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Der vorliegende Beitrag wirft einen Blick auf die Darstellung des Rollenverständnisses von Mann und Frau in der Lyrik von Frauen zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs (1871–1918). Die Frage nach der Stellung der Frau in Gesellschaft, Familie und Arbeitswelt ist in den paradigmatisch ausgewählten Gedichten mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung ein Thema. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich auch einen Blick auf die Rahmenbedingungen der Autorinnen des Kaiserreichs zu werfen, da Literatur als ein Teilbereich der Kunst ein Indikator für das Weltverständnis und Selbstverständnis der Menschen dieser Zeit ist. Zudem lassen sich die ausgewählten Gedichte durch die Betrachtung der Kennzeichen weiblicher Lyrikproduktion gegenüber der zeitgemäßen unkritischen religiösen Lyrik sowie Natur und Liebeslyrik abgrenzen und es lässt sich nach dem Stellenwert der kritischen unzeitgemäßen Gedichte fragen.
Die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Bildungsmöglichkeiten im ausgehenden 19. Jahrhundert ist im Roman „Christa Ruland“ von besonderer Bedeutung. Auf rhetorischer Ebene herrscht ein Motiv der Bildung vor, durch das jede auftretende Person klassifiziert wird – sowohl Männer als auch Frauenfiguren. Die Charakterisierung der Figuren mittels bildungsspezifischer Zeitbezüge, bedingt die Reflexion über die Entwicklung der Frauenbildung. In der Gegenüberstellung der Bildungsmotivik deuten sich positiv zu bewertende Entwicklungen innerhalb der Frauenund Gesellschaftsbildung an. Es handelt sich jedoch lediglich um dargestellte Ansätze. Die Realisierung der aufkeimenden Gleichstellung scheint für das Individuum höchst diffizil.
Die Frauenliteratur des Kaiserreichs und der Weimarer Republik ist in ihrer Gesamtheit unerforscht: Romane, Gedichte und Dramen von Autorinnen im Zeichen von Naturalismus und Frauenbewegung, die die Alltagsrealität bürgerlicher Mädchen und Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft beschreiben. Dabei handelt es sich um eine sehr umfangreiche Gruppe von Autorinnen und Werken, von denen manche zu ihrer Zeit hohen Bekanntheitsgrad erreichten. Die Literatur der ersten Generation erlebte mit Beginn des Ersten Weltkriegs ihre Zäsur. Während sie zu Beginn der 1920er Jahre noch einmal Schilderungen des Übergangs in eine politisch und gesellschaftlich veränderte Zeit lieferte, zogen bereits die „Töchter“ (1927), so der Titel eines Romans von Gabriele Reuter, in die Literatur ein, der Typus der Neuen Frau, der zwar ohne die bürgerliche Frauenbewegung kaum möglich gewesen wäre, sich nun aber umso vehementer von ihr löste.
Inhalt: DIRK HEMPEL Kritische Frauenliteratur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Konturen eines Forschungsfelds JULIAN TIETZ Bildungsmotive in Hedwig Dohms Roman "Christa Ruland" (1902) ISABEL REHMER Das geschlechtsspezifische Rollenverständnis in der Lyrik von Frauen um 1900 SANDRA CUJIC Ratgeberliteratur als Medium der Lesesozialisation junger Frauen und Mädchen im deutschen Kaiserreich – ein Forschungsbericht SÖHNKE CALLSEN Maria Janitschek – eine vergessene Autorin der Jahrhundertwende? Versuch eines werkbiographischen Portraits JANINE GLUGLA Maria Janitscheks Frauen – Zwischen "alter Eva" und "neuer Frau" KRISTINA EVEN, CHRISTINA HOFMEISTER, MALGORZATA TRIFKOVIC Frauenfrage, Frauenbewegung und Literatur in der "Gartenlaube" XENIA BOE Die belletristische Literatur in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift "Die Frau" PARVATI VASANTA Wirkungsbereiche von Frauen im Expressionismus – institutionelle Kunstförderung und literarische Produktion CARLA SWIDERSKI Die Erstrezeption von Irmgard Keuns Roman "Gilgi – eine von uns"
Aus postkolonialer Perspektive gilt der Exotismus im Anschluss an Edward Said als die spezifische Ästhetik des Imperialismus, als Projektion westlicher Wunschphantasien, als ästhetische Ausbeutung des Fremden im Imperium der westlichen Kulturproduktion. Von einem „Ausstieg aus dem kolonialen Syndrom“, mithin von Postkolonialismus, könne man erst sprechen, wenn die diskursive Strategie des Exotismus nicht mehr funktioniere. Die einschlägigen literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerke erklären, dass der Begriff Exotismus als Entlehnung aus dem Französischen zu Beginn des 20. ahrhunderts Eingang in die deutsche Sprache gefunden habe. Gerhart Pickerodt verweist im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft auf „früheste bekannte Belege“ bei dem österreichischen Expressionisten Robert Müller aus dem Jahr 1914.
This essay examines the differing contexts and modes of encounter with Islamic culture in the travel writing of two contrasting women, the Prussian Countess Ida Hahn-Hahn and the Austrian Maria Schuber: both travelled to and wrote from the Middle East in the 1830s and 1840s and published their letters as collections. The encounters both women had with Islam were conditioned, at least in part, by their respective stance on religion, issues of gender and social class, and by the obligations of patronage and the expectations of distinct readerships. Whilst both women can be seen to write about Islam as a religion and culture defined by its difference to Christianity, both can also be seen in differing ways and to differing extents to represent Islam and Muslims as simultaneously belonging to a universal and inclusive notion of humanity and human religion. Thus, without embracing high philosophical discourse of Kant or Hegel, both women can be seen to demonstrate cosmopolitan impulses towards Islam, although these jostle for ascendancy with a more Eurocentric, Christian and indeed völkisch vision of the relationship between cultures.
Tagungsbericht: Veranstalter: Urs Meyer/ Gabi Pahnke, Johann-Gottfried-Seume-Gesellschaft zu Leipzig e.V.; Ludwig Stockinger, Universität Leipzig Datum, Ort: 03.06.2010-05.06.2010, Leipzig Bericht von: Urs Meyer, Universität Fribourg: Obgleich Johann Gottfried Seume (1763-1810) bis heute vor allem als der "Spaziergänger nach Syrakus", als Reisender fern seiner Heimat, in Erinnerung geblieben ist, war der sozialkritische Schriftsteller, Dichter und Publizist der Spätaufklärung auch überzeugter sächsischer Landsmann – und bisweilen sogar heimwehkrank nach seiner "Vaterstadt" Leipzig. Immer wieder trieb es ihn fort aus seiner Heimat, doch kehrte er auch immer wieder zurück. Damit drängt es sich auf, Seumes Verhältnis zu Leipzig, zu der Stadt, in der er über 25 Jahre seines Lebens verbrachte, zum Gegenstand einer Tagung zu machen, die im Rahmen von Feierlichkeiten zum 200. Todestag des Dichters in Leipzig stattfand.
The focus of this paper is the perspectivization of thematic roles generally and the recipient role specifically. Whereas perspective is defined here as the representation of something for someone from a given position (Sandig 1996: 37), perspectivization refers to the verbalization of a situation in the speech generation process (Storrer 1996: 233). In a prototypical act of giving, for example, the focus of perception (the attention of the external observer) may be on the person who gives (agent), the transferred object (patient) or the person who receives the transferred object (recipient). The languages of the world provide differing linguistic means to perspectivize such an act of giving, or better: to perspectivize the participants of such an action. In this article, the linguistic means of three selected continental West Germanic languages –German, Dutch and Luxembourgish– will be taken into consideration, with an emphasis on the perspectivization of the recipient role.
Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs wurde in der Kalenderausgabe dieser Publikationsform entsprechend mit Titel- und Monatskupfern ausgestattet, die programmatische Allegorien, wichtige Szenen und zusätzlich Portraits der Hauptpersonen zeigten. Dieser Beitrag untersucht die Titelkupfer und Monatsbilder auf ihre Darstellung von historischen Frauen und Weiblichkeit sowie die Porträts von Christina von Schweden und Amalia von Hessen und vergleicht sie mit Schillers Text.
Die Propyläen als Toranlage, die zur Akropolis führt, gaben der Kunstzeitschrift Propyläen (1798-1800) den Namen. Goethe gab sie heraus, um durch sie – wie durch ein Tor – die Kunst der Gegenwart zur Orientierung an der Antike zu führen. Das für die Zeitschrift grundlegende Motiv des Tores spielt eine Rolle auch in einem Artikel „Ueber Etrurische Monumente“, den Goethes Freund und Mitarbeiter Johann Heinrich Meyer anonym im ersten Band der Propyläen (S. 66-100) veröffentlichte.
"Wie ein ungeheures Märchen" : Johann Caspar, Johann Wolfgang und August Goethe im Petersdom in Rom
(2006)
Die Baugeschichte des Petersdoms in Rom, wie er sich dem Blick des neuzeitlichen Betrachters darstellt, ist das Resultat eines großen Abbruchunternehmens ebenso wie eines gewaltigen Neubaus. Von „schöpferischer Zerstörung“ hat Horst Bredekamp mit Blick auf die Baugeschichte von Neu St. Peter in Rom seit 1506 gesprochen. Als Johann Wolfgang Goethe, den Spuren seines Vaters folgend, 1786 auf seiner „Hegire“ das antike Rom und den Petersdom erblickte und sich damit in die südliche Kunstwelt „initiiert“ fühlte, konnte er kaum einschätzen, dass sein Neubau der deutschen Litera-tursprache ein ähnlich gewaltiges und gewaltsames Abbruch- und Aufbauprojekt sein könnte, wie der sich über mehr als ein Jahrhundert erstreckende Neubau der Papstkirche in Rom. Die „römischen Glückstage“, deren Stimmung und Kunstgefühl sich Goethe noch 1829, bei der Edition des „Zweiten römischen Aufenthalts“, in die „kimmerischen“ Nächte des Nordens holte, versuchte sein Sohn August 1830 auch für sich zu reklamieren. Doch endete dessen zu spät unternommene Flucht in einer Tragödie. August von Goethe starb zehn Tage, nachdem er die Kuppel des Petersdoms im Glanz der Morgensonne gesehen hatte, an einem Schlaganfall in Rom. Von dem Schock, der ihn im November 1830 durch die Nachricht vom Tod des Sohnes ereilte, hat sich Johann Wolfgang Goethe nicht mehr erholt.
Goethes Naturdenken ist an jener historischen Nahtstelle anzusiedeln, an der sich die europäische Menschheit mit Hilfe von Wissenschaft und Technik aus den drückenden Zwängen der Natur zu befreien und sich ihres Verstandes in freier Wahl zu bedienen vorgenommen hat. Der spezifisch neuzeitliche Akzent, der diesem Vorhaben anhaftet, lautet: Die Entfremdung von der Natur ist die Bedingung der menschlichen Freiheit und ihrer Herrschaft über die Natur, doch versuchen schon die Menschen des späten 18. Jahrhunderts, ästhetisch wiederzugewinnen, was sie in der realen Beziehung zwischen Mensch und Natur verloren haben. Der Aufsatz versucht eine sozialgeschichtliche Einordnung von Goethes Naturdenken auch in die zeitgenössischen Erfahrungen der elementaren Naturgewalten, in Gewitter, Feuersbrunst und Hagelschlag, um die Innovationskraft dieses Denkens und ihres ästhetischen Ausdrucks zu belegen. Goethe hat sich zunächst dem Diskurs über die Theodizee angeschlossen, der nach dem großen Erdbeben von Lissabon lebhafter und heftiger wurde als je zuvor, ist dann aber rasch über diesen Diskurs hinausgeschritten, um den Menschen in seiner Glücksfähigkeit von allen anderen Naturwesen zu unterscheiden.
Der Vortrag versucht den Zusammenhang von Kunst, Literatur und Medizin in dem historischen Augenblick einzufangen, in dem sich Kunst und Medizin, die über Jahrhunderte hin zusammengegangen sind, voneinander trennen. Die von Carl Gustav Carus mitbegründete Psychosomatik öffnet dabei ein Fenster in die Zeit vor dieser Trennung. Es war die Zeit der ars medica, in welcher die Heilkunst, die Malerei und die Literatur von ästhetischen und von medizinischen Beobachtungen bestimmt waren und die von Carus propagierte Kunst zu leben (die Gesunderhaltungskunde) den ganzen Menschen, Leib und Seele, meinte. Der Text handelt (1) von der rationalen Entzauberung und, komplementär dazu, von der poetischen Verzauberung der Welt, (2) von der pathologischen Anatomie als Leitwissenschaft in der Sattelzeit der Modernisierung, (3) von der als Kunstwerk verstandenen Medizin, (4) vom Verhältnis von Erd- und Seelenleben und (5) von unterschiedlichen „Räumen der Heilkunst“ seit dem Ende des 18. Jahrhunderts.
Seit einem Jahrzehnt zählt Russisch zu den häufig gesprochenen Migrationssprachen an deutschen Schulen und rückt nun als weitere Lernersprache in den Fokus der linguistischen Migrationsforschung. Russischsprachige Schüler und Schülerinnen, die als Aussiedler vornehmlich aus Russland und Kasachstan immigrieren, bilden seit Beginn der 90er Jahre die bedeutendste Gruppe jugendlicher Einwanderer nach Deutschland. Aussiedlerjugendliche erhalten zwar in den meisten Fällen kurz nach ihrer Einreise die deutsche Staatsangehörigkeit, diese ist jedoch längst kein Garant mehr für eine reibungslose Integration. Neuere Befunde zeigen, dass eine wachsende Zahl junger AussiedlerInnen aus den GUS-Staaten Gefahr läuft, den Anschluss an eine adäquate schulische und berufliche Ausbildung zu verpassen (vgl. Dietz/Roll 1998, Strobl/Kühnel 2000). Ihre Bildungsbeteiligung hat sich der benachteiligten Bildungssituation anderer Immigrantenjugendlicher angenähert.
„Seit Jahrzehnten“, so der Münchner Kunsthistoriker Walter Grasskamp am Ende des vergangenen Jahrhunderts in einem Beitrag zur „Bilanz“ der Postmoderne-Diskussion, „muss man nun schon mit der Ungewissheit leben, nicht mehr genau sagen zu können, in welcher Epoche man sich eigentlich befindet.“ (Grasskamp 1998: 757) Die damit angesprochene Erfahrung von Verunsicherung und das hiermit zugleich verbundene desillusionäre Lebensgefühl, deren zeitgenössische Verbreitung sich nicht zuletzt an der Beliebtheit der bereits Mitte der 1980er Jahre von Jürgen Habermas geprägten Formel einer „neuen Unübersichtlichkeit“ (vgl. Habermas 1985: 139) ablesen lässt, blieb freilich nicht nur auf jene westlichen Länder beschränkt, deren Fortschritts-, Planungs- und Freiheitsvorstellungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – vor dem Hintergrund einer bis in die Anfänge der Neuzeit zurückreichenden und namentlich im Jahrhundert der Aufklärung und dann im Zeitalter der Naturwissenschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts forcierten Rationalisierungs-Euphorie – ausgehend von den 1970er Jahren inzwischen an ihre Grenzen geraten sind.
Unsere Erwartung war anders als sonst – freudig, doch nicht frei von Erregung und leiser Furcht: Wird man im Kreml das gegebene Wort halten und nach einem Jahr die Rückkehr in die russische Heimat erlauben? Als Gast Heinrich Bölls kam Lew Kopelew im November 1980 nach Deutschland. In der Bonner Wohnung des Slawisten Wolfgang Kasack konnte ich mich ihm wenige Tage später vorstellen: Er war groß, von beeindruckender Physiognomie – nicht nur durch den Prophetenbart –, allerdings fast bleich und in der ersten halben Stunde still und in sich gekehrt.
Russland und Dadaismus, Russland und Dada – auf den ersten Blick scheint es, als seien dies zwei ganz unvereinbare Dinge, schon deshalb, weil „Dada“ außerordentlich negative, destruktive Energien vertritt, während es im Russischen die zweifache Bestätigung „Ja, ja!“ bedeutet. Man wird zugeben müssen: Dieses Wort passt nicht als „Etikett“ für eine avantgardistische Bewegung oder Strömung in Russland, da es mit einer ganz bestimmten Bedeutung behaftet ist. Es hat allerdings in anderen als der russischen Sprache, vor allem in westeuropäischen Sprachen Wurzeln schlagen können, weil es dort jeglichen Sinnes entbehrte.
Ich möchte mit einer einfachen Frage beginnen, die aber natürlich keine einfache Frage ist: Wie und unter welchen Bedingungen kommt es zu geistesgeschichtlichen Umbrüchen, speziell zum Epochenumbruch um 1800 in der Ästhetik, also dem Beginn der ästhetischen Moderne? Ich verbinde also die Frage auch mit der Frage nach einer angemessenen Theorie der Genese der ästhetischen Moderne.
Die zwölfjährige GIP zwischen den Germanistiklehrstühlen der Universität Augsburg und der Staatlichen Pädagogischen (heute: Humanwissenschaftlichen) Universität Chabarovsk unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Wellmann und Frau Dr. Elena Kan brachte fachliche Aktivitäten unterschiedlichster Art hervor. Im wissenschaftlichen Bereich wurde diese Zusammenarbeit ab 1999 durch eine Reihe gemeinsamer Videokonferenzen unterstützt. Dabei waren die Eingangsvoraussetzungen an beiden Partneruniversitäten recht unterschiedlich.
Deutschsprachige und bilinguale Studiengänge : eine Chance für Deutsch als Fremdsprache in Russland
(2008)
Der Bericht der Ständigen Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (2006) für das Jahr 2005 zeigt, dass Russland, trotz eines Rückgangs der Lernerzahlen, immer noch das Land mit den meisten Deutschlernern (mehr als 3,3 Millionen) und mit dem größten Deutschlernangebot an den Schulen und den Universitäten (ca. 1000 Hochschulen) ist. Bei einer Umfrage unter 1025 Personen in den Städten Jakutsk, Kaliningrad, Moskau, Saratov und St. Petersburg waren 100 % der Befragten der Meinung, dass Englisch für die beruflichen Aussichten die wichtigste Sprache sei, aber 89 % schätzten die Kenntnis des Deutschen für ebenso wichtig ein und 95 % waren sogar der Meinung, dass durch ein sehr gutes Erlernen der deutschen Sprache im bilingualen Unterricht an Schulen sich die Berufschancen der Lerner erheblich verbessern (vgl. Baur 2005).
In unserem Beitrag möchten wir die Besonderheiten des systemhaften Aufbaus der funktional-semantischen Kategorien der Modalität und Aspektualität zeigen, und zwar anhand der Konstruktion können + Infinitiv im Deutschen und deren Äquivalente im Englischen. Unser Hauptanliegen ist es, die modalen Konstruktionen zu untersuchen, Unterschiede und Ähnlichkeiten in den beiden germanischen Sprachen zu systematisieren und Sprachmittel verschiedener Ebenen zu diskutieren, um festzustellen, wie diese Mittel bei der Formierung des Plans der Begrenztheit und Unbegrenztheit der Handlung und deren aktionalen Schattierungen funktionieren.
Der Lehrstuhl für Deutsche Philologie als selbständige Institution an der Philologischen Fakultät der Staatlichen Universität St. Petersburg besteht schon mehr als 80 Jahre. Um die Bedeutung des Lehrstuhls in der Geschichte der russischen Germanistik zu verdeutlichen, möchte ich einige Namen hervorragender Germanisten nennen, die in verschiedenen Perioden des 20. Jahrhunderts den Lehrstuhl geleitet haben und die auch in Deutschland weit bekannt sind.
Das im Titel aufgerissene Problemfeld des Projekts hat drei Dimensionen, (1) ästhetisch-poetologische Aspekte, (2) Funktionsformen der Grenze in den Sprachen der Kunst, (3) Grenzerfahrung und das Problem der Sprache der Grenzerfahrung. Von dieser Problemstellung aus werden verschiedene literarische Erscheinungen untersucht – die Werke von Franz Grillparzer, Thomas Mann, Hermann Broch, Ernst Jünger, Ernst Jandl, Johannes Bobrowski, Wolfgang Borchert, Thomas Bernhard, Peter Handke, Elfriede Jelinek, auch die Sprachen der Musik – von Bach, Mozart, Beethoven, Liszt, Wagner. Obwohl alle drei Dimensionen miteinander innerlich verbunden sind, werden sie im Rahmen dieses Forschungsberichtes der Reihe nach knapp erläutert.
Die tschetschenische und die deutsche Sprache gehören bekanntlich zu unterschiedlichen Sprachfamilien. Die traditionelle morphologische Klassifikation zählt das Tschetschenische zu den agglutinierenden Sprachen. Dennoch zeigt das Tschetschenische viele gemeinsame Züge mit den Sprachen anderer genealogischer Strukturen, so zum Beispiel – unserer These nach – mit dem Deutschen auf dem Gebiet der Phonetik. Hinsichtlich der Morphologie und der Syntax gib es Ähnlichkeiten mit den slawischen Sprachen, vornehmlich dem Russischen. Die tschetschenischen Sprachforscher betonen aber, dass ihre Sprache unter den anderen kaukasischen, agglutinierenden Sprachen einen besonderen Platz einnimmt, weil man in ihr viele Merkmale der Flektierbarkeit beobachten kann, besonders bei der Deklination von Gattungsnamen, Adjektiven und Partizipien.
Die Germanistische Institutspartnerschaft zwischen der Staatlichen Pädagogischen Universität Barnaul (Linguistisches Institut) und der Europa-niversität Viadrina Frankfurt/Oder (Fakultät für Kulturwissenschaften) existiert seit 1993. In dieser Kooperation wurden im Laufe der Zeit gemeinsame Vorstellungen über die wichtigsten Maßnahmen entwickelt, die für eine Umstrukturierung und Modernisierung der germanistischen Lehre und Forschung an der russischen Hochschule geboten erscheinen.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht nicht darin, verschiedene Varianten der Übersetzungen von Novalis’ Lyrik ausführlich zu analysieren und zu vergleichen (die russische Übersetzung von Vladimir Mikuševič wurde deshalb gewählt, weil sie einfach als die „neueste“ gilt) oder über theoretische Fragen der Übersetzung zu diskutieren und „bessere“ Varianten vorzuschlagen. Die Aufgabe der Arbeit besteht vielmehr darin, an einzelnen konkreten Beispielen aus den Hymnen an die Nacht und den Geistlichen Liedern zu veranschaulichen, dass bei einer Übersetzung unvermeidlich die Semantik von vielen Wörtern, die im Deutschen nicht nur eine bestimmte Bedeutung haben, sondern auch den Leser auf ein bestimmtes Feld von kulturellen Parallelen und Assoziationen führen, verlorengeht. Es geht also um solche Ausdrücke, die selbst im Deutschen eines Kommentares, einer Erläuterung bedürfen.
Webbasierte Lehre in der Kooperation : ALU Freiburg i. Br. – Staatliche Universität St. Petersburg
(2008)
Im Folgenden beschreiben wir die webbasierte Lehre (Online-Lehre) im Rahmen des Projektes „Lehrkooperation im Bereich Germanistische Linguistik zwischen dem Deutschen Seminar I der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. und dem Lehrstuhl für Deutsche Philologie der Staatlichen Universität St. Petersburg (Russland): Studienpraktika und Online-Seminare“. Das Projekt wurde in den Jahren 2001–2005 durchgeführt und von der VolkswagenStiftung (Hannover) finanziert. Vorausgegangen war als „Pilotprojekt“ ein Workshop für Studierende aus Freiburg und St. Petersburg, der im Oktober 2000 zum Thema „Phänomene der Wissenschaftssprache“ am Lehrstuhl für Deutsche Philologie der Staatlichen Universität St. Petersburg stattfand.
Länder, die an den Grenzen einer kulturgeographischen Zone liegen, stehen leicht unter dem allgemeinen Vorurteil, dass sie an den progressiven Entwicklungen des Zentrums und der anderen Teile dieser Region nicht teilhaben. Leicht könnte man dieses verallgemeinernde Vorurteil auch auf Russland übertragen wollen, das ja bis um 1700 – sieht man einmal von den Handelsverbindungen der Hanse bis nach Novgorod seit dem Mittelalter und bis 1484 ab – eine Position der Abschottung gegenüber den westlichen Teilen Europas einnahm. Erst die zaristischen Entscheidungen von Peter dem Großen, Katharina II. und Alexander I. führten zu unterschiedlichen Formen der Öffnung Russlands nach dem Westen, die von der westlichen Welt denn auch – bei aller Zwiespältigkeit der Charaktere dieser regierenden Häupter in Russland – aufs Höchste gepriesen und mit Anerkennung begleitet wurden.
Dass ich Franz Hessel und Walter Benjamin hier als Flaneure in einen Zusammenhang bringe, mag nicht weiter verwundern. Beide verfolgten ein gemeinsames literarisches Projekt, dessen Titel für sich selbst spricht: „Passagen“. Beide haben nicht nur diese Miniatur über Paris verfasst, sie haben auch ihr je eigenes Bild von Berlin gezeichnet. Aber auch ihre Lebensläufe kreuzen sich in Berlin und Paris als den Orten hauptstädtischer Weltläufigkeit, in die Flaneure gehören. Hessel und Benjamin verbindet nicht nur, dass der bürgerliche Alte Westen Berlins zwischen Landwehrkanal und Tiergarten Ort der Kindheit ist, beide zieht es auch in die Wahlheimat Paris, die sich allerdings nach 1933 in einen Fluchtort wandelt.
Der folgende Beitrag stellt kein GIP-Projekt vor, das Projekt hat aber doch Einfluss auf die GIP Bochum-Ulan Ude genommen, die sich seit langem mit Multimediaaspekten im DaF-Unterricht beschäftigt. So werden etwa einige der im Folgenden beschriebenen Erfahrungen genutzt, um für das landeskundlich orientierte Lehrwerk Burjatien im Deutschunterricht (2005) eine multimediale Ergänzung zu schaffen.
Wenn wie im Falle des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie der Universität Leipzig eine mehr als zehnjährige Germanistische Institutspartnerschaft mit gleich zwei russischen Partnern – den Übersetzer-Fakultäten der Linguistischen Universitäten Moskau und Pjatigorsk – nunmehr ihren Abschluss findet, so bietet es sich natürlich an zu fragen, was die GIP-Langzeitkooperation beiden Seiten an messbaren wissenschaftlichen, wissenschaftsmethodischen und curricularen Ergebnissen, an „Zuwächsen“ im Sinne der Nachwuchsförderung, des Austauschs von Dozenten und Studierenden gebracht hat. Die Bilanz – von uns dargelegt im Jubiläumsband 52 der Dokumente & Materialien des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes – kann sich durchaus sehen lassen und rechtfertigt nicht nur die aufgewandten Mittel, sondern auch die kontinuierliche Arbeit, den nachhaltigen Einsatz und die vielfältigen Initiativen der zahlreichen Beteiligten auf beiden Seiten.
Die Geschichte der Beziehungen zwischen Literaturwissenschaft und Linguistik im Rahmen der Germanistik in den letzten 50 Jahren ist durchaus wechselvoll: einer zunehmenden Abkühlung, ja Entfremdung auf der einen Seite steht auf der anderen das wachsende Interesse an gemeinsam fruchtbar zu beackernden Arbeitsfeldern gegenüber. Ein Streifzug durch die Jahrgänge der Siegener Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) seit den frühen 70er Jahren gibt davon ebenso Zeugnis wie aktuelle Projekte kritischer Kooperation (Kasten/Neuland/Schönert 1997, Hoffmann/Kessler Hrsg. 2003) oder der Versuch einer wissenschaftsgeschichtlichen Aufarbeitung des Verhältnisses der beiden Fächer durch das Marbacher Literaturarchiv (Haß/König Hrsg. 2003). Im folgenden Beitrag wird ein kurzer Blick auf die diesbezügliche Situation in der Schweiz geworfen und ein konzeptueller Zugriff auf mögliche Berührungspunkte exemplarisch skizziert.
Wissensarchäologie statt Bologna-Falle : Annäherungen an die russische Germanistik als Wissenschaft
(2008)
Der fremdkulturelle Blick der Deutschen auf die Germanistik in Russland wird vor allem durch die Tätigkeit der großen Mittlerorganisationen, allen voran des DAAD und des Goethe-Instituts, geprägt. Beide haben größte Verdienste daran, dass das kollegiale Netz zwischen Ost und West inzwischen ein wenig engmaschiger geworden ist, sie ermöglichen durch Wissenschaftsaustausch und Kulturtransfer allererst die gegenseitige Wahrnehmung der Germanistiken in beiden Ländern, aber sie definieren in dieser Stellung auch in einer gar nicht zu vermeidenden Weise die Logik, durch die die kulturelle Fremdwahrnehmung auf deutscher Seite gesteuert wird.
Wer sich mit Literaturunterricht in der Fremdsprache auseinandersetzt, muss sich auf die besonderen Bedingungen der muttersprachlichen Literaturvermittlung im Heimatland der Lerner einlassen. Die muttersprachliche bzw. landestypische Arbeitsweise erhält sich sowohl im Sprachunterricht als auch im Literaturunterricht. Diese Anmerkung scheint besonders mit Blick auf den Literaturunterricht an russischen Universitäten angebracht. Traditionsgemäß haben sie ihre Schwerpunkte eher in der Sprachvermittlung (linguistische Schwerpunkte) als in einem motivierenden und fördernden Umgang mit der Literatur der zu erlernenden Sprache. In der Konsequenz bedeutet das für die germanistischen Lehrstühle in Russland einen recht konventionellen Prozess der Sprachvermittlung und einen Literaturunterricht entlang einem vermeintlichen Kanon der deutschen Literatur. Die Aufgabenstellung sollte sich nun auf die Vermittlung eines gesamtkulturellen Umfeldes konzentrieren, um die Vermittlung des Deutschen aus der muttersprachlichen Umklammerung zu lösen. Das bedeutet die Aktualisierung der literarischen Texte und die Vitalisierung des sprachlichen Prozesses.
Im Sommersemester 2001 begann auf Initiative des Goethe-Instituts Warschau ein langfristig angelegtes Projekt zur deutschen Gegenwartsliteratur nach 1989. Ein zentrales Ziel bestand darin, neueren Entwicklungen nachzugehen und neben herausragenden Texten der 1990er Jahre vor allem auch eine junge Autorengeneration in den Blick zu bekommen. In diesem Rahmen waren neue Stoffe und Themen der älteren, mittleren wie jungen Autorengeneration in den 1990er Jahren Gegenstand der Diskussion.
Fußball ist ohne Zweifel das weltweit populärste Mannschaftsspiel. Nicht zu Unrecht wird es daher seit Jahrzehnten als „König“ metaphorisiert. Nach allem, was heute bekannt ist, wurde eine Urform in China schon vor 5000 Jahren gespielt. In Europa soll seit dem 12. Jahrhundert vor allem im nördlichen Frankreich und in England ein fußballähnliches Spiel betrieben worden sein, und in Florenz und anderen norditalienischen Städten war seit dem 15. Jahrhundert das noch recht urwüchsige calcio sehr beliebt, bei dem je 27 Spieler darum kämpften, den Ball mit Faust oder Fuß über die Begrenzung der gegnerischen Schmalseite des Spielfeldes zu schlagen und so ein „Mal“ zu erzielen.
Tief im Osten, gleichsam „am Rande der Welt“, in der Republik Burjatien (Russische Föderation), hinter dem Baikalsee gelegen und viele tausend Kilometer von europäischen Großstädten entfernt, hat der Erwerb der deutschen Sprache einen hohen Stellenwert – insbesondere für Deutschlehrer, Deutschlehrerausbilder und Deutschstudierende.
Eine Auslandsgermanistik ist von vornherein auf so genannte inlandsgermanistische Musterbeispiele angewiesen und eingestellt. Darin liegt eine allgemeine Regel, der auch die russische Germanistik nolens volens folgt, wenn sie sich anschickt, die kulturwissenschaftliche Wende mitzumachen. Davon zeugen etwa die sich mehrenden Versuche, neue kulturell bedeutungsvolle Themen in wohlbekannten Texten aufzuspüren oder vermeintlich nichtliterarische Texte im Hinblick auf ihre Literarizität zu lesen.
Von den Veranstaltern unserer Konferenz wurde ich gebeten, über das wissenschaftliche Profil von Herrn Prof. Dr. Dirk Kemper, Leiter des vor wenigen Wochen gegründeten DAAD-RGGU-Kooperationslehrstuhls, zu sprechen, d. h. eine Außenansicht meines deutschen Kollegen zu umreißen, sein wissenschaftliches Porträt aus der Außenperspektive eines russischen Germanisten zu skizzieren.
Die Geschichte der Germanistik in Rostov am Don ist eng mit der Geschichte der Rostover Staatlichen Universität verbunden, die seit 1915 in Rostov am Don ansässig ist und aus der ehemaligen Kaiserlichen Russischen Universität Warschau hervorgegangen ist. Die Warschauer Universität wurde 1915 nach Rostov evakuiert, als Teile der deutschen Reichswehr näher an Warschau heranrückten. Nach den Wirren der Revolution und des Bürgerkriegs in Russland begann eine Zeit der mehrmaligen Umgestaltung für die erste Universität im russischen Süden. Diese Experimente wurden durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, und die Rostover Universität musste nach vielen materiellen Verlusten wiederum in das Kirgisische Osch evakuiert werden. Nach der Rückkehr der Universität aus Kirgisien wurde sie neu gestaltet, wobei man versuchte, die alten Fakultäten und Institute wiederherzustellen und sogar einige neu zu gründen.
Bei einem Künstler, über den man, von seinen Werken abgesehen, kaum etwas weiß, und dessen eigene Äußerungen oft eher kreatürlichen Rülpsern gleichen, ist man auf das Wenige angewiesen, das mit einiger Gültigkeit über ihn gesagt wird. Es stammt, wie könnte es anders sein, von Heiner Müller. Dennoch soll von Müllers Bemerkung, die Gotscheff, wie er selbst sagt, „für eineinhalb Tage berühmt gemacht hat", hier nicht die Rede sein. Denn alles, was Müller anläßlich von Gotscheffs „Philoktet“- Inszenierung (Sofia 1983) schreibt, stimmt, und doch ist es - das ist das Schicksal unendlich oft zitierter Bemerkungen – in Gefahr, zur Hohlformel zu gerinnen. Das ist nicht Müllers Schuld, sondern die derjenigen, die sie aus Alternativlosigkeit bis zum Abwinken wiederholen. Dabei ist die Schwierigkeit, zu Begrifflichkeiten vorzudringen, mehr als verständlich: Theaterabende zu beschreiben ist eine eigene Kunst. Zwanzig Jahre mit Gotscheff, über dreißig gesehene Inszenierungen, Mitarbeit an einigen, und nun die als Einladung verkleidete Drohung, darüber etwas schreiben zu sollen. Wo und wie anfangen? Ich will versuchen, Gotscheffs Arbeit inhaltlich und ästhetisch in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
Der Nobelpreis käme ihr – abgesehen von dem Geldsegen – wie eine Strafe vor, meinte Elfriede Jelinek. Plötzlich wurde sie, die Scheue, von der Weltöffentlichkeit grell ausgeleuchtet. Die Dichterin antwortete auf die ihr eigene Weise mit der Positionsbestimmung "Im Abseits": Nichts, was man tue, zähle; das einzige, was man ernte, sei ein Verweis. Das ist für eine erklärte Moralistin ein katastrophaler Befund, ihr bleibt "nur" die Ästhetik. Ästhetik versus Moralismus ist, allen Scheinwerfern zum Trotz, aber nur eines der immer noch schwer begreifbaren Spannungsfelder, aus denen heraus sie arbeitet und schöpft, andere wären hinzuzufügen: der Drang zu psychoanalytisch unterfütterten, archaisch-antiken Konstellationen und ihre erklärte Sehnsucht nach Oberfläche ("Ich will seicht sein!"), der Haß auf die Unterhaltungsindustrie und das leidenschaftliche Surfen im weltweiten Netz, das Spiel mit den Möglichkeiten der Mode und die Affinität zum Tod. Es scheint überhaupt so zu sein, daß all ihre Texte, unabhängig von ihrem jeweiligen Gegenstand, mit großer Obsession um den Tod kreisen, um ein Phänomen also, das wir als existentielles und politisches Phänomen – wie keine Gesellschaft zuvor – gelernt haben zu verdrängen. Das Jelinek'sche Äquivalent hierzu ist der permanente Redezwang, seine Kehrseite die Angst vor dem Abhandenkommen der Sprache und in Konsequenz hieraus: das Schweigen. Wie geht all das zusammen? Geht es überhaupt zusammen?
"Ich mag so Wasserpfeifeladen" : the interaction of grammar and information structure in Kiezdeutsch
(2008)
This article presents linguistic features of and educational approaches to a new variety of German that has emerged in multi-ethnic urban areas in Germany: Kiezdeutsch (‘Hood German’). From a linguistic point of view, Kiezdeutsch is very interesting, as it is a multi-ethnolect that combines features of a youth language with those of a contact language. We will present examples that illustrate the grammatical productivity and innovative potential of this variety. From an educational perspective, Kiezdeutsch has also a high potential in many respects: school projects can help enrich intercultural communication and weaken derogatory attitudes. In grammar lessons, Kiezdeutsch can be a means to enhance linguistic competence by having the adolescents analyse their own language. Keywords: German, Kiezdeutsch, multi-ethnolect, migrants’ language, language change, educational proposals
Während Anglizismen in deutscher Jugend- und Standardsprache bereits gut untersucht sind, stellt der Einfluss des Englischen auf multiethnolektale Varietäten des Deutschen noch ein unbestelltes Feld dar. Mit diesem Beitrag möchten wir einen Anstoß für künftige Forschungsarbeit in diesem Gebiet geben und zugleich einige erste Schritte unternehmen
Als Reaktion auf das Unidirektionalitätspostulat in der Grammatikalisierungsforschung sind in jüngerer Zeit einige Beiträge entstanden, die sich mit gegenläufigen Prozessen befassen (in diesem Band etwa die Beiträge von Trost, Simon und Wischer). Solche gegenläufige Entwicklungen ("De-Grammatikalisierungen") finden sich in Harnisch (2004) zusammengestellt. Quer zu dieser Achse verläuft die zwischen Lexikalisierung (als Prozess der Demotivierung und Desegmentierung einstiger Wortbildungsprodukte) und Delexikalisierung (als Prozess der Resegmentierung und Remotivierung), die unter dem Stichwort "Volksetymologie" oder "sekundäre Motivation" bekannter sein dürfte (vgl. ungar. talpas - nhd. Toll-patsch; hierzu s. Abb. 1 in Harnisch 2004: 211, die sich hier als Abb. 3 wiederfindet). In diesem Bereich sind auch die uns interessierenden Erweiterungen von Familiennamen auf -er zu -ert anzusiedeln (Schreiner zu Schreinert). Dabei wird der morphologische Status von -ert zu klären sein.
Es handelt sich fast um einen sprachhistorischen Topos, wenn davon die Rede ist, dass sich das Deutsche von einer synthetischen zu einer analytischen Sprache entwickelt habe, oder zumindest zu einer analytischeren - oft hat man das Englische im Blick, das den isolierenden Sprachen nahestehen soll. Die Darstellungen zur deutschen Sprachgeschichte sind voll von diesem Topos, und anscheinend ist dieses Konzept intuitiv so eingängig, dass kaum hinterfragt wird, was man denn genau unter synthetischen bzw. analytischen Strukturen zu verstehen habe.
Der Begriff des doing gender als interaktive Inszenierung des sozialen Geschlechts (gender) hat sich auch in der Linguistik etabliert und ist vor allem für die Sprachverwendung bzw.- Gesprächslinguistik fruchtbar gemacht worden. Doch selbst etwas so biologisch determiniert Erscheinendes wie weibliche und männliche Stimmen, ihre Höhe, ihre Verlaufsmuster, sind konstruierter, als man dies bisher für möglich gehalten hatte. Der am stärksten und radikalsten segregierte sprachliche Bereich, die Rufnamen, wurde für das Deutsche erst 2003 mit der Arbeit "Naming Gender" von Susanne Oelkers empirisch auf die Kodierung von Geschlecht hin untersucht. Erstmals wird systematisch nachgewiesen, dass und worin sich Frauen- und Männernamen phonologisch-strukturell voneinander unterscheiden, außerdem, dass wir diese Geschlechtszuordnungen auch bei uns unbekannten Namen vornehmen. Das heißt, es besteht ein kollektives Wissen darüber, wie weibliche und männliche Rufnamen beschaffen sind.
Die deutschen Präteritoprasentia sind, indem alte Perfektformen das heutige Präsens stellen, aus mehreren Griinden als hochgradig irregular zu betrachten; hinzu kommt ein bisher nicht geklärter Umlaut bei vier (von heute sieben) dieser Verben: müssen, dürfen, können und mögen. Bisherige Erklärungsversuche werden diesem Problem nicht gerecht: Zwar versuchen sie durchaus, den Umlaut im Präsens zu motivieren, doch vermögen sie es nicht, sein ausschließliches Vorkommen im Plural des Präsens zu erklären. Hier wird für die These argumentiert, dass es sich um einen (verbalen) Pluralumlaut handelt, der insbesondere auch im Nominalbereich gang und gäbe ist und dort zur gleichen Zeit einen massiven Ausbau (Morphologisierung) erfährt. Damit handelt es sich um einen sog. transkategorialen Marker.
Die Familiennamen sind als einziger Bereich der europäischen Sprachen in ihrer ausgeprägten räumlichen Vielfalt noch höchst unzureichend erfasst. Noch sind die geschichtlich gewachsenen Namenlandschaften in erstaunlicher Stabilität erhalten. Sie werden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland durch den seit 2005 in Kooperation der Universitäten Freiburg und Mainz in Angriff genommenen und durch die DFG geförderten 'Deutschen Familiennamenatlas' (OFA) auf der Basis von Telefonanschlüssen (Stand 2005) dokumentiert. Im vorliegenden Beitrag werden Vorarbeiten, Ziele, Gesamtanlage des Projekts, Systematik und Repräsentativität der Themenauswahl in den beiden Hauptteilen (grammatischer und lexikalischer Teil) sowie Kriterien und Methoden der inhaltlichen Konzipierung und formalen Gestaltung der Karten und Kommentare vorgestellt und begründet. Aus den genannten Vorarbeiten werden auch schon Perspektiven künftiger Auswertung der in den Datenbanken archivierten Materialien und der im Atlas exemplarisch dokumentierten Strukturen der Namenlandschaften ersichtlich.
In this article we examine and "exapt" Wurzel's concept of superstable markers in an innovative manner. We develop an extended view of superstability through a critical discussion of Wurzel's original definition and the status of marker-superstability versus allomorphy in Natural Morphology: As we understand it, superstability is - above and beyond a step towards uniformity - mainly a symptom for the weakening of the category affected (cf. 1.,2. and 4.). This view is exemplified in four short case studies on superstability in different grammatical categories of four Germanic languages: genitive case in Mainland Scandinavian and English (3.1), plural formation in Dutch (3.2), second person singular ending -st in German (3.3), and ablaut generalisation in Luxembourgish (3.4).
In order to understand the specific structures and features of the German surnames the most important facts about their emergence and history should be outlined and, at the same time, be compared with the Swedish surnames because there are considerable differences (for further details cf. Nubling 1997 a, b). First of all, surnames in Germany emerged rather early, with the first instances occurring in the 11th century in southern Germany; by the 16th century surnames were common all over Germany. Differences are related to geography (from south to north), social class (from the upper to the lower classes) und urban versus rural areas.
Die Idee, das Isländische - eine archaische, am Nordwestrand des germanischen Sprachgebiets gelegene skandinavische Inselsprache - auf die Möglichkeiten des Sexusausdrucks hin zu untersuchen, entstand imZusammenhang einer kontrastiven Arbeit zum Sexusausdruck im Deutschen und Schwedischen (siehe Nübling 2000). Das Schwedische verfügt nur noch über zwei Genera, das sog. Utrum (das aus dem Zusammenfall von Femininum und Maskulinum hervorgeht) und das Neutrum.
Auto - bil, Reha - rehab, Mikro - mick, Alki - alkis : Kurzwörter im Deutschen und Schwedischen
(2001)
Das Kurzwort wird nach BELLMANN 1980 und KOBLER-TRILL 1994 definiert als eine sowohl graphisch als auch phonisch realisierte gekürzte Form, die aus einem längeren sog. Basislexem (einschließlich eines Wortgruppenlexems) hervorgeht (im Folgenden auch Vollform genannt). Dabei besteht zwischen Kurzwort und Basislexem, die weiterhin nebeneinander bestehen, eine Synonymie-Beziehung, d.h. beide referieren auf das gleiche Objekt (vgl. Limo und Limonade, Kripo und Kriminalpolizei).
This article examines the expression of natural gender in Icelandic nouns denoting human beings. Particular attention will be paid to the system's symmetry with regards to nouns denoting women and men. Our society consists more or less exactly of half women and half men. One would therefore assume that systems for terms denoting persons would also be symmetrically organised. Yet this assumption could not be further from the truth, and not just in single isolated cases, but in many languages: I will attempt to show that Icelandic has numerous methods for referring to women, but also many barriers and idiosyncrasies.
Der Präteritumschwund dürfte eine der markantesten morphologischen Entwicklungen des Alemannischen (bzw. Oberdeutschen) bilden. Sein Verlauf in schweizerdeutschen Dialekten ist mit der Arbeit von JÖRG (1976) dokumentiert und ungefiibr ins 16. Jahrhundert zu datieren. Konsequenz der Aufgabe dieses synthetischen Verfahrens war die Verlegung der Vergangenheitskategorie in die Syntax. Dies hat zu einer starken typologischen Drift des Alemannischen in Richtung eines analytischen und zusätzlich klammernden Sprachtyps geführt: Das Perfekt ist zweigliedrig (finites Auxiliar + infinites Vollverb), das Plusquamperfekt sogar dreigliedrig (sogenanntes doppeltes Perfekt). Finites und infinites Verb können durch ganze Satzglieder, Adverbien etc. voneinander getrennt sein, sind also unter Umständen weit voneinander entfernt, was das Ausdrucksverfahren nicht gerade vereinfacht. Der Präteritumschwuud kontrastiert in eigentümlicher Weise mit dem Erhalt, ja sogar dem sekundären Ausbau synthetischer Konjunktivformen (sowohl Konjunktiv I als auch II), die weiteres morphologisches Charakteristikum des Alemannischen sind, doch nicht Thema dieses Beitrags (hierzu s. NÜBLING 1997).
In schwedischen Krankenhäusern ist es selbstverständlich, einen Krankenpfleger mit Syster 'Schwester' anzusprechen (also z.B. Syster Nils 'Schwester Nils'). Auch die Berufsbezeichnung von Schwester Nils ist weiblich: Er ist sjuksköterska, wörtlich 'Krankenpflegerin' (-ska ist schwedisches Movierungssuffix), also 'Krankenschwester'. Der im Schwedischen ganz geläufige Satz han är sjuksköterska 'er ist Krankenschwester' klingt für deutsche Ohren ungrammatisch. Vor etwa 30 Jahren war dies in Schweden nicht anders, doch hat man dieses Problem auf andere Weise gelöst als in Deutschland: Im Schwedischen ist die Sexusneutralisierung weiblicher Personen bezeichnungen möglich, genauer: möglich gemacht worden, während dies in Deutschland als unzulässiger Eingriff ins Sprachsystem betrachtet wird.
Eigennamen stehen in einem vielfältigen Spannungsverhältnis zu Appellativen: Auf der einen Seite entwickeln sie sich fast immer aus - meist konkreten - Gattungsbezeichnungen (Eichstätt, Lindenstraße, Schneider), auf der anderen Seite besteht ihre Hauptfunktion - ganz im Gegensatz zu den Appellativen - in ihrer Monoreferentialität, d.h. in einem 1: 1- Bezug zu nur einem einzigen außersprachlichen Objekt (meist Örtlichkeiten im weitesten Sinn und Personen).
Extremely short verbs can be found in various Genn::.,nic languages and dialects; the sterns of these verbs do not have a fInal consonant «C-)C-V), and they always have a monosyllabic infinitive and usually monosyllabic fInite forms as weIl. Examples for these 'kinds of short verbs are Swiss Gennan hä 'to have', gö 'to go', g~ 'to give', n~ 'to take' which correspond to the Swedish verbs ha, gä, ge and tao The last example shows that such short verb formations also occur with verbs having (nearly) identical meanings but which do not share the same etymology. Apart from their shortness, these verbs are characterized by a high degree of irregularity, often even by suppletion, which sometimes develops contrary to regular sound laws. Furthermore they are among the most-used verbs and often tend towards grammaticalization. The present paper compares the short verbs of seven Germanic languages; in addition, it describes their various ways of development and strategies of differentiation. Moreover, it examines the question of why some languages and dialects (e.g. Swiss German, Frisian, Swedish, Norwegian) have many short verbs while others (New High German, Icelandic, Faroese) only have few, the paper discusses the contribution of short verbs to questions concerning linguistic change and the morphological organization of languages.
Extremely short verbs can be found in various Germanic languages and dialects; the roots of these verbs do not have a final consonant «C)-C-V), and they always have a monosyllabic infinitive and usually monosyllabic finite forms as well. Examples for these kinds of short verbs are Swiss German hä'to have', gä 'to go', gifii 'to give', nifif 'to take' which correspond to the Swedish verbs ha, ga, ge and ta. The last example shows that such shore verb formations also occur with verbs which do not share the same etymology. Apart from shortness, short verbs are characterized by a high degree of irregularity, often even by suppletion, which sometimes develops against sound laws. Furthermore they are among the most used verbs and often tend to grammaticalization. The present paper compares the short verbs of seven Germanic languages; in addition, it describes their various ways of development and strategies of differentiation. Moreover, it exarnines the question of why some languages and dialects (e.g., Swiss German, Frisian, Swedish, Norwegian) have many shore verbs while others (New High German, Icelandic, Faroese) do not. Finally, the paper discusses the contribution of shore verbs to questions concerning linguistic change and the morphological organization of languages.
Wenn man eine Schweizer Bäckerei besucht, erwirbt man nicht nur Spezialitäten kulinarischer, sondern auch sprachlicher Art. Auf der Papiertüte, die man dort bekommt, befindet sich eine Aufforderung, die zwei typisch schweizerdeutsche Erscheinungen enthält: "Chum doch cho schnuppere!" steht auf der Verpackung unten rechts. Wörtlich übersetzt: "Komm doch kommen schnuppern!". Zum einen taucht hier das Verb choo ,kommen' doppelt auf, einmal im Imperativ (chum) und einmal in einem kurzen Infinitiv (cho) vor dem Vollverb schnuppere. Zum anderen gehört choo einer besonderen Verbgruppe an, den sog. Kurzverben. Diese Kurzverben kennt das Nhd. nicht (mehr), wohl aber die geographisch und sprachlich entfernteren nordgermanischen Sprachen. In der folgenden Liste der Kurzverben werden zum Vergleich die entsprechenden schwedischen Kurzverben danebengesetzt, ohne daß hier ausführlicher auf sie eingegangen werden kann.
Mit der Möglichkeit, anhand digitaler Telefonanschlüsse Familiennamen nach Bestand, Trägerzahl und räumlicher Verbreitung mit großer Genauigkeit zu erfassen, hat eine neue Epoche der Anthroponomastik begonnen. Der Schatz von 850661 verschiedenen Familiennamen, die im Jahre 2005 in 28205713 privaten Festnetzanschlüssen registriert waren, ist immens, und die Fragestellungen zu seiner Erforschung sind in ihrer Ausrichtung und in ihrer Anzahl unerschöpflich. In dieser Situation ergaben sich vordringlich zwei Aufgaben: Erstens musste angesichts der von Jahr zu Jahr wachsenden Bevölkerungsmobilität, angesichts der Auswirkung neuerer Namengesetzgebung und angesichts der schnell zunehmenden Ablösung lokalisierter Festnetzanschlüsse durch Mobiltelefone der Namenbestand spätestens jetzt aufgrund der zuverlässigsten Quelle und in legitim nutzbarer Weise gesichert und archiviert werden. Die geschichtlich gewachsenen Namenlandschaften sind gerade noch, und zwar in erstaunlicher Stabilität, erhalten. Die Daten wurden nach Klärung der Datenschutzfragen von der Deutschen Telekom auf Stand Juni 2005 dem Deutschen Familiennamenatlas zur Verfügung gestellt und ihre Nutzung zur namenkundlichen Forschung mit Vertrag vom 28.06.2005 geregelt.
Eigennamen vereinen viele Besonderheiten auf sich. Dazu gehört, dass wir im Fall der Rufnamen (= Vornamen) direkten und freien Zugriff auf ein riesiges Nameninventar haben, d. h. Eltern können ihr Kind, linguistisch betrachtet ein neues Referenzobjekt, mit einem (oder mehreren) Namen eigener Wahl versehen. Darin sind sie heute vollkommen frei, d. h. die Namen werden fast nur noch nach Geschmack (Wohlklang/Euphonie, Harmonie zum Familiennamen etc.) ausgesucht. Diese sog. freie Namenwahl ist noch nicht sehr alt, etwa gut 100 Jahre. Bis ins 19. Jh. hinein galt (mehr oder weniger) die sog. gebundene Namenwahl, d.h. die Nachbenennung der Kinder nach Familienangehörigen, nach Paten, nach Heiligen, nach Herrschern und anderen Personen.
In diesem Artikel wird erstmals der Wandel der phonologischen und prosodischen Strukturen der deutschen Rufnamen seit 1945 bis heute (2008) bezüglich der Kennzeichnung von Sexus beziehungsweise Gender untersucht. Auf der Grundlage der 20 häufigsten Rufnamen wird gezeigt, wie weibliche und männliche Namen sich diachron im Hinblick auf ihre Sonorität, die verwendeten Vokale (besonders im Nebenton), Hiate, Konsonantencluster, die Silbenzahl und das Akzentmuster verändern. Das wichtigste Ergebnis ist, dass heute die Rufnamen beider Geschlechter strukturell so ähnlich sind wie nie zuvor. Damit hat sich seit dem 2. Weltkrieg eine Androgynisierung vollzogen.
German linking elements are sometimes classified as inflectional affixes, sometimes as derivational affixes, and in any case as morphological units with at least seven realisations (e.g. -s-, -es-, -(e)n-, -e-). This article seeks to show that linking elements are hybrid elements situated between morphology and phonology. On the one hand, they have a clear morphological status since they occur only within compounds (and before a very small set of suffixes) and support the listener in decoding them. On the other hand, they also have to be analysed on the phonological level, as will be shown in this article. Thus, they are marginal morphological units on the pathway to phonology (including prosodics). Although some alloforms can sometimes be considered former inflectional endings and in some cases even continue to demonstrate some inflectional behaviour (such as relatedness to gender and inflection class), they are on their way to becoming markers of ill-formed phonological words. In fact, linking elements, above all the linking -s-, which is extremely productive, help the listener decode compounds containing a bad phonological word as their first constituent, such as Geburt+s+tag ‘birthday’ or Religion+s+unterricht ‘religious education’. By marking the end of a first constituent that differs from an unmarked monopedal phonological word, the linking element aids the listener in correctly decoding and analysing the compound. German compounds are known for their length and complexity, both of which have increased over time—along with the occurrence of linking elements, especially -s-. Thus, a profound instance of language change can be observed in contemporary German, one indicating its typological shift from syllable language to word language.
Was tun mit Flexionsklassen? : Deklinationsklassen und ihr Wandel im Deutschen und seinen Dialekten
(2008)
"Warum Flexionsklassen?" lautet ein synchron ausgerichteter Aufsatz von BERND WIESE (2000), an den dieser Beitrag aus diachroner und dialektaler Perspektive anschließt. Das hier zur Diskussion stehende Phänomen, nämlich die notorische Persistenz von Flexionsklasse (im Folgenden "FK") über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende hinweg, dürfte noch eines der größten linguistischen Rätsel darstellen, die ihrer Lösung harren. HASPELMATH (2002, 115) eröffnet in seinem Band "Understanding Morphology" das Kapitel über "Inflectional paradigms" mit folgenden Worten: "Perhaps the most important challenge for an insightful description of inflection is the widespread existence of allomorphy in many languages."
Die synchrone wie diachrone Untersuchung von vier Passivauxiliaren in der deutschen Standardsprache und in deutschen Dialekten, im Schwedischen und im Luxemburgischen liefert deutliche Evidenz dafür, dass Vollverben nicht direkt zu Passivauxiliaren grammatikalisieren, sondern dass dieser Pfad über die Inchoativkopula verläuft. Inchoativkopulas sind soweit grammatikalisiert (und damit reduziert), dass sie über den Weg einer Reanalyse zu Vorgangspassivauxiliaren mutieren können: Erst verbinden sie sich mit (prädikativen) Substantiven, dann mit Adjektiven und schließlich partizipialen Verben. Bereits im Kopulastadium haben sie sich (sofern vorhanden gewesen) ihres Dativ- und Akkusativobjekts entledigt (Intransitivierung). Das Subjekt ist nach seiner Entkoppelung mit dem Agens eine neue Koppelung mit dem Patiens eingegangen. Damit hat die einstige Handlungsperspektive eine Umkehr zur Geschehensperspektive erfahren. Diese Schritte dokumentiert die folgende Figur: .... Als weniger problematisch hat sich, bedingt durch die Ausgangssemantik, der Grammatikalisierungspfad bei nhd. werden, bair.lalem. kommen und schwed. bli erwiesen im Gegensatz zu lux. ginn 'geben', das in jeder Hinsicht die stärksten Reduktionen erfahren hat und einen besonders langen, verschlungenen und "steinigen" Weg absolviert hat. Mit Sicherheit kann geben nicht als Idealkandidat für Passivgrarnmatikalisierungen gelten. Nur so lässt sich erklären, weshalb diese Grarnmatikalisierung in anderen Sprachen der Welt bisher nicht beobachtet wurde.
Zur Entstehung und Struktur ungebändigter Allomorphie : Pluralbildungsverfahren im Luxemburgischen
(2006)
Aus gesamtgermanistischer Perspektive verfügt das Luxemburgische über ein außergewöhnliches Maß an Pluralallomorphie bzw., nach H. GIRNTH (2000), an Heterograffimie. Oberstes Prinzip dabei scheint die deutliche Markierung der Kategorie 'Plural' direkt ani bzw. im Substantiv zu sein. Die morphologische Komplexität betrifft mehrere Dimensionen: Zum einen ist es die Vielzahl an Pluralisierungsprinzipien, die von additiven über modulatorische und Nullprozesse bis hin zu subtraktiven Techniken reichen, zum zweiten die Vielzahl an konkret sich manifestierender Allomorphie. Schließlich ist der maximale . Ausbau des reinen Umlauttyps auch bei Einsilblern hervorzuheben. Selbst Fremdwörter können noch heute ihren Plural mit reinem Vokalwechsel bilden, und dies auch auf nebenbetonten Silben. Aus diachroner Perspektive bildet. der reine Vokalwechsel einen wichtigen Endpunkt einer sich seit Jahrhunderten in diese Richtung vollziehenden Entwicklung. Aus synchroner Perspektive ist es mittlerweile verfehlt, noch - wie etwa beim deutschen Pluralsystem - von Umlaut zu sprechen, da längst eine Arbitrarisierung .des Vokalwechsels stattgefunden hat, die fast ablautähnliche Züge erreicht hat. Zusammenfassend gelangt man zu dem Eindruck, dass sich das Luxemburgische - etwa im Hinblick auf die subtraktive Pluralbildung - fast jedweden phonologischen Wandel zu Nutze macht bzw. - im Hinblick auf den Umlaut über die Morphologisierung sogar produktiv werden lässt. Aus der vorliegenden Untersuchung ergeben sich mehrere Fragestellungen, die Gegenstand weiterer Untersuchungen sein sollten. Zuerst wären genaue quantitative Erhebungen vorzunehmen, um die Nutzung und Verteilung der einzelnen Verfahren zu ermitteln. Auch die Produktivität der Regeln müsste untersucht werden. Des Weiteren ist noch ungeklärt, welche Regeln es genau sind, die die Distribution der Allomorphe steuern. Nimmt man z.B. das Englische mit seinen drei Pluralallomorphen [IZ], [z] und [s], so ist deren Verteilung rein phonologisch - nach dem Auslaut des Substantivs - gesteuert: Endet es auf einen Sibilanten, folgt silbisches [IZ] (horse-s ['horsIz]), endet es auf einen stimmhaften Laut, folgt stimmhaftes [z] (dog-s), und auf einen stimmlosen folgt stimmloses [s] (cat-s). Das Deutsche, das insgesamt neun konkrete Pluralallomorphe "besitzt, erlaubt auf grund der Singularform kaum Erschließbarkeit des Plurals, wie die folgenden drei einsilbigen Reimwörter gleichen Genus demonstrieren: der Hund - die Hunde, der Grund - die Gründe, der Mund - die Münder. Prosodische Kriterien wie die AkzentsteIle, syllabische (Silbenzahl), phonologische (Auslaut) und morphologische Kriterien " einschließlich der Genuszugehörigkeit fuhren nicht immer zum Ziel: Bei vielen Substantiven muss der Plural - siehe oben - mitgelernt werden, d.h. er ist Bestandteil des Lexikons. Was das Luxemburgische betrifft, so scheint das Steuerungsinstrumentarium komplexer zu sein, doch ist dies nur eine durch Stichproben gewonnene Vermutung, die zu fundieren wäre.
Wiederholt ist auf das onomastische Dokumentations- und Forschungspotential digital gespeicherter Telefonanschlüsse hingewiesen worden. Auch sind auf dieser Basis bereits Untersuchungen zum Inventar und zur Verbreitung deutscher Familiennamen entstanden. Durch neue Software zur Auswertung digitaler Telefonanschlüsse ergeben sich inzwischen fast unbegrenzte Möglichkeiten, das Familiennamensystem Deutschlands erstmals überhaupt zuverlässig zu erfassen, zu dokumentieren und auf bestimmte Phänomene hin zu befragen. In Minutenschnelle ist es nun beispielsweise möglich, alle Komposita auf -müller in Listen zusammenzustellen und in Karten deutschlandweit in ihrer Verbreitung sichtbar zu machen.
Die deutsche Präposition-Artikel-Enklise bietet wie kaum eine andere Grammatikalisierung Einblicke in den Mikrobereich von Grammatikalisierungsprozessen: Klare, "zielorientierte" Verhältnisse sind hier nicht zu beschreiben, was der Grund für ihre bisher so geringe Beachtung durch die Grammatikalisierungsforschung sein dürfte. Es wurde deutlich, dass bezüglich der hier als zentral bewerteten Morphologisierung des Artikels das gesamte Spektrum von Nichtverschmelzbarkeit bis hin zu (kurz vor Flexiven stehenden) obligatorisch verschmelzenden speziellen Klitika abgedeckt ist. Diachron hat sich zwar insgesamt eine deutliche Rechtsdrift auf der Grammatikalisierungsskala vollzogen; bezüglich des Genitivartikels hat jedoch eine Degrammatikalisierung in Form von sog. retraction (gemäß Hapelmath 2004) stattgefunden, die hier in einer Demorphologisierung (Resyntaktisierung) eines Klitikons besteht. Dabei findet keine "Relexikalisierung" im Sinne einer lexikalischen Anreicherung eines bereits grammatikalisierten Elements statt (siehe hierzu Haspelmath 1999). Mittel- und frühneuhochdeutsche Verschriftungen deuten auf reichere Inventare an Verschmelzungs formen hin, doch sind hierzu diachrone Untersuchungen erforderlich. Ebenso ist der Übergangsbereich zwIschen einfachen und speziellen Klitika in sich abgestuft und weitaus komplexer gestaltet als hier dargestellt. Auch dazu besteht Bedarf an Detailanalysen unter der Fragestellung, welche der unter Abschnitt 2.2 aufgeführten Artikelfunkttonen am ehesten eine Präposition-Artikel-Verschmelzung erfordern. Einiges deutet auf den am stärksten desemantisierten (expletiven) Artikel z.B. vor Eigennamen hin. Um den Einfluss von Schriftlichkeit und Standardisierung auf Grammatikalisierungsprozesse ermitteln zu können, wurden zwei Dialekte in den Blick genommen: das Ruhrdeutsche, das die Erwartung nach deutlich fortgeschritteneren Verhältnissen erfüllt, und das Alemannische, das andere Phänomene ausgebildet hat wie etwa die Proklise des Artikels an das Substantiv, die Nullrealisierung klitischer Artikelformen und den kategorialen Umbau der vier Nominalkategorien am Artikel. Die Einbeziehung weiterer Dialekte und vor allem auch der gesprochenen "Umgangssprache" könnte weiteren Aufschluss über die Ratio dieser Grammatikalisierung liefern. Sollten flektierende Präpositionen Ziel dieses Wandels sein, so hätte dies tiefgreifende Konsequenzen für die Grammatikschreibung.
Bis heute bildet die Morphologie keinen Schwerpunkt der Dialektlinguistik. Dies wird immer wieder moniert. H. Tatzreiter (1994) kommt nach seinem Streifzug durch die "Bibliographie zur Grammatik der deutschen Dialekte" von P. Wiesinger / E. Raffin (1982) zu dem Ergebnis, "daß die Leistungskurve im grammatischen Bereich ,von der Lautlehre über die Formen- und Wortbildungslehre bis zur Satzlehre' steil abfällt" (S. 30 bzw. P. Wiesinger / E. Raffin 1982, S. XXIX). Ein weiteres Problem sieht er in der besonders durch die angelsächsische Tradition motivierten Vernachlässigung der Morphologie die zwischen der phonologischen, lexikalischen und syntaktischen Ebene ein gefährdetes Dasein fristet" (S. 30): "So lange die Morphologie sich nicht aus der 'Umklammerung' der Phonologie und Syntax lösen kann, um eigenständig als Forschungsobjekt zu gelten, wird es um die umfassende Erforschung und Darstellung schlecht bestellt sein" (S. 34).
Namenskunde
(2004)
Eigennamen (auch Propria, Onyme) werden unter die Substantive subsumiert und erfüllen spezifische referentielle Funktionen. Im Gegensatz zu den Appellativen (Gattungsbezeichnungen) wie z. B. Mensch oder Stadt, die eine ganze Klasse von Gegenständen bezeichnen, referieren Eigennamen prototypischerweise nur auf ein einziges Denotat (Monoreferentialität), z. B. Goethe oder Frankfurt.
Vom Name-n-forscher zum Name-ns-forscher : unbefugte oder befugte ns-Fuge in Namen(s)-Komposita?
(2004)
Um die nun im Titel gestellte Frage zu beantworten: Es ist befugt, Komposita mit Name als Erstglied mit -ns- zu verfugen. Die Korpusbefimde weisen überdeutlich aus, daß "ns- hier hochproduktiv ist. Als Grund fiir diese starke Bevorzugung der ns-Fuge wurde der "Rückzug" der n-Fuge auf die Klasse der belebten, schwachen Maskulina und damit die Funktionalisierung ebendieser Fuge als Klassen- und Belebtheitszeichen ermittelt. Der Name als Simplex hat sich zwar bereits mit dem starken Genitiv Singular Namens aus der Klasse der schwachen Maskulina entfernt, doch verharrt er weiterhin in einer kleinen Mischklasse, deren Mitglieder zum größten Teil bereits in die starke (sog. "Balken-") Klasse abgewandert sind oder dabei sind, dies zu tun. Daß der Name sich diesem Wandel entzieht, geschieht jedoch unbefugter- und unerklärtermaßen. Die Beschäftigung mit den Namen/s-Schwankungen hat ferner erbracht, daß gerade die ältere Schicht an Namens-Komposita lexikalisiert ist (Namenstag, Namensvetter) und daß die n-Fuge nur noch in fachsprachlicher Verwendung dominiert (Namenaktie, Namenkunde, Namenforschung). Als förderlich für die ns-Verfugung haben sich gerade die (ansonsten fugenhemmend wrrkenden) deverbalen Zweitglieder erweisen (Namensgebung), als hinderlich dagegen die Komplexität der 1. Konstitutente (Familiennamenforschung) - wenngleich diese Tendenzen nur fiir die s-Fuge ermittelt wurden. Die ns-Fuge erweist sich ilrrerseits als bessere Binnengrenzmarkierung, da [s] positionsbeschränkt, d.h. im Wortanlaut blockiert ist. Sowohl bei -n- als auch bei -ns- handelt es sich um paradigmische Fugen. Der Zufall bzw. das Alphabet will es, daß der Eintrag Name zwischen Naivling und Nandu (< span.-südam. nandu [njan'du]), dem südamerikanischen Kollegen des afrikanischen Straußenvogels, angesiedelt ist. Was den Nandu betrifft, so hat sich dieser Beitrag zumindest darum bemüht, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Was jedoch den Naivling anbelangt, so befinden wir uns bei dem faszinierenden Thema der Fugenelemente immer noch in diesem Stadium, auch wenn mittlerweile bei der Frage nach Funktion und Grammatik dieser "Grenzfälle morphologischer Einheiten" (so der Titel von Fuhrhop 1998) große Durchbrüche erzielt worden sind. Wenn es aber, wie in diesem Beitrag, um Schwankungs- und damit um Grenzfälle solcher Grenzfälle geht, so tut sich, um die Sache positiv zu wenden, ein ganzer Strauß (oder Nandu) an Desideraten, Herausforderungen und Forschungsperspektiven auf.
Zeitnamen
(2004)
Der menschliche Alltag, das gesamte gesellschaftliche und individuelle Leben, unser Denken, Planen und Handeln basiert auf der Unterscheidung und Benennung von Zeitpunkten (im Sinne punktuell wahrgenommener Zeit) und Zeitabschnitten (im Sinne von sich über einen Zeitraum erstreckender Zeit). Damit ist eine von mindestens drei Bedingungen, onymisch bezeichnet zu werden, hochgradig erfülllt: die Relevanz des Objekts (beziehungsweise der Entität) in seiner Singularität und Individualität für den Menschen.
Those principles of Naturalness as postulated by Mayerthaler (1981) claim to make predtictions about the direction of language change possible. It is true that the majority of morphological changes can be accounted for by these principles. However, systematic violations of these rules can be found in of all things, some of most frequent, elementary verbs such as HAVE, BE, BECOME, COME, GO, GIVE, TAKE, etc. Their irregularities cannot be accounted for solely - as Naturalness Theory would have it - by conflicts between phonological and morphological Naturalness. Rather, they have been systematically built up through other efficient strategies. This "regularity of irregularity" is the focus of this paper, which demonstrates several particularly well-beaten paths to irregularization through contrastive diachronic investigations of frequent verbs in different Germanic languages. lrregularity, a term laden with negative connotations, is substituted by the term differentiation, which names the actual function directly. Because differentiation typically correlates with word brevity, this constellation should be considered an ideal compromise between hearer and speaker interests. A further question to be addressed is which individual categories are expressed through irregularization. It is concluded that this process is guided by token frequency and degree of relevance.
Je nach regionaler Herkunft realisieren Sprecher des Deutschen die beiden Wörter "Verein" und "überall" unterschiedlich. [...] Der Grundgedanke dieser sprachtypologischen Unterscheidung, bei der wir uns hauptsächlich auf die Arbeiten von P. Auer (1993, 1994, 2001) sowie P. Auer / S. Uhmann (1988) beziehen, besteht darin, dass alle Sprachen eine Form von Isochronie anstreben.
Als Jürgen Udolph am 1. Oktober 2003 das Symposion "Völkernamen, Ländernamen, Landschaftsnamen" in Leipzig eröffnete, sagte er unter anderem: "Ich freue mich, daß Sie alle den Weg in die neuen Bundesländer gefunden haben". Genau dieser Satz leitete unbeabsichtigt die Fragestellung meines damaligen Vortrags bzw. des hier vorliegenden Beitrags ein: Ist das Syntagma die neuen Bundesländer bereits ein Eigenname, ist es noch eine definite Beschreibung, oder ist es etwas dazwischen? Wäre es auch möglich gewesen, zu sagen: "Ich freue mich, daß Sie den Weg in ein neues Bundesland ... " oder" ... in das neue Bundesland Sachsen gefunden haben"? Die muttersprachliche Kompetenz verneint diese Alternativen eher, und dies deutet daraufhin, daß dieses Syntagma bereits stark proprialisiert (oder onymisiert) sein muß.
Fluch- und Schimpfwortschätze sind aus kontrastiver Perspektive bisher kaum analysiert worden, sieht man von einer Vielzahl populärwissenschaftlicher Publikationen ab. Wissenschaftliche Publikationen beziehen sich meist auf eine Einzelsprache und greifen bei der Erklärung der Motive oft zu kurz, weil sie gerade benachbarte Kulturen und Sprachen (auch Dialektgebiete) zu wenig im Blick haben (Dundes 1983). Der vorliegende Beitrag leistet eine vergleichende Zusammenstellung der Fluch- und Schimpfwortschätze dreier mehr oder weniger benachbarter Sprachen, des (nördlichen) Niederländischen, des Deutschen und des Schwedischen, also zweier eng verwandter westgermanischer und einer nordgermanischen Sprache.
Prinzipien der Proprialitätsmarkierung : Familiennamenindikatoren in den nordeuropäischen Sprachen
(2004)
In dem grundlegenden Beitrag "Svenska släktnamn i gar, i dag - i morgon?" liefert Thorsten Andersson einen kompakten Überblick über ein bewegtes Jahrhundert schwedischer Familiennamengeschichte. Dabei handelt es sich zur Überraschung deutscher Leser/innen um das 20. Jahrhundert. In Deutschland wüsste man mit dem Titel ,,Deutsche Familiennamen gestern, heute -morgen?" nicht viel anzufangen, zumindest nicht mit der Frage nach dem Heute und dem Morgen: Die deutschen Familiennamen sind seit Jahrhunderten fixiert; von seltenen und wohlbegründeten Ausnahmen abgesehen kann niemand seinen Familiennamen wechseln geschweige denn frei kreieren. Und die Frage nach dem Morgen hat sich vermutlich noch nie jemand gestellt.
Die Flexionsmorphologie befasst sich mit der "Beugung" von Wörtern, d. h. mit der systematischen Kombination von (meist) Lexemen mit bestimmten sog. grammatischen Informationen (auch: Flexionskategorien). So wird die Wortart der Substantive im Deutschen mit den Informationen Kasus und vor allem Numerus (Singular und Plural) versehen.
Im fünften Jahr in Folge luden das Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin, das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und das Exzellenzcluster 16 der Universität Konstanz am 10. Juli 2010 ein zu einem für alle Interessierten offenen Forum für NachwuchswissenschaftlerInnen, die sich im Feld von Literature and Science betätigen und vorläufige Ergebnisse noch nicht abgeschlossener Arbeiten zur Diskussion stellen möchten.
In einem allerorten spürbaren Zustand schwieriger, oft scheiternder Kommunikation zwischen den Intellektuellen Ost und West richten Klaus Städtke (der bis 1986 am Zentralinstitut für Literaturgeschichte bei der Akademie der Wissenschaften der DDR gearbeitet hat und seit 1989 in Bremen Kulturgeschichte Osteuropas lehrt) und Wolfgang Emmerich (der seit 15 Jahren zur Kultur und Literatur der DDR publiziert) den Blick zurück - zum einen auf die Geisteswissenschaften der DDR im allgemeinen, zum andern auf die Geschichtsschreibung der DDR-Literatur im besonderen. Im einen wie im andern Fall: Erkennbar wird, daß Umdenken auf der Tagesordnung steht. Und es hat schon begonnen.
Wendet man sich der Frage nach dem Selbstverständnis und den Rollen von deutschen Intellektuellen nach 1945 zu, so muß man sich bewußt halten, daß vier, fünf wichtige Jahrzehnte der Geschichte 'des' modernen Intellektuellen - mit fast allen denkbaren diskursiven Zuschreibungen - bereits absolviert und auch realisiert sind. Es gab den Typus des Intellektuellen als Sprecher für universelle Werte (Gerechtigkeit, Wahrheit, Vernunft), der als Moralist die Unabhängigkeit des Geistes gegenüber der Macht behauptete. Es gab inzwischen aber auch zuhauf den 'intellektuellen Verräter', um es pointiert zu sagen, der im Namen einer partikularen National-, Rassen- oder Klassenidentität auftrat und als Ideologe einer säkularisierten Heilslehre mit einem totalitären Regime gemeinsame Sache machte; der also an die Kompatibilität von Geist und Macht glaubte oder sie opportunistisch praktizierte. Nazideutschland hatte genügend Beispiele hervorgebracht. Martin Heidegger, Carl Schmitt und Gottfried Benn (für ein reichliches Jahr) sind nur die berühmtesten. Doch auch linke Intellektuelle, und unter ihnen viele Schriftsteller, die als Parteikommunisten (oder "Kommunisten ohne Parteibuch") agierten, kann ich nicht anders denn als Abtrünnige von der universalen Mission der Intellektuellen sehen - im Licht unseres geschichtlichen Wissens selbst dann, wenn sie an ihre Mission und die Universalität der von ihnen vertretenen Werte glaubten.
1981 erschien eine erste Fassung meiner Kleinen Literaturgeschichte der DDR, eine zweite, stark erweiterte und bis an den Herbst 1988 heranreichende Ausgabe im Frühjahr 1989. Die seit dem Frühjahr 1996 vorliegende dritte Fassung zeigt, daß sich mein Blick auf vierzig und mehr Jahre DDR und DDR-Literatur nicht unbeträchtlich verändert hat. Anders als die (wenigen) Forscherkollegen, die sich nicht zu korrigieren brauchten, anders vor allem als die große Zahl derer, die sich nicht korrigieren wollten und schnurstracks zu einer neuen Tagesordnung übergingen, als ob nichts gewesen wäre, fand ich Anlaß zu einer ganzen Reihe von Korrekturen. Bei aller Kritik hatte ich dem Staat DDR und seinen offiziellen kulturellen Hervorbringungen immerhin einigen Kredit eingeräumt. Die Loyalitätsfalle Antifaschismus und die Sehnsucht nach einem wahren Sozialismus waren wohl die entscheidenden Gründe dafür. Sigmund Freud umreißt den therapeutischen Prozeß der Psychoanalyse bekanntlich mit dem Dreischritt 'Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten', und dazu gehören, wie man weiß, auch Mühen und Schmerzen. Mir schien es so, daß es unausweichlich sei - mit dem Motto von Freud - , den Weg von der Mythologisierung zur Historisierung der DDR-Literatur zu gehen. Die nachstehenden Blicke zurück - ohne Zorn, aber doch kritisch und mit je einer Prise Selbstironie und Trauer versehen, versuchen es.
Die deutsche Wechselflexion besteht hauptsächlich im e -> i- und im a -> e-Wechsel in der 2. und 3. Person Singular im Präsens starker Verben (z.B. ich gebe vs. du gibst/sie gibt oder ich fahre vs. du fährst/sie fährt). Dieser binnenflektierende, modulatorische Person/Numerus-Ausdruck galt bisher als konservativer Zug des Deutschen und wurde von der Linguistik kaum beachtet, möglicherweise weil sein Erhalt theoretisch schwer zu begründen ist. Manche Linguisten haben sogar schon seinen Abbau prognostiziert. In diesem Beitrag wird dieses marginalisierte Phänomen synchron wie diachron dargestellt und mit dem Luxemburgischen verglichen. Beide Sprachen verfügen über einen stabilen Bestand an über fünfzig häufig verwendeten Wechselflexionsverben. Im Gegensatz zum Deutschen hat sich die luxemburgische Wechselflexion von den starken Verben gelöst und wurde sekundär auch auf schwache und athematische Verben übertragen. Dabei kommt es zu über zwanzig verschiedenen Vokalalternanzen. Dieser massive Aus- und Umbau der luxemburgischen Wechselflexion wird dokumentiert und, zusammen mit der deutschen Wechselflexion, einer theoretischen Fundierung unterzogen.
The development of "junk" : irregularization strategies of HAVE and SAY in the Germanic languages
(2001)
Although it is a wellknown fact that the most frequent verbs are the most irregular ones (if not suppletive), it is rarely asked how they became irregular. This article deals with the irregularization process of two originally regular (weak) verbs, HAVE and SAY in the Germanic languages, e.g. have, but has/'s and had/'d (instead of regular *haves/*haved) or say [sei], but says [sez] and said [sed] in English. Other verbs, such as DO, GO, STAND, BE, COME, and so on, also tend to irregularizations again and again without any apparent reason. In contrast to HAVE and SAY these verbs have always been rather irregular, at least dating from their first written records.
Fragen nach der idealen Form und Struktur von Eigennamen werden nur selten gestellt. Dabei erfüllt der Eigenname - wie alle Wortarten - spezifische Funktionen, die ihrerseits, so die hier vertretene These, spezifische Strukturprinzipien am Wort selbst bewirken. Damit überlässt der ideale Eigenname seine Identifikationsfunktion nicht nur Kontext und/oder Pragmatik, sondern markiert diese auf seiner Ausdrucksseite. Nach der Diskussion der wichtigsten Funktionen und Strukturen der (idealen) Eigennamen werden vier Fälle von Eigennamenwandel vorgestellt: Die (formale) Dissoziation zwischen dem Eigennamen und seinem entsprechenden Appellativ, das Wirken volksetymologischer Umformungen, die Herausbildung des prototypischen schwedischen zweigliedrigen Familiennamens vom Typ Stenkvist 'Steinzweig' und schließlich die Schaffung gänzlich neuer Eigennamen am Beispiel von Produktnamen. Anhand dieser Fälle wird überprüft, inwiefern die sich wandelnden Eigennamen ihren hier postulierten Idealen näherkommen.
The Early New High German period is characterized by the reduction of the former four-stage ablaut system (e. g. werfen inf. - warf pret.sg. - wurfen pret. pl. - geworfen past part.) into a three-stage system (werfen- warf-geworfen), involving the loss of the number distinction in the preterite. In earlier approaches this development has been analyzed as being triggered by the functional discrepancy between three tenses and four ablaut stages, or, as put forward by natural morphologists, by the adaptation of the strong verb system to the more natural weak verb pattern. This paper rejects these hypotheses and argues that the development is best attributed to the growing stem allomorphy in the verbal system (due to phonological changes) and the remarkable decrease in the token frequency of verbs in the preterite, which lead to the loss of the least relevant category distinction, i. e. number.
Die meisten Sprachwandeltheorien betrachten morphologischen Sprachwandel primär als eine Regularisierung irregulär gewordener Formen. Als Ziel des Wandels werden homogene, transparente Paradigmen postuliert, deren Einzelformen möglichst baukastenartig organisiert sind, d.h. die Informationsabfolge sollte im Idealfall diskret und additiv strukturiert sein. Das wichtigste Mittel zur Herstellung dieses Zielzustands wird in der Analogie gesehen, also in der Orientierung an einem bestimmten vorbildhaften Muster. Der Grund, weshalb dieser Regularisierungsprozeß nie zum Stillstand gelangt, weshalb es also immer wieder zu Irregularitäten kommt, wird in der destruktiven Wirkung der Phonologie gesehen: Optimierungen auf der phonologischen Ebene setzen sich über die Morphologie hinweg und zerstören deren Ordnungsprinzipien.
In diesem Beitrag geht es darum, Flexion primär über die Abgrenzung zu ihren beiden morphologischen Nachbardomänen, die Derivation und die Klise, zu bestimmen. Aus diesen beiden morphologischen Typen entwickelt sich auch neue Flexion. Mit dem Vergleich von Flexion, Derivation und Klise und mit der Frage nach der Entstehung von Flexion sollen die Ziele und Prinzipien von Flexion sichtbar gemacht werden. Der zweite Schwerpunkt dieses Artikels besteht in einer detaillierten Analyse einer sich anbahnenden Flexivierung via Klitisierung im Deutschen: Mit den Präposition-Artikel-Verschmelzungen (im, ins, zur, au/m, in'n) liegt ein Paradebeispiel derzeit beobachtbarer und sukzessive sich herausbildender Flexion vor. Diese Verbindungen sind zwar noch als Vorstufen der Flexion zu bewerten, doch läßt sich über die Untersuchung dieses komplexen Grammatisierungsprozesses diskutieren, was noch geschehen muß, damit im Deutschen Präpositionalflexion entsteht. Kapitel 1 befaßt sich kurz mit dem Begriff der Flexion, Kapitel 2 mit der Entstehung von Flexion aus Derivation und Klise. Kapitel 3 widmet sich dem Beispiel der deutschen Präposition-Artikel-Verschmelzungen.
In keinem anderen deutschen Dialektraum, nicht einmal in irgend einer anderen germanischen Sprache ist das Präteritum mit einer solchen Ausnahmslosigkeit geschwunden wie im Oberdeutschen und hier insbesondere im Alemannischen. Zwar haben (wie das Alemannische auch) alle diese Sprachen und Dialekte ein analytisches Perfekt ausgebildet; in einigen Sprachen (wie dem Englischen und Schwedischen) treten Präteritum und Perfekt in eine aspektuelle Opposition zueinander.
Auf viele Schweden wirken deutsche Familiennamen wie Weiß und Groß oder Berufsbezeichnungen wie Schneider, Richter und Koch sehr befremdlich, da diese Namentypen in Schweden nicht vorkommen. Tatsächlich sind solche sprechenden beziehungsweise motivierbaren Namen in Deutschland so üblich, daß man nur in seltenen Fällen über sie witzelt: So etwa gibt es in Freiburg eine Anwaltskanzlei Mörder; doch ist es schon kaum mehr bemerkenswert, wenn ein Metzger Bäcker heißt oder ein Bäcker Metzger oder Fleischer. Umgekehrt erregen aus deutscher Sicht die schwedischen Familiennamen und deren Regelung Aufmerksamkeit: Bis vor etwa hundert Jahren war in Schweden der sogenannte patronymische Familienname vom Typ Johansson überproportional häufig vertreten, also Familiennamen, die aus einem Rufnamen im Genitiv + -son bestehen. Die einstige Produktivität war erloschen, das heißt, auch Frauen hießen und heißen Johansson (und nicht mehr Johansdotter), und der Vater selbst muß nicht - wie noch zu früheren Zeiten - mit Rufnamen Johan heißen. Da nun die meisten Schweden um die Jahrhundertwende einen solchen Allerweltsfamiliennamen trugen und außerdem einige wenige dieser Patronyme extrem häufig vorkamen (eben z.B. Johansson, Andersson, KarLsson), gaben viele ihren Familiennamen ohne größeren bürokratischen Aufwand ab und nahmen einen neuen Familiennamen an. Diese Möglichkeit des Namenwechsels besteht auch noch heute und wird ausgiebig genutzt.