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In dieser wirtschaftsphilosophischen Arbeit wird die fundamentale Bedeutung einer realistischen Gründe-Perspektive für die Erklärung und Beurteilung ökonomischer Praxis herausgestellt. Die Gründe-Perspektive bezieht sich in systematisierender Form auf alltägliche Interpretations- und Verstehensleistungen und greift zur Erklärung ökonomischer Sachverhalte auf Zuschreibungen mentaler Zustände zurück.
In Abgrenzung von einer Nicht-Gründe-Perspektive, die einer Vielzahl ökonomischer Erklärungsansätze, z.B. experimentell verhaltensökonomischer, behavioristisch orientierter neoklassischer oder evolutionärer Art, zugrunde liegt, wird betont, dass das Geben und Einfordern von Gründen in der ökonomische Sphäre in explanativer, prognostischer und normativer Hinsicht von großer Relevanz ist.
Ökonomische Grundbegriffe wie Präferenz, Axiom oder Nutzen werden thematisiert und deren Stellenwert innerhalb ökonomischer Theorien wird herausgestellt. Die behavioristische Fokussierung auf beobachtbare Wahlhandlungen wird in den Kontext naturalistischer Tendenzen in der Ökonomik gestellt. Dabei werden insbesondere wissenschafts- und erkenntnistheoretische Aspekte unter Bezugnahme auf die Philosophie des Geistes angeführt. Es zeigt sich, dass der Ökonom und Philosoph Don Ross einen in Abgrenzung zu Psychologie und experimenteller Verhaltensökonomik bestimmten Wahlbegriff auf aggregierter Ebene vertritt, unter anderem durch Bezug auf Dennetts Theorie intentionaler Einstellung und Möglichkeiten der Mustererkennung. Im Gegensatz dazu stehen Positionen, die mentale Zustände durch Bezug auf die Kognitionsforschung, stellenweise auch die Neuroökonomik, als real ansehen und für eine Erklärung von Präferenzen heranziehen wollen.
Unter Bezug auf die Position Nida-Rümelins wird die wirtschaftsphilosophische Relevanz von Kohärenz, struktureller Rationalität und einem Gründe-Realismus herausgestellt. Der Bezug auf lebensweltliche Gewissheit und formale Eigenschaften „alltagspsychologischer“ Zugänge soll eine bestimmte Gründe-Perspektive stützen. In welcher Hinsicht eine solche Stützung gerechtfertigt werden kann, wird unter anderem durch Bezug auf wissenschaftliche Theorien zur Alltagspsychologie (folk psychology) dargestellt. Die Vielfalt von Gründen, aus denen ökonomische Akteure handeln und die Personen auch in ökonomischen Kontexten prinzipiell verfügbar sind, wird unter Berücksichtigung spezifischer ökonomischer Rollen betont. Abschließend wird die soziale Bedingtheit von Gründen und die immanente Normativität der ökonomischen Praxis thematisiert. Die Möglichkeit einer normativen Rekonstruktion der Wirtschaftssphäre wird anhand der Theorie sozialer Freiheit von Axel Honneth diskutiert.
In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie durch die Tätigkeit des Sprechens Bindung erzeugt wird. Die Kernthese lautet, dass es eine grundlegende Bindung gibt, die aus dem Umstand resultiert, dass vokale Symbole nur durch eine gemeinsame Tätigkeit von Sprecher und Hörer erzeugt werden können. Nur wenn der Hörer Laute als vokale Symbole identifiziert, ist die Äußerung des Sprechers eine sprachliche Äußerung, mit der eine Feststellung gemacht, eine Frage gestellt oder ein Befehl gegeben werden kann. Mit der Terminologie der Sprechakttheorie läßt sich daher sagen, dass auf der Ebene des lokutionären Aktes bereits eine Bindung bestehen muß, damit ein illokutionärer oder perlokutionärer Akt möglich ist. In der vorliegenden Untersuchung wird diese Bindung herausgearbeitet, indem verschiedene, teilweise sehr unterschiedliche Kommunikationsmodelle untersucht werden, die das Problem der kommunikativen Bindung thematisieren. Nach einer einführenden Besprechung von Paul Watzlawicks Annahmen zum Beziehungsaspekt von Kommunikation wird auf einige Aspekte des Zeichenmodells von Charles Sanders Peirce eingegangen. Mit Peirce werden Strukturmerkmale von vokalen Zeichen erarbeitet, die für die weiteren Untersuchungsschritte der Arbeit wegweisend sind. Im nächsten Kapitel wird auf die Konzeption des Symbolischen Interaktionismus von Georg Herbert Mead eingegangen, um ein Modell zu entwickeln, wie aus einfachen Interaktionen vokale Symbole generiert werden. Anschließend wird die Sprechakttheorie von John Langshaw Austin und John Searle behandelt. Dabei steht zunächst die Frage nach der Struktur der "illocutionary force" im Mittelpunkt. Daran schließt sich eine Analyse der These Searles an, dass ein "symbolizing move" als Kern eines Sprechaktes anzunehmen ist. Die Ergebnisse dieser Analyse werden mit den Ergebnissen der Untersuchung des Symbolischen Interaktionismus in ein Modell zusammengeführt, mit dem eine Sprecher und Hörer verbindende "locutionary force" identifiziert werden kann. Diese tritt bei der Konstitution von vokalen Zeichen durch die gemeinsame Aktivität eines Sprechers und eines Hörers auf und ist als eine Voraussetzung der "illocutionary force" anzusehen. Dieses Modell wiederum wird mit der Theorie des kommunikativen Handels von Jürgen Habermas verbunden, um die fragliche Bindungskraft in der lebensweltlichen kommunikativen Alltagspraxis von Sprechern und Hörern zu lokalisieren. Es wird eine Abgrenzung gegenüber der von Habermas angesprochenen Bindungskraft vorgenommen, einer Bindungskraft, die auf der semantischen und nicht auf der semiotischen Ebene von Sprechakten angesiedelt ist. Es zeigt sich zudem, dass die in der vorliegenden Arbeit aufgezeigte Bindung die der Kommunikation eigentümliche Bindung ist, - zumindest dann, wenn man Kommunikation als Akte des Sprechens auffaßt. Abschließend wird anhand einer alltäglichen Gesprächssituation das Auftreten und die Wirkungsweise dieser Bindungskraft beispielhaft erläutert.
Die vorliegende Dissertation untersucht wie Hegel nicht nur den Begriff der Freiheit, aber auch das Subjekt der Freiheit verstanden hat. Sie versucht diese Idee Hegels durch die gegenwärtige Philosophie, insbesondere die analytische Philosophie, und auch die Soziologie, insbesondere die Soziologie von Talcott Parsons, umzudenken.
Im ersten Kapitel wird die Idee der Freiheit als private Sphäre analysiert, die durch eine ganze Gruppe von subjektiven Rechten gesichert oder sogar geschaffen ist, die ohne Hilfe anderer Struktur existierte und von den meisten Naturrechttheoretiker verteidigt wurden, den alten sowie den neuen. Hegel nannte diese Ideen abstraktes Recht. Er wirft diese Vorstellung als noch funktional unvollständig oder metaphysisch inkohärent vor.
Im zweiten Kapitel wird das andere große Modell der Freiheit in der Moderne, nämlich, die Freiheit als Autonomie analysiert. Hegel untersucht diese Idee durch die Konzepte der Verantwortlichkeit und Handelns, die sich in der Praxis des Strafrechts befinden. Nach Hegel ist Verantwortlichkeit das Ergebnis einer gesamten sozialen Beziehung der Anerkennung. Daher ist ein Verbrechen, erstens, die Verletzung einer Norm und diese Normverletzung ist zugleich Anerkennungsverletzung. Zweitens, ein Verbrechen ist die Negation des objektiven Rechts, die dem Akteur zurechnen werden kann, und das ist, warum ein Verbrechen eine Anerkennungsverletzung ist. Ein zentraler Begriff für die Verantwortlichkeit ist der Vorsatz. In dem Konzept von Vorsatz finden wir sowohl die Absicht wie das Wissen, d. i. wenn jemand vorsätzlich handelt, nicht nur wünscht er etwas, sondern er denkt auch, wie er handeln sollte, um zu erreichen, was sie will. Man findet im Vorsatz auch die Idee des Grundes. Dies öffnet wiederum die Idee der moralischen Standards und auch die Möglichkeit eines moralischen Gewissens. Hegel sieht Kant als der größte Befürworter dieser Theorie. Hegel kritisiert Kant, dass er eine Art solipsistischer Methode hat. Die Gewissheit des Guten in die eigene Handlung könnte das Böse verbreiten. Hegel argumentiert, dass ohne eine soziale Basis dafür, die Sittlichkeit, solche moralischen Standards und moralisches Gewissen nicht möglich sind.
Im letzten Kapitel wird analysiert, wie jemand in der hegelschen Lehre frei sein könnte. Nach Hegel gibt es mindestens drei Bedingungen, sodass jemand tatsächlich als frei betrachtet werden könnte: eine metaphysische Bedingung, eine psychologische Bedingung, und eine soziale Bedingung. Diese drei Bedingungen entsprechen den Hauptkritiken gegen die Möglichkeit des freien Willens. Die erste der Kritik besagt, dass es in einer durch mechanische Gesetze geregelten Welt keinen Raum für die Freiheit gibt. Nach Hegel sei die Möglichkeit der teleologischen Erklärung zugleich die Möglichkeit für die Freiheit. In der psychologischen Bedingung argumentiert Hegel, dass das hedonistische oder Wunsch-Überzeugung-Handlung Modell in der Tat fast eine mechanische Erklärung wäre. In einem systemischen Selbstbewusstsein Vorstellung der individuellen Persönlichkeit, in dem alle Teile des Akteurs systemisch artikuliert sind, könnte das Individuum wirklich frei handeln, da das Individuum nicht mehr in seinen Wünschen oder anderen Trieben verschwunden wäre. Am Ende argumentiert noch Hegel, dass die Gary Strawson‘ Kritik an der Idee des freien Willens, dass wir nicht den ersten Umstand unseres Lebens, unsere Sozialisierung und Erziehung ändern könnten, nicht korrekt wäre. Freiheit bedeutet nicht, jeden Aspekt unseres Lebens zu bestimmen, sondern uns selbst und unser Handeln zu bestimmen. Hegel zufolge können wir in der Tat unseren Anfang ändern, indem wir uns selbst neu interpretieren. Diese Art der Selbstbestimmung setzt die Teilnahme an der Gesellschaft voraus. Wenn wir die semantische in unserer Kultur ändern, ändern wir uns selbst und solches aktive Engagement mit unserer Gesellschaft wäre auch eine Bedingung, um ein freies Leben zu führen.
Es werden ontologische Antinomien, semantische Antinomien und die Sätze von Tarski, Gödel, Rosser und Church miteinander verglichen. Der Vergleich verläuft in zwei Schritten: Abstrakte Formulierungen der Sätze von Tarski, Gödel, Rosser und Church ermöglichen eine direkte Gegenüberstellung mit der Lügner-Antinomie und der Antinomie von Grelling. Der Beweis des Unvollständigkeitssatzes wird dabei mit und ohne Verwendung des Fixpunktsatzes betrachtet und die Rolle des Fixpunktsatzes analysiert. Parallel zur Antinomie von Richard werden abstrakte Sätze für Terme anstelle von Formeln gebildet. Hieraus erhält man wiederum einen Unvollständigkeitssatz. Im zweiten Schritt werden ontologische und semantische Antinomien gegenübergestellt. Es wird der Begriff einer Diagonalstruktur entwickelt, auf den beide Antinomietypen bezogen werden. Im Fall von ontologischen Antinomien werden die Antinomien von Cantor, Russell und Burali-Forti behandelt.
Die Hermeneutik des sozialen Selbst : Bausteine einer Kritik des partikularistischen Individualismus
(2005)
Im Zentrum des Textes steht eine Diskussion der Bedeutung, die die Artikulation der Perspektive der ersten Person Singular, d. h. der expressive Anteil sprachlicher Verständigung, in kommunikativen Prozessen hat. Dabei geht es zum einen um Aspekte der kommunikativ-intersubjektiven Prägung binnenperspektivischer Wahrnehmung, zum anderen wird die Frage diskutiert, welche Rolle die Äußerung innerer Wahrnehmungen grundsätzlich, vor allem aber in praktischen Diskursen spielt. Neben diesem systematisch-sozialphilosophischen Erkenntnisinteresse, das darauf abzielt, die Kriterien zu bestimmen, unter denen individuelle Bindung an intersubjektive Kommunikation erzielt werden kann und die Bedingungen zu benennen unter denen erwartet werden kann, daß diskursiv gewonnene Einsichten handlungswirksame Kraft entfalten können, verfolgt die Untersuchung eine zweite Absicht: Vor dem Hintergrund der oben angedeuteten Überlegungen soll gezeigt werden, daß in der Entstehungsgeschichte des modernen Individualismus Formen der Artikulation erstpersonaler Wahrnehmungen etabliert wurden, die die spezifischen Funktionen und Potentionale öffentlicher (politischer) Diskurse beeinträchtigen bzw. reduzieren. Im Rahmen einer historisch-rekonstruktiven Argumentation soll diese Entwicklung als ein zentraler Indikator des gesellschaftlichen Strukturwandels in Europa seit Beginn der frühen Neuzeit interpretiert und als Erklärung für zeitgenössische Sozialpathologien in Anschlag gebracht werden. Diese beiden Argumentationslinien werden in der Auseinandersetzung mit Texten von Jürgen Habermas und Richard Sennett entwickelt. Im ersten Teil der Arbeit werden die zentralen Charakteristika öffentlicher Kommunikation vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturveränderungen in Europa seit dem Beginn der frühen Neuzeit umrissen. Im zweiten Teil werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse für eine Modifikation des sprechakttheoretischen Kerns der ›Theorie des kommunikativen Handelns‹ genutzt, auf deren Grundlage die Frage nach der Bedeutung der Perspektive der ersten Person Singular auf den verschiedenen Ebenen der Handlungskoordination und Konfliktlösung erörtert werden kann. Im Zentrum dieser Argumentation steht die Entwicklung eines Modells der expressiven Modalisierung zweiter Ordnung, mit dessen Hilfe den performativen Charakteristika menschlichen Sprachgebrauchs adäquat Rechnung getragen werden kann. Hierdurch kann gezeigt werden, daß in metasprachlichen Diskursen die expressiven Bestandteile sprachlicher Äußerungen vor allem dazu dienen, die Opponenten an das Prinzip diskursiver Verständigung zu binden. Auf der Grundlage dieser Einsicht wird erörtert, welche Rolle die Artikulation von Sprecherperspektiven in praktischen Diskursen erfüllt. Hierzu wird Habermas' Diskursethik mit Blick auf die Bedeutung moralischer Gefühle diskutiert. Dabei zeigt sich, daß die kognitivistischen Reduktionismen der TkH sich auch auf die Diskursethik erstrecken. Weil Habermas die affektiven Qualitäten diskursiver Praktiken als Teil der expressiven Artikulation der in ihnen engagierten Teilnehmer ausblendet, gelangt er zu einer pessimistischen Bewertung der Bindungskräfte, die prozedural begründete Normen entfalten können. Nur durch die Erfahrung der autonomiesichernden Kraft verständigungsorientierter Prozesse soll eine existentielle Wertschätzung von Seiten der Akteure erreicht werden können, die hinreichende Bindungsmomente mobilisieren kann. An diesem Punkt tritt die die Doppelfunktion von Expressivität als Medium der Erschliessung und Gestaltung von Selbst und Welt und ihre grundlegende Funktion für die Integration und Steuerung moderner Gesellschaften deutlich zutage. Die Möglichkeit, das Zusammenleben in einer posttraditionalen pluralistischen Gesellschaft befriedigend zu gestalten, hängt wesentlich davon ab, daß es den Akteuren gelingt, ihre Handlungskonflikte so zu lösen, daß alle Beteiligten das Gefühl haben, ihre individuellen Interessen seien gleichermaßen berücksichtigt worden. Die 'Hermeneutik des sozialen Selbst' erweist sich als eine Theorie des Selbst, die die artikulierte Expressivität als Brückenprinzip zwischen Selbstverständigung und Selbstbestimmung ansiedelt. Durch den verständigungsorientierten Austausch ihrer binnenperspektivischen Evaluationen knüpfen die Akteure ein Netz ethisch-existentieller Bedeutsamkeiten, mit dessen Hilfe sie den space of reason (Sellars) in der geteilten Lebenswelt verankern. Je mehr es ihnen gelingt, ihre individuellen Teilnehmerperspektiven zu entschränken und je glaubhafter sie diese Entschränkung in ihren Redebeiträgen expressiv artikulieren, desto wahrscheinlicher wird ein Grad der Selbstaufklärung, der jene Symmetrie der Anerkennungsverhältnisse als wünschenswert erscheinen läßt, die prozedural gewonnenen Normen dadurch handlungsmotivierende Schubkraft verleiht, daß sie in den Adressaten das sentiment of rationality (W. James) auslöst.
Meine Arbeit beschäftigt sich mit dem systematischen Problem des Selbstbewusstseins, nämlich mit der konzeptuellen Möglichkeit des Selbstbewusstseins. Für die Problemstellung meiner Arbeit ist die Kritik von Fichte und der Philosophen der Heidelberger Schule (dazu gehört Dieter Henrich, Ulrich Pothast, Manfred Frank und Konrad Cramer) an Kant von zentraler Bedeutung. Sie besagt, dass Kants Selbstbewusstsein konzeptuell unmöglich ist, weil es sich in einem petitio principii bzw. Zirkelargument verwickelt. Aufgrund dieser Problemstellung formuliere ich die Fragestellung meiner Arbeit folgendermaßen: ob erstens die Kritik dieser Philosophen angemessen ist? Ob zweitens die Selbstbewusstseinstheorie der Philosophen der Heidelberger Schule, die als Alternative zu Kants Selbstbewusstseinstheorie gemeint ist, überzeugend ist? Drittens ob Kants Selbstbewusstsein konzeptuell unmöglich ist bzw. ob bei Kant eine Theorie des Selbstbewusstseins vorliegt, die philosophisch möglich erscheint?
Die Ergebnisse meiner Untersuchung, die zugleich als Thesen meiner Dissertation gelten, zeigen: erstens sind die Kritiken von Fichte sowie Henrich und seinen Schülern an Kant nicht angemessen. Die Argumentation, derer sich Fichte und Henrich bedienen, um die definitorische Unmöglichkeit der Selbstbewusstseinsphilosophie Kants zu belegen, basiert auf ihrer Gleichsetzung von Apperzeption und Reflexion. Die Apperzeption kann konzeptuell jedoch nicht mit der Reflexion gleichgesetzt werden. Zweitens sind die von Henrich und seinen Schülern entwickelten Selbstbewusstseinstheorien nicht überzeugend, weil sie paradoxerweise zum Verschwinden des erklärten Phänomens, d. h. des Selbstbewusstseins führen. Die Unzulänglichkeit der Selbstbewusstseinstheorie Henrichs verkleinert aber nicht ihre Beiträge zu der Philosophie des Selbstbewusstseins. Durch seine Untersuchung und seine Reflexion über das Selbstbewusstseinsproblem hat Henrich die anderen Dimensionen des Selbstbewusstseinsphänomens eröffnet, die ihn dazu veranlasst haben, dass dasselbe Phänomen von der Perspektive der Intuition und der Mystik und der Romantik her herangegangen werden kann, wie die Selbstbewusstseinstheorien von seinen Schülern zeigen. Drittens ist Kants Selbstbewusstseins nicht unmöglich, wie Fichte, Henrich und seine Schüler behaupten. Kant hat eine Theorie des Selbstbewusstseins. Für ihn ist das Selbstbewusstsein bzw. das Ich ein spontanes Handeln im Form des Ich denke. Es fungiert als das Zugrundeliegende, hypokeimenon, als transzendentales Subjekt im Erkenntnisprozess. Kants Selbstbewusstsein ist ein transzendentales Selbstbewusstsein, das logisch angenommen werden muss als die objektive und notwendige Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung.
Das kantische Subjekt kann jedoch nicht im ontologischen Sinne, nämlich als Substanz oder als ein erkennbares Dingartiges verstanden werden. Kant selbst warnt sein Leser an einigen Stellen der KrV, damit sein Subjekt nicht missverstanden wird. Es ist zwar ihm zufolge eine Substanz oder ein Ich, aber „nur eine Substanz in der Idee“ (A 351) oder „(Ich) Substanz im Begriffe, einfach im Begriffe“ (A 400) und nicht in Realität. D. h. das kantische Subjekt ist ein transzendentales Subjekt.
Kants Selbstbewusstsein thematisiert also einen philosophischen Sachverhalt. Worin liegt der philosophische Sinn des Selbstbewusstseins Kants? Er liegt erstens in seiner Transzendentalität, nämlich als Prinzip bzw. als apriorische Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis. Und seine Transzendentalität erlaubt uns nicht, es auf ein bestimmtes wissenschaftliches Problem zu reduzieren. Die Reduktion des Phänomens des Selbstbewusstseins Kants hat uns unmittelbar von seiner Transzendentalität weggeführt. Das philosophische Selbstbewusstsein kann nicht epistemologisch als natürliches Phänomen behandelt werden. Solche Naturalisierung hat unmittelbar seine Transzendentalität verneint. Kants Selbstbewusstsein hat auch zweitens philosophischen Sinn, weil unsere Erkenntnis davon bloß aus dem Begriff der Erfahrung kommt. Das heißt, wir haben Erkenntnis über dieses Selbstbewusstsein bloß aufgrund der Erklärbarkeit der Erfahrung.
Auch wenn die Anzahl theoretischer Arbeiten über die Anerkennungstheorie enorm gewachsen ist, scheint es immer noch relativ unklar zu sein, welche Rolle genau der Begriff der Anerkennung in den verschiedenen Disziplinen übernehmen sollte. Die Internationalisierung der Debatte über die Theorie der Anerkennung hat die ganze Komplexität und Vielfältigkeit des Anerkennungsbegriffs zum Vorschein gebracht. Dieser Vielfältigkeit von Analyseperspektiven gilt es heute Rechnung zu tragen. Mit der Darstellung der in dieser Dissertation skizzierten Reflexionsstufen der Anerkennungstheorie (der subjektive, der objektive Geist der Anerkennung und die Sittlichkeit der Anerkennung) wurde allerdings nicht nur versucht, den Stand der Forschung einfach wiederzugeben, sondern auch immanent die Notwendigkeit einer verfassungstheoretischen Erweiterung der Anerkennungstheorie nachzuweisen. Ob das mir gelungen ist oder nicht, kann nur der Leser beurteilen.
Dieses Verfahren bedient sich der logischen Methode Hegels. Sowohl Hegel als Adorno haben immer erneut versucht, "aufs Ganze" zu gehen. Eine stillschweigende These dieser Dissertation war daher, dass die Darstellung des Ganzen, der Reflexionsstufen der Anerkennungstheorie nicht nur möglich ist, sondern notwendig, damit der Anerkennungsbegriff, seine sittliche Verwirklichung und seine Normativität angemessen begriffen werden konnte. Die Darstellung dieser drei großen Paradigmen diente daher dem nicht bescheidenen Versuch, die drei notwendigen Reflexionsstufen der Anerkennungstheorie darzustellen.
Diese in dieser Dissertation vertretene These steckte freilich erst nur ein Arbeitsfeld ab. Von ihr ausgehend eröffnen sich vielfältige Perspektiven. Mit dem in dieser Dissertation entwickelten Gedankengang ist jedoch in indirekter Form die systematische Idee schon angesprochen, von der ich mich in meiner Auseinandersetzung mit dem Werk von Honneth habe leiten lassen. Einerseits hatte ich mir in dieser Dissertation das Ziel gesetzt, die Herausbildung auf die Weise nachzuvollziehen, dass dabei die logischen Prämissen meiner eigenen Argumentation schrittweise ihren bloß arbiträren Charakter verlieren und somit gerechtfertigt werden; andererseits wollte ich auf demselben Weg zumindest in ersten Umrissen auch zeigen, dass nur eine verfassungstheoretische Erweiterung der Sphäre der Anerkennung um jenes institutionelle Moment Hegels Theorie der Sittlichkeit erklärbar macht, deren Rechtfertigung sich eigentlich der transzendentalen Argumentation von Hegels Logik verdankt.
Trotz der vielen Mängel, die die Dissertation zweifellos aufweist, bin ich fest davon überzeugt, dass sie auf eine vielleicht geradezu naiv anmutende Weise viele der Gründe enthält, die zeigen, dass die Anerkennungstheorie ihre Ziele nur angemessen verwirklichen kann, indem sie die intersubjektive Dimension mit einer verfassungstheoretischen verbindet. Aus diesen Resultaten ergibt sich die Richtung einer plausiblen Erweiterung der Anerkennungstheorie: wer die intersubjektive Dimension der Anerkennung in einem verfassungstheoretischen Rahmen zu integrieren versucht, ist auf Hegels transzendentale Phänomenologie angewiesen, für die Hegels Logik mit ihrer Idee einer Kommunikativen Freiheit und einer Einheit von Darstellung und Kritik noch immer das große Anregungspotential bietet.