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Revolutionspoetik : Benjamin Noldmanns Beitrag zum literarischen Werk Adolph Freiherrn Knigges
(2006)
Überblickt man nun Knigges Werke, so lässt sich in ihnen nicht nur die bewusste Unterscheidung von Handlungen und gesprochenen sowie geschriebenen Worten beobachten, sondern auch ein fast unermüdliches Wiederholen bestimmter Worte und Meinungen verfolgen. Gleichwohl versuchen diese Worte immer wieder sehr unpoetisch an Handlungen, just an politische Handlungen, anzuknüpfen. Ob es sich um Benjamin Noldmann, Peter Claus, Joseph von Wurmbrand oder andere Erzählerfiguren Knigges handelt, in jedem Fall wiederholt der Text etliche Male und in überzähligen Versionen - ob in aller Deutlichkeit oder verschlüsselt - kritische Diagnosen der sozialen und politischen Situation auf deutschem Boden, umfangreiche Inventare der Missstände kleiner und größerer Fürstentümer, Karikaturen der bürgerlichen und adligen Lebenswelt, und nicht zuletzt Ratschläge, wie und zu welchem Nutzen was daran zu ändern wäre. [...] Im folgenden soll der Ausblick auf das textuelle Umfeld konkurrierender Knigge-Texte der Kürze wegen, so weit möglich, eingeschränkt, und das Augenmerk auf den bereits genannten Roman gerichtet werden. Die drei Leitthesen der Arbeit (Sprachlichkeit, Skeptizismus, Literarizität) werden dabei in ihrem wechselseitigen Zusammenhang zum gemeinsamen Hintergrund der einzelnen Kapitel, deren Gliederung sich durch Themen und Probleme der Interpretation des Romans leiten lässt.
Insgesamt erweisen sich vier Texte als Kernbestand der hier relevanten intertextuellen Interferenzen, von denen Arnims "Isabella von Ägypten" und "Melück Maria Blainville" - von Arnim als Zwillingspaar eingeführt - als Prätexte fungieren,
deren ästhetisch vermittelte Befunde wiederum von dem nachfolgenden Eichendorffschen Erzählungspaar, dem "Schloß Dürande" und der "Entführung", ausgedeutet und weitergeführt werden. [...] Die vier Erzählungen verbinden dabei analytische, prognostische und utopische Aspekte: Zum einen erscheint das romantische Liebeskonzept - als utopisch-kompensatorische Form - als zeitloses, anthropologisches Faktum, das im Zuge der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse das Individuum binden kann: Auffällig ist, daß das moderne und noch relativ neue Liebeskonzept bereits mit einer großen Selbstverständlichkeit als (oftmals implizite) textliche Gegenposition zu den verschiedenen Entgleisungen gesetzt wird. Vor diesem Hintergrund kann sie im besonderen Mabe als richtig/falsch-Folie für die tatsächlichen historischen Varianten fungieren. Da diese romantische Liebe jedoch in einem neuen Maße Leidenschaft in ihr Konzept zu integrieren versucht, findet die Liebe zum anderen auch als historisches Phänomen Eingang: Ihre erotische Komponente lädt - entkoppelt vom ganzheitlichen Liebeskonzept - im besonderen Maße zu Überschreitungen ein. Wird ein Element abgespalten, generiert es letztlich nachhaltig die Auflösung der Verbindung.