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Obwohl de facto nur bestimmte Einzelpersonen davon betroffen waren, sind die Auswirkungen der Zensur bzw. einer rigideren oder liberaleren Handhabung derselben als gesamtgesellschaftliches Phänomen zu konstatieren,
zeitigt doch eine strikte Anwendung wie im preußischen Einflussgebiet jener Zeit ein latentes Klima der Angst vor Unterdrückung und Denunziation. Die permanente Verletzung eines fundamentalen Menschenrechts durch die Zensur wird [...] getragen von einer Bevölkerung, die in einem rückwärtsgewandten Traumzustand verharrt und sich lieber nationalen Mythen (die Fertigstellung des Kölner Doms, Barbarossa in den Tiefen des Kyffhäuser, der Rhein als der sagenumwobene Strom der Deutschen) hingibt, als für ihre Freiheit zu kämpfen. Als politisch denkender Mensch und als Jurist, wie man ergänzen sollte, musste Heines Bilanz im Jahr 1843 wohl resignativ ausfallen, [...].
Es gibt im Schreiben Heinrich Heines eine gestische Konstante, die sich durch das ganze Werk hindurchzieht und die sich am besten mit dem Begriff der Unrast bezeichnen lässt. Unrast ist Bewegung, die in einem angespannten Verhältnis zur Nicht-Bewegung steht. Sie erfolgt aus Angst vor Stillstand und aus Sehnsucht nach Ruhe zugleich. Sie ist Suche ohne benennbares Ziel und Flucht ohne unmittelbaren Anlass. Sie entspringt dem Ekel davor, dass alles so bleiben könnte, wie es ist, aber auch dem Schauder darüber, wie es wäre, wenn es anders würde. Sie kann Lebensenergie ebenso gut momenthaft freisetzen wie langsam aufzehren. Die folgenden Ausführungen versuchen die persönlichen, die gesellschaftlichen und die poetologischen Fragen zu rekonstruieren, auf die Heines Unrast eine im Hinblick auf den inneren Zusammenhang seines Gesamtwerks bislang zu wenig beachtete Antwort darstellt.
Mauscheln
(2018)
Der Begriff 'Mauscheln' ist paradox: er existiert in keiner anderen Sprache als im Deutschen und ist unübersetzbar. Als Fremdwort wird er zumindest im Englischen gebraucht, doch aus dem deutschen Wortschatz ist er heute verschwunden, zumindest soweit dieser ein öffentlicher ist. 'Mauscheln' ist verpönt, obwohl der Begriff seit dem 17. Jahrhundert weit verbreitet war. Als Ausdruck des "Verhältnisses zwischen Juden und Christen in Deutschland" haften ihm antisemitische Stereotypen über den betrügerischen Juden an. Seine Geschichte hält die Erfahrung fest, dass die "Verfolgung und Vernichtung der Juden durch sprachliche Agitation vorbereitet" wurde. Sie geht allerdings nicht in dieser Erfahrung auf.
Eine Biographie über einen weltberühmten Autor vorzulegen, zu dem es eine unüberschaubare Fülle an Literatur gibt, rechtfertigt sich nur, wenn man entweder substantiell neue Erkenntnisse zu bieten hat, eine neue Perspektive anzulegen vermag oder so mitreißend schreibt, dass die Biographie als Einstieg für Neugierige taugt und ihnen Lust macht auf mehr, nämlich auf die Lektüre des Autors im Original. Nun ist zwar Hosfeld seit seiner Dissertation (Die Welt als Füllhorn: Heine. Das neunzehnte Jahrhundert zwischen Romantik und Moderne, 1984) als Heine-Spezialist ausgewiesen, jedoch hat er substantiell Neues nicht zu bieten: Sein Buch ist nicht monumental wie Werner Kaegis Jacob-Burckhardt-Biographie, nicht detailversessen wie Martin Gregor-Dellins Werk über Richard Wagner. Dafür ist es exzellent geschrieben, schön zu lesen, die Proportionen stimmen, und man bekommt wie in einem Kaleidoskop eine Epoche in ihrer ganzen Vielfalt zu sehen, mit immer neuen Aspekten, aus denen sich ein faszinierendes Gesamtbild zusammensetzen lässt.