Aussiger Beiträge : 2. Jahrgang
Refine
Year of publication
- 2008 (24)
Language
- German (24)
Has Fulltext
- yes (24)
Keywords
- Deutsch (3)
- Literatur (3)
- Österreich (3)
- Böhmen (2)
- Jelinek, Elfriede (2)
- Kafka, Franz (2)
- Kongressbericht (2)
- Bachmann, Ingeborg (1)
- Bernhard, Thomas (1)
- Bettauer, Hugo (1)
Im Rahmen der seit 1916 veröffentlichten über 70 Erzählungen Urzidils markiert "Die Frau mit den Handschuhen" eine Endphase, in welcher der im New Yorker Exil lebende Autor wieder verstärkt seine böhmische Herkunft thematisiert. Seine liebevolle und zugleich äußerst präzise Hinwendung zum eigenen familiären Hintergrund, authentisch oder fiktional, dient nicht einer verklärend-nostalgischen Rückschau, sondern deckt gravierende Probleme und Defizite im individuellen wie im gesellschaftlichen Leben seiner Protagonisten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Der viel spätere Verlust der Heimat wurzelt, so eine mögliche Deutung, bereits hier im Scheitern von Liebe und Kommunikation zwischen konkreten Personen ebenso wie zwischen sozialen und nationalen Gruppen.
Der historische Kontext eines literarischen Textes, so lautet eine Kernthese jeder Hermeneutik in rekonstruierender oder dekonstruktiver Absicht, ist das Andere der ästhetischen Struktur dieses Textes: Er verstellt, mit anderen Worten, den Zugang zum literarischen Text als Kunstwerk. Dieser These wird hier am Beispiel der 'chinesischen' Erzählungen Franz Kafkas widersprochen. Der Beitrag führt vor, wie gerade aus der kalkulierten Einfügung eines Erzähltextes in den kulturellen Kontext seine spezifische ästhetische Form gewonnen wird.
Betty Paoli (1814-1894) war eine jener berühmten Dichterpersönlichkeiten, die regelmäßig Vers- und Prosabeiträge für das beliebte literarische Taschenbuch "Iris" lieferten. Einer ihrer Texte erregte allerdings das Missfallen der zeitgenössischen Kritik, denn in ihm hielt sich Paoli nicht an die Regeln, die für den Publikationskontext galten. Das literarische Taschenbuch war ein Ort der Einübung bürgerlicher Normen, die weibliche Leserschaft sollte in dieser Lektüre das Ideal der bürgerlichen Geschlechterrollen abgebildet finden. Paolis Novelle "Merced" kann nicht nur als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der politischen Situation im vormärzlichen Österreich gelesen werden, sondern sie enthält auch eine Kritik an der Beschränkung des weiblichen Aktionsradius, und mit ihrer Protagonistin Merced schuf Paoli eine Frauenfigur, die den Vorstellungen vom 'moralischen Geschlecht' nicht entsprach. In diesem Beitrag wird Paolis Novelle "Merced" im Zusammenhang mit der Soziogenese der Frau des Biedermeier, wie sie sich im literarischen Taschenbuch spiegelt, gelesen.