800 Literatur und Rhetorik
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Moralistik und Neue Sachlichkeit : ein Kommentar zu Helmuth Plessners "Grenzen der Gemeinschaft"
(2002)
Plessners "Grenzen der Gemeinschaft" in einem literaturgeschichtlichen Kontext zu lesen, scheint auf den ersten Blick ganz unproblematisch und wird vom Autor durch verschiedene Hinweise auch nahegelegt. Auf den zweiten Blick wird allerdings schnell klar, daß ein solches Unterfangen auch einige Schwierigkeiten bereitet. Doch es gilt, diesen Versuch zu unternehmen, weil sich gerade aus der literarhistorischen Kontextualisierung eine Anzahl wichtiger Perspektiven eröffnet. Sowohl die diachronen Bezüge zur Moralistik des 17. und 18. Jahrhunderts als auch die synchronen zur zeitgenössischen Literatur sind komplex. Das Vorwort weist den Text als einen Essay aus, der sich explizit an ein breites Publikum wendet und nicht in erster Linie Fachfragen diskutiert, sondern auf eine intensive Diskussion, „die vom Leben her“ kommt, eingehen will. Plessner situiert sich damit programmatisch in einer europäischen Gattungstradition, die von Montaigne und Locke ausgehend in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts weist. Die großen Debatten, die seit dem ersten Weltkrieg über Politik und Moral, Kultur und Zivilisation, Gesellschaft und Gemeinschaft geführt wurden, haben, so Plessner, „kulturpolitische, erkenntnispolitische, wirtschaftspolitische“ Aspekte. Plessner spricht hier nicht nur als Philosoph, sondern auch als Intellektueller und zitiert eine noch kaum erschlossene Anzahl verschiede-ner zeitgenössischer Diskurse.
Netzliteratur ist ein relativ junges Phänomen, welches seine Wurzeln sowohl in den Experimenten der visuellen und konkreten Poesie als auch in den Anwendungen von Hypertext hat. Mit der zunehmenden Bedeutung und Nutzung von Computer- und Netzwerktechnologien ist diese neue Form von Literatur „erwachsen“ geworden: Gegenwärtig wird sie als eine der wichtigsten Einflüsse der gegenwärtigen Kunst angesehen. Netzliteratur verbindet nicht nur Sound, Video und Animationen mit interaktiven Elementen und erlaubt damit neue Formen künstlerischen Ausdrucks. Sie löst darüber hinaus die traditionellen Rollen des literarischen Systems auf: Der Tod des Autors bedeutet die Geburt des schreibenden Lesers. In dieser Studie soll das Konzept des „Kanons“, was in der traditionellen (empirischen) Literaturwissenschaft entwickelt wurde, auf Netzliteratur übertragen und nutzbar gemacht werden. Die Leitfrage ist dabei: Ist gegenwärtig bereits ein solcher Kanon existent und wie modelliert er sich heraus? Basierend auf dem Handlungsrollenmodell und einer Modifikation von Karl Erik Rosengrens mention analysis wurde ein Sample von deutschen Aufsätzen und Besprechungen zu Netzliteratur untersucht. Von zentralem wissenschaftlichen Interesse war dabei: Wie beziehen sich die Autoren auf Netzliteratur? Welche Projekte und Texte werden als bereits kanonisiert angesehen? Welche Internetdienste beeinflussen diesen Kanonisierungsprozess und wie? Diese Studie versteht sich schließlich vor allem auch als Test der Anwendbarkeit von Rosengrens Methode für die Untersuchung von Netzliteratur: Ist es zulässig, für diesen Zweck eine Methode zu benutzen, die ursprünglich zur empirischen Analyse des traditionellen literarischen Kanons entwickelt wurde? Damit soll ein Beitrag geleistet werden zur Diskussion um die Anwendbarkeit von traditionellen Methoden auf das neue Medium Internet.
Limited inc abc
(1978)
Im Zeitalter elektronischer Datenbanken soll die digitale Architektur des Gedächtnisses das Figurative des Gedankens und die Dynamik der Assoziation einholen, nachahmen und simulieren, um nicht länger ein Bild, sondern die Sache selbst zu sein. Hinter diesem Unternehmen steht eine Trennungserfahrung, die sich zu einem bedrohlichen Gefühl der Entfremdung ausgeweitet hat, auf das zunehmend mit wahnhaften Erschließungs- und Abschließungsphantasien reagiert wird. Im folgenden Aufsatz wird dargestellt, wie diese Phantasien in Programmen der assoziativen elektronischen Datenbanken verkörpert sind.