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Stumme Diener, menschliche wie nichtmenschliche, sind entgegen ihrer Bezeichnung "things that talk", Stumme Diener können gar nicht anders, als doch zu reden. Ihre abgewandten, verstellten Stimmen, ihr Flüstern und Murmeln bei halbgeöffnetem Mund gilt es zu vernehmen. Nicht nur der Subalterne spricht, auch die Dinge. Sie können gar nicht anders als im Modus des Stummgeschaltet-Seins dennoch mitzureden mit Hilfe der um sie herumgelagerten Geschichten. Stumme Diener sind Medien, die Sprechen machen.
Die biopolitischen Projekte der Lebensverlängerung und Todesüberwindung im Kontext der russischen Moderne legen geradezu nahe, sie unter dem Label einer 'Fortschrittsutopie' zu subsumieren. Es ist ein in der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte regelmäßig wiederkehrender Tenor, die Hoffnung auf die Erlangung der Unsterblichkeit mit wissenschaftlich-technischen Methoden als Inbegriff und Gipfel des maßlosen Fortschrittsglaubens der Neuzeit zu betrachten. Dabei gelten Russland und erst recht das sowjetische Imperium als Brutstätte und Experimentierfeld utopischen Denkens. In der Tat verband sich mit dem kommunistischen Projekt des Neuen Menschen eine quasi-eschatologische Verheißung der diesseitigen Erlösung. Dabei richteten sich anfangs alle Erwartungen darauf, dass die medizinische Wissenschaft Pathologien, Leiden und selbst den (vorzeitigen) Tod ein für alle Mal verschwinden lassen werde. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die parteioffizielle Ideologie ein ambivalentes Verhältnis zur Idee der Unsterblichkeit hatte und der sogenannte wissenschaftliche Immortalismus in der Sowjetunion nie wirklich Fuß fassen konnte. Diesen Ambivalenzen widmet sich der vorliegende Beitrag aus wissenschaftshistorischer Perspektive.
Coming-out / Outing
(2018)
Im Deutschen hat sich ein Anglizismus eingebürgert, der aus zweien eins macht; die ursprüngliche Bedeutung von Coming-out wird dabei auf Outing übertragen. Das "Anglizismen-Wörterbuch" definiert 'outen' als "homosexuelle Personen, insbes. Prominente, gegen ihren Willen in der Öffentlichkeit bloßstellen, indem man ihre Homosexualität preisgibt"; 'Outing' als "Bloßstellen von homosexuellen Personen, insbes. von Prominenten, gegen deren Willen in der Öffentlichkeit". Während der Eintrag zu 'Coming out' im selben Wörterbuch gerade eben eine halbe Seite lang ist, finden sich zu 'outen' und 'Outing' mehr als anderthalb Seiten. So sehen Erfolgsgeschichten aus. Denn das Verb 'outen' hat lexikographisch signifikante Bedeutungserweiterungen erfahren, so dass gleich drei weitere Bedeutungen angegeben werden, "kleine Schwächen, Schönheitsfehler etc. von Prominenten gegen deren Willen öffentlich bekanntmachen", und schließlich: "von sich selbst (unfreiwillig) in der Öffentlichkeit zugeben, daß man in einem best. Bereich in seinem Lebenswandel von der Mehrheit abweicht, bes. Schwächen oder Vorlieben hat". Das Wörterbuch weiß um die Fährnisse des translingualen Verkehrs und fügt erläuternd hinzu, das outen als reflexives Verb in englischen Wörterbüchern nicht existiert, '*to out oneself' ist nicht möglich. Das intransitive 'to come out' lässt sich weder syntaktisch noch semantisch mit dem transitiven 'to out somebody' kurzschließen. Wenn 'outen' aber auch "von sich selbst in der Öffentlichkeit zugeben, daß man homosexuell, bisexuell etc. ist" bedeuten kann, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis Outing Coming-out vollständig verdrängt haben wird. Mehr und mehr ist heute so auch schon von Selbst-Outing die Rede.
Die programmatische Allgegenwart des 'Sozialen' nährt den Verdacht, wir hätten es hier mit einem leeren und nichtssagenden Plastikwort zu tun, das vielleicht gebildete Dignität und moralisches Engagement vortäuscht, aber semantisch durchaus nicht zu fassen ist, weil es eben nichts Bestimmtes zu bedeuten vermag. Clemens Knoblochs These ist hingegen, dass 'sozial' in den Jahren um 1900 zu einer semantischen Chiffre wird, in der sich die Erfahrung reflexiv verdichtet, dass die dringlichsten Probleme der industriekapitalistischen Entwicklung diejenigen sind, die durch diese Entwicklung selbst erst hervorgebracht werden. Platt gesagt: die unbeabsichtigten Nebenfolgen des allgemeinen Fortschritts: Pauperisierung breiter Bevölkerungsschichten, Landflucht, Proletarisierung, Stockungen im Warenabsatz, Armuts- und Elendsseuchen, Analphabetismus etc. müssen sowohl 'staatlich' als auch 'gemeinschaftlich' bearbeitet werden. Mittels 'sozial' erhalten all diese (im Schlagwort der "sozialen Frage" resümierten) Probleme so etwas wie eine Adresse. Und fortan wird 'sozial' programmatischer Bezugspunkt all dessen, was sich auf die unerfreulichen Folgen und Begleiterscheinungen der kapitalistischen 'Entwicklung' bezieht. Es wird kompensatorisch, es wird (linguistisch gesprochen) nicht nur zum Relationsadjektiv, sondern zu einem pauschalen Verweis darauf, dass die qua 'sozial' modifizierten Nominalphrasen (bzw. das, was sie nennen) einen Bezug auf das Problem der gesellschaftlichen Kohäsion haben. Diese Facette fehlt naturgemäß völlig im lateinischen 'socialis', das die ausdrucksseitige Quelle des heute in vielen Sprachen vertretenen Internationalismus 'sozial' ist.
Elend
(2018)
"Das Elend des Historizismus", "The Poverty of Theory", "Das Elend unserer Intellektuellen""Misère de la Psychoanalyse", "Das Elend der Aufklärung", "Das Elend der kritischen Theorie": Das Gemeinsame der Titel dieser Bücher und Aufsätze ist die Behauptung, dass sich Philosophie oder Theorie in einem desolaten Zustand befinden, diesen spiegeln oder gar hervorbringen. Sie sind mehr oder weniger explizite Variationen auf die Schrift "Misère de la philosophie", die Karl Marx 1847 auf Französisch veröffentlichte, um mit ihr seinen anarchistischen Kontrahenten Pierre-Joseph Proudhon zu attackieren. [...] Auffällig an der Reihe der Beispiele für diesen Topos ist, dass nur im englischen Fall die Wahl auf 'poverty' ('Armut', 'pauvreté') fällt, während die deutschen und französischen Texte das 'Elend' und die 'misère' im Titel führen, die doch in der Regel der 'misery' entsprechen. Die Differenz, die im Vergleich des Originals mit den Übersetzungen ins Auge springt, mag sprachlichen Konventionen und uneinheitlichen Verwendungsweisen geschuldet sein und muss keine inhaltliche Setzung bedeuten. So oder so erlaubt sie aber darüber zu spekulieren, welche Bedeutungsverschiebung sich zwischen den beiden Begriffen ereignet.
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Typologie und Chronologie einer besonders vielfältigen und bisher schlecht fassbaren Gruppe unter den metallenen Wagenbeschlägen der Urnenfelder- und Hallstattzeit in Südost-, Mittel- und Westeuropa, den Tüllen und Kappen. Neben einem Gesamtüberblick über das entsprechende Fundmaterial werden einzelne Typen detailliert beschrieben, abgebildet und in ihren wechselseitigen Bezügen diskutiert. Deutlich lassen sich auch bei dieser Objektgruppe die engen typologischen Verbindungen zwischen den urnenfelder- und hallstattzeitlichen Wagenbeschlägen darstellen. Die quantitativ wie qualitativ sehr viel bessere Überlieferung der hallstattzeitlichen Wagen legt es nahe, die urnenfelderzeitliche Wagenentwicklung vor allem in der Rückschau zu betrachten. Insbesondere was den einstigen Anbringungsort der metallenen Beschläge am Wagen angeht, ist das Studium gut dokumentierter in situ-Befunde hallstattzeitlicher Wagengräber sehr hilfreich. Hinsichtlich der Tüllen und Kappen sind vielfältige Möglichkeiten der Anbringung festzustellen, die praktisch alle Teile des Wagens von den Achsen über die Zugvorrichtung und den Langbaum bis zum Wagenkasten betreffen. Eine interessante Möglichkeit ist zudem die Deutung einiger schmaler Tüllen als Griffenden von Treibstacheln, deren Existenz bereits in der Bronzezeit verschiedentlich belegbar ist...