BDSL-Klassifikation: 14.00.00 Romantik > 14.12.00 Zu einzelnen Autoren
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Die Tieck-Philologie hat sich nur wenig mit den Reisegedichten beschäftigt. Überhaupt nicht diskutiert wurden für die Reisegedichte, die aus Tagebuchnotizen hervorgegangen sind, Konsequenzen, welche sich aus dieser besonderen Genese für Schreibweise und Textpräsentation ergeben. [...] Gründe für eine Neubesichtigung der Tieckschen Verse sind also reichlich vorhanden. Die Analyse erfolgt in drei Arbeitsschritten: Nach einigen Basisinformationen zur Entstehungs- und Editionsgeschichte der Reisegedichte, die in der Form von zwei Zyklen dem Lesepublikum vorgelegt wurden, soll das Programm der Tieckschen Gelegenheitsdichtung skizziert werden, das der Autor zum Teil selbst im Paratext der Vorrede entwickelt. Es wird zu zeigen sein, in welcher Weise Tieck die antiquierte Form der Casuallyrik modernisiert und dadurch aufnahmefähig für neue Inhalte macht. Der zweite Teil befaßt sich mit dem spezifischen Italienbild, das Tieck in diesen Versen bietet. Es geht um seinen Blick auf das Land, auf dessen Bewohner, Geschichte und Kultur. Was erscheint Tieck berichtenswert, welche Stationen und Situationen werden festgehalten, und in welcher Weise werden Wirklichkeitserfahrungen transformiert in einen poetischen Text. [...] Der dritte Abschnitt widmet sich der Wirkungsgeschichte. Hier ist auf Ludwig Robert, den Bruder von Rahel Varnhagen, und vor allem auf Heinrich Heine einzugehen. Teil der Wirkungsgeschichte ist auch die respektlose Parodie Arnold Ruges in dem gemeinsam mit Theodor Echtermeyer herausgegebenen Manifest Der Protestantismus und die Romantik. Schließen möchte ich mit einigen Überlegungen zur Aktualität Tiecks. Wo liegen die Gründe für das offensichtliche Faszinosum, das für Rolf Dieter Brinkmann von Tiecks Reisegedichten ausgeht? Gibt es noch einen Ludwig Tieck als Anreger der Lyrik der Neuen Subjektivität zu entdecken?
Rezension zu Andrea Hübener: Kreisler in Frankreich. E. T.A. Hoffmann und die französischen Romantiker. Heidelberg (Winter) 2004. 395 S.
Die zu besprechende, von der Technischen Universität Berlin angenommene Dissertation geht Hoffmanns Einfluß auf den 'Romantisme' nach und bezieht dabei Bildende Kunst und Musik mit ein, was sich bei einem Dichter, der ganz im Sinne der nach einer Synthese der Künste strebenden romantischen Bewegung auch komponierte und zeichnete, geradezu anbietet. Beabsichtigt ist also ein vergleichendes und explizit interdisziplinäres Vorgehen.
Die Arnimforschung hat erst in den 50er-Jahren dieses Jahrhunderts erkannt, nach welchem Prinzip Arnim seine Texte organisiert: es ist das Prinzip der Analogie. Über Analogie bringt Arnim seine Themen und Motive, Haupterzählstrang und episodische Nebenhandlungen sowie Haupt- und Nebenfiguren in Beziehung. Arnim konstituiert seine Texte über eine Vielzahl irgendwie ähnlicher Motive. Gewisse Inhaltselemente wiederholen sich im Verlaufe der Handlung oder formulieren sich in ähnlicher oder auch gegensätzlicher Variation erneut aus. Um Arnims Werk in seiner analogischen Strukturierung zu verstehen, muss man das eigentümliche Verhältnis von Text, Motiv und Thema in diesem Werk beschreiben können. Wer sich ernsthaft für Themen und Motive zu interessieren beginnt, stößt methodologisch indes bald einmal auf Probleme. Die Methodendiskussion der 70er- und 80er-Jahre ist an diesem Fachbereich nahezu spurlos vorübergegangen. Ich werde deshalb im Folgenden kurz auf die Terminologie der heutigen Motivforschung eingehen (I) und anschließend Vorschläge für die Reformulierung des Motivbegriffs unterbreiten (II). Danach werde ich Arnims Motivgestaltung am Beispiel der Erzählung Die Einquartierung im Pfarrhause exemplarisch erläutern und zeigen, wie Arnims Werk in seiner Informationsdichte und Heterogenität strukturiert ist (III und IV).
This paper analyzes serpentine figures in Eichendorff's novella 'Das Marmorbild', which are inscribed in the body of Venus in the mannerist style. These figurae serpentinatae gradually gain dynamism, move into the foreground of attention, and then condense into repulsive snake figures which evoke associations of the cunning snake of the Garden of Eden, the serpents on the back of the Frau Welt figure, and the fearsome Echidna of Greek mythology. These allusions also characterize the art which Venus represents as something abysmal and threatening. The multiple contextualization of the snake also reveals that 'Das Marmorbild' offers a double reading: in the narrower sense, Venus can be viewed as a representation of Romantic art, while in the wider sense she personifies art in general.
Das Problem der künstlerischen Persönlichkeit wird im Rahmen der Musikästhetik besonders um 1800 zum Thema einer heftigen Diskussion. Schon längst spielte sich der Diskurs auch auf dem Gebiet anderer Disziplinen ab, wie z. B. der Philosophie, der erwähnten Thematik ist jedoch auch ein soziologischer Aspekt kaum abzusprechen. Dazu kommt die Germanistik, um diese Problematik zusammenzufassen und in den breiteren Kontext der romantischen Literatur einzusetzen. In den fiktiven Biografien vom Flötisten Andreas Hartknopf (K. Ph. Moritz) und vom Kapellmeister Joseph Berglinger (W. H. Wackenroder und L. Tieck) wird ein in dieser Zeit nach der künstlerischen Autonomie strebender Künstler dargestellt. Diese Studie zeigt, in welchen Punkten der Weg zur eigenen Ausdruckweise bei beiden fiktiven Musikern übereinstimmt und wo er unterschiedlich ist.
Karin Baumgartner diskutiert Strategien zur Bewältigung der adligen Legitimationskrise nach den preußischen Landreformen und gegenüber einem bislang unbekannten Rechtfertigungsdruck, der aus einer finanziell oftmals prekären Lage resultierte und seitens eines Bürgertums ausgeübt wird, das als produktive und staatstragende Klasse auf den historischen Schauplatz drängt. Als Gegner des Smithschen Liberalismus und vor allem der französischen Freiheitsdoktrin verteidigt der romantische Staatstheoretiker Adam Müller dabei das positive Recht als organisch gewachsene Institution, deren abrupte Veränderung zugunsten einer entfesselten frühkapitalistischen Produktivität die tradierte natürliche Balance zwischen gewerblichem und landwirtschaftlichem Sektor störe und umstürzlerische Auswirkungen nach sich ziehen könne. Müller sei der Erste, so Karin Baumgartner, der Klasse und Geschlecht aneinanderkopple und damit "Caroline Fouqué Argumente liefert, um die Legitimationskrise des Adels in ihren Romanen als männlich-weibliche Beziehungskrise zu verarbeiten." Gegen den bürgerlichen Vorwurf der Unproduktivität führe Adam Müller darüber hinaus einen "Geist" und eine "Tradition" als allein durch den Adel einzubringende ideelle Ressourcen ins Spiel, die letztlich Stabilität des Gemeinwesens garantieren könnten.
In den "Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft" von Brentano und Kleist läßt sich ein wahrnehmungsgeschichtlich signifikanter Bruch nachweisen. Geht Brentano von der romantischen Konzeption der Sehnsucht aus, so stehen hinter dem Text Kleists die Theorie des Erhabenen und die Assoziation des Panoramas. Diese konkurrierenden Positionen gründen in unterschiedlichen Begriffen vom Subjekt.
Es gehört wohl zu den wichtigsten Leistungen der jüngeren Romantikforschung, die starre Grenze zwischen Aufklärung und Romantik geschleift zu haben. Wo sich früher zwei monolithische Einheiten gegenüberstanden, zeigen sich inzwischen, ohne daß dadurch der Epochencharakter beider prinzipiell verabschiedet würde, gemeinsame Problemlagen, Kontinuitäten, Übergänge und Transformationen. Dieser Befund bewahrheitet sich, wenn man den herkömmlichen Fragenkreis der Literaturwissenschaft in Richtung einer sozialhistorisch fundierten Geschichte des Subjekts, des Ichs, der Seele erweitert. Die Romantik, hat Hartmut Böhme geschrieben, formuliere "das Unbewußte der Aufklärung. Sie ist nicht deren Opposition, sondern die Komplettierung der bürgerlichen Subjektproduktion [...]". Tatsächlich spielt die Literatur seit der Frühromantik eine durchaus avantgardistische Rolle bei der "Entdeckung des Unbewußten", die in den letzten Jahren anhand vorwiegend theoretischer Texte rekonstruiert worden ist. [...] Ludwig Tiecks Märchenerzählung "Der getreue Eckart und der Tannenhäuser" von 1799 [...], die die Germanistik zumeist in einer Mischung aus Hilflosigkeit und Geringschätzung links liegen gelassen hat, schreitet in einem mythisierenden Szenarium von hoher Raffinesse die Sehnsüchte und inneren Zwänge aus, die sich am Ende der bürgerlichen Aufklärung ausgebildet haben. Er macht auf diese Weise nicht weniger als eine neue psychische Struktur, das Resultat lang- wie kurzfristiger sozialer Prozesse, sichtbar, und zwar in einem doppelten Sinn: Denn diese ist nicht nur auf Inhaltsebene Gegenstand der Erzählung, sondern schreibt sich strukturbildend dem Text selbst ein. In psychogenetischer Perspektive wird erkennbar, daß sich die Romantik, selbst wo sie es will, nicht von dem befreien kann, was ihr die Aufklärung hinterlassen hat.
Die "Prinzessin Brambilla" ist die Geschichte eines medizinischen Heilungsprozesses, genauer: einer "Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerriittung" — so der Untertitel eines der einflussreichsten psychiatrischen Werke des frühen 19. Jahrhunderts, das auch Hoffman bekannt war: Johann C. Reils "Rhapsodieen". Wer eine Geschichte als Heilungsgeschichte inszeniert, bedarf eines erfahrenen Psychiaters, der die Therapie leitet: Im Falle der Prinzessin Brambilla ist das Meister Celionati,er, wie sich am Ende der Geschichte herausstellen wird, nicht nur einen Ciarlatano auf dem Römischen Karneval gibt, sondern zugleich ein Kenner der zeitgenössischen "Wissenschaft der Medizin" [...] ist [...].
In der Forschung ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass dem Leser in Ludwig Tiecks "Der blonde Eckbert" (ED 1797) verschiedene Lesarten angeboten werden, die auf den ersten Blick streng voneinander getrennt scheinen, sich aber bei naherem Hinsehen als indifferent erweisen. In einem ersten Schritt soll in diesem Aufsatz eruiert werden, worin die verschiedenen Lesarten bestehen und wie sie miteinander verbunden sind, bevor eine besondere, nämlich die des (zeitgenössisch zu denkenden) Verfolgungswahns, herausgehoben und auf ihre hereditaren und kindheitsmemorialen Aspekte befragt wird; all dies unter besonderer Berücksichtigung der romantischen Allegorie, innerhalb deren die verschiedenen Lesarten angeboten werden.