrührt, hatte ich schon als Studentin das Gedicht ins Englische übersetzt und in einer Studentenzeitschrift der Universität Sydney veröffentlicht. Dass eine Übersetzung dieses Gedichts höchst problematisch ist, war mir damals nicht bewusst: die Übersetzungsarbeit ging ja schnell vonstatten. Damals wusste ich nichts vom komplizierten Werdegang des Gedichts, das ohne den Einfluss von Katharina Kippenberg nicht zustande gekommen wäre.
Rilkes "Bezug zu Gott"
(2016)
Ob Rilke nun gläubig war oder nicht, seit er in seiner Kindheit der extremen katholischen Frömmigkeit seiner Mutter ausgesetzt war, hat er nie aufgehört, Gott und der Religion einen prominenten Platz in seinem Leben und seinem Geist zu sichern.
Die Bedeutung, die Rilke der Bibel beimaß, ist gut belegt.
Im Welt-Raum des Gedichts : zu Rilkes Poetik des Bezugs mit (hauptsächlich) englischen Kontexten
(2016)
Welt ist das was man erkundet; oder das, aus dem heraus sich die Sinne sehnen, wie Rilke sein mönchisches Ich im Stunden-Buch sagen lässt. Dieses Ich konnte er sich als "Stimme einer stillen Zelle" vorstellen, "an der die Welt vorüberweht". Welt konnte für Rilke etwas Transitorisches sein oder ein Raum, angefüllt mit Städten, die ihre Bewohner der Natur entfremden; im Park sieht sie sich allenfalls zitiert, im Jardin du Luxembourg etwa. Zählt man Städtenamen auf, dann setzt man ihre magische Anziehungskraft frei; jedem Namen seine Aura, was auch für die Art zutraf, mit der Rilke Städtenamen nannte: Prag und Wien, Florenz und Rom, Moskau und Paris, Brügge und St. Petersburg. Aber London?
Florenz spielte eine merkwürdige Rolle in Jens Peter Jacobsens Leben; die Stadt ist zugleich eine frühe, bedeutende Etappe in Rilkes Verhältnis zum dänischen Dichter. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde und war Jacobsen berühmt, gerade als der junge Rilke sein Werk entdeckte, dem er wahrscheinlich auch nicht hätte entgehen können: In einigen der wichtigsten deutschsprachigen Zeitschriften ("Wiener Rundschau", "Ver Sacrum" und "Simplicissimus") erschienen Gedichte und Beiträge Rilkes neben Schriften von und über Jacobsen.
Rilkes "Geburt der Venus"
(2016)
Von den drei Aufenthalten Rilkes in der toskanischen Hauptstadt ist der erste von 1898 umfangreich dokumentiert durch das Florenzer Tagebuch, das in der Vision vom einsamen Schöpfer, vom alleinstehenden Künstler-Übermenschen kulminiert. Diese Vision stellt gleichsam ein Lebensprogramm für den jungen, angehenden Dichter dar, der sich auch vor der Geliebten, Lou Andreas Salome, als Poet ausweisen will. Der viel kürzere zweite Aufenthalt von 1903 erfolgt zusammen mit Clara Westhoff auf der Reise nach Rom, wo Rilke dann bis Juni 1904 bleiben wird. Nur am Rande erwähnt werden soll der dritte Aufenthalt im Jahre 1909 – mit nur wenigen Stunden Fahrtunterbrechung in der Stadt handelt es sich eher um eine Durchfahrt.
Rosen in Florenz
(2016)
Die zahlreichen Bezüge auf die Rosen bezeugen, dass die Rose eine entscheidende Figur für Rilkes Dichtung und Poetik ist und dass sich diese Thematik mit Kernpunkten bereits im Florenzer Tagebuch wiederfinden lässt. Auch in den in Florenz verfassten Gedichten lässt sie sich finden, zunächst noch im Anfangsstadium und erhält dann Eingang in seine späte Dichtung. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Schaffensphase der Florentiner Dichtung noch im Schatten der monistischen Vision einer klaren romantisch-idealistischen Aszendenz steht und mit einer Betrachtung der Kunst verbunden ist, die noch von der "Ideologie eines künstlerischen Übermenschentums" geprägt ist. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Rose in der Florentiner Zeit kann so nur unter Berücksichtigung der Aporien, Schwankungen und Zweifel in Rilkes Dichtung aus diesen Jahren gelingen.
Als Rilke beginnt, seine ersten Eindrücke über die toskanische Bildungsreise vom Frühling 1898 zu schreiben, scheint er sich bereits bewusst zu sein, was ihn dazu bewegt, die florentinische Renaissance kennenzulernen. Der Dichter – wie man beim Lesen im Florenzer Tagebuch erfährt – ist nicht auf der Suche nach einer typischen Landschaft für gelehrte Reisende. Was er entdecken will, und tatsächlich findet, ist ein "Stück" seiner "selbst".
Der Bettler und das stolze Fräulein ist eine der 13 Erzählungen, die in dem – der schwedische Freundin Ellen Key gewidmeten – Prosaband "Geschichten vom lieben Gott" enthalten sind. Alle entstehen in dem Zeitraum zwischen dem 10. und 21. November 1899 und werden erstmals zu Weihnachten 1900 unter dem Titel "Vom lieben Gott und Anderes. An Große für Kinder erzählt" und 1904 in überarbeiteter Form mit dem schon genannten endgültigen Titel veröffentlicht. [...] Das ganze Werk hat dialogischen Charakter mit teilweise belehrendem Ton. Die zwölfte Erzählung, "Der Bettler und das stolze Fräulein", besteht aus einer Rahmen- und einer Binnenerzählung. Hier ist es jedoch nicht der Meister, sondern der Ich-Erzähler, der in der Rahmenerzählung die Rolle des Lehrers spielt: Er erzählt dem Meister eine Binnengeschichte, die als Lehre gelten sollte, um eine Parallele zur Rahmenhandlung zu schaffen.
"Weiblichkeit im Werden" möchte die "Mädchengedichte" Rilkes, die hautpsächlich 1898 während seines Aufenthalts in Italien entstanden sind, mit der "Geburt der Venus" in Verbindung bringen und diskutieren. Letztere gehört zum Zyklus der "Neuen Gedichte" (1907) und reiht sich, 1903 in Rom geschrieben, in die Erzählgedichte "Hetärengräber", "Alkestis" und "Orpheus. Eurydike. Hermes" ein. Welchen Status, welchen Stellenwert haben die Mädchengedichte im poetischen Werdegang Rilkes, welche Thematik und "Topoi" lassen sich darin ausmachen? Und welcher qualitative Sprung trennt die "Mädchengedichte" der Frühzeit von der "Geburt der Venus"?
Das Thema "Rilke und Dante" hat im Programm der Florenzer Rilke-Tagung keine Rolle gespielt; ganz im Sinne von Eva Siebels, die schon 1941 aus den Quellen geschlussfolgert hatte, dass Rilke die Stadt "nicht im Zeichen Dantes erlebt" habe. War aber Rilke nicht, als er am 5. April 1898 "Glücklich in florenz" angekommen
war, erstmals in der Stadt des Dichters, den er einen Monat zuvor als den Ahnherrn moderner Dichtung schlechthin gefeiert hatte?
Rilkes sogenanntes Florenzer Tagebuch ist kein in Florenz geschriebenes Tagebuch. Zum einen entstand der Text nur zum kleineren Teil in Florenz, zum größeren in Viareggio, weshalb schon Ernst Zinn vorgeschlagen hat, ihn in "Toskanisches
Tagebuch" umzubenennen. Zum anderen erinnert er nur rudimentär an ein Tagebuch. Anders als Rilkes Schmargendorfer oder Worpsweder Tagebücher enthalten die im Frühjahr 1898 verfassten Aufzeichnungen kaum Datumsangaben, sind nicht nach Schreibtagen strukturiert und verraten nur anfangs etwas über den Tagesablauf ihres Autors. Rilke nutzt das "in weißes Kunstleder mit eingeprägten Florentiner Lilien gebundene" Buch hauptsächlich – so lautet die Grundthese dieses Beitrags – als Schreiblabor.
Als Rilke am 5. April 1898 in Florenz ankam, war er bestens vorbereitet, um die Renaissance vor Ort zu studieren und ein Buch darüber zu schreiben. Belegt ist, dass er sich laut "Testierbuch" für das WS 96/97 in München eingeschrieben und bereits bei dem Kunsthistoriker Berthold Riehl eine Vorlesung zum Thema "Geschichte der bildenden Künste im Zeitalter der Renaissance" teilweise oder ganz gehört hat.
Es fing mit Erstaunen an. Fast noch bevor unser Lastwagen der amerikanischen Armee die Stadt erreichte, war alles vorbei. Alles war dagewesen, das uns an Rilke erinnerte: die Ponte Santa Trinità war da – oder sie war nicht mehr da. Alle Brücken waren im Krieg gesprengt worden – außer der Ponte Vecchio, der es, wenn auch auf beiden Seiten zerschlagen, erlaubt war zu leben. Der Arno – Rilkes Arno – floss nicht mehr voll und tief. Es war Hochsommer, und er floss enttäuschend flach.
Band 33 der Rilke-Blätter beginnt mit Texten der Erinnerung und Würdigung zum Tod des Schirmherrn der Rilke-Gesellschaft Christoph Sieber-Rilke, dessen Hinscheiden am 20. Juni 2014 wir in Band 32 nur noch kurz vor Drucklegung mitteilen konnten. Die im ersten der beiden Hauptabschnitte versammelten Beiträge gehen auf die Tagung der Rilke-Gesellschaft zurück, die im September 2014 in Florenz stattgefunden hat, die Beiträge im zweiten Hauptabschnitt gründen sich auf das Rilke-Treffen vom September 2015 in London, einschließlich des Panels für Nachwuchswissenschaftler "Rilke intermedial". Als Herausgeber bedanken wir uns bei dieser Gelegenheit bei allen Referenten, die uns Ihre Vorträge zur Veröffentlichung überlassen haben, aber auch bei den Institutionen, Organisatoren, Gastgebern und Freunden, die diese Ereignisse möglich gemacht, vorbereitet und begleitet haben. In Florenz standen Rilkes Begegnungen mit der Stadt und mit der italienischen Renaissance aber auch seinen gleichzeitigen Lektüren Kierkegaards und Jens Peter Jacobsens im Zentrum, in London der Welt-Bezug von Rilkes Dichtung, der sich wiederum in vielfältigen Rückbezügen der literarischen und künstlerischen Welt auf Rilke spiegelt. Die Beiträge erfahrener wie auch jüngerer Rilke-Forscher machen uns die Bandbreite solcher Rezeptionsspuren deutlich. Für die Fotografie des Gemäldes "Florenz im Krieg" von Eduard Bargheer, das im Beitrag von Ralph Freedman thematisiert wird und dem Band als Bildpostkarte beigegeben ist, danken wir herzlich Prof. Dr. Jonathan Freedman (University of Michigan).
Weiterhin dokumentieren wir Werk-, Lebens- und Rezeptionszeugnisse in den Blättern, in diesem Band in Gestalt einer auf Deutsch bislang noch nicht gedruckten Äußerung des Nobelpreisträgers Patrick Modiano zu Rilke, einer Edition der frühen Fassung des Malte-Anfangs, die uns Walter Simon aus dem Nachlass des großen Rilke-Forschers Ernst Zinn mitgeteilt hat, und einem einführenden Beitrag zur Erschließung von Rilkes Gedichtzyklus "Vergers". Beiträge zu aktuellen Themen der Rilke-Forschung sowie eine Reihe von Rezensionen zu wichtigen Neuerscheinungen beschließend den Band, für dessen verlegerische Betreuung wir uns bei Philipp Mickat im Wallstein Verlag bedanken. Ein Nachruf auf unser Ehrenmitglied Ralph Freedman, von dessen Tod wir kurz vor Drucklegung erfahren haben, wird im nächsten Band erscheinen.
"En tierras bajas" de Herta Müller: mirada crítica hacia las cicatrices de una infancia irrespirable
(2016)
A través de la mirada y la voz narrativa de una niña rumana, la escritora Herta Müller nos acerca con su ópera prima Niederungen (En tierras bajas) a las cicatrices aún hoy vivas de su propia infancia en un pequeño pueblo ubicado en la región de Timisoara en la época de la dictadura de Nicolae Ceaucescu. Este artículo pretende una aproximación crítica a la recurrente temática centrada en la denuncia del país dejado atrás por la escritora tras su experiencia de exilio a la entonces Alemania occidental en el año 1987. Un análisis crítico de esta primera obra publicada por Müller en lengua alemana nos acerca a la literatura intercultural de la escritora migrante rumano-alemana cuya calidad y trayectoria literaria la hizo merecedora en 2009 del Premio Nobel de Literatura.
Im Folgenden liest Thomas Giese Immermanns Essay in der "Europe littéraire" nicht als "kunsthistoriographischen Entwurf " (Karge), sondern als einen literarisch-journalistischen Text und zeigt dabei auf, in welcher Weise der Autor die Kunst der Gegenwart von den Ideen Gotthold Ephraim Lessings und Johann Joachim Winckelmanns herleitet und somit eine Verbindungslinie vom Projekt der Aufklärung zum Hier und Jetzt entwickelt. Von Zeitgenossen war dies als eine deutliche Gegenposition zur St. Lukas-Brüderschaft, die ausschließlich eine christlich-religiös geprägte Inspiration gelten lassen wollte, zu identifizieren. Gleichfalls nimmt Giese in den Blick, wie der Autor Goethes Diktum, Poesie sei "weltliches Evangelium", auf die bildende Kunst überträgt und über Goethe hinaus Ansätze zu einem gesellschaftskritischen Blick antizipiert, der in den Folgejahren bei der Rezeption von Carl Friedrich Lessings "Hussitenbildern" zunehmend Bedeutung gewinnen wird.
Angesichts der kontinuierlich fortgetriebenen Ausweisung der Lewald'schen Texte als Bilder, Genrebilder, Panoramen und Skizzen ist umso mehr danach zu fragen, welche Konzeptionalisierungen, welche Funktionalisierungen die beanspruchten medialen Interferenzen erstens erfahren und zweitens, ob und in welcher Ausprägung jene Texte sich die im Titel aufgerufene Metapher zum Darstellungsmodell nehmen. Zur Analyse kann für den ersten Aspekt - und dies ist innerhalb des weiten Textfeldes, das sich die hier etablierte Titel-Mode aneignet, ein Charakteristikum der Texte Lewalds - vor allem auf die autoreflexiven Paratexte zugegriffen werden, sodass sich für den zweiten Aspekt in den Blick nehmen lässt, inwieweit das statuierte Programm auf die Schreibweise durchschlägt.
Margaret A. Rose lenkt mit einer Analyse von Johann Peter Hasenclevers Gemälde "Arbeiter und Stadrath" von 1850 und dessen Varianten von 1848/49 den Blick auf weitere mediale Ausdrucksformen des Politischen. Rose versteht Hasenclevers Auseinandersetzung mit den revolutionären Ereignissen von 1848 als Ausdruck 'gemalter Politik'. Dabei gilt ihr Interesse insbesondere der Frage nach der dramatischen Lebendigkeit der Darstellung in Hasenclevers Gemälden und dem Wechselspiel von künstlerischen und politischen Anspielungen im Werk als Strategie einer Öffnung des Bildraums gegenüber der eigenständigen künstlerischen und politischen Interpretation des dargestellten Geschehens durch den Betrachter.
Karin Wozonig erinnert mit Hieronymus Lorms kritischem Überblick über die biedermeierlich-vormärzliche Literatur in Österreich "Wien's poetische Schwingen und Federn" (1847) an eine der vielzitierten Publikationen der Vormärzzeit. Wozonig liest Lorms Aufsatzsammlung als Ausdruck der Selbstpositionierung österreichischer Schriftsteller angesichts der Metternichschen Zensurbestimmungen einerseits und des 'deutschen' Nationalismus andererseits. Zugleich ließen sich an Lorms "Poetischen Schwingen" die komplexe Verflechtung ideologischer und ästhetischer Positionen innerhalb des Vormärz nachzeichnen und von hier aus Literaturkritik als Manifestation des Politischen herausarbeiten.
Janina Schmiedel nimmt die Synthese von romantischen und vormärzlichen Schreibweisen und das gleichzeitige Ineinander von Poetischem und Politischem in Heinrich Heines lyrischem Werk in den Blick. Anhand des Zyklus' "Neuer Frühling", der die zweite große Sammlung "Neue Gedichte" (1844) einleitet, zeigt sie, wie der von Heine nie vollständig vollzogene Abschied von der Romantik mit seinem Schreiben des Politischen (in den 30er und 40er Jahren) korrespondiert.
Hans-Joachim Hahn korrigiert in seiner Auseinandersetzung mit dem Politiker Ludwig Uhland das seit dem Erscheinen von Heines "Romantischer Schule" umlaufende Bild der konservativen, unpolitischen und sentimentalen biedermeierlich-schwäbischen Dichtung. Hahn legt offen, in welchem Maße Uhlands Wirken der Idee der Volkssouveränität im Rahmen eines republikanisch verfassten Nationalstaats verpflichtet ist. Dass Uhland diese Vorstellung aus der Tradition des Mittelalters und nicht wie die Liberalen im Rekurs auf die Aufklärung entwickelte, schließe ihn dabei keineswegs aus dem Kreis der Vormärzler aus, sondern zeige im Gegenteil die breite Spannweite der Vormärzdiskussion.