830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Eins der besonders bemerkenswerten Künstlerinterviews des späten 20. Jahrhunderts führten ein Autor und ein Interviewer, die große Vorbehalte gegen die etablierte Interviewpraxis hegten. Es handelt sich um das Gespräch zwischen Ernst Jünger (1895–1998) und André Müller (1946–2011) am 8. November 1989, auf dessen Basis in der Zeit ein Interviewtext erschien. Vier weitere Treffen schlossen daran an, die publizistisch in geringerem Maße Niederschlag fanden als das erste oder bis vor Kurzem unbekannt waren. Dies änderte sich dadurch, dass Tonbandaufzeichnungen dreier Gespräche, Müllers Vor- und Nachbereitungsnotizen, der Briefwechsel Jünger/Müller sowie Materialien, die von beiden Beteiligten im Rahmen ihres Austauschs herangezogen oder Dritten zugänglich gemacht wurden, ausgewertet und großenteils veröffentlicht werden konnten. Die Gespräche deckten ein breites Themenspektrum ab, das von der Zeitgeschichte (Erster und Zweiter Weltkrieg, Adenauer-Ära, deutsch-französische Aussöhnung) über Technologie, Währungen und Tierwelt bis hin zu Jüngers Seelen- und Alltagsleben im hohen Alter reichte. Zwar lassen sich erstaunlich viele Äußerungen Jüngers direkt mit Stellen in seinen veröffentlichten Werken abgleichen, doch entlockte Müller ihm durch persönliche Fragen auch eine Reihe bisher unbekannter Informationen.
Von Passivität, Abneigung, gar einem "tief verwurzelte[n] Mißtrauen" gegenüber dem Interview, wie es Volkmar Hansen als typisch für Schriftstellerinnen und Schriftsteller diagnostiziert, kann im Falle Peter Kurzecks keine Rede sein. Der Autor zeigt sich in journalistischen Gesprächen deutlich engagiert, er gibt bemerkenswert ausführlich Auskunft: über den Inhalt seiner Romane, den Prozess des Schreibens und dessen Motivation; über die Erinnerung an die eigene Kindheit im hessischen Staufenberg und die Flucht aus Westböhmen dorthin; über bereits geschriebene oder noch zu schreibende Bücher, über Möglichkeiten und Grenzen der eigenen autobiographisch grundierten Erinnerungsarbeit. Wo andere mit Abneigung reagieren und ausweichen, legt Kurzeck sein Schreiben bereitwillig offen, um dabei eben nicht nur zu erläutern, worum es in den Texten seiner "Serie" inhaltlich, motivisch oder konzeptionell geht oder gehen wird, sondern auch, um dezidiert Einblicke in die eigene Dichterwerkstatt zu ermöglichen.
Rilke über Rilke
(2010)
Im Sommer 1925 hat Rainer Maria Rilke in Paris dem Journalisten Frédéric Lefèvre ein Interview gewährt. Erschienen ist es ein Jahr später in 'Les Nouvelles Littéraires, Artistiques et Scientifiques' vom 24. Juli 1926, unter dem Titel "Une heure avec R.-M. Rilke, le plus grand lyrique d’Autriche". Es wurde, geringfügig verändert wieder abgedruckt in einem Sammelband von Interviews mit anderen Persönlichkeiten, den Lefèvre 1927 veröffentlichte. Unmittelbar nach Erscheinen des Interviews brachten, im Juli und August 1926, die 'Süddeutsche Zeitung' und die 'Neue Leipziger Zeitung' Auszüge: "Eine Stunde mit Rainer Maria Rilke", übersetzt von Fritz Adolf Hünich, Rilkes erstem Bibliographen; Maurice Betz nahm einen Auszug in den Band "Rilke vivant" auf. Das Interview ist auch später nicht in Vergessenheit geraten, wurde aber nie näher auf seine Entstehung und seine Besonderheiten hin angesehen.
Hans Joachim Schädlich ist einer der renommiertesten, literarisch bedeutendsten Autoren aus dem Kreis derer, die seit 1976 die DDR verließen. Er war ein Schriftsteller, den man nicht veröffentlichen ließ, und ein bekennender Demokrat, der alle Vorstellungen seiner Intellektuellen-Kollegen, den "realen Sozialismus" vielleicht doch noch reformieren und zum "wahren Sozialismus" machen zu können, für illusionär hielt. Der Gang der deutschen Dinge seit 1989 hat ihn ohne Einschränkung bestätigt. Zur DDR-Literatur wollte und will Schädlich eigentlich nicht gehören - und muß es doch hinnehmen, wenn er zumindest partiell in Kontexten von DDR-Literatur gesehen und analysiert wird, ohne daß jemand auf die Idee käme, seine Texte mit denen von Hermann Kant und Erik Neutsch, ja, nicht einmal mit denen von Christa Wolf und Volker Braun in eins zu setzen.