720 Architektur
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Wer aus der historischen Perspektive aktuelle Debatten zum Stadtumbau beobachtet, kann sich den Luxus leisten, eine größere Distanz einzunehmen als die Akteure der Auseinandersetzung; die Genese von »Frontverläufen« und der Wechsel von Positionen treten dabei deutlicher hervor. Im Folgenden werden exemplarisch Struktur und Verlauf einer für »Mainhattan « signifi kanten Teildebatte um das Stadtbild rekonstruiert: der Prozess der Destruktion einer historischen Hochhausarchitektur, des Zürich-Hauses, und dessen Ersetzung durch einen höheren Neubau, den Opernturm.
Frankfurts Architekturgeschichte im Spätmittelalter bietet ein gutes Beispiel dafür, wie die architektonische Markierung des städtischen Raums Hand in Hand geht mit Umgestaltungen des sozialen Raums. Denn seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts lässt sich eine radikale Veränderung der Frankfurter Stadtstruktur und ihrer Hauptmonumente feststellen. Dabei geht es nicht allein um die schiere Vergrößerung des Stadtgebietes, das 1333 bis 1428 mit einer neuen Ummauerung gesichert wird und in dem zahlreiche Neubauten – allen voran der Domturm – entstehen. In einem tiefer gehenden Sinn erhält der öffentlich-städtische Raum eine neue kommunikative Fähigkeit, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der nachhaltigen Etablierung einer oligarchisch die Geschäfte der Stadt bestimmenden Patrizierschicht steht. Die Stadt wird gleichsam die Bühne, auf der die kulturelle Hoheit einiger eng miteinander verfl ochtener, gleichwohl auf Exklusivität insistierender Geschlechter inszeniert wird. Diese werden bis weit in die Neuzeit die Geschicke Frankfurts bestimmen, man denke nur an die Namen derer von Holzhausen, von Glauburg und anderer. Zu den wesentlichen Momenten dieser Selbstdarstellung gehören die öffentliche Präsentation von christlicher Frömmigkeit und sozialer Exklusivität, von Anciennität (der angeblich weit in die Vergangenheit zurückreichenden Abstammung) und Unternehmungsgeist sowie einer besonderen städtisch-patrizischen Identität –, aber auch das Ausgrenzen von als bedrohlich empfundenen Fremden, insbesondere den Juden. Die Stiftung von anspruchsvollen Privatkapellen, die Förderung einer städtischen Chronistik und die allgegenwärtige Evokation von namhaften Stadtgründern bilden einige der Faktoren, die in der Tendenz mit zahlreichen anderen Städten der Zeit übereingehen, aber eben in bezeichnender Weise auch heute noch zu markant unterschiedlichen Identitäten jeder dieser Städte beitragen. Das »Image« von Frankfurt wurde seit dem späten 14. Jahrhundert geprägt, und dazu trugen in hohem Maße gerade auch architektonische und städtebauliche Momente bei.
Sparsames Bauen
(1920)