Refine
Year of publication
- 2010 (4) (remove)
Document Type
- Part of a Book (4) (remove)
Language
- German (4) (remove)
Has Fulltext
- yes (4)
Keywords
- Literatur (4) (remove)
Im Kompilationsschrifttum der Frühen Neuzeit bildet die Tragica- und Criminalliteratur eine eigene Masse. In zahllosen Historien wird ein Schreckenspanorama ausgebreitet. Vergehen mit bösen Folgen laufen auf große Verbrechen hinaus, Lug und Betrug, Liebesverirrung und Ehebruch auf Todschlag und Mord mit spätestens hier sinnverwirrten, besessenen und getriebenen Tätern. [...] Es kommt aber eine ebenso extreme, harsche Normierung hinzu. Zur Geschichte der Tat gehört unweigerlich die Hinrichtung des Täters. Die Mordnachrichten sind damit eigentlich Exekutionsberichte. Die Texte dienen auch dem Erweis 'guter Policey', die hier Zeichen setzt für die Konsolidierung der politischen und sozialen Systeme im Prozess der Frühen Neuzeit.
Den Menschen als Abbild Gottes aufzufassen, war mehr als nur eine theologische Richtungsentscheidung im spätantiken Europa. Sie betraf auch die Literatur. Grundsätzlicher als bisher von den Literaturgeschichten in den Blick genommen, ist die Bedeutung der christlichen Anthropologie für die europäische Literatur – das ist die These, die hier plausibilisiert werden soll. Doch nicht so, als dass diese europäische Literatur seit der Spätantike einfach christlich in ihren Themen noch in ihren Formen geworden wäre. Das ist sie sicherlich auch vielfach der Fall, man denke nur an die Durchsetzung etwa des Codex anstelle der Buchrolle, der Entfaltung neuer Gattungen wie der Legenden oder christlicher Moralvorstellung in den Büchern von Sebastian Brant bis Dostojewski. Vielmehr so, dass die europäische Literatur eine andere geworden ist, weil sie sich mit der christlichen Auffassung vom Menschen als Abbild Gottes auseinanderzusetzen hatte. Denn diese Lehre stellt die Literatur und andere Künste grundsätzlich in Frage, eben weil sie den Menschen so radikal in Frage stellt.
Der Beitrag nimmt kritisch Stellung gegen das populäre Konzept der 'Gefühlsübertragung', mit dem sowohl realweltliche Empathieprozesse als auch das Verhältnis zwischen literarischer Figur und Leser oft beschrieben werden. Am Beispiel der Emotion Mitleid werden vier Kategorien psychischer Prozesse unterschieden: (a) eine emotionale Reaktion auf einen (literarisch) präsentierten Stimulus, (b) emotionale Ansteckung, (c) sentimentale Rührung und (d) Empathie (verstanden als eine beliebig komplexe kognitive Operation, die zu einer mentalen Repräsentation eines fremden Gemütszustands führt). Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der sinnlichen Qualität empathischer Vorstellungen, von der das Missverständnis der 'Gefühlsübertragung' seine intuitive Plausibilität gewinnt und die seit der Entdeckung so genannter Spiegelneuronen oft mit Empathie gleichgesetzt wird. Im Unterschied zu einigen populärwissenschaftlichen Verlautbarungen vertrete ich die Ansicht, dass neuronale Spiegelungsprozesse wahrscheinlich stärker an Ansteckungs- als an Empathieprozessen beteiligt sind.