Refine
Document Type
- Part of a Book (2)
- Article (1)
Language
- German (3)
Has Fulltext
- yes (3)
Is part of the Bibliography
- no (3)
Keywords
- Christentum <Motiv> (3) (remove)
Das christliche Bild im 19. Jahrhundert zeigt, so die These dieses Aufsatzes, dass Verwissenschaftlichung nicht notwendigerweise historistische Entidealisierung bedeuten musste – wie eben auch die Lektion der historisch-kritischen Bibelforschung nicht unweigerlich zu einer Relativierung der Heiligen Schrift führen musste. In der ästhetischen Konstruktion der biblischen Antiken wurden Evidenz und Imagination zu komplementären Repräsentationsstrategien, die einen gemeinsamen Ursprung jenseits der Unterscheidung zwischen geschichtlicher Wahrheit und archäologischem Wissen hatten. Eine christliche Kunst musste diese historische Wahrheit, die eben keine wissenschaftlich positivistische sein sollte, sichtbar machen. „Das Göttliche kann sich in der Knechtsgestalt begränzter Zeit und Körperlichkeit nicht völlig offenbaren“, formulierte Karl Schnaase im Jahre 1862 diesen Grundsatz eindringlich, „es will mehr geahnt und geglaubt als gesehen sein“. Zwischen archäologischer Treue und kunsthistorischer Tradition, mimetischer Sinnlichkeit und abstrakter Idee erfüllt die Kunst ihre ureigene Aufgabe des Sichtbarmachens im Bewusstsein einer eingeborenen Unmöglichkeit. Die Welt der biblischen Antike wird so zum experimentellen Feld eines erfolgreichen Scheiterns.
Im Spektrum der Epochen, von denen der Historienroman im 19. Jahrhundert erzählt, spielt die Antike eine untergeordnete Rolle. Ihr vorgezogen werden die großen Zeitalter der nachantiken europäischen Geschichte: das hohe Mittelalter, die Renaissance, die Frühe Neuzeit und die Revolutionsepoche um und nach 1800. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, lange nach der sogenannten „Scott-Ära“ in den 1820er Jahren, in denen sich der historische Roman in ganz Europa zur beliebtesten Erzählform entwickelt, wird häufiger über die Antike erzählt. So steigt die Zahl der Romane, welche die antike Geschichte thematisieren, gegen Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts langsam und kontinuierlich an bis zu einem Höhepunkt in den 1880er Jahren, um danach wieder leicht zurückzufallen. Auch in den 1880er Jahren bleibt die jährliche Publikationsrate von Romanen über das Altertum freilich im einstelligen Bereich und damit deutlich unterhalb der Quote je- ner Texte, die sich späteren historischen Zeiträumen widmen. Themen aus der Phase zwischen Barockzeitalter und beginnendem 19. Jahrhundert dominieren die gesamte Epoche; bestimmend ist die Tendenz zu jüngeren Zeitabschnitten, zur modernen Geschichte.
Der vorliegende Aufsatz will im Fragment "Der Rabbi von Bacherach" von Heinrich Heine, erschienen 1840, die Problematik der kulturellen Hybridität am Beispiel der Protagonisten Rabbi Abraham und Ritter Don Isaak Abarbanel diskutieren. Meine Überlegungen gehen dahin zu zeigen, dass Heine in diesem Fragment das Christliche und das Jüdische so dargestellt hat, dass die Möglichkeit einer binären Trennung zwischen beiden Räumen unmöglich wird. Aus seiner Inszenierung des Dialogs zwischen dem anscheinend orthodoxen Juden Abraham und dem konvertierten Juden Abarbanel geht hervor, dass der Kontakt mit dem Fremden immer mit einer Veränderung des Eigenen einhergeht.