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Ich will versuchen, an einem Spezialfall der Ornamentästhetik zu zeigen, wie die Arabeske, damals auch Arabeskgroteske genannt, aufgrund ihrer traditionellen Disposition zu einem der bedeutendsten Grenzgänger innerhalb der klassizistischen Ästhetik wird: Sie ist hervorragend geeignet zum autonomen Spiel. Daher avanciert sie auf der einen Seite zum Favorit klassizistischer Ornamentästhetik, gefährdet aber auf der anderen Seite durch die ihr eigene, unbändige Einbildungskraft beständig den Ordnungsgedanken des Klassizismus. Die Arabeske als Grenze einer Grenzziehungskunst scheint mir geeignet, die Spielregeln klassizistischer Ästhetik und die Notwendigkeit oder wenigstens Möglichkeit des Übertritts zur Romantik plausibel zu machen.
Die Polemik lebt aus der Spannung extremer Gegensätze: von Affekt und Besonnenheit, von Argument und Bluff, von Logik und Paralogismen, von Dokument und Metapher, von akribischer Kriminalistik und wilder Spekulation, von rigorosem ethischem Prinzip und brutalem Vernichtungswillen, von kalkulierter Wirkungsstrategie und dem Spiel mit dem Zufall. Diese Spannungen sind in der Polemik so organisiert, daß sie die Sprache bis an die Grenze ihrer Verbalität, ja über sie hinaus zu treiben versuchen. Das Wort soll, was es nicht kann, nicht mittelbar, sondern unmittelbar Tat werden. Diese polemische Grenzüberschreitungssucht ihres Mediums der rational argumentierenden Sprache macht die Brisanz, das Interesse, aber auch die fortdauernde Distanzierung von der Polemik, zumal in der Aufklärung, verständlich. Im folgenden sollen einige Stationen der Verdächtigung und Legitimierung der Gattung Polemik von der Aufklärung bis zum Vormärz nachgezeichnet werden, wobei - unumgänglich - das Verhältnis der Polemik zur entstehenden Kritik in Aufklärung und Romantik ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.
Das Merkmal der Vielstimmigkeit mag für Rühmkorfs auf Rede und Gegenrede angelegtes essayistisches, kritisches und polemisches Schreiben, das sich mitunter als sprechendes Fechten im literarischen Handgemenge zeigt, unstrittig sein; zu Anfang seines lyrischen Schaffens jedoch war für die Lyrik Dialogizität ein mehr als ungewöhnliches Ansinnen; es war geradezu provokant. Denn Lyrik, vornehmlich moderne Lyrik, war festgelegt auf "poetische Monologizität".
Die Geschichte des ästhetisch Wunderbaren läßt sich in drei Schritten oder Phasen nachzeichnen: vom Wunder zum Wunderbaren und vom Wunderbaren zum Phantastischen. Das Phantastische ist die höchste Emanzipationsstufe, wo das freie Spiel der Einbildungskraft in seiner autonomen, auf sich selbst gestellten Gesetzlichkeit das Reale, Vertraute unserer gewöhnlichen Welt in Frage stellt. Diese Entwicklung vom Wunder zum Wunderbaren und vom Wunderbaren zum Phantastischen wird von Jacob Grimm jäh unterbrochen. [...] Jacob Grimm leitet eine Denkbewegung ein, die ich die Rettung des Wunderbaren aus der Zerstörung durch das Phantastische nennen möchte. Dieser Rettungsversuch kann und will nicht mehr zur Rehabilitierung des theologischen Wunders zurückführen. Statt dessen zielt er auf das "Unvordenkliche" der eigenen Herkunft, das auf den Glauben an das eigene Volk gründet.
Die meisten Maler und Zeichner der Romantik haben von den in dem erzählten Märchen wachgerufenen Innenbildern berichtet und von ihnen bei ihrer Arbeit profitiert. [...] Bekanntlich rehabilitieren die romantischen Künstler nicht nur die erzählenden volkstümlichen Gattungen, die Legende, das Märchen, die Anekdote und das Volksbuch, sondern auch die volkstümlichen Formen der bildenden Kunst: die Scherenschnitte, die Silhouetten,
die Schattenrisse etc. [...]
Mit Erstaunen stellen LinguistInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz immer wieder fest, dass sich in der "kleinen" Schweiz der geschlechtergerechte Sprachgebrauch in Öffentlichkeit und Alltag weit stärker durchgesetzt hat als in den anderen deutschsprachigen Ländern. Diese Einschätzung gilt es hier zu überprüfen und, falls sie zutrifft, zu belegen. Ausserdem werden - als erster Schritt fur weitere Untersuchungen - Thesen formuliert, die Erklärungen liefern, worauf diese Entwicklung zurückgeführt werden kann. Mit diesem Artikel geben wir anband von ausgewählten, konkreten Beispielen einen Einblick in die Situation, wie sie sich zur Zeit in der Schweiz präsentiert. Wir konzentrieren uns - unter sprachsoziologischer Perspektive - auf eine erste Bestandesaufnahme mit dem Blick auf die Diskussion in den Medien, die Institutionalisierung und die Einstellungen, die die spezifische sprachliche Situation in der Deutschschweiz prägen. Einen Rahmen fur unsere Untersuchung bilden die Überlegungen von Schräpel (SCHRÄPEL 1986), die die Auseinandersetzung um nichtsexistische Sprache als ein besonderes Sprachwandelphänomen untersucht. Sprachwandel im Vollzug ist einerseits einfacher zu erfassen als einer, der weiter zurückliegt, andererseits erschwert die Fülle des greifbaren Materials auch den Durchblick und das klare Erkennen von Tendenzen. Aus diesem Grund werten wir unser Datenmaterial nicht quantitativ aus, sondern konzentrieren uns darauf, für verschiedene Aspekte typische Beispiele zu geben und so den Stand der öffentlichen Diskussion und die Breite der vertretenen Meinungen darzustellen. Es wäre verlockend, das hier vorliegende Material auch allgemeinerer Form unter der Thematik "Sprachkritik" oder "Einstellungen" zu analysieren. Dies ist jedoch nicht im Zentrum unserer Fragestellung, weshalb wir bei einigen Beispielen auf entsprechende Untersuchungen (z.B. BLAUBERGS 1980, SCHOENTHAL 1989) verweisen.
Ein Plädoyer für das Stolpern, wie es der Titel dieses Beitrags ankündigt, ist prekär, da es die Gefahr des Stürzens in Kauf nimmt. Die schlimmeren Unfälle allerdings gehen oft auf das Fehlen von Grenzhindernissen zurück. Erinnert sei nur an den hinterlistigen Schwellenabbau, den der amerikanische Physiker Alan Sokal an der Demarkationslinie der two cultures betrieb – und damit die Herausgeber der bis dato hochangesehenen Zeitschrift Social Text tüchtig blamierte, die nicht bemerkten, daß der Artikel Transgressing the Boundaries voller Absurditäten steckte. Sokals offensive Beseitigung der Barrikaden zwischen Geistes- und Naturwissenschaften paßte so gut ins postmoderne editorische Konzept, daß man gar nicht mehr darauf reflektierte, ob die Transgressionen im Einzelnen Sinn machten – etwa die dekonstruktivistische Überwindung der Schwerkraft oder die feministische Liberalisierung der mathematischen Axiomatik. Die transliminalen Verheißungen klangen zu verführerisch, als daß man über sie gestolpert – und damit der kompromittierenden Falle entgangen – wäre. ...
Im Frühjahr 1998 lief in New York eine Retrospektive des 47jährigen, amerikanischen Videokünstlers Bill Viola. Die Ausstellung wurde zuvor in Los Angeles gezeigt. 1999 ist sei in Europa zu sehen (Amsterdam, Frankfurt/M.), sodann in San Francisco und Chicago: ein Programm bis zum Jahr 2000. Bill Viola soll zum Klassiker werden. In New York hatte das Whitney Museum of American Art seine beiden oberen Stockwerke freigeräumt, um siebzehn Videoinstallationen Raum zu schaffen. Man betrat vollständig abgedunkelte Stockwerke, in welche die Installationsräume labyrinthisch eingebaut waren. Es gab kein anderes Licht als dasjenige, das von den Installationen selbst ausging. Man konnte sich auch von den Tönen der Installationen leiten lassen. Das Aufsichtspersonal war von Viola geschult worden, mit etwaigen Verirrten und Verwirrten im Dunkel helfend umzugehen. Die Irritationen des Orientierungssinnes waren beabsichtigt. Man sollte in eine andere Welt eintreten. Der Gang durch die siebzehn Zellen sollte zu einer Initiation in die Welt Violas, einer Reise in die kunstvollen Phantasmen eines Gehirns. Durchaus drängte sich der Eindruck auf, daß der Gang durch die labyrinthischen Installationsräumen als eine Reise durch die inneren Kammern der Imagination Violas selbst inszeniert war. Zwar richten alle Kameras ihr Objektiv immer auf irgendein Ensemble der Außenwelt und insofern ist ihnen Referenzialität technisch eingebaut. Die Ausstellungsfolge der 'Bildkammern' Violas jedoch schien so arrangiert, daß man diese Referenz zunehmend verlor. Man tauchte in eine Bilderwelt, welche nicht die Außenwelt wiedergab, sondern direkt aus dem Bildgedächtnis und der Einbildungskraft des Gehirns zu erwachsen schien. Das machte den Besuch der Ausstellung zu einem Abenteuer, aber auch zu einer Art Intimität: es war eine Art visueller Beiwohnung der Innenwelt eines anderen Menschen, ebenso aufregend wie gelegentlich auch Scham oder das Gefühl wachrufend, man sei jemandem zu nahe getreten. Beides, Abenteuer wie Intimität, hat mit Grenzen und ihrer Überschreitung zu tun. Tatsächlich sollten die Besucher diesen Eindruck gewinnen: daß sie Grenzen überschritten, die gewöhnlich von Tabus und Verboten, von Scham oder Angst besetzt sind. Das einer Initiation ähnliche Arrangement diente einer solchen Grenzüberschreitung und Passage. ...