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Wir Melancholiker
(2019)
Der Begriff und das Thema einer "Fröhlichen Wissenschaft" sind bei Nietzsche paradox, kämpft der Philosoph doch in vielen seiner Texte gegen die Wissenschaft. Denn dem Begehren nach Wissen haftet etwas Reaktives und somit Trauriges an. Wie wird nun eine Leserin Freuds diese Ambiguität verstehen, wenn sie sie ins Verhältnis mit der doppelseitigen und komplexen Verbindung von Todestrieb und sexuellem Trieb setzt?
"Eigentlich können wir auf nichts verzichten, wir vertauschen nur eines mit dem andern; was ein Verzicht zu sein scheint, ist in Wirklichkeit eine Ersatz- oder Surrogatbildung." Die kühne Behauptung, mit der Sigmund Freud in seiner Abhandlung 'Der Dichter und das Phantasieren' (1908) dem Leser entgegentritt, fand er unter anderem im Rauchen bestätigt. Es sei ein Ersatz für die Onanie, den Prototyp aller Süchte, so erklärte er, der Raucher par excellence, der bereits in jungen Jahren nikotinabhängig war und es bis zum Ende seines Lebens bleiben sollte - und dies, obgleich er im Alter von 67 Jahren, aller Wahrscheinlichkeit nach seines exzessiven Tabakkonsums wegen, an Gaumenkrebs erkrankte. Infolgedessen musste er sich zahlreichen, zum Teil schweren Operationen unterziehen, bei denen eine Resektion des größeren Teils des rechten Oberkiefers, eines beträchtlichen Teils des Unterkiefers, des rechten weichen Gaumens sowie der Backen- und Zungenschleimhaut vorgenommen wurde. Seitdem musste Freud eine Kieferprothese tragen, die für ihn zu einer niemals versiegenden Quelle von Schmerzen und anderem Ungemach wurde.
Angesichts seiner leidigen Erfahrungen mit dem "Ungeheuer" dürfte kein allzu großer Zweifel daran bestehen, dass Freud sehr genau wusste, was er unter einer Prothese zu verstehen hatte - und zwar das, was auch die landläufige Meinung in ihr erkennt: einen künstlichen Ersatz, der an das unwiederbringlich verloren gegangene Ersetzte nicht im Mindestens heranreicht, es durch seine Defizienz ihm gegenüber jedoch stetig präsent hält und somit gleichsam zum Anwesend-Abwesenden werden lässt. Dass der Prothese eine auf Ergänzung, Erweiterung oder gar Verbesserung des Bestehenden abzielende Qualität innewohnen könnte - immerhin geht der Begriff nicht zuletzt auf das griechische prósthesis ("das Hinzufügen") zurück -, bleibt hierbei komplett außen vor. Und doch fällt, wenn ebendiese Qualität zur Sprache kommt bzw. vom so genannten prosthetic impulse die Rede ist, mit schöner Regelmäßigkeit der Name Freuds, was sich einer Passage, oder vielleicht sollte man besser sagen: einer Lesart einer Passage aus dessen 1930 erschienenem Spätwerk 'Das Unbehagen in der Kultur' verdankt, in welcher der mit seinen technischen "Hilfsorgane[n]" ausgestattete Mensch als "eine Art Prothesengott" tituliert wird.
Anfang April 1884 entdeckte Freud im "Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften" eine Rezension zu einem kurzen Aufsatz Theodor Aschenbrandts. Aschenbrandts Artikel war vier Monate zuvor in der "Deutschen Medicinischen Wochenschrift" erschienen und stellte einen in Europa noch weitgehend unbekannten Wirkstoff vor, an dessen Erforschung nun Sigmund Freud erhebliche Zukunftshoffnungen knüpfte.
Aschenbrandt hatte in seiner Studie vom 12. Dezember 1883 in der "Medicinischen Wochenschrift" während einer Waffenübung eines bayerischen Armeekorps den Soldaten Kokain verabreicht und dabei eine beträchtliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit, insbesondere der Marschfähigkeit unter erschwerten Bedingungen, sowie länger ausbleibende Erschöpfung durch Nahrungs- und Schlafentzug festgestellt. Das weckte das Interesse Freuds, der 1884 als schlecht bezahlter Assistenzarzt des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ein verstärktes Interesse daran hatte, sich durch wissenschaftliche Forschungen einen Namen zu machen
Als Rückseite des Erzählens ist das dynamisierte Unbewußte deessentialisiert und in gewissem Sinne deterritorialisiert. In dieser Hinsicht ist die Allegorisierung des Unbewußten als dem Verschütteten, das es auszugraben gilt, gerade nicht zutreffend. Das Erzählmodell, das dieser Erzählung zugrunde liegt, ist aber andererseits nur die Quintessenz des 19. Jahrhunderts, weil es zugleich auf eine restlose Essentialisierung und Reterritorialisierung hinausläuft. Das Verschüttete, das wiedergewonnen werden muß, ist ja die tote schwesterliche Geliebte als das globale Signifikat, auf das alle Signifikanten, alle Fehlleistungen verweisen (und das den Rückseiten des Erzählens allemal ein Ende setzt).
Kaum ein größerer Gegensatz ist denkbar als der zwischen Ritual und Trauma. Rituale sind kollektive Wiederholungen symbolischer Handlungen, die kulturell prägende Sinnzuschreibungen und Motivationen in Umlauf bringen. In der Ökonomie des gesellschaftlichen Zeichentauschs sind sie daran beteiligt, die "Zirkulation von sozialer Energie" nach Mustern der herrschenden Zeichenordnungen zu regulieren. Rituale sind in der Regel streng kodifiziert. Deshalb ist ihr Ablauf weitgehend vorhersehbar.
Traumata dagegen sind ihrem Wesen nach unvorhersehbar. Nach Freud entsteht ein Trauma, wenn das Ich übermächtigen Sinnesreizen oder nicht kontrollierbaren Triebschüben schutzlos preisgegeben ist. Das Trauma bringt die psychische Ökonomie der Betroffenen so nachhaltig aus dem Gleichgewicht, dass die von ihm verursachten Symptome auch die Ökonomie des gesellschaftlichen Zeichentauschs stören. Während Rituale an der Stiftung von kulturellem Sinn wesentlichen Anteil haben, sind traumatische Ereignisse dadurch gekennzeichnet, dass für sie "alle kulturell vorgeprägten Sinnrahmen versagen".
Reize des Vorüber
(2019)
Der Flirt hat eine besondere Beziehung zum Tod. Die Todesbezogenheit reicht tiefer als der gegenwärtige Abgesang auf den Flirt, der wegen Online-Dating und #MeToo angeblich ausstirbt. Wenn der Flirt bei Sigmund Freud im Kontext von Krieg und Tod auftaucht, ist dies zwingender, als es zunächst scheint.
Este artigo se propõe a discutir algumas questões de interesse tradutológico referentes às três traduções brasileiras (1950; 1977; 2017) da obra Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, de Sigmund Freud - cuja primeira publicação data de 1905. Parte-se de argumentos expostos em um debate entre o poeta e tradutor brasileiro Haroldo de Campos e o tradutor francês de Freud, Jean Laplanche, acerca das possibilidades de traduzir os chistes citados por Freud no referido livro, para identificar as diferentes estratégias adotadas pelos tradutores brasileiros. Longe de apresentar uma análise completa das diversas versões ou um cotejo exaustivo entre o original e as três (re)traduções, o que este trabalho visa é defender que elas constituem aproximações diferentes – porém todas válidas e potencialmente relevantes para o leitor-alvo - em relação a determinados aspectos da obra "original".
O presente artigo objetiva uma discussão sobre o vocabulário fundamental da Metapsicologia freudiana, para além da concepção de um simples e estanque agrupado de termos técnicos. Levando-se também em consideração o fato de que Freud foi um escritor brilhante e um perspicaz explorador dos recursos oferecidos pela língua alemã, é nossa intenção demonstrar certas distorções de seu estilo e vocabulário sofridas após ter passado por traduces internacionalmente influentes para as línguas inglesa e francesa. Logo, com a recente entrada da obra freudiana para o domínio público, esta finalmente passou a ser traduzida diretamente para o português, tornando-se atualmente um desafio fundamental aos tradutores brasileiros de Freud recuperar a vivacidade de suas palavras sem deixar de levar em consideração a acuidade de suas proposições.
Der Beitrag erkundet die besondere Zeitlichkeit der Psychoanalyse ausgehend von Muße und Müßiggang, Konzepten, die in Nietzsches "Fröhlicher Wissenschaft" eine wichtige Rolle spielen, in Freuds Werk, in dem bekanntlich zahlreiche Arbeitsbegriffe dominieren, jedoch kaum vorkommen. Dennoch lässt sich im Briefwechsel zwischen Freud und Arnold Zweig eine wichtige Spur des Müßiggangs für Freuds eigenes Schreiben aufzeigen. Freud spricht in einer signifikanten Passage, in der es um die existenzielle Bedrohung durch den Nationalsozialismus geht, von einem "Überschuss an Muße". Aus dieser Suspension heraus entsteht sein letztes großes Schreibprojekt: "Der Mann Moses". Muße erweist sich zunehmend als ein Begriff, in dem sich eine andere Zeitlichkeit eröffnet, die etwas mit der Arbeit des Unbewussten in der Psychoanalyse zu tun hat. Der Beitrag schließt, indem die Autorin ihre persönliche Erfahrung dieser anderen Zeitlichkeit schildert. Dabei gerät der Warteraum des Psychoanalytikers als Schwellenraum zwischen der alltäglichen Arbeit und der Arbeit in der Psychoanalyse in den Blick.