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Konstantin Ėduardovič Ciolkovskij (1857–1935), ein menschenscheuer, fast tauber Sonderling aus der Provinzstadt Kaluga, der als Lehrer für Mathematik und Physik an einer Realschule sein bescheidenes Auskommen fand, gilt als 'Großvater' des sowjetischen Raumfahrtprogramms. Seit den späten 1870er Jahren suchte er nach Wegen, wie der Mensch die Gravitation überwinden und in den 'freien Raum' gelangen könne. Zunächst dachte er daran, die Fliehkraft zu nutzen, doch erkannte er 1896, dass zum Vordringen in den Weltraum nur ein Flugapparat mit Rückstoßantrieb geeignet sein werde. Im selben Jahr schlug er in einem Zeitungsartikel vor, mit den Bewohnern anderer Planeten Kontakt aufzunehmen. Zu Ciolkovskijs wegweisenden Raumfahrtideen gehören die Entwürfe mehrstufiger Raketen ('Raketen-Züge') mit flüssigem Treibstoff, die Pläne bemannter autarker Raumstationen ('Kosmokolonien') sowie die Beschreibung der Überlebensbedingungen in Raumfahrzeugen.
Dass Jurij Gagarin mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Weltraumflug noch eine politische Symbolkraft für die zivilgesellschaftliche Opposition entfalten kann, ist auf den ersten Blick höchst erstaunlich und zugleich symptomatisch. Erstaunlich, weil Gagarin Zeit seines Lebens ein Mann des sowjetischen Systems, des Militärs und der Macht war, der alle Privilegien der Nomenklatura genoss und alle Positionen der Herrschenden vertrat, also für jede Oppositionsbewegung eigentlich ein rotes Tuch sein müsste. Symptomatisch aber ist seine exzeptionelle Verehrung zugleich, da er zwar die offiziellen Parolen von Freundschaft und Frieden (Družba i mir) wie kein anderer verkörperte, diese aber in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Person gerade nicht mit einer diesseitigen zivilgesellschaftlichen Reform des Alltagslebens verbunden waren. Denn egal welche politischen Positionen er auch vertrat, der Held aller Herzen blieb er aufgrund seines Weltraumflugs, der vor allem maximale ideologische und imaginäre Ferne von den Polen der Macht und der Politik verhieß: Seine leibhaftige Person versprach als "Kolumbus der Sternenozeane" (Kolumb zvezdnych okeanov) und "Himmelssohn" Ausbruch aus dem irdischen Elend und überirdische Erlösung. Schaut man sich diese ambivalente Konzeptualisierung von Gagarin als Gründungs- und Identifikationsfigur einer russischen Zivilgesellschaft jedoch näher an, stellt man fest, dass sie Produkt verschiedener, teils parallel, teils sukzessiv verlaufener Konstellationen und Genealogien ist. Hinter Gagarin als Kulturheros verbergen sich unterschiedliche religiöse, philosophische und kulturelle Konzepte und Muster, was gerade die Attraktivität und Langlebigkeit seines Mythos sicherte. Für die einen stand er noch fest auf dem Boden der sozialistisch-realistischen Heldenkonzeptionen, so wie sie für den Kulturheros der Stalinzeit entwickelt worden sind (Abschnitt 2), für andere war er vor allem der Himmelsbote, der ein höheres – extrapolierendes – Wissen aus den Weiten des Weltraums zur Erde brachte (3). Andere brachten ihm als identitätsstiftender Erinnerungsfigur wiederum eine nahezu kultische Verehrung entgegen (4), während sich sein imaginärer Körper in einer globalisierten Populärkultur zu einer an keine bestimmten kollektiven Zugehörigkeiten und Gesellschaftsprojekte gebundenen Ikone des Fortschritts entwickelte (5). Sein zum geflügelten Wort gewordener Ausruf "Poechali!" - "Los geht’s!", den er kurz vor seinem Weltraumflug äußerste, wurde als Aufbruchssignal in eine ungewisse Zukunft ganz unterschiedlich rezipiert.
Dieses 'richtige' Sehen des Zeugen, das im Gerichtstheater entwickelt und eingeübt wird, hat indes nicht nur Konsequenzen für die Rechtsprechung, sondern auch für die Künste. In diesem Modell der Zeugenschaft ist eine Theorie von Rezeption versteckt, die Wahrnehmung und Perzeption immer dem Bewusstsein und der Apperzeption nachordnet: Sinnliche Wahrnehmung ist erstens nur dann etwas wert, wenn die Wahrnehmungsperspektive bereits eingestellt ist, wenn also die ideologische Brille bereits aufgesetzt ist. Zweitens ist die Rezeption nicht einfach passiv, das Ereignis der Rezeption nicht unbedingt vorgängig. Ganz im Gegenteil wird ein Modell von aktiver Rezeption, in unserem Fall von "aktiver Zeugenschaft" entwickelt, in der das Ereignis überhaupt erst geschaffen wird. Drittens antizipiert das Konzept des Bekenntniszeugen das Masternarrativ des sozialistischen Realismus, die Entwicklung zum 'richtigen' Sehen, die man in den 1930er Jahren auch in den großen Romanen wiederfindet . Wir möchten nun diesen neuen Zeugentypus, den wir nicht Bekenntniszeugen, sondern in Anlehnung an Lenins Geschichtsbegriff "Bewusstseinszeugen" nennen, in seinen vielen Facetten vorstellen und diskutieren, wie das Gerichtstheater mit diesem Zeugen ein Rezeptionsmodell entwirft, das gesellschaftlich, juristisch und ästhetisch wirksam wird.
Das zunächst wissenschaftlich geprägte Interesse an mündlicher Dichtung verlagerte sich rasch in Richtung auf eine Popularisierung von Volksdichtung. [...] Eine zentrale Figur bei dieser Popularisierung war der Übersetzer und umtriebige Journalist Vsevolod I. Kuznecov, dessen Übersetzungen eines bis dahin unbekannten kasachischen Sängers namens Maibet auf großes Interesse stießen. [...] Da jedoch Maibet trotz intensiver Bemühungen unauffindbar war, einigte sich das Festkomitee darauf, statt Maibet den lokal bekannten, 80-jährigen, des Russischen nicht mächtigen und schriftunkundigen Džambul Džabaev in die kasachische Delegation aufzunehmen, damit er ein Poem zu Ehren Stalins dichtete [...]. Bei der mysteriösen Unauffindbarkeit Maibets, der Džambul Džabaev letztlich seine Entdeckung und seinen Aufstieg in das Pantheon sowjetischer Kulturheroen verdankt, handelt es sich um eine Mystifikation des Übersetzers Kuznecov, der unter dem Namen Maibet Übersetzungen von nicht existenten Originalen fingiert hatte. [...] Bei all ihrer Kuriosität wirft diese Mystifikation aber auch ein Licht auf das von Kuznecov und anderen betriebene Übersetzungsmetier. Sie stellt in gewisser Weise eine radikale Konsequenz dar, aus einer an den Maßgaben der sowjetischen Massenkultur sich ausrichtenden Übersetzungsarbeit. Diese orientiert sich keineswegs am philologischen Ideal der semantischen Treue zum Original, sondern besteht in einer schöpferischen Hervorbringung von Texten, die durch eine in Rohübersetzung vorliegende fremde Rede des Originals angeregt wird, ohne dass dabei der schöpferische Übersetzer der Sprache des Originals kundig ist. [...] Auf einem solchen "intuitiven" und "künstlerischen" Übersetzungskonzept beruhen die Džambul zugeschriebenen Texte. Dass diese mit den vermeintlichen Originalen kaum etwas zu tun haben, war von Anfang an ein offenes Geheimnis, aber gleichwohl ein strikt gehütetes Tabu. [...] Diese Eigentümlichkeit der Übersetzung der Džambul zugeschriebenen Texte, soll im Weiteren im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Jurij Murašov zeigt, wie in der "künstlerischen" und "intuitiven" Übersetzungsarbeit, die im Namen des Volkssängers Džambul Džabaev Kuznecov und andere Übersetzer und Schriftsteller betreiben, Texte entstehen, die eine spezifische, für die sowjetische Kultur grundlegende mediale Poetik (re-) produziert und die dann über die Zuschreibung auf die empirische Figur des Džambul Džabaevs massenmedial popularisiert werden kann. Es ist eben diese Poetik, durch die nicht nur der Volkssänger Džambul seinen eigenen Platz im Pantheon der sowjetischen Kulturheroen behauptet, sondern die letztlich den medialen Mechanismus ausmacht, über den sich die Kultur des Sowjetischen als Ganzes begründet.
Im geographischen Areal der ehemaligen Sowjetunion existiert ein fast dreihundertjähriges Wechselverhältnis zwischen dem Feld der Macht und dem Feld der Literatur (und Kunst). Das "Denkmal" fungiert als Medium dieses Wechselverhältnisses, als ein Relais, das das Oszillieren des Heroischen zwischen dem Politischen und dem Künstlerischen, vom Staatslenker zum Künstler und zurück ermöglicht. Im Folgenden verfolgt Zaal Andronikashvili die Entstehung und Rezeption des Kulturheros aus und im Denkmal in fünf Schritten. Im ersten Schritt geht er auf die Aporien des Denkmals als eines absolutistischen Repräsentationsmediums ein. Der absolutistische Monarch ist zwischen dem Anspruch auf die ewige Präsenz und der nekrotischen Semantik des Denkmals hin- und hergerissen: er ist einerseits lebendig und immer präsent, andererseits erhebt er diesen Anspruch in und durch die Maske verstorbener Heroen. Im zweiten Schritt geht er den Konsequenzen nach, die die Einführung monarchischer Repräsentationsformen im Medium der Vollplastik im orthodoxen religionskulturellen Kontext hat: Sie setzt ikonoklastische Ressentiments frei und aktualisiert idolatrische Gefühle. Das Denkmal wird semantisch mit den Qualitäten des ambivalenten - sowohl heil- als auch unheilspendenden - Heros aufgeladen. Im dritten Teil untersucht Andronikashvili die künstlerische Kritik an solchen absolutistischen Repräsentationsformen sowie Fragen der Repräsentierbarkeit eines Künstlers am Beispiel der Denkmal-Gedichte von Aleksandr Puškin. Diese ist zugleich ikonoklastisch und ikonodul. Als ikonoklastische Kritik prangert sie das Gemachte, Künstliche, Tote der Repräsentation an. Der Künstler eignet sich aber auch monarchische Repräsentationsformen an, selbst wenn er sie sakral (freilich nicht im religiösen Sinne, sondern als Freiheitskampf) umdeutet. Dadurch begründet der Künstler einerseits einen vom Monarchischen unabhängigen politisch-poetischen Raum, andererseits übernimmt er sowohl die heilspendende als auch die nekrotische Semantik des Heros. Im vierten Teil verfolgt Andronikashvili die Transformation der künstlerischen Rezeption des Denkmals als Metapher zum tatsächlichen Denkmal des Künstlers im Russland des 19. Jahrhunderts. Im letzten Schritt wird gezeigt, wie die ikonoklastische Rezeption der Avantgarde den Künstler von seinem (metaphorischen) Denkmalpostament stürzt und das Künstlerische im Zuge der Oktoberrevolution wieder dem Politischen unterordnet. Die dadurch entstandene Leerstelle des Künstlerischen wird wiederum von der politischen Führer-Repräsentation gefüllt, die nicht nur die Erbschaft monarchischer Repräsentation, sondern auch die der kulturheroischen Repräsentation antritt.
Nachdem das letzte sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow 1986 die Perestroika und die Glasnost, d.h. die Meinungsfreiheit in der UdSSR, verkündete, wurde der gesamte Sowjetstaat innerhalb weniger Jahre zum Schauplatz ethnischer und nationaler Spannungen. Den Untergang des multinationalen Imperiums war von Konflikten und militärischen Auseinandersetzungen zwischen den einst 'brüderlich' miteinander lebenden und für den Kommunismus aufbauenden Völkern begleitet. Nun kämpften sie sogar mit aller Brutalität gegeneinander. Die einstigen Nachbarn und Freunde erhoben sich gegeneinander, als ob sie auf den Moment gewartet hätten, ihren Hass freizusetzen. Der ethnisch motivierte Hass war nicht selten der erste Ausdruck der Meinungsfreiheit. Die Sowjetunion, die sich 70 Jahre lang als festgefügte Union "freier" und "brüderlicher" Völker inszenierte, zerbrach genau an dieser Stelle - am Konzept der Völkerfreundschaft. Besonders schwer betroffen war der gesamte Kaukasus, wo in Berg-Karabach auch der erste bewaffnete Konflikt ausbrach. Die ethnisch-kulturelle Vielfalt dieser Region wurde den dort lebenden Völkern zum Verhängnis. Die Situation ließe sich treffend mit den folgenden Worten Primo Levis beschreiben: "Viele, ob Individuen oder Völker, können mehr oder minder bewusst dem Glauben anheimfallen, dass 'jeder Fremde ein Feind ist'". Die Feindschaft, die der Entfremdung entsprang, ent-fremdete die Menschen voneinander vor allem hinsichtlich ihrer Herkunft und ihrer ethnischen Zugehörigkeit. In den ehemaligen Teilrepubliken betrachtete man nun die autonomen Republiken oder Gebiete als tickende Minen im Körper eines nach Unabhängigkeit strebenden Landes, die man daher als erstes unschädlich machen sollte. Diejenigen "nationalen Minderheiten", die über keine administrativ-territorialen Gebilde innerhalb der Republiken verfügten, ursprünglich aus anderen Sowjetrepubliken stammten oder die sich auf Grund ihrer Abstammung einem anderen, jetzt eigenständigen Land zuordnen ließen, wurden nun zu 'Gästen' erklärt.
Vor dem Hintergrund der stalinschen Nationalitätenpolitik und des propagierten Bildes von der UdSSR als einer in "brüderlicher Freundschaft" vereinten "Völkerfamilie" kam der zeitlichen Nähe beider Dichterjubiläen eine besondere Bedeutung zu. Bereits der erste sowjetische Schriftstellerkongress im Spätsommer 1934 diente als Bühne einer akribisch vorbereiteten Inszenierung der "nationalen Vielfalt" der Sowjetliteratur. Diesem propagandistischen Ziel entsprach die Absicht, in pompösen Jubiläumsfeiern jeweils national tradierte Dichterbilder an die veränderten ideologischen Prämissen anzupassen. Jede Möglichkeit, ein rundes Datum für eine öffentliche Inszenierung der sowjetischen Kulturheroen zu (er)finden, wurde wahrgenommen. In der Forschung ist gezeigt worden, dass sich der sowjetische, staatlich organisierte Dichterkult leichter mit toten Dichtern umsetzen ließ, da sich diese einer politisch motivierten Manipulation ihrer Texte und ihrer Biographien nicht mehr widersetzen konnten. Nachfolgend werden am Beispiel der 1937 sowjetweit begangenen Jubiläen von Puškin und Rustaveli einige Strategien untersucht, mit denen sie als sowjetische Kulturheroen inthronisiert wurden.
Im Folgenden werde ich in vier Schritten die Möglichkeit einer historischen Neuschöpfung des freien Raumes nach der Katastrophe des sowjetischen Totalitarismus aus der Bewusstseinsphilosophie Merab Mamardašvilis ableiten. Im ersten Schritt stelle ich Merab Mamardašvili und den Kontext seiner Bewusstseinsphilosophie vor. Im zweiten Schritt werde ich auf sein Verständnis des freien Raumes eingehen. Der freie Raum entsteht, wenn der biologische Mensch zum kulturellen Menschen wird, d. h. wenn er kraft seiner persönlichen Anstrengung einen "Denk-Akt" bzw. "philosophischen Akt" vollzieht und dadurch aus dem Bereich des Individuellen in den Bereich des Universellen übertritt. Mamardašvilis Versuch, dieses Modell auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zu übertragen, kann als Kommentar zum Spätwerk Kants gelesen werden, auf den ich in einer Art Exkurs im dritten Schritt eingehe. Im vierten und letzten Schritt wird gezeigt, dass Mamardašvili, anders als Kant, nicht von der Begründung bzw. Begründbarkeit des ständigen und unausbleiblichen Fortschritts der Menschheit zum Besseren ausgeht, sondern umgekehrt von der ständigen Bedrohung des Kulturzustands durch einen Rückfall in die Anomie und Amorphie. Deswegen reichen, anders als bei Kant, allein die empirischen "rechtlichen" Gesetze nicht aus, um einen Fortschritt zum Besseren zu garantieren. Für Mamardašvili müssen vielmehr die Gesetze des Bewusstseins ständig zur Geltung kommen. Sie sind einerseits Bedingung endlicher kultureller Formen (z. B. empirischer Gesetze oder des Nationalstaats), die Mamardašvili als Träger des Unendlichen bzw. des Universellen versteht. Andererseits müssen die Gesetze des Bewusstseins ständig durch die Anstrengung der Menschen zur Geltung gebracht werden, damit man nicht in den Zustand der Anomie und Amorphie zurückfällt. Gerade daran, ob die Gesetze des Bewusstseins zum Ausdruck kommen oder nicht, knüpft Mamardašvili die Möglichkeit einer historischen Schöpfung an.
Die Schuluniform ist bis heute umstritten. Befürworter betonen, sie überbrücke soziale Unterschiede, nivelliere den Konkurrenzdruck durch die Fixierung auf teure Markenartikel und fördere so den Zusammenhalt der Kinder untereinander. Kritiker hingegen sehen in der Schuluniform ein Instrument der Disziplinierung und folglich das Bestreben, Kindern ihre Individualität zu nehmen. Im Russischen Imperium wurde die einheitliche Schuluniform für Gymnasiasten - russisch: 'mundir' (von 'Montur' bzw. Uniformrock) - 1834 eingeführt, im Zuge der Kodifizierung von Ziviluniformen für Staatsbeamte. Eine entsprechende Verfügung für Mädchen folgte erst Ende des 19. Jahrhunderts.
Als Erfinder sind Kulturheroen mit jener "instrumentellen Vernunft" ausgestattet, die das Denken der Moderne im Guten wie Schlechten prägte. Die Heroen verfügen meist auch über eine spezielle Physis und technologisches Talent. Als Trickster- oder Schelmenfigur überwinden sie alle Hindernisse. Niemand sonst verkörperte dieses heroische Idealbild besser als der sowjetische Wissenschaftler, der keine gottgegebenen Grenzen akzeptierte und systematisch an einer Entzauberung der Natur arbeitete. Wenn Heroen Göttliches usurpieren, erhalten sie gottgleichen Status und gehören daher zwei Sphären an. Als Doppelwesen repräsentiert der Kulturheros eine halbherzige Säkularisierung - löst doch die Epoche der Heroen nach der Revolution die Ära der Götter ab, ohne die religiöse Verehrung ganz aus der Welt zu schaffen. Erich Voegelin diagnostizierte bereits 1938 bei den modernen politischen Massenbewegungen in Deutschland und in der UdSSR Säkularisierungen des religiösen Glaubens, die zu "politischen Religionen" werden. In der Moderne können gewöhnliche Menschen durch para-religiöse Rituale und durch medialisierten Kult selbst zu Heroen werden. In der UdSSR war eines der wichtigsten Medien zur Produktion von Heroen der vom Staat finanzierte Kinofilm für Millionen von Zuschauern. In ihm geschah diese Heroisierung durch den Schauspieler, der den Wissenschaftler als göttlich-heroisches Doppelwesen auf der Leinwand performiert. Die Heroisierung beginnt durch die Einführung der das Gesicht verändernden Maske in den Filmbiographien von Wissenschaftlern der 1930er Jahre. [...] Die untersuchten Filmbiographien befinden sich in einem sowjetischen und einem internationalen Gattungskontext. Durch den Vergleich der medialen Konstruktion des Heroischen kann die Genese des sowjetischen Genres der Filmbiographie rekonstruiert werden. Weiter kann man fragen, in welcher Hinsicht das Medium des Films für die Konstruktion der kulturstiftenden Rolle des russischen Wissenschaftler-Heros geeignet war. Eine zentrale Rolle kommt dem Verfahren der Maske zu, die die Heroen tragen und so über ihre Kultur Aussagen treffen.