830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Die Romantiker lieben es, programmatisch aufzutreten. Daher ist es bemerkenswert, dass in ihren Manifesten die Nennung und Konzeptualisierung von Ironie, Arabeske, Humor, Phantastik und Groteske dominiert. Die Erwähnung der Satire hingegen findet sich selten, sie bleibt randständig. Und doch ist auffällig, dass zum Beispiel in den nicht zur Veröffentlichung bestimmten poetologischen Notizen Friedrich Schlegels die Satire nicht nur gleichwertig mit Ironie, Burleske, Parodie, Groteske behandelt, sondern zugleich um ihren literaturtheoretischen systematischen Ort und ihre literaturpolitische Stellung geradezu gerungen wird.
Als methodisches Rüstzeug bieten sich im Falle des hier verfolgten Themas vier Zugänge an: Erstens eine ideengeschichtliche Rekonstruktion der jüdischen Neuromantik, gegliedert nach verschiedenen Phasen (Vorgeschichte, zionistische Auslegung, ästhetische Kontroversen). Zweitens ein kulturwissenschaftlich ausgerichteter Konstellationsforschungsansatz. [...] Drittens bietet sich das Thema jüdische Neuromantik geradezu dafür an, die jüngst im englisch-amerikanischen Theoriefeld wieder aufgegriffenen methodischen Überlegungen zu kulturwissenschaftlich ausgerichteten "translation studies" einzubeziehen; [...] Und schließlich erscheint eine begriffliche Differenzierung nützlich. Im Blick auf die kulturpolitisch ausgerichtete zionistische Bewegung dürfte es angemessen sein, von einer "Wiederaufnahme" romantischer Vorgaben aus der Zeit um 1800 zu sprechen. Der zeitgenössische kulturpoetisch-ästhetische Versuch einer genaueren Charakterisierung neuromantischer Gattungen und Schreibweisen dürfte allerdings treffsicherer mit dem Begriff "gesteigerte Wiederkehr" umschrieben werden können.
In der österreichischen Literatur entwickelte sich zu Beginn des 19. Jahrhundertskeine literarische Bewegung, die mit der deutschen Romantik vergleichbar wäre. Der Aufenthalt und ausgedehnte Tätigkeiten vieler deutscher Romantiker in Wien jedoch hatten Auswirkungen auf das geistig-kulturelle und literarische Leben in Österreich und führten zu heftigen Debatten und wortgewaltigen Polemiken in der literarischen und journalistischen Szene. Die Aufklärungspostulate hatten in Wien Prämissen gesetzt, die das kulturelle Leben der österreichischen Länder bis weit in das 19. Jahrhundert hinein stark beeinflussten.
Zwar hatte Loos seinen Feldzug gegen das Ornament schon um 1900 begonnen, doch entwickelte keiner seiner scharfzüngig formulierten Essays eine größere Sprengkraft als der 1908 erschienene Aufsatz "Ornament und Verbrechen", dessen Hauptthesen er zugleich erfolgreich in wirkungsvollen Vorträgen popularisierte. Er wandte sich darin gegen den historistischen Fassadenstil der Wiener Ringstraßenästhetik und gegen die Formensprache sezessionistischer Strömungen, propagierte eine an Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit orientierte Baukunst und verteufelte die seiner Meinung nach überflüssige Dekorationswut, die aus der Verbindung zwischen Kunst und Kunsthandwerk im Gefolge der Arts-and-Craft-Bewegung hervorgegangen war. Trotz oder wegen der kontroversen zeitgenössischen Aufnahme hatten die kämpferischen Thesen eine vielfältige Wirkungsgeschichte. Sie beeinflussten nicht nur nachhaltig die architektonische Praxis bei der Herausbildung des internationalen Funktionalismus, sondern auch puristische und elementaristische Strömungen in der bildenden Kunst sowie allgemeine ästhetische Theorien und hinterließen bis ins 21. Jahrhundert hinein Reflexe in literarischen Texten.
Ich spreche im Folgenden über ein Thema, das 'Hermeneutik nach Luther' heißen soll. Als Hermeneutik verstehe ich dabei im Anschluss an Friedrich Schleiermacher - also im Anschluss an einen protestantischen Theologen, der seine eigene Hermeneutikkonzeption vorwiegend mit Bezug auf die Auslegung des Neuen Testamentes entwickelt hat, das heißt in einem dezidiert christlichen und zugleich mehrfachen, noch näher zu klärenden nach-Luther'schen Sinn - die "Kunst des Verstehens". Die Bestimmung verdeutlicht, dass das Verstehen nichts Selbstverständliches ist. Verstehen versteht sich nicht von selbst. Es muss selbst verstanden werden. Hermeneutik bezeichnet nach diesem Verständnis eine Aufgabe, und zwar, wie Schleiermacher zu betonen nicht müde wird, eine niemals abgeschlossene, immer weiter fortzusetzende Aufgabe.
Die künstliche Außenweltbeleuchtung ist keine neutrale Helligkeit, die die Sichtbarkeit der von ihr bestrahlten Umgebung unmodifiziert über die Dämmerungsgrenze hinweg in die Nacht hinein weiterdauern lässt. Sie hat in aller Regel einen intrusiven Aspekt und schafft ein spezifisches, vom Tagesanblick deutlich unterschiedenes Erscheinungsbild. Meistens erzeugt sie zum Beispiel Wahrnehmungsbilder, die mit fast allen Formen von gemalten Abbildungen und mit narrativen Darstellungen gemeinsam haben, 'Unbestimmtheitsstellen' zu enthalten.
Die Wahrnehmungsgeschichte der künstlich erleuchteten Stadtzentren ist von der Komplexität geprägt, die auch das Verhältnis von Kunstlicht und Raum charakterisiert. Im Verlauf der Epoche, die mit der Aufstellung der ersten Gaslaternen zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann und die mit der Einführung der elektrischen Glühbirnen, der Neon-Röhren und schließlich der LED-Dioden ihre Fortsetzung fand, hat das von diesen Lichtern erzeugte Raumerlebnis mehrfach qualitative Veränderungen erfahren. Die folgenden Ausführungen kontrastieren vier historisch aufeinander folgende Typen von Wahrnehmungsbildern der erleuchteten Innenstädte: 1.) Reaktionen aus der ‚Pionierzeit‘ der Straßenbeleuchtung (bis Ende des 19. Jahrhunderts); 2.) Reaktionen aus der Zeit der Einführung der elektrischen Beleuchtung; 3.) die avantgardistische Kunstlichtwahrnehmung der 1920er Jahre; 4.) Wahrnehmungsbilder, wie sie aktuell angewendete Beleuchtungspraktiken nahelegen. Die beobachteten Wandlungen im Erleben der beleuchteten Stadtszenerien werden mit Tendenzen, die für die jeweiligen Stadtgesellschaften typisch sind, in Zusammenhang gebracht.
Wer durch eine Stadt wie Venedig geht, sieht, dass die Zeit überall ihre Spuren hinterlässt. Der britische Kunsthistoriker John Ruskin nennt diese Spuren in seinem 1851 bis 1853 publizierten Reisebericht 'The Stones of Venice' "time stains" und macht darin eindrücklich darauf aufmerksam, dass Spuren der Zeit ästhetisch betrachtet werden können, obwohl sie kein Produkt des Menschen, sondern zunächst einmal eines der Zeit sind. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob und inwiefern die Zeit als Gestalterin ästhetischer Objekte begriffen werden kann und wie sie dieses Potenzial in Konkurrenz zu kulturellen Gestaltungsabsichten erfüllt.
Zur Beantwortung dieser Frage lassen sich die im Kontext der Ruinenästhetik geführten Diskussionen und das seit einigen Jahren zu verzeichnende neue Interesse am Naturschönen folgendermaßen verbinden und zuspitzen: Die Zeit muss als gegenkulturelle Gestalterin der Lebenswelt genauer ins Visier und als ästhetisches Subjekt ernst genommen werden. Der Beitrag reiht sich damit in die seit einigen Jahren Konjunktur verzeichnende ästhetische Auseinandersetzung mit der Zeit ein. Dort ist bislang versäumt worden, dezidiert nach der ästhetischen Gestaltungskraft von Zeit zu fragen, während man die kulturelle Gestaltbarkeit von Zeit betont hat.
Eine neue Veröffentlichung der seit über 30 Jahren existierenden Kinderkrimireihe Die 'Drei ???' verdrängt noch länger wirkende und mit jeder Veröffentlichung auf geradezu enervierende Weise den Status quo bestätigende Bands wie etwa AC/DC von den ersten Plätzen der Bestsellerlisten; dem Marvel-Universum zugehörige Serien wie Daredevil und Jennifer Jones oder das aus Versatzstücken der Horror-Kultur komponierte Penny Dreadful werden von der Streaming-Plattform Netflix höchst erfolgreich und in direkter Konkurrenz zum allerneuesten Sherlock-Holmes-Pastiche produziert: Neue Helden sind rar geworden, weshalb man lieber sattsam bekannte durch neue Abenteuer laviert, wobei auch hier Variationen zwar grundsätzlich erlaubt sind, aber nur in bestimmten, eng definierten und zudem von Fans rigoros kontrollierten Grenzen, die den ursprünglichen Gehalt der Vorlage stetig zementieren sollen. Zweifellos durchwirkt gegenwärtig ein Phänomen die Kultur, sinnig Retromania genannt, infolgedessen es die jetzige Generation wie wohl keine zuvor vermag, so vehement die Helden der eigenen Jugend zu konservieren; andererseits gelingt es keiner Generation wie dieser so wenig, sich von den Helden ihrer Kindheit, ja von ihrer Kindheit ganz allgemein zu trennen. Da passt es dann, wenn zeitgleich die Literatur in Werken von Karl Ove Knausgård oder Andreas Maier eben diese Kindheit als naiven Zustand ursprünglicher Naivität zelebriert.
Romantik als Gegenbewegung zur vernunftfixierten, fortschrittverheißenden Aufklärung wird allzu oft klischeehaft reduziert auf gedankenverlorene Gefühlsduselei, schwärmerische Realitätsflucht und idealisierende Mittelalterverehrung. Wie die Romantik wird auch die Rheinromantik in dieser verzerrten Form heute als Topos des Tourismusmarketing missbraucht und derart im kollektiven Gedächtnis markiert. Dabei hat nicht zuletzt Rüdiger Safranskis populäre Romantikmonographie unmissverständlich hervorgehoben, dass Romantik auch als politische Emanzipationsbewegung, als Ergänzung des nüchternen Rationalismus und als Erweiterung des Wirklichen um das Geheimnisvolle verstanden werden muss.
Dieser ursprünglichen Vieldeutigkeit des Romantischen ist auch Ulrich Meyer-Doerpinghaus mit seinem Band "Am Zauberfluss" verpflichtet. Die "Szenen aus der rheinischen Romantik" wollen das idyllisierende Klischee der efeubewachsenen Gemäuer, der weinseligen Geselligkeit und der Wehmut widerlegen.
0. Wenn man als Anarchisten jemanden versteht, der davon überzeugt ist, dass es den Menschen möglich ist, ihr Zusammenleben so zu organisieren, dass Herrschaft in jeglicher Form verzichtbar ist, dann war Grabbe ganz sicher keiner. Auch gibt es in allem, was schriftlich von ihm überliefert ist, keinen einzigen Hinweis darauf, dass er sich jemals zustimmend zum Ideal der Herrschaftslosigkeit geäußert hätte. Wenn Grabbe m.E. dennoch zum Kontext des Themas Anarchismus im Vormärz gehört, so hat das andere Gründe.
1. Negativer Anarchismus
Das Programm, mit dem sich der noch ganz junge, 1801 geborene literarische Debütant mit seiner Tragödie 'Herzog Theodor von Gothland' (entstanden zwischen 1819 und 1822) von dem das literarische Feld seiner Zeit bestimmenden klassisch-idealistischen Diskurs in radikalster Weise abgrenzen will, ist das eines Frontalangriffs auf alle ihm zugrunde liegenden Wertvorstellungen und Deutungsmuster. Die hehren Ideale des klassisch-humanistischen Projekts (das Wahre, Gute und Schöne als zugleich Mittel und Ziel der menschlichen Veredelung durch einen umfassenden Bildungsprozess) werden im Gothland ebenso rigoros als nicht mit der Wirklichkeit kompatibel zurückgewiesen wie die aufklärerische Grundannahme der Perfektibilität des Menschen und die christliche Überzeugung von einem guten Gott, der die Geschicke im Sinne der an ihn Glaubenden und ihm Vertrauenden lenkt. Nach Grabbe ist so gut wie in jeder Hinsicht das Gegenteil der Fall.