Aussiger Beiträge : 2. Jahrgang
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Der 1889 in Brünn geborene Schriftsteller Oskar Jellinek verbrachte die größte Zeit seines Lebens in Wien, bevor er 1938 ob seiner jüdischen Herkunft in die USA emigrieren musste, wo er 1949 verstarb. Zu seinen überschaubaren literarischen Hinterlassenschaften zählen neben Gedichten und einem Romanfragment vor allem Novellen. In klassischer Manier behandelt Jellinek dort moralische Themen. Wie andere seiner österreichischen Zeitgenossen reagierte er damit auf die Verunsicherungen, die der Zerfall der k.u.k. Monarchie mit sich gebracht hat. Die mährische Landschaft, in der die Mehrzahl seiner Novellen angesiedelt sind, fungiert dabei als Projektionsfläche für die in Frage stehenden Werte, wobei besonders die Gegensätze Natur vs. Kultur und Mann vs. Frau moralische Aufladung erfahren.
Betty Paoli (1814-1894) war eine jener berühmten Dichterpersönlichkeiten, die regelmäßig Vers- und Prosabeiträge für das beliebte literarische Taschenbuch "Iris" lieferten. Einer ihrer Texte erregte allerdings das Missfallen der zeitgenössischen Kritik, denn in ihm hielt sich Paoli nicht an die Regeln, die für den Publikationskontext galten. Das literarische Taschenbuch war ein Ort der Einübung bürgerlicher Normen, die weibliche Leserschaft sollte in dieser Lektüre das Ideal der bürgerlichen Geschlechterrollen abgebildet finden. Paolis Novelle "Merced" kann nicht nur als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der politischen Situation im vormärzlichen Österreich gelesen werden, sondern sie enthält auch eine Kritik an der Beschränkung des weiblichen Aktionsradius, und mit ihrer Protagonistin Merced schuf Paoli eine Frauenfigur, die den Vorstellungen vom 'moralischen Geschlecht' nicht entsprach. In diesem Beitrag wird Paolis Novelle "Merced" im Zusammenhang mit der Soziogenese der Frau des Biedermeier, wie sie sich im literarischen Taschenbuch spiegelt, gelesen.
Am Beginn der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts schrieb Ferdinand Kürnberger zwei Feuilletons zu Franz Grillparzer. Diese Feuilletons aus der 'Gründerzeit' verdrängen die entscheidenden Fragen, die Grillparzer mit Heinrich Heine und Rahel Varnhagen verbunden haben: die Frage der Marginalisierung der Poesie in einer von Naturverwertung und instrumenteller Vernunft bestimmten Welt, die Frage einer gleichberechtigten Beziehung der Geschlechter zueinander und das Schicksal der Liebe in einer Zeit umfassender Rationalisierung und Verwertung.
Der Beitrag stellt die 1997 im Lehrstuhl für Germanistik der Palacký-Universität in Olmütz gegründete Forschungseinrichtung Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur vor und beschäftigt sich mit literatur-theoretischen, methodologischen und ideologischen Fragen, die an die Erforschung des Gegenstandes, der deutschmährischen Literatur, geknüpft sind.