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Die Vorstellung eines relational organisierten Ganzen nimmt Bruno Latour zum Ausgang für eine grundlegende Kritik der modernen Imaginationen des Staates und seiner Grenzen. Diese Imaginationen beruhten auf einer fragwürdigen Konzeption des Ganzen, die fatale Folgen für die Bekämpfung des Klimawandels wie für eine adäquate Einschätzung der Migration zeitige. Es seien althergebrachte, an die Natur und den Organismus angelehnte Vorstellungen von Ganzheit und Teil, die eine Affirmation des sogenannten Staatskörpers oder auch die einer ökonomischen Marktlogik bis heute irrtümlich als unumgänglich erscheinen ließen. Gleichnisse wie das eines die Gliedmaßen ernährenden Bauches aus Shakespeares "Coriolan" oder Mandevilles bekannte "Bienenfabel" suggerierten, dass jedes Gemeinwesen sich von innen aus Teilen zusammensetzen und sich nach außen klar abgrenzen müsse. Tatsächlich aber seien Innen und Außen als fundamental durchlässige Phänomene zu begreifen. Die Idee eines solide gestuften Ganzen müsse ersetzt werden durch die Idee pluraler Ganzheiten, die aus ständig sich überlappenden und immer nur provisorisch verbundenen Elementen bestünden. Latour ist es folglich nicht um eine Diskreditierung, sondern um eine Neukonzeption sowohl des Ganzen als auch der Relationalität zu tun. Das hat massive Konsequenzen für deren Formgebung. Um der Komplexität politischer Strukturen und aktuellen Problemlagen begegnen zu können, müssten Ganzheiten als Netzwerke und nicht mehr als aus Teilen bestehende Körper vorgestellt werden.
Im World-Heritage-Programm der Unesco sollen die als schützenswert hervorgehobenen Monumente, Naturschönheiten oder auch kulturellen Praktiken exemplarisch für das Welterbe der Menschheit insgesamt stehen. Wie aber wird deren Beispielhaftigkeit begründet? Und wie funktioniert die kulturelle Kanonbildung im Einzelfall? "Frontiers of the Roman Empire" heißt eine der 1073 Stätten (Stand: Mai 2018) auf der World Heritage List der Unesco. Zu diesen "Frontiers" gehören der Limes in Südwestdeutschland, der Hadrianswall in Nordengland und der Antoninuswall in Schottland. Es handelt sich also um eine dezentrale, transnationale, grenzübergreifende Stätte, die ihrerseits aus Grenzen besteht, noch dazu aus den hinterlassenen Grenzen eines Imperiums.
Der interdisziplinäre Forschungsverbund "Grenze/n in nationalen und transnationalen Erinnerungskulturen zwischen Tschechien und Bayern" der Universitäten Regensburg und Passau, der Karls-Universität Prag, der J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem und des Adalbert Stifter Vereins in München widmet sich der/den Grenze/n, die in den nationalen und transnationalen Erinnerungskulturen konstruiert bzw. dekonstruiert werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die grundsätzliche Frage nach der Wirkmächtigkeit der Grenze/n in den europäischen Erinnerungskulturen, die auf mehreren Ebenen als aktuell und dringlich erscheint.
"Im Comic gibt es keine Grenzen [...]"- dieses Postulat galt es anlässlich der durch diesen Band repräsentierten Tagung zu überprüfen. Im Call for Papers unter der Überschrift "Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten" wurden solche medialen Eigenschaften, aber auch viele weitere Themenkomplexe angesprochen, die verschiedene Aspekte der Auseinandersetzung mit Grenzen oder von Formen der Grenzüberschreitung - sowohl inhaltlich als auch formal - aufnahmen.
Rezension zu Kurt Röttgers: Metabasis. Philosophie der Übergänge, Magdeburg (Scriptum) 2002 (= SO|PHI|ST. Sozialphilosophische Studien; Bd. 4). 456 Seiten.
"Eine Philosophie der Übergänge stellt sich dem Problem der radikalen Übergänge." "Philosophie der Übergänge ist das Unternehmen, die Zeitlichkeit von Ereignissen anders als in Geschichten zu denken." Das Programm, das diese lapidare Sätze formulieren, setzt Kurt Röttgers' Studie auch tatsächlich um. Dem allein stehend doch relativ abstrakten Begriff des Übergangs gewinnt diese eine erstaunliche Fülle von nicht nur philosophisch, sondern kultur- und nicht zuletzt literaturwissenschaftlich interessanten Aspekten ab. Das Inhaltsverzeichnis kann als Einladung an den Leser verstanden werden, seine Übergänge selbst zu wählen, statt konsequent von vorne nach hinten zu lesen, wenn er die in der Einleitung und in Abschnitt 1 ("Die Gewalt des Übergangs") thematisierten Denkgrundlagen einmal nachvollzogen hat (was die Rez. empfiehlt, weil es den Gewinn der Lektüre erheblich steigert).
Im Folgenden sei der Versuch unternommen, allein Roths Arbeit am Begriff der Grenze vorzustellen, dies unter Rückgriff auf vor allem zwei Texte, deren Verschiedenheit die Spannweite nicht nur der formalen Mittel, sondern auch der Konzeptualisierungsfähigkeit, über die Roth verfügte, anschaulich machen mag.