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Lange ist es noch nicht her, da klagte Werner Paravicini in seiner Besprechung der Biographie Ludwigs XI. von Jean Favier, dass dieser Herrscher seit einigen Jahrzehnten in recht dichter Folge mit beleg- und anmerkungslosen Arbeiten im Stil der "haute vulgarisation" bedacht werde (Kendall, Gaussin, Bordenove, Heers, Gobry und eben Favier), ein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Werk seit dem 1928 von Pierre Champion vorgelegten dagegen fehle (Francia 30/1 [2003], S. 376f.). Und nunmehr erneut ein Buch, das sich nahtlos in diese Reihe fügt und obendrein den Blickwinkel sogar noch bewusst verengt: Der Verfasser konzentriert sich ausschließlich auf die Person Ludwigs und will darüber hinaus keine Zeit und Welt erschließen; er beschränkt sich auf die Darstellung dessen, was den Herrscher nach seinem Dafürhalten – bis auf Jagd, Tiere und Musik – allein interessierte: "Louis se passionnait pour le pouvoir, la guerre et la politique, il en sera donc question presque à chaque page" (S. 10). ...
Nein, in vorliegender Form hätte diese Doktorarbeit nie veröffentlicht werden dürfen, weist sie doch, hochgerechnet, eine sicherlich im vierstelligen Bereich liegende Zahl an Fehlern, Nachlässigkeiten, ja Schlampereien auf. Ein Leser, der sich bis zum bitteren Ende durchgekämpft hat, dürfte fassungslos auf einen Kampf zurückblicken, den der Autor seinerseits mit der, nein: gegen die deutsche Sprache führte, um dabei an elementaren Regeln der Grammatik, Zeichensetzung und bisweilen sogar an der Orthografie zu scheitern. A. Willershausen ist mithin nicht nur dem Genetiv und Dativ, sondern der deutschen Sprache überhaupt feind. Ähnlich sieht’s im Lateinischen und Französischen aus; oft sind nicht einmal gedruckte Texte korrekt wiedergegeben. Und ganz schlimm wird’s, wenn Deutsches und Französisches zusammenstoßen: "Vermittlung Gui de Boulognes […] Verhandlungen Talleyrands de Périgord auf der Poitier-Kampagnes" (S. 81, Anm. 349) ‒ "Sainte-Maria-Madelaine" (S. 196). Diese zwei Beispiele müssen hierfür aus Platzgründen genügen; generell gilt, dass mein Monita-Leporello sehr, sehr lang ist und bei Bedarf eingesehen werden kann. Doch jedem, der sich der Mühe der Lektüre nur eines einzigen Kapitels unterzieht, dürften die vielen Fehlleistungen ohnehin auffallen. Die Verantwortung für all das liegt natürlich beim Autor, aber sicher sind hier auch kritische Fragen an den Doktorvater und den Zweitgutachter sowie an einen Verlag zu stellen, der die Vorlage offensichtlich unbesehen, geschweige denn lektoriert zum Druck freigab. ...
Agincourt/Azincourt 1415 – und 600 Jahre später eine neue Schlacht, diesmal der Publikationen, Tagungen und Veranstaltungen bis zur Nachstellung des Kampfs am Ort wie auch mit Playmobil-Figuren, ja bis zum Poesiewettbewerb und Rollstuhlfechten unter der Ägide eines "Agincourt 600 Comittee". Aus solch überbordender Fülle ragt der vorliegende Band indes heraus: kein Jubiläumsschnellschuss, sondern eine parallel zur Londoner Ausstellung "The Battle of Agincourt" mit Sorgfalt und Bedacht erstellte Sammlung von Beiträgen aus der Feder von Kennern der Materie unter drei Leitthemen "The Road to War – The Battle – Aftermath and Legacy". Was aber schon vor der Lektüre auf den ersten Blick besticht, ist die durchgängig farbige, z. T. großformatige Bebilderung in vorzüglicher Qualität und deren nicht minder vorzügliche Kommentierung; angesichts dessen und einer bis ins Layout ansprechenden Aufmachung hat der Preis des Bands fast als günstig zu gelten. ...
Der Titel lässt eine Behandlung von Streitschriften und anderen Zeugnissen aus der Zeit des großen abendländischen Schismas erwarten, mit denen sich Vertreter der zwei bzw. drei Obödienzen positionierten und einander bekämpften. Doch vor die Quellen hat die Verfasserin die Theorie gesetzt: Ohne Habermas, Bourdieu und Foucault kein Jean Gerson, Simon de Cramaud oder Nicolas Eymerich. Man wähnt sich anfangs weniger in der Welt der Pariser Universität und der avignonesischen Kurie um 1400 als im soziologischen und literaturtheoretischen Oberseminar (die klassische Ideengeschichte wird kurzerhand als "très périmée" beiseite geschoben [S. 13]) und fürchtet, zumindest als nicht eben theorieversessener Historiker, schon den anstehenden Marsch durch entsprechende Textwüsten, zumal die Autorin expressis verbis einen anderen Ansatz als Hélène Millet vertritt, die sich mit ihren – am Dictum Lucien Febvres "Et l’homme dans tout cela?" orientierten – biografischen und prosopografischen Arbeiten um die Erforschung des Schismas bekanntlich sehr verdient gemacht hat: "Hélène Millet aime cerner les hommes du temps, quand j’aime scruter les textes" (S. 16). ...
Vor einigen Jahren hat sich eine Gruppe jüngerer französischer und tschechischer Historiker zwar nicht gleich zum Kreuzzug, so doch zur Widerlegung der Doktrin von Gralshütern des reinen Kreuzzugs zusammengetan, nach der das Ende der Bewegung mit dem Tunisunternehmen Ludwigs des Heiligen und dem Fall Akkons 1291 besiegelt gewesen sei. Die Aktivitäten dieses Kreises haben ihren Niederschlag in bislang vier Bänden einer Reihe gefunden, die sich mit ironischem Seitenblick auf besagte Gralshüter "Croisades tardives" nennt (vgl. S. 5). Hatten eigentlich bereits die Arbeiten von Nicolae Iorga, Aziz Atiya und Kenneth Setton den Nachweis erbracht, dass es sich bei jenen "späten" Unternehmen keineswegs um einen sinnentleert-kostümierten "Triumph der Dekadenz" (Hans Eberhard Mayer) handelt, so gebührt in unseren Tagen u. a. Norman Housley und Jacques Paviot – einem der Initiatoren der Forschergruppe – das Verdienst, die natürlich sich ändernde, so doch fortwährende Wirkkraft und die vielfältigen Facetten der Kreuzzugsidee bis in die frühe Neuzeit hinein aufgezeigt zu haben. Und ebendies bestätigen jetzt erneut die von Finanz- und Organisationsfragen handelnden Beiträge des vorliegenden Bands. Wenn es um so handfest Konkretes wie Planung und Ausrüstung und vor allem um den pekuniären nervus rerum ging, blieb für vage Ritterromantik und nostalgische Mythenbeschwörung kein Platz. ...
Es ist schon merkwürdig: Für keines der großen Konzilien des Spätmittelalters schien in den letzten Jahren eine Gesamtdarstellung so nah wie im Fall des Pisanum. Dieter Girgensohn und Hélenè Millet legten eine Fülle von Einzelstudien vor, doch keiner der beiden goss sie in die Form eines opus magnum, sieht man von einem Aufsatzband der französischen Kollegin ab. Durch Mona Kirsch erfuhr die Synode 2016 eine zwar viele Facetten erfassende Würdigung im Rahmen einer ritualgeschichtlich grundierten Geschichte des allgemeinen Konzils im Spätmittelalter, zu der für sie aber die auf Pisa folgenden und damit eng verbundenen Versammlungen von Konstanz und Basel nicht gehörten. Und nun erklärt Florian Eßer gleich mehrfach, bei seinem hier anzuzeigenden, immerhin 874-seitigen Werk handele es sich keinesfalls um eine Gesamtdarstellung. Was die Frage aufwirft, wer angesichts einer solch zerklüfteten Landschaft partieller Monumente das finale Wagnis überhaupt noch angehen mag.
Am ehesten wohl Florian Eßer selbst, der eine auf umfassender Kenntnis der ungedruckten wie gedruckten Quellen beruhende und die gesamte Forschung zum Thema rezipierende Studie vorgelegt hat, die weniger als Dissertation – die sie ist – denn fast schon als Habilitationsschrift gelten darf. Nur wünscht man sich und ihm, dass er sich künftig in der Kunst des Kürzens und Streichens übt. Denn hier wird viel in der Sache wohlgemerkt Treffendes derart breit bis in die feinsten Einzelheiten und Verästelungen ausgeführt, ja ausgewalzt, dass dem Autor am Ende dabei offensichtlich selbst nicht mehr so recht wohl war, widmet er sein Opus doch Freundin, Eltern und Freunden, "auch wenn (beziehungsweise weil) sie es vermutlich nie lesen werden" (S. 14). ...
Nein, Langeweile kommt bei Franck Collard nicht auf, ist er doch Historiker des Gifts und der Leidenschaft. Seit seinem Werk "Le crime de poison au Moyen Âge" greift er immer wieder das Problem des Einsatzes von Gift in der Welt des Spätmittelalters, vor allem im 15. Jahrhundert, auf; einem Saeculum, in dessen erster Hälfte – zumal in einem im Innern zerrissenen und vom Hundertjährigen Krieg heimgesuchten Frankreich – ebenso das Thema der "passions" eine zentrale Rolle spielt, dem er bereits 2015 die Studie "Politique des passions et anthropologie des pulsions à la cour de Charles VII" widmete . Eine Annäherung an Jeanne d’Arc unter solches Vorzeichen zu stellen lag nahe, einmal aufgrund besagter "passions au sens de déchirements" im Königreich, sodann angesichts von Johannas "passion au sens d’exaltation affective et d’amour extrême" wie auch – mit Blick auf ihren Prozess und Tod in Rouen – wegen ihrer "passion … au sens de souffrance sacrificielle" (S. 11). ...
Da wird gegen Ende ein schon recht großer Anspruch formuliert: "Aus genuin historischer Sicht bieten die Ergebnisse dieser Studie Anknüpfungspunkte für ein neues Narrativ, eine neue Interpretation der spätmittelalterlichen französischen Geschichte." Und mehr noch: "Aus systematisch-komparatistischer Sicht lässt sich die Frage nach der Spezifik bzw. der Übertragbarkeit des französischen Beispielfalles unter Rückgriff auf soziologische Theorieentwürfe schließlich auch auf weitere historische Formationen jenseits der spätmittelalterlichen Epoche ausweiten" (S. 427). Hoch die Erwartungen also in der Sache und nicht ganz so hoch an Sprache und Stil. Und französische Leserinnen und Leser, an die sich das Buch sicher nicht zuletzt auch wendet, werden entzückt sein über Juwele kristallklarer Verständlichkeit und federleichter Eleganz wie: "Aus diesen Überlegungen ergibt sich zugleich, dass systematisch-komparatistische Ansätze die jeweiligen Vergleichsgegenstände unter Zugrundelegung externer Analysekategorien zuallererst konstituieren und die im einzelnen zu betrachtenden Phänomene dadurch überhaupt erst vergleich- und operationalisierbar machen müssen" (S. 438). ...
Dies ist keine Gefälligkeitsbesprechung, dies ist, mehr noch, eine Jubelanzeige, handelt sie doch von einer Jubilarin und zwei Jubiläen. Der Unterzeichnende – oft genug hat er mit scharfer Rezensentenklinge gefochten – darf eine Kollegin rühmen, die nach ihrer Pensionierung als Forschungsdirektorin am C.N.R.S. 2011 in Bourges mit einem internationalen Kongress geehrt wurde (Église et État, Église ou État? Les clercs et la genèse de l’État moderne) und die in den letzten Jahren als Summa ihrer Forschungen zum großen abendländischen Schisma gleich drei Bände vorlegen konnte, von denen zwei wiederum Konzilien jener Zeit mit Jubiläumsdatum galten: So gab Hélène Millet 2009 die Akten einer Tagung heraus, die, wesentlich von ihr konzipiert und organisiert, im Jahr zuvor aus Anlass des sechsten Centenariums des Konzils von Perpignan an ebendiesem Ort stattgefunden hatte 1 . Damit rückte sie jene Synode Benedikts XIII. gegen das anstehende und ihn bedrohende Pisanum in klareres Forschungslicht, die im Deutschen seit der Edition ihrer Akten durch Franz Ehrle (1889/1900) als "Afterconcil von Perpignan" allenfalls randhaft zur Kenntnis genommen wurde. H. Millet hat danach selbst noch wiederholt zu Inhalt und Ertrag dieses Kolloquiums Stellung genommen, so schriftlich in "cristianesimo nella storia" (29, 2008, S. 219–229) und mündlich im Rahmen einer Tagung über den "Languedoc médiéval" im Februar 2011 in Montpellier. 2009 war zudem das Jahr, in dem sie unter dem Titel "L’Église du Grand Schisme 1378–1417" eine Auswahl ihrer – meist frankreichzentrierten – Studien zur Kirchenspaltung vorlegte 2 . Immer wieder lassen sie ihre Kompetenz im prosopographisch-biographischen Bereich und damit auch ihre – computergestützten – Erfahrungen in der Kanoniker- und Kapitelforschung aufscheinen, aus denen wiederum das von ihr inspirierte und mittlerweile wohletablierte Unternehmen der Fasti Ecclesiae Gallicanae großen Nutzen gezogen hat und zieht. ...