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Paul Gilroy verweist in seinem "The Black Atlantic" auf Walter Benjamin, dessen Konzept der "Urgeschichte" der Moderne ihm insbesondere wegen aus der jüdischen Mystik übernommener Elemente für die Konstruktion einer Alternative zur Siegergeschichte geeignet erscheint. [...] Wie lässt sich ein notwendig diskretes mystisches Eingedenken gegen das unausweichlich dröhnende Triumphgeschrei der Sieger diskursiv umsetzen? So klar auch sein mag, dass die konstitutive Voraussetzung für die Konstruktion und das Schreiben der Geschichte der Unterdrückten nur darin liegen kann, den Namenlosen zuzuhören, bleibt gleichwohl die Frage nach der Möglichkeit der Darstellung einer Geschichte der Namenlosen. Lässt sich Geschichte überhaupt jenseits einer vermeintlich unentrinnbaren Dialektik von Siegern und Verlierern, mithin anders darstellen als in der Sprache und aus der Warte der Sieger? Um Missverständnissen vorzubeugen: Im Folgenden soll nicht Walter Benjamin zum Vordenker des Post-Kolonialismus stilisiert oder in aktuelle de-kolonialistische Debatten hineingezwängt werden. Stattdessen dient Gilroys intuitive Hinwendung zu Benjamin als Ausgangspunkt für die Suche nach einer Alternative zu der in Europa bis heute bestimmenden Geschichtsschreibung aus der Warte der Sieger.
This article explores some of the moral meanings vested in the concept of historicization. With the help of a discussion of Jules Michelet's notions about the "duty of the historian" - to rescue the dead from oblivion - it becomes possible to flesh out these moral meanings and to insert them into a series of historical contexts. These contexts comprise the cultural history of humanitarian morality in the eighteenth and nineteenth centuries; and the intellectual and cultural histories of ideas of immortality, memory, forgetting, and the valorization of the human life. The resulting meaning of historicization is that of a humanitarianism for the dead, with all the ambiguities this position entails.
Die Hauptargumentation soll zeigen, wie die Romane von Bobrowski und Drach die Unterscheidung zwischen der historiographischen Ebene des Erzählens und dem erzählten historischen Geschehen in ihrer paradoxen, da heißt prekären, aber konstitutiven Bedeutung für das Schreiben/Erzählen von Geschichte reflektieren. Dieser Zweck erfordert es auch, die Analytik Hayden Whites für die Narrativität der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung in Gebrauch zu nehmen; außerdem werden die Methodologie des New Historicism und Leitsätze einer postkolonialen Historiographie herangezogen.
The article presents a chronicle of the town of Kaaden (Kadaň) dating from the 16th century, currently held in Prague's Monastery of Our Lady of the Snows. It explores several aspects of Humanistic urban history writing, including the presence of the author in the text of the chronicle, the methodology of the author's historiographic work, and his choice and use of language (German, Latin). The study also presents this chronicle as an interesting and important source of information on writing practices in north-west Bohemia from a text-analytical perspective.
Aus dem Kernteam des Punch von 1841 stammten der Journalist und Schriftsteller Gilbert Abbott à Beckett und John Leech, der eigentliche Erfinder des "Cartoons". In einer speziell englischen Spielart des komischen Genres schufen sie 1847/48 in 20 Einzelbänden "The Comic History of England". Joachim Möller zeigt unter dem Titel "Götterdämmerung", wie in engem Wechselspiel von Bild und Text die 'Großen Männer der Geschichte' gleich reihenweise vom Sockel gestoßen werden und sich ihre legendären Taten als 'ziemlich gewöhnlich' erweisen. Pate bei dieser Art detailverliebter Bildsatire hat offenbar immer noch Hogarth gestanden, auch wenn der Stahl- (und Holz-)stich in der "Comic History" die Funktion der interpretativen Illustration übernimmt.
Le fait de savoir si le Saint-Empire romain germanique constituait un État est, en soi, une question peu stimulante, la réponse dépendant qui plus est des représentations fondamentales que l’on se fait de l’État. La recherche allemande, obsédée par le modèle de l’État national souverain, s’est accordée à penser pendant près d’un siècle et demi et en dépit de toutes les ruptures institutionnelles que l’Empire ne formait pas un État. En référence à cette tradition, l’introduction du concept d’« Empire-État complémentaire » (« komplementärer Reichs-Staat ») a mis en émoi une partie de la communauté des historiens modernistes germanophones, tandis qu’une autre part accueillait avec sérénité ou bienveillance ce nouveau modèle interprétatif. On pourrait ce faisant et en s’appuyant sur l’historicité de la formation de « l’État » procéder à l’analyse de l’Empire à partir de divers modèles. Mais une telle approche n’est pas sans conséquences sur l’appréciation de l’histoire allemande dans son ensemble. Définir l’Empire comme État et nation bouscule sensiblement le « grand récit » traditionnel : l’écart par rapport à une voie réputée normale de l’histoire européenne a jusqu’à présent conféré au passé allemand une signification pourvue d’une finalité tantôt légitimante tantôt déstructurante, mais toujours facteur d’intégration politique. Le concept d’Empire-État complémentaire ébranle l’idée de la singularité de l’histoire allemande moderne* sur un point capital, car il facilite la comparaison avec d’autres pays et oblige à considérer l’Allemagne comme partie prenante de l’Europe des États modernes. La notion d’Empire-État complémentaire ne peut dès lors servir ni de point de départ d’une « voie allemande particulière », ni d’archétype ou de modèle supra-étatique et supranational, ou d’équivalent fonctionnel de l’Europe contemporaine. ...
Wer historiographische Texte im Deutschunterricht vorlegt, muß damit rechnen, daß die Schüler sie zunächst vor allem als Träger von Daten und Fakten ansehen. Spontane Stellungnahmen beziehen sich deswegen in aller Regel auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der dargestellten Sachverhalte; darüber hinaus stellt sich der pauschale Verdacht der Subjektivität, der ideologischen Gebundenheit des Textes ein. Mit dem Zwang, derartige Aussagen intersubjektiv nachprüfbar zu machen, ist die Notwendigkeit differenzierter Textanalysen gegeben.
Es soll hier I. ein Modell einer methodisch geordneten Textanalyse vorgestellt werden. Dazu werden Ergebnisse der Textlinguistik und der strukturalen Literaturwissenschaft aufgenommen und zur Erarbeitung und Begründung der Kategorien und Unterscheidungen des Modells herangezogen, auch wenn es für die Unterrichtspraxis wesentlich auf die letzteren ankommt- Das Modell wird Zug um Zug auf einen Beispieltext angewendet. Im II. Kapitel wird das Modell an einem Kontrasttext überprüft, wobei nur die Ergebnisse, nicht aber nochmals die einzelnen Begründungsschritte vorgetragen werden. Schließlich sollen III. weitere Aspekte und Möglichkeiten der Beschäftigung mit historiographischen Texten im Deutschunterricht diskutiert und angeregt werden.
Unlike cultural studies and their tendency to read literary texts as epistemological discourses, the target of this study is to develop the potential of difference between fictional and non-fictional texts, in view of Heinrich von Kleist's novella "Die Verlobung in St. Domingo". In this perspective, not only does Kleist's text use colonialist, racist, historiographic discourses, but also explicitly deals with them from the very beginning. Colonialist dualism and individual encounter, racist stereotypes and narrative contingency, historiographic discourse and unexpected event are connected in a paradoxical manner. Although the discourse effects seem to prevail, the literary text asserts itself in the process of narration by undermining and challenging the power of the discourses.
Zu den wichtigsten Neuerungen der "Sattelzeit", dem Übergang von der alteuropäischen zur "modernen" Gesellschaft um 1800, gehört die Herausbildung und Etablierung einiger Begriffe, die sich durch ihre Fähigkeit auszeichnen, eine Vielzahl verstreuter Erscheinungen als kontinuierliches Ganzes zu präsentieren. "Kollektivsingulare" hat Reinhart Koselleck diese Begriffe genannt, zu denen beide Definienten des im vorliegenden Band umrissenen Forschungsbereichs zählen: "die Geschichte" ebenso wie "die Literatur". Diese und andere Kollektivsingulare integrieren, was in einer von der Erfahrung beschleunigter Veränderung geprägten Welt, in der das Wißbare beständig wächst, dem verstehenden Zugriff zu entgleiten droht. In der modernen Welt kommt oder – hier muß mittlerweile vielleicht einschränkt werden – kam ihnen daher eine kaum zu überschätzende kognitive wie lebenspraktische Funktion zu.
Wir haben[...] Heines literaturhistorische Kompetenz herauszuarbeiten und insbesondere auf seine Prägung durch die Hegelsche Philosophie und ihre Derivate zurückzuführen versucht. Ausgangspunkt unserer Überlegungen war Heines handschriftliche Notiz über Gervinus [...]. Gervinus‘ Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen (1835/42) und Heines thematisch und entstehungsgeschichtlich zusammengehörige DeutschlandSchriften weisen eine beträchtliche Anzahl struktureller und inhaltlicher Übereinstimmungen auf. Diese Übereinstimmungen sind insofern um so beachtenswerter, als Gervinus’ Werk als geradezu paradigmatische Literaturgeschichte einzuschätzen ist, die schon von ihren Zeitgenossen als solche anerkannt wurde und noch während ihrer Entstehungszeit zum Bezugspunkt der seit den 1820er Jahren geführten Reformdiskussion über die Zielsetzungen einer neuen, litterärhistorische Darbietungsformen hinter sich lassenden Literaturgeschichtsschreibung avancierte. Mit seinen Deutschland-Schriften hat Heine also den Nerv der damaligen Reformdiskussion getroffen und eine nicht zu unterschätzende Zahl der in ihr erhobenen Anforderungen an das neue literaturhistorische Projekt bereits historiographisch umgesetzt.