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Im 18. Jahrhundert waren die Varietäten des Menschen aus zwei Gründen kein ganz neues Thema mehr. Zum einen griff die Aufklärung auf eine umfangreiche Literatur der Weltumsegler. Missionsreisenden und Abenteurer zurück, die seit dem 15. Jahrhundert von der Vielfalt der Völker, der sie umgebenden Natur und ihren Gebräuchen zu berichten wussten. Das beginnt bei der Historia nalural y morals de las Indias des spanischen Jesuiten José de Acosta (1539/1540-1599/1600) von 1590, die schon die Vermutung formuliert hat, dass auch die Indianer mit den anderen Völkern verwandt und über eine Landbrücke aus Nordasien nach Amerika gelangt seien, und reicht dann bis zu Rousseau, Voltaire, Diderot und Helvétius. Die andere Tradition ist die der Philosophie, für die Descartes' Ableitung der Einheit des Menschengeschlechts aus den physiologische Gemeinsamkeiten einschließlich der menschlichen Seele steht, wie er sie in seinem Traité de I'homme formuliert hat, 1632 geschrieben und 1662 posthum unter dem Titel De homine veröffentlicht und die ihrerseits auf die Nachwirkungen der aristotelisch inspirierten Scholastik und im 16. Jahrhundert entstandenen Physiologie zurückgeht. Das Menschengeschlecht war eines, das entsprach der biblischen Vorstellung ebenso wie der aristotelisch angeleiteten Wissenschaftssystematik, nicht unnötig viele Theorien zu nutzen. Von den Varietäten war also so viel die Rede wie von der Einheit der Menschheit.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes prüfen die auf Streben, Wollen und Werden bezogenen Begriffe des Conatus und der Lebensnot als Schlüsselbegriffe der Medienanthropologie. Dabei verfolgt Medienanthropologie im hier entwickelten Sinne nicht das Ziel, die Menschenähnlichkeit der Technik herauszuarbeiten, wie dies prominent in der Kulturphilosophie Ernst Kapps oder auch bei Marshall McLuhan der Fall war. Im Fokus der vorgestellten medienanthropologischen Fragestellungen stehen vielmehr umgekehrt die vielgestaltigen Bemühungen des Gleichsetzens, Vergleichens oder Absetzens von Mensch und Technik in der Anthropologie, den Humanwissenschaften und der Medienforschung selbst. Die daraus wiederholt gewonnene Formulierungen der anthropologischen Differenz - Was ist der Mensch im Unterschied zu Technik und Tier? - sind Ausdruck dessen, was untersucht und seinerseits befragt wird.
Die Frage, ob sich ästhetische Postulate ins Konzept des „ganzen Menschen“ integrieren lassen, rückt in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts immer mehr ins Zentrum des anthropologischen Diskurses. An ihr verlaufen Fronten, die den Anspruch auf Ganzheitlichkeit selbst zu fragmentarisieren scheinen. Zum Problem wird nämlich, ob das, was ein Ganzes ist - der Mensch in seinem unverschönerten physischen und psychischen Funktionszusammenhang -, überhaupt noch als ein Gegenstand betrachtet werden kann, der dem emphatischen Menschenbild des Jahrhunderts entspricht. [...] Während die Wissenschaften vom Menschen den Weg zu ihrer bevorstehenden Ausdifferenzierung im 19. Jahrhundert einschlagen und beginnen, die Idee der Ganzheit aufzugeben, rettet sich der Mensch vor den Folgen des ihm im 18. Jahrhundert gewidmeten Interesses erst einmal in die Ästhetisierung seiner Wertungssysteme. [...] Trotzdem ist nicht alles ein Ganzes, was schön ist, und schön, was ein Ganzes ist. Im anthropologischen Stimmengewirr sind auch Programme vernehmbar, die der anthropologischen Gefahr gegenüber unbekümmert den Anspruch auf eine philosophische Begründung des Menschen aufrechterhalten, ohne dessen Aisthetisierung in Ästhetisierung aufgehen zu lassen. Besonders interessant gestaltet sich dies im Fall Johann Karl Wezels, dessen Werk - neben zahlreichen anderen philosophischen und historischen Aktualitäten - auch mit dem zeitgleich entstehenden ästhetisch-anthropologischen Diskurs in unterschwelliger Diskussion steht.
Sören Kierkegaards Konzept der Verzweiflung steht im Mittelpunkt von Christiane Voss' medienanthropologischen Überlegungen. Der Beitrag behandelt und verortet die Frage nach der Lebensnot, aber auch nach dem Leiden zwischen Existenzial- und Medienphilosophie. Soll Kierkegaards Verwurzelung in der Philosophie des 19. Jahrhunderts sowie in der christlichen Ethik auch keinesfalls ausgeblendet werden, so argumentiert Voss dennoch dafür, Kierkegaards Subjektivitäts- und Freiheitsverständnis zu aktualisieren und für die Technik- und Medienphilosophie produktiv zu machen. Eine besondere Rolle spielen für Voss die Imagination und Einbildungskraft, auf die sie im Sinne einer medienanthropologischen Haltung rekurrieren will, die weder in neue Anthropozentrismen verfällt, noch einem Posthumanismus folgt, der Fragen der Normativität und Freiheit unbeantwortet lässt. Auf Grundlage der Philosophie Kierkegaards entwickelt Voss eine medienanthropologische Ästhetik, die durch ein selbstreflexives Moment gegenwärtige Technikphilosophien und Ökologien ergänzen will.
Der vorliegende Essay beschäftigt sich, aus einiger Distanz, mit jenem 'Dilemma des Zeugnisses', wie es von Giorgio Agamben und Jean-François Lyotard formuliert wurde: 'Die Mordopfer sind tot. Wer spricht für sie, wer soll das Verbrechen bezeugen?' Die Absicht dieses Beitrags ist es, einige aus meiner Sicht unglückliche Diskursarten, die in Verbindung mit diesem Dilemma stehen, zu kritisieren.
Wilhelm von Humboldt leistet zweierlei: I. Er überträgt die Grundfigur des Klassizismus, das Eigene am Fremden zu verstehen, vom Altertum auf die modernen europäischen Nationen mit Hilfe seines Konzepts einer vergleichenden Anthropologie. 2. Er stellt die anthropologisch und geschichtsdiagnostisch zugleich intressierte Frage nach dem Potential, den Voraussetzungen, Bedingungen und Grenzen einer Nation, sich Fremdes aufzuschließen und anzuverwandeln. Damit gelang ihm gegenüber der dem Nationalgeist huldigenden Romantik zwar kein breitenwirksamer, aber ein für die deutsche Klassik richtungweisender Beitrag zur kulturellen Identitätsfindung. Er sollte bis in Goethes Weltliteraturvorstellung fortwirken.
Die vier Elemente im Zusammenhang der Anthropologie zu behandeln, ist heute keineswegs selbstverständlich. Die naturphilosophische Lehre von den Elementen fand ihre erste Ausprägung bei Empedokles. Ihre Ausarbeitung bei Platon und Aristoteles war für die Philosophie der Natur bis etwa 1800 paradigmatisch. Mit Antoine Laurent Lavoisier, Joseph Priestley und Sadi Carnot, denen der Nachweis der chemischen Zusammengesetztheit von Wasser, Luft und Feuer experimentell gelang und die damit den Grund für das periodische System der chemischen Elemente lieferten (schon zu Lavoisiers Lebzeiten zählte man über dreißig), war die Elementenlehre als Theorie der Natur wenigstens wissenschaftlich an ihr Ende gekommen. In diesen 2300 Jahren, in denen die vier Elemente die Pfeiler einer jeden Naturphilosophie bildete, hat es eine Reihe wesentlicher Korrespondenzen zwischen Elementenlehre und Anthropologie gegeben. Am wichtigsten ist die überragende Bedeutung, welche die Elemente in der hippokratisch-galenischen Medizin einnahmen, die ihrerseits bis ins 16., wenn nicht bis ins 18. Jahrhundert den Rahmen aller Krankheitslehren abgab. Allerdings kommt die Anthropologie selbst, von einigen Vorläufern abgesehen, erst im 18. Jahrhundert auf den Weg, in einer Zeit also, wo die Elementenlehre durch die moderne Chemie und die antike Humoralpathologie durch die anatomische und neurophysiologische Medizin abgelöst wurde. Auf die junge Anthropologie hat die Elementenlehre also keinen Einfluß mehr ausgeübt. ...
Unter den Formeln, die das Wesen des Menschen pointieren sollen – zoon legon echon, animal rationale usw. – gibt es die etwas humoreske Gleichung: homo est animal quaerens cur, der Mensch ist das Tier, das nach dem Warum? fragt. Wir werden noch sehen: wenn der Mensch sich vom Tier abzuheben sucht, wird er gefährlich. Die Gefährlichkeit des Fragens wird in den Wissenschaften weitgehend geleugnet. ...
Achim von Arnim hat bei der Bearbeitung seiner Erzählung "Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau" zwei Quellen benutzt und umgeschrieben. Das Entscheidende dabei ist, daß die eine Quelle französischer Provenienz ist und aus der Zeit vor der Revolution stammt, die zweite hingegen eine deutsche Fassung aus der nachrevolutionären Zeit darstellt. Bislang wurden im Blick auf die Umschrift Arnims nur motivliche Übernahmen und adaptierte "sprachliche Eigenheiten" festgestellt. Unberücksichtigt blieb, daß beide Vorlagen Arnims eine je eigene narrative Struktur und poetische Form besitzen.
'[C]ulture as text' initially proved to be a pivotal bridging metaphor between cultural anthropology and literary studies. Following an admittedly ambivalent career path, the concept of 'culture as text' has nevertheless continued to rise and has become an over-determined general principle, an emphatic key metaphor, even an overall "programmatic motto for the study of culture" […]. At first, this concept was still closely connected to ethnographic research and to the semiotic framework of interpretive cultural anthropology. However, since the end of the 1990s it has been utilised to encompass a much broader interdisciplinary horizon for the study of culture. 'Culture as text' advanced from being a conceptual metaphor for the condensation of cultural meanings to a rather free-floating formula frequently referred to in analyses within disciplines involved in the study of culture. Surprisingly, 'culture as text' has remained a consistent key phrase throughout the discourses concerned with the study of culture—even after the culture debate had long since turned away from the holistic understanding of culture implied by the formula.