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Er "werde keine Unordnung machen" (NS 114),1 versichert in Stifters Nachsommer dessen Protagonist und Ich-Erzähler Heinrich Drendorf während seines ersten Besuchs am Asperhof. Bei aller vermeintlichen Beiläufigkeit, die dieser Bemerkung anhaften mag, kommt in ihr doch eine latente, dadurch aber nicht weniger nachdrückliche Notwendigkeit zur Beschwichtigung und Entschuldigung für das Eindringen in ein System zum Ausdruck, das von dem Bedürfnis nach gerade dem Gegenteil solcher "Unordnung" durchdrungen scheint. Mehr noch: der Vorsorglichkeit dieser Beschwichtigung Heinrichs und der vorauseilend zur Schau gestellten Bereitschaft zu unbedingter Kooperation und Zurückhaltung eignet etwas Überraschendes, da Unerfragtes, und vielleicht spricht sich gerade in dieser merkwürdigen Aufdringlichkeit die Relevanz dessen aus, was die Vermeidung von Unordnung unbedingt und nachdrücklich erhalten will: nämlich die "musterhafteste Ordnung" (NS 150).
Es ist kein Geheimnis, dass Stifters Nachsommer die Dinge der Lebenswelt im Verhältnis zu ökonomischen, moralischen, theologischen, juridischen, ästhetischen, politischen, sozialen, ökologischen und zuletzt wohl auch literarischen Ordnungen in sich aufnimmt und ihnen Gestalt verleiht. Gerade im Wissen um seine eigene Gestalt als Roman, dessen formales Prinzip es ist, dass er all diese Ordnungen als Einheit zu begreifen und bedingungslos vor den Gefahren einer Unordnung zu bewahren hofft, versucht er ihnen je einen angemessenen, 'rechten' Platz im System eines gefahrlosen Ganzen zuzuweisen. Dabei ist, wie vielfach bemerkt, die je in neuer Gestalt variierte Rede von solcher "Ordnung" zweifelsohne als unabdingbarer Baustein des Programms von Stifters Prosa überhaupt zu verstehen, derweil im Programm dieser Ordnung verschwiegen ein altes, scholastisches Erbe von der Idee eines geschlossenen und einheitlichen mundus nach göttlichem Vorbild nachschwingt.
Wie im Vorwort zur Plurale-Ausgabe # 1 angemerkt, scheint die „Bewegung des Falls […] prototypisch für Phänomene des Kontrollverlustes, des ungeregelten Heraustretens aus realen und symbolischen Ordnungen zu stehen.“ Diese Einschätzung möchte ich am Beispiel einiger netzkünstlerischer Werke hinterfragen. Wie das angeführte Zitat nahe legt, wird die Bewegung des Falls wesentlich durch das Moment des „ungeregelten Heraustretens“ aus einer Ordnung bestimmt. Daher kommt es mir vor allem darauf an, nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Zuschreibung von Ordnung bzw. Unordnung zu fragen. […] Die folgenden Ausführungen greifen auf Arbeiten zur Ästhetik der Netzkunst zurück. Ihre Werke zeichnen sich durch eine spezifischen Oberflächlichkeit aus, die mit ihren technischen und technologischen Bedingungen zusammenhängt. Aufgrund dieser Kontextualisierung spielt in der Netzkunst die Frage nach der ästhetischen Qualität von Störungen eine wesentliche Rolle. Die Dysfunktionalität von Software wird häufig zum Thema künstlerischen Schaffens gewählt. Netzkunstwerke stehen als Produkte eines auf Geordnetheit ausgerichteten Verlaufs – den formatierten bzw. programmierten Web-Seiten – mit der Relationalität von Ordnung und Nicht-Ordnung in Verbindung. Aus diesem Grunde bieten sich Netzkunstwerke für eine Analyse der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Zuschreibung von Ordnung bzw. Unordnung an. In besonderer Weise laden einige Werke der Gruppen Jodi und 0100101110101101.org dazu ein, sich gemäß dem formulierten Erkenntnisinteresse mit ihnen auseinanderzusetzen.