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Mit den Erinnerungstexten jüdischer Emigranten, in denen die Kindheit im altösterreichischen Galizien eine herausragende Rolle spielt, behandelt diese Arbeit eine bisher wenig beachtete Komponente der deutschen Exilliteratur. Enttäuscht in ihrer Identifikation mit Deutschland und verunsichert durch das Leben im Exil richten die Autoren die Gedanken nach rückwärts: Sie besinnen sich auf die schon weit entfernte Welt ihrer Kindheit im galizischen Schtetl. Trotz unterschiedlicher Formen weisen die Texte viele thematische Parallelen auf und sind in der farbigen Zeichnung der 'Welt von Vorgestern' von der unwirtlichen Exilgegenwart geprägt. Exemplarisch wird diese 'imaginative Aneignung ihrer Herkunft als Heimat' (B.Spies) an der Autobiographie des Schauspielers Granach und dem autobiographischen Roman des Journalisten Katz gezeigt.
Gender ist rhetorisch verfaßt, und es sind die Figuren und die Tropen der Autobiographie, die diese" Verfaßtheit lesbar machen. Die Autorin analysiert die scheinbar gesicherte Differenz der Geschlechter wie auch die der Genres, indem sie die Figuren des Genres Autobiographie den Figuren, die die Illusion einer vordiskursiven Geschlechtsidentität konstruieren, gegenüberstellt und ihre Funktionsweisen korreliert. Über die Umbesetzung der traditionellen rhetorischen Terminologie wird eine Lektürepraxis erprobt, die die rhetorische Verfaßtheit der Kategorien Gender/Genre reflektiert und diese als Paradigmen subjektstabilisierender Diskursformen in Frage stellt. Ausgehend von Paul de Mans Reformulierung des klassischen Rhetorikbegriffs, Jacques Derridas Reflexionen zum Gesetz der Gattung und zum Verhältnis von Geschlecht und Sprache sowie Judith Butlers Konzeption einer performativen Geschlechtsidentität unternimmt die Autorin eine Umschrift des Gender/Genre-Begriffs, der nicht nur neue Sichtweisen auf Identitätskonstruktionen ermöglicht, sondern darüber hinaus die Grenzen des Faches Literaturwissenschaft selbst in Frage stellt und überschreitet.
Die im Verlauf dieser Arbeit angestellten Überlegungen sollten versuchen, einige konstitutive Elemente der jüdischen Autobiographie nach dem Holocaust herauszuarbeiten. In einem ersten, allgemeinen Anlauf wurde dazu diese spezifische Ausprägung des literarischen Genres ,Autobiographie" in die Gattungstradition gestellt, mit dem Ziel, ihren spezifischen Charakter - oder, in anderen Worten: ihren Beitrag zur literarischen Evolution - deutlich hervortreten zu lassen. Es hat sich dabei gezeigt, daß die jüdische Autobiographie nach dem Holocaust sich der zentralen Erfahrung der Moderne, der Entfremdung von den ursprünglichen Lebenszusammenhängen, nicht verschließen kann. Die Erfahrung des sinnlosen, aber planvollen Völkermords ist die jüdische Variante der universalsten aller möglichen Entfremdungen: die Bestreitung des Lebensrechts. Infolge dieser Erfahrung ist den Überlebenden die Möglichkeit der entelechischen und teleologischen Autobiographie in der Tradition GOETHEs versagt; an ihre Stelle ist das Prinzip der Kontingenz, des bloßen Zufalls getreten, der allein das Überleben bestimmt hat. Im zweiten Hauptteil dieser Arbeit wurde dann versucht zu zeigen, wie sich das autobiographische Individuum dieser Erfahrung der lebensbestimmenden Kontingenz stellt, mit welchen literarischen Mittteln es in seiner Autobiographie diese Erfahrung bewältigt und welche Auswirkungen diese Erfahrung auf die Entwicklung und Erhaltung der eigenen Identität hat bzw. inwieweit sie diese überhaupt erst konstituiert. Zu diesem Zweck wurden die autobiographischen Texte von drei Autoren ausgewählt, die den Antisemitismus bis zum Massenmord im Dritten Reich als Kinder und Jugendliche auf verschiedenen Wegen überlebt haben und reflektiert darüber erzählen können. Allen ausgewählten Autoren ist gemeinsam, daß sie ihr autobiographisches Schreiben - teils in den Autobiographien selbst, teils in Reden und Aufsätzen - gründlich reflektieren und kommentieren. Daraus ergibt sich das Modell der Darstellung, nach dem in diesem interpretierenden Teil der Untersuchung vorgegangen wurde: Nach einer kurzen Einleitung, die einen kursorischen Uberblick über die zu besprechenden Texte sowie eine Einordnung in die Reihe der bereits untersuchten Werke enthält, folgt eine Darstellung der Einlassungen der Autoren zu ihrem autobiographischen Schreiben, die gefolgt wird von der eigentlichen Interpretation der autobiographischen Texte. Des besseren Kontrastes wegen wird den Autobiographien der Überlebenden GREVE, GOLDSCHMIDT und KLÜGER diejenige Werner KRAFTS gegenübergestellt, der - eine Generation früher geboren und bereits 1933 über Frankreich nach Palästina emigriert - noch ganz im Geist GOETHEs eine entelechische und teleologische Autobiographie zu schreiben vermag, die des Autors Selbstvollendung im deutschen Geist und in der deutschen Kultur nachvollzieht - freilich nicht ohne die theoretische Einsicht, daß diese Möglichkeit einer späteren Generation von Juden in Deutschland nicht mehr vergönnt sein wird. ...