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Walter Benjamin schlug vor, den Pessimismus in der geschichtlichen Welt zu organisieren, indem man im Hohlraum unseres "politischen Handelns" selbst einen "Bildraum" entdeckt. Diese Vorstellung betrifft die unreine Zeitlichkeit unseres geschichtlichen Lebens, die weder vollendete Zerstörung noch beginnende Erlösung umfasst. In diesem Sinne ist auch das Nachleben der Bilder zu verstehen, seine fundamentale Immanenz: weder als Nichtigkeit noch als Fülle, weder als jedem Gedächtnis vorausgehende Quelle noch als jeder Katastrophe nachfolgender Horizont, sondern als ihnen eignende Ressource, Ressource des Begehrens und der Erfahrung im Hohlraum selbst unserer unmittelbarsten Entscheidungen, unseres alltäglichsten Lebens.
"Kultur" ist im letzten Jahrzehnt zu einem Schlüsselbegriff humanwissenschaftlicher (und auch politischer) Debatten avanciert. Dabei läßt sich allerdings feststellen, daß die Theoriebildung oftmals einen eher diffusen Begriff von Kultur veranschlagt und daß die Kulturtheorie daher noch weit davon entfernt ist, über ein adäquates methodisches Instrumentarium zu verfügen. Es dominieren empirisch-deskriptive Theorien, die den Kulturbegriff so abstrakt-inhaltsleer fassen, daß er nur noch für die symbolischsemiotische Konstruiertheit von Lebenswelt überhaupt steht oder zuletzt semantisch mit "Zivilisation" im allgemeinen zusammenfällt. Für Zwecke konkreter Kultur- und Zivilisationskritik ist ein derart undifferenzierter Kulturbegriff nicht mehr zu gebrauchen. Ja, nicht einmal systematische Deskription leistet er noch, da schon Klassifikationsversuche von Kulturtypen unter den Verdacht politischer Unkorrektheit gestellt werden. Der Verzicht auf systematisierende Kritik erzeugt denn auch den Eindruck von Beliebigkeit, den die meisten aktuellen sogenannten kulturwissenschaftlichen Arbeiten vermitteln.
Der Beitrag skizziert ein Projekt, das die Generierung impliziter Assertionen in literarischen Fiktionen untersucht, also auf die reale Welt bezogene Propositionen, die die jeweilige Fiktion nahelegt, ohne sie explizit zu formulieren. Im Rahmen des Projekts werden literaturtheoretische Fragestellungen mit Methoden aus dem Bereich der Digital Humanities verknüpft.
Oder - ist er doch frei?
(2005)
Die Arbeit beschäftigt sich mit der interdisziplinären Kontroverse um die Willensfreiheit. Es wird aufgezeigt, dass, unter Einbezug der heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und deren Grenzen, es immer noch möglich ist, eine Willensfreiheit mit der damit verbundenen Verantwortung in der starken Begriffsform von Kant im Sinne eines Kausalneuanfangs anzunehmen. Die Hinführung zu einer positiv bejahten Willensfreiheit erfolgt entsprechend der Beweisführung Kants. Es werden neuro- und naturwissenschaftliche Erkenntnisgrenzen und Widersprüche (inhaltlicher und methodischer Art) aufgezeigt, und es wird so ein „Spielraum“ für eine theoretisch denkbare Willensfreiheit eröffnet. Dieser theoretisch denkbare Raum wird mit Hilfe empirischer Studien mit der aus der Praxis erforderlichen Annahme einer praktischen Willensfreiheit ausgefüllt. Neurowissenschaftliche, genetische und sozialwissenschaftliche Studien zeigen hierbei auf, dass das Gehirn wegen seiner Plastizität nur ein Glied in einer Kausalkette ist und deswegen zu keiner Falsifikation einer Hypothese von einem Kausalanfang, das heißt der Willensfreiheit, dienen kann. Die praktische Umsetzung der Willensfreiheit wird einerseits durch die Zuhilfenahme des Informationsbegriffes, der neurowissenschaftliche und philosophische Kategorien umfassen kann, und andererseits durch das Konzept eines emotionalen Gleichgewichtes zugelassen. Letzteres stellt den Zustand im Menschen dar, der als informationelles Patt einen nicht vorhersagbaren Kausalneuanfang ermöglicht. Dieser ist in jedem Menschen als Freiheitspotential angelegt, mit dem allerdings in einer aktiven Weise gearbeitet werden muss, damit Freiheit zur Geltung kommen kann. Letzteres ist von Bedeutung hinsichtlich kultureller Veränderungen, technischer Innovationen, Therapien, Motivationen, Identifikationen und vieler anderer menschlicher Potentiale.
In der vorhandenen Sekundärliteratur zu Georg Lukács' "vormarxistischem" Frühwerk findet man allzu oft Interpretationen, die - wie Christian Schneider einmal treffend notierte - "einsinnig auf den Zügen von Lukács' theoretischer Physiognomik" insistieren, "die eine lineare Konstruktion des Gesamtbilds erlauben". Manchmal zeitigte zwar diese Forschungslinie wichtige Befunde - aus heutiger Sicht muss sie aber als unangemessen betrachtet werden, da sie den Fokus der Interpretation verengte: Unabhängig davon, von welcher ideologischen Warte aus Lukács' marxistische Wende Ende 1918 positiv oder negativ beurteilt wurde, suchte man aus dem Frühwerk hauptsächlich diejenigen Elemente heraus, die seine Entwicklung zum späteren marxistischen Werk dem Anschein nach verständlich machten. Gleichwohl kann man vielleicht nach dem Ende des Kalten Krieges ohne Vorentscheidungen an die frühen Texte Lukács' herangehen; man kann zumindest versuchen, sie neu zu verstehen, was sich eventuell von Vorteil auch für ein neues Verständnis seiner späteren intellektuellen Entwicklung erweisen könnte. Das Frühwerk Lukács' ist geprägt von einer inneren Verbindung zwischen einer starken kulturkritischen Empfindlichkeit und einem lebhaften literaturwissenschaftlichen Interesse. Lukács' Hauptidee ist einfach: Er diagnostiziert eine grundlegende Problematik der modernen Kultur, deren Widerspiegelungen an den modernen literarischen Formen "abgelesen" werden können. Letztere sind von derselben romantischen "Frivolität" wie das relativistische Zeitalter charakterisiert, in dem sie erscheinen. Diese Entsprechung zwischen der Problematik der modernen literarischen Formen und der modernen Sozial- und Kulturstrukturen war schon Lukács' Leitidee in seinem Erstlingswerk 'Entwicklungsgeschichte des modernen Dramas'. In seinem zweiten Buch 'Die Seele und die Formen' - das neben der Theorie des Romans von 1916 zu den berühmtesten seines Frühwerks zählt -, versuchte er dann durch eine "metaphysische Vertiefung" die weltanschaulichen Kriterien seiner Kulturkritik der Moderne essayistisch zu untermauern. Im Folgenden möchte ich mich auf diesen Essayband konzentrieren, um - gestützt auf die Interpretationslinie, die ich anderswo umrissen habe - eine neue, umfassende Lektüre dieses Werks vorzuschlagen.
In diesem Beitrag werde ich versuchen, zwei auf den ersten Blick recht disparate Stränge des 'Kultur'-Diskurses miteinander in Beziehung zu setzen: den politisch-interdiskursiven Gebrauch von 'Kultur' und den begriffspolitisch interessanten Versuch populärer Evolutionsbiologen, den Kulturbegriff biologisch zu erden bzw. umzudefinieren. Beide Stränge partizipieren hierzulande nolens volens an den konnotativen Ladungen, die 'Kultur' angesammelt hat, und beide Stränge sind dabei, Gewicht und Verteilung dieser Ladungen erheblich zu verändern.
Im Folgenden möchte ich Aspekte der Dynamik des Überlebensbegriffs anhand der Untersuchung einiger kultureller Stränge verfolgen, die sich in der westdeutschen Survival-Bewegung der 1980er Jahre kreuzen. Da es keine umfassende Darstellung und auch keine akademische Literatur zum Thema gibt, möchte ich vor allem einen ersten Versuch der Eingrenzung und Lesart der Survival-Bewegung vorschlagen und untersuchen, welcher Überlebensbegriff hier zum Tragen kommt.
Der nachfolgende Beitrag behandelt den sprach- und kulturkritischen Impetus in Rilkes Gedichtsammlung "Aus dem Nachlaß des Grafen C. W.". Die Texte entstanden im November 1920 beziehungsweise im März 1921. Teils wegen Rilkes Distanzierung von diesem Werk, teils weil die Gedichtsammlung thematisch wenig Neues bringt, bildet "Aus dem Nachlaß des Grafen C. W." ein Desiderat der Rilke-Forschung, obwohl der Gedichtzyklus eine interessante Vorstufe zu den Duineser Elegien darstellt.