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Rechtswissenschaftliche Abhandlungen und Veranstaltungen zu internationalen Gerichten stehen häufig unter dem Titel „Internationale Streitbeilegung“. Es wäre aber viel besser, so die Leitthese dieses Beitrags, solche Texte und Veranstaltungen als „internationale Gerichtsbarkeit“ zu betiteln. Dies ist keineswegs ein bloßer Streit um Worte, da hinter diesen Alternativen unterschiedliche rechtswissenschaftliche Auffassungen stehen. Im Folgenden sei gezeigt, dass anders als die Be-zeichnung „Internationale Streitbeilegung“ suggeriert, nicht nur eine, sondern vier Funktionen die Rechtsprechung heutiger internationaler Gerichte kennzeichnen. Es handelt sich dabei um: Streitbeilegung im Einzelfall, Stabilisierung normativer Erwartungen, Rechtschöpfung sowie Kontrolle und Legitimation öffentlicher Gewalt. Die Ana-lyse dieser Funktionen zeigt, dass die Bezeichnung „Internationale Streitbeilegung“ überkommen ist. Entsprechend sollte die Bezeichnung des Fachs geändert und es als Teil des Fachs internationale Institutionen verortet werden.
Scholarship and practice
(2016)
How can I as an international lawyer, conscious that international law is deeply implicated in today’s global injustices and that the course of history will not be changed by any grand legal design, practice law responsibly? Taking as a point of departure my own desire not to seek comfort in the formulation of a critique of law, but to aspire to a responsible practice, I consult two quite different bodies of work: first, critical theory of law and second, recent scholarship on international law that argues a practice guided by ethics may enhance the legitimacy of international law. I turn then to my own practice of international economic law focusing on my occasional role as legal expert on the so-called megaregionals the EU aims to conclude with Canada and the United States. I propose that the debate on international economic law lacks an investigation into the role of law in shaping political economy; that this lack can be explained by the compartmentalization of expertise which leads to justification gaps with respect to projects such as the megaregionals. One way how lawyers can assume responsibility is to work on closing these gaps even if it means leaving the ‘inside’ of the legal discipline. Finally, I suggest that a responsible legal practice of social change might follow Roberto Unger’s call for institutional imagination. Maybe I can satisfy my wish for a transformative practice by joining forces with friends in experimenting with institutions, hoping to build an alternative political economy.
This text is an only slightly modified version of the Herbert Krüger Memorial Lecture that I held upon invitation of the Arbeitskreis Überseeische Verfassungsvergleichung on 4 July 2014 at Bucerius Law School in Hamburg. My point of departure is the observation that even though the economic exploitation of natural resources triggers a multitude of distribution conflicts, international and transnational law treat these conflicts inadequately. While the New International Economic Order had as one of its objectives distributional justice between resource exporting poor states (former colonies) and resource importing high income states (mostly former imperial powers) its demands were never fully realized. Instead a transnational economic law emerged which can be interpreted as itself establishing a distribution order -- albeit a distribution order that is not oriented towards distributional justice, but rather posits the market as the best distribution device. This distribution order has depoliticized and deterritorialized distribution conflicts between resource exporting and resource importing states and has secured – through the promotion of privatizations, protection of foreign investments and dismantling of trade barriers – access to resources for the resource importing states. At the same time it has freed importing states from responsibility for the harms that accrue from resource exploitation to the resource exporting states and their populations. I call in this text for a repoliticization of distribution conflicts at the international as well as the (trans)national level, a repoliticization that may be achieved not only through the reform of political, but also economic institutions.
Mediation in der Türkei : Betrachtung ausgewählter Aspekte im Vergleich zur Mediation in Deutschland
(2016)
Angesichts der vergleichsweise noch sehr jungen Entwicklung der Mediation in der Türkei mag man es auf den ersten Blickerstaunlich finden, dass in der Türkei zeitgleich mit Deutschland ein Mediationsgesetz geschaffen wurde. Die Mediation als außergerichtliches Vermittlungsverfahren gründet darauf, dass Streitparteien freiwillig und selbstbestimmt ihren Konflikt mit Unterstützung eines Mediators einer gemeinsam entwickelten Lösung zuführen. Dies sind die Grundprinzipien der Mediation, die sowohl dem deutschen als auch dem türkischen Mediationsgesetz als Basis dienen.
Trotz vieler Ähnlichkeiten haben die kulturellen Besonderheiten beider Länder Einfluss auf die rechtliche Ausgestaltung dieses Einigungsverfahrens sowie dessen Umsetzung in der Praxis .Ziel des vorliegenden Arbeitspapiers ist es, dem Leser einen Einblick in die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Mediation in der Türkei und Deutschland zu vermitteln und dabei vergleichend zu untersuchen , ob und inwieweit landestypischen Spezifika in der Entstehungsgeschichte, den Grundlagen und der Praxis der Mediation erkennbar und durch gesellschaftliche und kulturelle Faktoren erklärbar sind.
100 Jahre Fachbereich Rechtswissenschaft ist auch ein Grund, derer zu gedenken, die über eine lange Strecke dieser Zeitspanne das Bild des Fachbereichs entscheidend mitgeprägt haben, aber nicht mehr mitfeiern können. Darunter verdient ein Strafrechtsprofessor und Rechtsphilosoph besondere Hervorhebung und Würdigung. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Winfried Hassemer. Das Verständnis von der gegenseitigen Befruchtung in Theorie-Praxis-Projekten brachte Hassemer aus der akademischen Welt mit in seine hohen Staatsämter: Hessischer Datenschutzbeauftragter, Richter und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Schließlich konnte er in der Rolle des Anwalts gleichsam als „Gegenprobe“ auch noch seine schon lange gezeigte Zuneigung zum Beruf des Strafverteidigers erleben. Der fruchtbare Dialog zwischen Theorie und Praxis setzte sich 12 Jahre lang im „Frankfurter Arbeits-Kreis Strafrecht“ („FAKS“) fort, zu dessen Gründern Hassemer gehörte. Dabei haben Strafverteidiger, Richter, Staatsanwälte, Ministerialbürokratie, Strafvollzugs und Polizeibeamte mit auch Rechtswissenschaftlern im konstruktiven Diskurs die Abstände zwischen unseren „Berufswelten“ verringert. Im Zentrum stand sein Bekenntnis, dass das staatliche Strafen ein „blutiges Geschäft“ ist, das nur als ultima ratio und auch nur dann zu rechtfertigen ist, wenn „schützende Formen“ des Verfahrensrechts strafbegrenzend wirken. Der Fachbereich Rechtswissenschaft wird auch in dem jetzt beginnenden zweiten Jahrhundert seines Bestehens das Andenken an Winfried Hassemer hoch halten.
In this chapter, I examine the relationship between customary international law and general principles of law. Both are distinct sources of public international law (Art. 38(1)(b) and (c) of the Statue of the International Court of Justice). In a first step, I analyze the different meanings of principles as a “source” of international law. Second, I consider different approaches to principles as a norm type in legal theory. Third, I discuss attempts in international legal doctrine to facilitate conceptual issues by either unifying general principles as a source with the source of customary international law or by equating general principles as a source and as a norm type. Finally, I propose that the delimitation between customary international law and general principles of law as sources of international law should follow the distinction between situations dominated by factual reciprocity (which justify customary norms) and situations where such factual reciprocity is absent (which justify general principles). The jurisgenerative processes leading to the emergence of general principles of international law are processes of changing identities and argumentative self-entrapment.
Der Beitrag untersucht das in jüngerer Zeit verstärkt diskutierte Phänomen einer – tatsächlichen oder vermeintlichen – „anglo-amerikanischen Rechts-hegemonie“. Es geht dabei um die Frage, ob die Rechtsordnungen Deutschlands und der Europäischen Union unter eine Vormachtstellung des amerikanischen Rechtsdenkens und amerikanischer Regelungsmuster geraten sind oder eine solche vielleicht sogar selbst aktiv befördert haben. In dem Beitrag wird diese Diskussion aus zivilrechtlicher Perspektive aufgegriffen. Nach einer Konkretisierung des Topos der Rechtshegemonie werden dabei zunächst einige Grundcharakteristika des amerikanischen Rechtssystems und des deutschen Rechtssystems gegenübergestellt und zusammengefasst, in welchen Bereichen das deutsche und das europäische Recht in den vergangenen Jahrzehnten durch amerikanische Denk- und Regelungsmuster überformt worden sind. Im Anschluss erfolgt eine Bewertung der zuvor skizzierten Entwicklung, wobei die Unterscheidung zwischen einem intrinsisch orientierten und einem funktional orientierten Verständnis von Rechtskultur als ein Kernproblem der jüngeren rechtsvergleichenden Diskussion im Zentrum steht. Im Ergebnis wird eine tendenziell skeptische Perspektive gegenüber dem suggestiven Bild eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen eingenommen und die in jüngerer Zeit häufig geäußerte These der globalfunktionalen Überlegenheit eines wettbewerbsorientierten Rechtsmodells in Zweifel gezogen.
The article, which summarizes key findings of my German book ‘Die Gemeinfreiheit. Begriff, Funktion, Dogmatik’ (‘The Public Domain: Theory, Func-tion, Doctrine’), asks whether there are any provisions or principles under Ger-man and EU law that protect the public domain from interference by the legisla-ture, courts and private parties. In order to answer this question, it is necessary to step out of the intellectual property (IP) system and to analyze this body of law from the outside, and – even more important – to develop a positive legal conception of the public domain as such. By giving the public domain a proper doctrinal place in the legal system, the structural asymmetry between heavily theorized and protected IP rights on the one hand and a neglected public do-main on the other is countered. The overarching normative purpose is to devel-op a framework for a balanced IP system, which can only be achieved if the public domain forms an integral part of the overall regulation of information.
On 14 September 2016, the European Commission proposed a Directive on “copyright in the Digital Single Market”. This proposal includes an Article 11 on the “protection of press publications concerning digital uses”, according to which “Member States shall provide publishers of press publications with the rights provided for in Article 2 and Article 3(2) of Directive 2001/29/EC for the digital use of their press publications.” Relying on the experiences and debates surrounding the German and Spanish laws in this area, this study presents a legal analysis of the proposal for an EU related right for press publishers (RRPP). After a brief overview over the general limits of the EU competence to introduce such a new related right, the study critically examines the purpose of an RRPP. On this basis, the next section distinguishes three versions of an RRPP with regard to its subject-matter and scope, and considers the practical and legal implications of these alternatives, in particular having regard to fundamental rights.
Die Entwicklung des europäischen und deutschen Markenrechts in den letzten Jahrzehnten lässt sich auf die Kurzformel „vom Warenzeichen zum Markeneigentum“ bringen. An die Stelle einer lauterkeitsrechtlich fundierten Gewährleistung unverfälschten Wettbewerbs ist ein abstrak-tes, fungibles Eigentum an allen potentiell unterscheidungskräftigen Zeichen getreten. Im Beitrag wird dieser Paradigmenwechsel in Anlehnung an Thesen des 1944 erschienenen, wirtschaftssoziologischen Klassikers „The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen“ von Karl Polanyi gedeutet. In einem ersten Schritt wird erläutert, inwieweit Po-lanyis Ausgangsthese, wonach in einer Marktwirtschaft alle In- und Outputfaktoren kommodifiziert wer-den müssen, auf Marken und andere Kennzeichen übertragbar ist. Sodann wird Polanyis zentrale Er-kenntnis, dass die Kommodifizierung von Arbeit und Boden, aber eben auch von Zeichen als Kommu-nikationselementen kontingent, sogar fiktional und insgesamt alles andere als unproblematisch ist, für eine Kritik des gegenwärtigen Markenrechts fruchtbar gemacht. Und in der Tat ist auch in diesem Be-reich eine Entbettung des Marktes aus der Gesellschaft zu beobachten: Die Markenkommunikation wird gegenüber nicht-marktlicher Kommunikation abgeschirmt, z.B. vor Markenparodien und -kritik. Dies löst nach Polanyi Gegenbewegungen aus, die im Markenrecht bereits so stark geworden sind, dass es nicht einmal mehr ausgeschlossen erscheint, dass sie das Markenrecht auf seinen Ausgangspunkt zurück-werfen: auf das Recht gegen unlauteren Wettbewerb.