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Trans_Konzepte dienen der Beschreibung kultureller Formationen, die gegen binäre oder dichotomisierende Ordnungsstrukturen Offenheit, Vernetzung und Prozesshaftigkeit setzen. Ein großer Vorteil dieses methodischen Zugriffs liegt darin, dass das Untersuchungsfeld des ›Trans_‹ weder kulturhistorisch noch geopolitisch gebunden ist und somit auch einen innovativen Zugang zu historischen und längst kanonisierten Texten eröffnet – oder aber bereits beobachtete, textinterne Bewegungen beschreibbar macht. So lässt sich auch Ovids 'Narcissus et Echo' als Szenario der Trans_Geschlechtlichkeit lesen. Sobald man den Fokus der Lektüre nicht auf die Autoerotisierung der Hauptfigur legt, sondern den Text von seinem Ausgangspunkt her – der Vergewaltigung von Liriope durch ihren Vater – begreift, werden weitere textimmanente Prozesse sichtbar, die eine Bewegung des ›Trans_‹ abbilden. So lässt sich Narziss als eine psychische Auslagerung seiner Mutter verstehen, die sich nach dem gewaltsamen Zugriff auf ihren Körper im geschlechtlich Polyvalenten einen neuen Existenz- und Wahrnehmungsraum schafft. Narziss erscheint darin als geschlechtlich entortet und anhand mehrerer Spiegelungen nicht auf eine eindeutige 'Substanz' oder 'Natur' zurückführbar.
Relevant für kulturtheoretische Reflexionen im engeren Sinne wurden 'Trans-Konzepte', also etwa Transnationalität, Transkulturalität oder Transgender, erst in dem Moment, in dem die zu überschreitenden Grenzen, die zu transzendierenden Entitäten als Einschränkung, ideologische Verblendung, Herrschaftsformation oder affirmative Systemreproduktion angesehen wurden. Dabei ist die vielfach diskutierte Problematik, die darin besteht, dass nur stabile und relevante Grenzen überhaupt transgrediert werden können und zudem dieser Akt selbst so etwas wie eine Bestätigung der bestehenden Systeme sein kann, nur dann ein Problem, wenn die Identitäten, die Systeme, die Ordnungseinheiten als fundamental dysfunktional oder gar schädlich angesehen werden. Überlegungen, die sich an diesen Band sinnvoll und produktiv anschließen könnten, sind nicht ganz leicht anzustellen. Einen Ausblick auf das Kommende bieten zu wollen, ist immer schwierig. Die Frage, was nach 'trans' kommt, ist ähnlich schwer zu beantworten wie diejenige nach dem Nachfolger der 'Post'- Konstruktionen.
Transkulturalität, Transnationalität, Transgender, Transspecies – Innerhalb des letzten Jahrzehnts erleben die politischen und wissenschaftlichen Debatten um Theorien, die sich dem Präfix 'trans-' (lat. 'jenseits, über, über – hin') verpflichtet sehen, eine bemerkenswerte Konjunktur. Grundlegend verbindet sich mit diesen Konzepten die Vorstellung eines übergreifenden und umfassenden Diskurses, der für durchlässige Konturen plädiert. Analytisch ermöglichen die Theorien des 'trans' die konzeptuelle Erfassung von Phänomenen, die sich in einem Prozess des Werdens befinden und aus entgegengesetzten Strukturen, Logiken, Dynamiken und Funktionsweisen bestehen. 'Trans' verweist folglich nicht auf geschlossene Identitätsvorstellungen, sondern enthält fluide Grenzverläufe. Die damit verbundenen subversiven Vorstellungen finden sowohl verstärkt Gehör in gesamtgesellschaftlichen Kontexten als auch innerhalb wissenschaftlicher Disziplinen, die sich abseits einer Fortschreibung kanonischer Inhalte neu konzipieren.