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Mit ihren so genannten Linsenkästen gelang Mary Bauermeister Anfang der 1960er-Jahre der Durchbruch auf dem New Yorker Kunstmarkt. Bis heute sind die fragilen, leuchtenden Objekte aus Holz, Glas, Leinwand und Papier das Alleinstellungsmerkmal der Künstlerin. Die hier vorliegende Dissertationsschrift erläutert die konsequente Entwicklung der Linsenkästen aus dem Frühwerk und unternimmt erstmals eine stilistische Einordnung in den Kunstkontext der 1960er-Jahre. Dabei wird deutlich, dass Bauermeister mehr den Künstlern der Klassischen Moderne (Duchamp, Schwitters, Klee, Kandinsky) verpflichtet ist denn ihren Zeitgenossen im Rheinland oder in der Kunstmetropole New York.
Die Wandreliefs aus dem Nordwest-Palast Aššurnasirpals II. (883-859 v. Chr.) in Nimrud zählen zu den forschungsgeschichtlich frühesten und bedeutendsten Funden des Alten Orients. Sie befinden sich heutzutage in zahlreichen Sammlungen weltweit und bieten durch ihre Darstellungen einen tiefgreifenden Einblick in die assyrische Kultur. Insbesondere Kontext und Position der Reliefs bieten Hinweise zur Bedeutung der dort angebrachten Figuren. Zwar ist eine "Schutzfunktion" vergleichbarer Repräsentationen textlich bezeugt – jedoch bisher nur unter Vorbehalt auf die Reliefdarstellungen zu übertragen. An dieser Stelle kann die Systematisierung ikonographischer Details in Abhängigkeit von ihrem Anbringungsort konzeptionelle Aspekte erkennbar machen.
Durch eine relationale Datenbank und dreidimensionale Visualisierungstechniken wird geprüft, ob die stilistische Variationsbreite ikonographischer Details eine potentielle Systematik aufweist; ebenso, bis zu welchem Grad die jeweilige Form eines bestimmten Zeichnungsdetails einem intentionalen Anbringungskonzept entspricht. Als Teil dieser Vorgehensweise fungiert die in diesem Zusammenhang generierte 3D-Rekonstruktion als methodisch unterstützende Maßnahme. Sie ermöglicht sowohl eine moderne Zusammenführung ehemals benachbarter Reliefplatten unabhängig ihres gegenwärtigen Aufbewahrungsortes als auch die Wiederherstellung heute kaum noch sichtbarer Gewandverzierungen und Pigmentreste. Anhand der Ergebnisse wird deutlich, dass eine Systematisierung der Reliefdetails mittels 3D-Modell einen erweiterten Erkenntnisfortschritt impliziert und – nicht zuletzt aufgrund der zurückliegenden Zerstörungen der Palastruine und der damit verbundenen unwiederbringlichen Verluste – auch weitere Untersuchungen unterstützen können.
Wie kein anderer Stil hat der Kubismus die künstlerische Moderne beeinflußt. Picasso gilt als der Künstler dieses Jahrhunderts und wirkt bis in die Gegenwart. Doch obwohl der Kubismus innerhalb seines Werkes "bis heute fast alle Energien der Exegese an sich gebunden hat", beherrscht die Einschätzung "der Unableitbarkeit all dieser verwirrenden Bilder" noch immer die Kubismus-Rezeption. Für William Rubin sind trotz "des ungeheuren Umfangs der Literatur zum Kubismus (...) unzählige Fragen unbeantwortet geblieben. Viele kubistische Neuerungen sind noch nicht ausreichend erforscht worden." Und Daniel-Henry Kahnweiler zog 1968, im Vorwort zur Neuauflage seines Buches über Juan Gris, die pessimistische Bilanz: "Der Kubismus wird heute weniger verstanden denn je." Kaum anders wohl würde sein Urteil mehr als dreißig Jahre danach ausfallen. Denn tangiert ein aktueller Text, wie der anschließende, noch künstlerische Kategorien, Absicht und Handeln Picassos, oder ist er nicht Ausdruck einer Disziplin, die ihren Gegenstand zu verlieren droht? ...
Schüler-Schüler-Interaktion wirkt sich als Miteinander-, Nebeneinander- oder auch Gegeneinander-Arbeiten stets auf die bildnerischen bzw. gestalterischen Prozesse im Kunstunterricht aus. Sei es als geplante aktive Zusammenarbeit oder innerhalb bestehender oder sich erst entwickelnder Beziehungen – sowohl auf den Prozess als auch auf die Qualität der bildnerischen Gestaltungen im Kunstunterricht hat die Schüler-Schüler-Interaktion Einfluss: Schülerinnen und Schüler erhalten Ideen im Gespräch mit anderen und werden durch die Werke ihrer Mitlernenden in ihrem eigenen bildnerischen Handeln beeinflusst. Die Zusammenarbeit in Gruppen ist häufig Voraussetzung für die Bewältigung komplexer Gestaltungsaufgaben, etwa beim Erstellen eines Kurzfilms oder dem Bau einer Plastik. Schülerinnen und Schüler sind sich gegenseitig Modelle, Darsteller und Assistenten und geben sich untereinander Rückmeldung zu Zwischenergebnissen und abgeschlossenen bildnerischen Gestaltungen.
Der Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Beobachtung, dass sowohl die Schüler-Schüler-Interaktion allgemein als auch die Zusammenarbeit in Gruppen-, Partnerarbeiten und Gemeinschaftsprojekten gemessen an der hier skizzierten Relevanz für die Praxis des Kunstunterrichts in der fachdidaktischen Wissenschaft zu wenig Beachtung finden. Der spezifische Beitrag, den die Zusammenarbeit innerhalb einer Klassengemeinschaft, einer Kursgruppe oder in kleineren Arbeitsgruppen bezogen auf die bildnerischen Prozesse leistet, wird auf theoretischer Ebene in der Kunstdidaktik bzw. -pädagogik kaum untersucht und wissenschaftlich reflektiert. Historische und aktuelle Konzeptionen der Kunstdidaktik bieten keine oder nur sehr wenige Anhaltspunkte, inwiefern sich die Interaktion zwischen den Lernenden auf die Gestaltungsprozesse im Unterricht auswirkt und ob und wie diese bei der Planung und Durchführung von Kunstunterricht genutzt werden kann.
Dies muss vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen noch kritischer gesehen werden, denn dort erlangen Interaktion und Kollaboration in verschiedenen Bereichen immer mehr den Status eines Wertes an sich, was hier durch den Verweis auf die immer größere Bedeutung sozialer Netzwerke, Online-Communities und kollaborativer Wissensplattformen nur angedeutet werden soll. Auch in der Bildenden Kunst werden zunehmend interaktive oder kollaborative Strategien verfolgt: Künstlerinnen und Künstler gehen bspw. vermehrt temporäre, projektbezogene Kollaborationen ein, Ausstellungen werden zunehmend von Gruppen oder Kollektiven kuratiert.
Der offenen Frage nach den Wechselbeziehungen bildnerischer und sozialer Prozesse in Gruppen im Kunstunterricht geht die Untersuchung als qualitativ-empirische Unterrichtsforschung in Form einer kunstpädagogischen Praxisforschung nach. Schwerpunktmäßig an und mit den Jugendlichen einer von der Autorin unterrichteten Kunst-Leistungskursgruppe wird über den Zeitraum eines Schulhalbjahres hinweg untersucht, welchen Einfluss die Schüler-Schüler-Interaktion bei unterschiedlichen Sozialformen und projektartigen Aufgabenstellungen auf den Kunstunterricht hat. Neben der reflektierten und theoretisch fundierten Beobachtung durch die Forscherin bzw. Lehrerin bilden die Perspektiven der Lernenden, d. h. ihre subjektiven Erfahrungen, Wahrnehmungen und Einschätzungen, den wesentlichen Zugang zur Klärung der Forschungsfragen. Die durch Fokus-Interviews mit einzelnen Schülerinnen und Schülern sowie Videografie erhobenen Daten werden hierfür in einer phänomenologischen Analyse ausgewertet. Die Untersuchung der Schüler-Schüler-Interaktion wird mit einer weiteren Fallstudie in einem nicht von der Autorin selbst unterrichteten Kunst-Leistungskurs trianguliert und der Blick auf den Forschungsgegenstand dadurch erweitert. Im Rahmen dieser Teilstudie formulieren Kursteilnehmende in Anlehnung an das partizipatorische Forschungsverfahren Photovoice im Medium der Fotografie gemeinsam Aussagen über ihre Kursgruppe und bearbeiten diese in einer Gruppendiskussion kommunikativ.
Aus der Konzeption als Praxisforschung ergibt sich der Anspruch, durch die Untersuchungsergebnisse nicht nur einen Beitrag zur Klärung der fachdidaktisch noch wenig beachteten Wechselbeziehungen zwischen sozialen und bildnerischen Prozessen zu leisten, sondern auch durch eine Rückführung der Forschung in die Unterrichtspraxis zu einer konkreten, empirisch begründeten Veränderung des Unterrichtshandelns der Lehrerin-Forscherin zu gelangen.
Die vorliegende Dissertationsschrift im Fachgebiet Musikpädagogik widmet sich dem heutigen Stand des Instrumentalunterrichts auf Blechblasinstrumenten und dessen möglicher Weiterentwicklung unter besonderer Berücksichtigung neuer methodischer Ansätze. Hierbei stehen interdisziplinäre Übungskonzepte zur Förderung einer ganzheitlichen Instrumentalpädagogik im Vordergrund, insbesondere unter systematischer Miteinbeziehung spezieller mundmotorischer logopädischer Übungen. Mit der Zielsetzung, gängige Unterrichtskonzepte zu untersuchen und potenziell innovative Methoden aufzuzeigen, war zunächst grundlegende Forschungstätigkeit notwendig, da musikpädagogische Forschung im deutschen Sprachraum bisher die Blechblasinstrumente so gut wie nicht mit einbezogen hat (Suppan, 1994: 431; Bastian, 1992: 128ff). Nach entsprechender Recherche und dem Erstellen eines ersten Studiendesigns erwies sich eine Eingrenzung der Untersuchung auf die Instrumentalpädagogik von Trompete, Horn und Posaune als sinnvoll. Entsprechend dem Untertitel dieser Studie zu Theorie, Empirie und Didaktik modernen Instrumentalunterrichts gliedert sich diese Schrift in drei Hauptteile. Der theoretische Teil der Arbeit erläutert die sogenannte Ansatzphysiognomie und stellt diese ausführlich dar. Hierbei werden auf die didaktische Vermittlung des Bläseransatzes, dessen Anatomie sowie die Elemente des orofazialen Systems in Bezug zu deren Funktion beim Spielen eines Blechblasinstruments eingegangen. Ebenso werden Pathologien und ihre Konsequenzen für das Erlernen eines Blechblasinstruments erörtert. Nach einer Betrachtung des Mundes als Quelle sensorischer-integrativer Funktion, erfolgt eine Einführung in die orofaziale Muskelfunktionstherapie mit ihren „myofunktionellen Übungen“. Für die klare bildliche Darstellung der Anatomie wurde ein separater, auch für „Nicht-Anatomen“ verständlicher, Bildband (Band 2 dieser Dissertationsschrift) verfasst. Der didaktische Teil dieser Arbeit widmet sich den aktuellen Lehrplänen und Lehrmitteln für den Instrumentalunterricht bei Trompete, Horn und Posaune. Hierfür wurde in einem ersten Schritt zunächst der Verbreitungsgrad von Anfänger-Instrumentalschulen für diese Blechbläser ermittelt. Für eine systematische und einheitliche Bewertung dieser Schulen war es dann in einem zweiten Schritt erforderlich, ein entsprechendes Bewertungsinstrument zu entwickeln, welches als der „Frankfurter Analysebogen für Instrumentalschulen (FAI)“ vorgestellt wird. Mit diesem Fragebogen wurden insgesamt 40 Instrumentalschulen für Trompete, Horn und Posaune analysiert und evaluiert (Band 3 dieser Dissertationsschrift). Zum Abschluss des Kapitels erfolgt eine Betrachtung der aktuellen VdM-Lehrpläne sowie des Jugendmusiker-Leistungsabzeichens der BDB-Bläserjugend. Im empirischen Teil werden im Wesentlichen die Ergebnisse und Implikationen der Studie "Moderner Instrumentalunterricht auf Blechblasinstrumenten" aus Sicht der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler dargestellt. Die Befragung von 140 Lehrkräften und 853 Schülerinnen und Schüler soll hierbei Antworten auf grundlegende Fragen der Didaktik im gegenwärtigen Blechbläserunterricht geben. Die interdisziplinäre Evaluationsstudie "Zur musikpädagogischen Bedeutung von myofunktionellen Übungen" eröffnet aufgrund ihrer Ergebnisse die Möglichkeit einer Weiterentwicklung der Methodik im Bereich der Blechbläserpädagogik.
Modalität in der Musik Ruggiero Giovannellis (ca. 1555 - 1625) : zur Geschichte der Tonarten um 1600
(1998)
Die Arbeit untersucht am Beispiel der Kompositionen des Palestrinaschülers Ruggiero Giovannelli die Entwicklung der Kompositionstechnik um 1600 in Italien. Im Zentrum steht die Frage der Tonarten, insbesondere der Entwicklung der Modalität am Übergang von prima zur seconda prattica. Die offenkundige Diskrepanz zwischen der Bedeutung der Modi in der Musik um 1600 und der nachgerückten Bedeutung, die ihnen in wissenschaftlichen Arbeiten zuerkannt wird, ist der Ausgangspunkt, um am Beispiel Ruggiero Giovannellis ein Analysemodell für modal begründete Musik an ausgewählten Werken zu erproben. Zugleich wird eine historische Perspektive modaler Änderungen in einer Zeit beschleunigten musikalischen Wandels aufgezeigt. In detaillierten Analysen wird gezeigt, inwieweit sich in der Musik Giovannellis die satztechnische Tradition der römischen Schule in ihrer modalen Anlage an die Erfordernisse der affektgerichteten Monodie angepasst hat. Auf der Grundlage der theoretischen Arbeiten Bernhard Meiers wird gezeigt, wie Modalität als satztechnische Grundlage in zeitlicher, regionaler und individueller Ausprägung in der Musik um 1600 konkret realisiert wird. Die Arbeit zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Herausforderungen der Neuerungen des Stile moderno an die modalen Grundlagen der Musik, welche sich den neuen satztechnischen Erfordernissen nur begrenzt anpassen konnte. Unter diesem Aspekt einer Entwicklungsgeschichte der Modalität eignet sich Giovannelli als Anschauungsobjekt in vielfältiger Perspektive. Er war Kapellmeister und Sänger an den wichtigsten kirchlichen Institutionen Roms und gleichzeitig in vielfältigem Kontakt mit weltlichen Kreisen. Sein Œuvre umfasst die zentralen weltlichen und geistlichen Gattungen und Stile seiner Zeit: unterschiedlich besetzte Madrigale, Villanellen, Kanzonetten, Motetten und Messen, Mehrchörigkeit findet sich neben generalbassbegleiteter Monodie. Durch seine enge Bindung an Palestrina sowie durch ausgedehnte Aufenthalte in Nord¬italien war er mit allen zeitgenössischen Stilen vertraut. Eine weiterer Aspekt der Arbeit befasst sich mit der Frage, inwieweit der Prozess der Autonomisierung des textlichen Affektgehalts im strengen Satz und die Integration neuer stilistischer Elemente einen Einfluss der römischen Schule auf die Kompositionstechnik in Norditalien (greifbar etwa an der Entwicklung der Mehrchörigkeit in Venedig) gehabt hat. In der Zeit eines beschleunigten historischen Wandels wirkte Ruggiero Giovannelli als behutsamer Erneuerer des Überlieferten. Während er die traditionellen Gattungen Madrigal und Motette auf der Basis der bestehenden musiktheoretischen Maxime weiterentwickelte, brachen andernorts Komponisten radikaler und nachhaltiger mit den bis dahin gültigen Grundlagen der musikalischen Komposition. Ruggiero Giovannelli stand für einen kurzen historischen Augenblick im Rampenlicht dieses Wandlungsprozesses. Er gestaltete die Reform der auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung angekommenen Gattung Madrigal mit, indem er das Moment des Klanglichen und des Linear-melodischen auf der Basis des Kontrapunkts neu interpretierte. Neben der Verwendung eingängiger, von den Zeitgenossen mit dem Prädikat der Leichtigkeit belegten Soggetti war es vor allem das Schaffen formaler Bezüge, die Verwendung von aus populären Gattungen wie Kanzonette und Villanella übernommener Elemente und das Einfügen von durch ihn häufig verwendeter musikalischer Topoi in die unterschiedliche Werke, womit Giovannelli den Geschmack seiner Zeit traf. In seinen Motetten differenziert Giovannelli deutlich nach Besetzung und Aufführungsanlass. Klanglich opulenter, homophon konzipierter Mehrchörigkeit stehen streng kontrapunktisch strukturierte Kompositionen gegenüber. Allen geistlichen Werken liegt jedoch das unmodifizierte Regelwerk der Modi zugrunde, deren Gültigkeit in der auch schon bei Palestrina angewendeten Form von Giovannelli niemals in Frage gestellt wird. Giovannellis Musik ist immer modal konzipiert, wobei sich der Modus traditionell in der Gestaltung der Soggetti und der formalen Anlage einer Komposition ausdrückt. So liegen die Veränderungen gegenüber seinen Vorgängern im Detail. Die Einbindung des modalen Spiels in ein formales Gesamtkonzept ist eines davon, die Verwendung der Modi und der mit ihnen verbundenen Klanglage nach den Anforderungen der Besetzung ein anderes. Die Arbeit umfasst neben dem Textteil ein vollständiges Werkverzeichnis mit Quellenangaben sowie druckfähige Übertragungen der meisten Werke Giovannellis (4 Bände).
Einleitung: Die Arbeit stellt den in der Medientheorie bezüglich neuer Kommunikationsmedien und virtuellen Arbeitsmöglichkeiten im Internet vorherrschenden Mythen die empirischen Befunde der Untersuchung einer medial unterstützten, interdisziplinär und räumlich verteilt praktizierten Forschungskooperation gegenüber. Damit betritt sie Neuland, da der Einsatz neuer Kommunikationstechnologien bisher vor allem im Rahmen organisationssoziologischer Studien im Bereich der Wirtschaft, im Bereich des E-Learnings oder für nicht-wissenschaftliche Nutzergruppen im öffentlich zugänglichen Internet analysiert worden sind. Die Studie offenbart dabei die Wirkmächtigkeit lokal gegebener Bezüge und Relevanzen, welche die immer wieder betonten medial gegebenen Freiheiten eines raumund zeitunabhängigen, global angelegten Agierens weitgehend demontieren. Virtualisierte Kooperationsszenarien und Globalität verkörpern dabei den Mythos der medialen Freiheit, das Lokale dagegen holt diese ideal gedachten Visionen auf den Boden der empirischen Tatsachen mit seinen im soziokulturellen Feld „Wissenschaft“ eingebundenen Akteuren zurück. Dieses Ergebnis birgt wissenschaftspolitischen Sprengstoff, denn extensive Mediennutzung und Interdisziplinarität gelten als zentrales Gebot der Zeit und werden als unumgänglich angesehen – können aber im System Wissenschaft mitunter nicht durchsetzbar sein. Die Studie zeigt, dass die in der Medientheorie und Populärmedien verkündeten Möglichkeiten des universellen Einsatzes von neuen Kommunikations- und Medientechnologien für die sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung relativiert werden müssen: Medien werden schwerpunktmäßig als Fortsetzung traditioneller Arbeitsmethoden, dann jedoch durchaus auch sehr effektiv eingesetzt. Ausgangspunkt der empirischen Erhebung ist die medienphilosophisch gestützte Hypothese, dass sich im Feld der Wissenschaft die in digitalen Medien angelegten Möglichkeiten optimal entfalten können und so gegebene Potenziale in greifbare Nähe rücken, etwa eine neue Dimension von Erkenntnismöglichkeiten durch kollektive Wissensgenese. Die Arbeit befasst sich daher mit Einsatz und Bedeutung computervermittelter Kommunikation in einem interdisziplinär und raumübergreifend etablierten Forschungsverbund, wobei das Hauptaugenmerk auf den praktizierten Modi der medial unterstützten Kooperation liegt. Der Zugang zum Feld erfolgte daher mittels teilnehmender Begleitforschung über einen Zeitraum von zwei Jahren. Die methodische Vorgehensweise ist an einer ethnographischen Forschungsauffassung orientiert und setzt auf eine gegenstandsorientierte Verwendung qualitativer Methoden. Es zeigt sich, dass die erwarteten und aktiv angestrebten positiven Effekte keine selbstständig eintretende Folge der Verfügbarkeit ermöglichender technischer Szenarien sind, die sich etwa in Form vernetzter Computer installieren lassen. Vielmehr bildet die Logik des Feldes Wissenschaft mit seinen darin wirksamen institutionellen Strukturen den maßgeblichen Orientierungsrahmen, an dem die beobachtbare Medienverwendung ausgerichtet wird. So kommt bspw. zum Tragen, dass im Wissenschaftlichen Habitus der Stellenwert einer medialen Präsenz oder technischen Expertise unterbestimmt sind und diese keinen elementaren Bestandteil der üblicherweise praktizierten Forschungstätigkeit bilden. Anstatt einer medial bereicherten Erkenntnisproduktion dominiert so ein pragmatischer Medieneinsatz konzentriert auf das unmittelbar Notwendige. Speziell zugeschnittene digitale Möglichkeitsräume für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung (Foren, Wiki, Bild- und Videodatenbank) mit dem gemeinsamen Gegenstand erhalten im untersuchten Feld so den Charakter eines randständigen Schauplatzes und etablieren sich nicht als maßgeblicher Austragungsort der gemeinsamen Diskussion. Unmittelbar aufgabenbezogen einsetzbare Ressourcen dagegen, die bereits in Alltagsroutinen integriert sind wie die E-Mail, haben jedoch ihren festen Stellenwert, etwa in technisch-administrativen Fragen oder im Hinblick auf das laufende Informationsmanagement. In den praktizierten Nutzungsweisen ist somit eine deutliche Dominanz des Schriftlichen im Umgang mit den eingesetzten Informationstechnologien vorherrschend: Für den zeitversetzten medienvermittelten Austausch müssen zur Diskussion stehende Inhalte zunächst in die Textform überführt werden. Phänomene, Themenaspekte oder Materialien, die sich (noch) gegen die Schriftsprache sperren, sind folglich charakterisiert durch „Schweigen“. Schweigen tritt im körperlosen virtuellen Raum und in schriftbasierten Medien jedoch nicht in Erscheinung. Ungeschriebenes ist daher im virtuellen Raum nicht existent und entzieht sich der gemeinsamen, raum- und zeitunabhängigen Bearbeitung. Neue Medien sind als sozial überformte Technologie folglich nicht ausgehend von darüber bereitgestellten Funktionen definierbar. Trotz der Topoi einer digitalen Revolution oder einer Informations- und Wissensgesellschaft, über die das Internet fester Bestandteil der gegenwärtigen materiellen und ideellen Infrastruktur wurde, erhalten die technologischen Artefakte ihre Bedeutung erst in der individuell ausgestalteten Verwendung durch die mit ihr befassten Akteure, wie die Studie über ihren exemplarischen Zugang für den Bereich der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung zeigt.