830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Refine
Document Type
- Article (2)
Language
- German (2)
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- no (2)
Keywords
- Börnstein, Heinrich (1)
- Französisch (1)
- Komödie (1)
- Theater (1)
- Wien (1)
- Zensur (1)
- Österreich-Ungarn (1)
- Übersetzung (1)
Die starke Expansion des deutschen Buchhandels ab etwa 1820 stellte an das Übersetzungswesen neue Anforderungen: Übersetzungen fiel nun die Aufgabe zu, den Buchmarkt mit Belletristik, vor allem mit Romanen sowie Beiträgen für Taschenbücher und Zeitschriften zu versorgen. Einige wichtige Faktoren dieser Entwicklung können hier nur stichwortartig aufgezählt werden: neue Leserschichten vergrößerten das Publikum, das nun eine anonyme lesende Öffentlichkeit bildete; die evasorische und kompensatorische Funktion der Lektüre trat in zunehmendem Maße neben das ältere Lesemotiv der Bildung; die Leihbibliotheken boten sich als größtenteils billige Bezugsquelle für Romanliteratur an und erlebten in der Restauration ihre Blütezeit; der Buchhandel trug seinen Teil zu dieser Entwicklung bei, indem er - unter Ausnützung der technischen Innovationen, die es ermöglichten, in kurzer Zeit große Auflagen herzustellen - billige Romanreihen produzierte, von denen einige ausschließlich der Übersetzungsliteratur vorbehalten waren. Ein zweiter literarischer Sektor, der für starke Nachfrage nach Übersetzungen sorgte, war das Theater.
Wien, das im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen wird, war geradezu ein europäisches Zentrum höfischer Unterhaltungsangebote. An seinem multinationalen Hof bestand das Theaterrepertoire im 18. Jahrhundert vor allem aus italienischen Opern und französischen Stücken. Daneben bestand seit dem frühen 18. Jahrhundert eine Tradition volkstümlichen Theaters mit einer permanenten Spielstätte. Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurden aber privat geführte und kommerziell orientierte Theater gegründet.
Zusammen mit diesen Entwicklungen wurde eine systematische Theaterzensur etabliert. Zunächst stellte sich die Zensur in den Dienst der Aufklärung, unterdrückte Obszönitäten, Unsinniges und Derbheiten, im 19. Jahrhundert wandelte sie sich zu einem Instrument der Unterdrückung der politischen Veränderung. Ihr Hauptziel war die Verteidigung des monarchischen Systems, daher wurden der Kaiser und seine Beamten gegen Angriffe verteidigt, und zwar mit einem heute geradezu lächerlich erscheinenden Eifer. Eine ständige Bedrohung für die multinationale Monarchie bildeten die Unabhängigkeitsbestrebungen der regierten Völker. Nationale Propaganda wurde daher von der Zensur ebenso sorgsam überwacht und nach Kräften verhindert. In der zweiten Jahrhunderthälfte trat die soziale Frage in den Vordergrund und lieferte Motive für Verbote und Eingriffe in die Spieltexte. Insgesamt wurden das herrschende gesellschaftliche System und seine Hierarchie gegen Angriffe und Kritik aller Art verteidigt. Die Aristokratie, der Klerus, die Beamten, nicht einmal einzelne Gewerbe oder Unternehmenssparten, sollten auf der Bühne in unvorteilhaftem Licht dargestellt werden.