830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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In Jacques Derridas späteren Schriften gibt es eine interessante, bisher unbeachtet gebliebene Denkfigur, die an den Begriff und die Gattung des 'epitáphios', der Grabrede und deren Nähe zum Epitaph, der Grabinschrift, gekoppelt und am Übergang zwischen lebendigem Gesprächszusammenhang und nachträglicher Schriftlichkeit angesiedelt ist. [...] Mit dem 'epitáphios', so die These, die ich in den nachfolgenden Ausführungen entfalten möchte, liegt eine Denkfigur vor, an die sich eine Neubestimmung des poststrukturalistischen Subjekt-Begriffs anschließen lässt. Wenn im Zuge des Strukturalismus der 1960er Jahre der "Tod des Autors" proklamiert wurde, so schließt sich in Derridas Denken seit den 1990er Jahren an diese metaphorische Formel ein Nachdenken über den realen Tod des Autors an, das in einer neuen Relevanz des Subjekts im Text mündet. In unmittelbarem Zusammenhang damit steht zugleich eine Neukonzeption des Traditionsbegriffs. [...] Derrida, so die These, die ich im Folgenden anhand einiger Lektüren seiner späteren Schriften entfalten möchte, sucht gewissermaßen die etymologischen Wurzeln des Traditionsbegriffs auf, wonach die persönliche Interaktion und das Moment der Verpflichtung wesentlich sind, schreibt seinem Modell der Überlieferung dabei aber zugleich die stetige Umkehr, die revolutio mit ein. Die Frage lautet angesichts dieser Beobachtung nicht, inwiefern die Dekonstruktion als Reflex eines postmodernen Traditionsverlusts zu begreifen ist, sondern es soll vielmehr aufgezeigt werden, dass sie angesichts beschleunigter postmoderner Prozesse sozialen Wandels einen Traditionsbegriff entwirft, der tragfähig bleibt und ein neues Denken des Subjekts integriert.
Dem Islam ist die Neigung zu einer problematischen Glaubenshaltung des verantwortungslosen Fatalismus, der die Fatalität indes forciert, zuletzt so häufig vorgeworfen worden, dass man zunächst (unter anderem mit Bischof Manfred Scheuer) betonen muss, der Islam sei wohl nicht prinzipiell "gewaltanfälliger als andere Religionen". Der Islamismus, der wohl zu Recht mit Brachialgewalt und autoritärem Gehabe assoziiert werden kann, ist schließlich, so könnte man in Anspielung an den Konflikt rund um (so schäbige wie dilettantische) Karikaturen Mohammeds in einer dänischen Zeitung sagen, doch von allen verzerrten Bildern dieses Glaubens das schlimmste, blasphemischer als all das, wogegen er sich aus Frömmigkeit terroristisch wendet. Vor diesem Hintergrund ist freilich noch immer nicht mit Salman Rushdie zu schließen, es brauche "noch mehr Cartoons wie die in Dänemark." Dies abgesehen von anderem übrigens schon dadurch, dass der Islam einen Humor-lmport, wie ihn Rushdie andeutet, auch insofern nicht nötig hat, als es eine Tradition des Humors hier sehr wohl gibt, "auch der Prophet sei - allen fanatischen Imamen und heuchlerischen Mullahs zum Trotz - zum Scherzen aufgelegt gewesen", wie etwa Ulrich Marzolph darlegte, bis heute ist "im arabischen Raum [...] der schwarze Humor durchaus präsent", der sich besonders schlecht mit Fanatismus vertragen dürfte.
El presente artículo se propone analizar la interpretación benjaminiana de Kafka tomando como eje central el problema de la tradición y su resignificación política en el contexto de producción tardío. Son relevantes en este sentido, los conceptos de hagadá y halajá con los que Benjamin estructura sus análisis. El objetivo es entonces rastrear los elementos que en la elaboración de una teoría política permiten recuperar al narrador checo para la revisión de un concepto de lo humano.
Die paradigmatische Institution des Speichergedächtnisses ist das Archiv, das gern als „Schatzkammer des Wissens“ oder „Gedächtnis der Gesellschaft“ angesprochen wird. Welche Aufgaben erfüllt es, wie hat es sich im Medienwandel verändert, mit welchen Problemen ist es konfrontiert? Diese Fragen führen mich im dritten und letzten Teil zu einer Gegenüberstellung von Archiv und Internet. Ich beginne mit einigen Bemerkungen zur Struktur und Organisation des Archivs. Das Archiv ist ein Ort der Ansammlung und nicht der Sammlung. Hier spielt der Zufall eine größere Rolle als die gezielte Steuerung, denn Archivgut fällt an und wird nicht eigens gesucht und in aller Regel nicht käuflich erworben. Mit den Tätigkeiten des Sicherns und Erhaltens ist es ganz auf eine Schutzfunktion zugeschnitten. Der gesellschaftliche Auftrag des Archivs liegt in der Konservierungs-, Ordnungs- und Erschließungsfunktion von Dokumenten. Archivare sind Dienstleister des Speichergedächtnisses in einer Zwischenstellung: sie halten Informationen vor, die später von anderen bewertet, aufbereitet und interpretiert werden. All das kann nicht die Aufgabe der Archivare sein, weshalb sie sich mit der Entscheidung der Auswahl zwischen dem, was relevant und was redundant ist, auch schwer tun und oft überfordert fühlen: „Was wertvoll oder Informationsmüll (wertlos) ist, ist in generellem Sinn theoretisch nicht begründbar.“
Poetologisch sind beide Werke [„Ackermann“ und „Ring“] ganz der Tradition verpflichtet, die erschließbare Konzeption geht jedoch deutlich darüber hinaus. Der „Ackermann“ behält dabei die Position im literarischen Prozeß, die man ihm generell zuerkennt, der „Ring“ hingegen erweist sich so nicht nur als letzter bedeutender mittelalterlicher Roman, als der er von Walter Haug apostrophiert worden ist, (...) sondern ebenso als ersten neuzeitlicher: „modern“ in der Konstitution eines subjektbezogenen Sinnzentrums, der Tradition verpflichtet aber in der Rückbindung der Autonomie an ein „transzendentales Obdach“, an ihr Gewolltsein durch Gott.
Meistergesang und Predigt : Formen der Performanz als Legitimationsstrategien im späten Mittelalter
(2004)
(…) [Volker Mertens] Fragestellung ist es, durch den Vergleich der mündlich geprägten Literaturgattungen Predigt und Meisterlied die Spezifika meistersängerischer Performanz zu erschließen, darüber hinaus durch die Heranziehung des volkstümlichen geistlichen Liedes zu einer differenzierten Kategorisierung von Performanz schlechthin beizutragen und schließlich zu Einsichten in das Verhältnis von überliefertem Text und Performanz zu gelangen.
An einem Beispiel aus der Boppe-Überlieferung wird die Frage nach literarischer Kohärenz und Leistung meisterlicher Liebesdichtung behandelt. Die fünf Strophen des Liedes RSM Bop/1/500a sind sämtlich in andere, ebenfalls in der Kolmarer Liederhandschrift überlieferte Lieder integriert. Dieser Integrationsprozess zeigt ganz verschiedene Formen und einen je anderen Zuschnitt: Neben der fast unmotiviert erscheinenden Zusammenstellung unterschiedlicher Strophengruppen und der thematisch orientierten Verbindung älterer Einzelstrophen gibt es das aus einem übernommenen Motivkomplex entwickelte Meisterlied, dessen zeitliche Schichtung in der gelungenen produktiven Anverwandlung kaum mehr erkennbar ist.