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Das Projekt "Bibliothek der Alten" der Künstlerin Sigrid Sigurdson (Historisches Museum Frankfurt / Main) archiviert individuelle Erinnerungen, eingebunden in vielfältige Spuren, in Text-, Ton- und Bilddokumenten. Stöbert man in den zugänglichen Kartons, erkennt man, wie ein Erinnerungsgeflecht zu einem dynamischen Prozess wird, wie sich individuelle Erinnerungen mit anderen verbinden. Erinnerungen sind dabei trügerisch, selektiv, perspektivisch, fragmentarisch, labil. Wie die Kunst der "Spurensicherung", insbesondere die Archive Boltanskis, demonstriert,können sich Realität und Fiktion mischen und doch Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses sein. Bei aller Konstruktion und Unsicherheit: Erinnerungen bestimmen unser Leben ständig. Erinnern ist dabei ein vielschichtig grenzüberschreitender Prozess. Gerade die Kunst der Bildgeschichte hat den Konstruktionsprozess des Erinnerns auf unterschiedliche Weise aufgegriffen. In Miguelanxo Prados Bildroman 'Ardalén' (dt. 2013) wird Erinnerung zum grenzüberschreitenden Thema in mehrfacher Hinsicht, zwischen heute und früher, zwischen Realität und Wahn, zwischen den Persönlichkeiten. Wie die Kunst der Bildgeschichte ein prozessuales Erinnerungsgeflecht darstellbar und miterlebbar machen kann, wie sie mit einer grenzüberschreitenden intermedialen Ästhetik, die unterschiedliche Bildformen und Textsorten funktional einbindet, den Rezipienten in dieses Spiel emotional und reflexiv einbindet, soll – in vergleichende Kontexte gestellt – am Beispiel Prados sowie an Matthias Gnehms 'Der Maler der Ewigen Portrait Galerie', 2013, vorgestellt werden.
[...] wie die 'Berliner Kindheit' oft als eine 'Erinnerungspoetik' bezeichnet wird, deren treibende Kraft die "Ich-Konstitution" sei, ließe sich Hoppes 'Picknick der Friseure' als 'Ver(w)irrungspoetik' beschreiben. Der Prozess des Erinnerns und sich (Wieder)findens ist bei ihr noch verdichteter im Sinne eines 'Dickichts der Texte', als bei Benjamin. Die konsequente Verweigerung einer "homogenisierte[n] Ich- Bildung" rückt bei beiden Schriftstellern "die Frage nach den noch verbleibenden Formen der Identitätsbildung in den Mittelpunkt des Schreibens." Vor dem Hintergrund einer als desolat erfahrenen Wirklichkeit scheinen die 'Berliner Kindheit' und 'Picknick der Friseure' die "Wahrheit so behutsam aus der Dichtung hervor[zu]ziehen […] wie die Kinderhand den Strumpf aus 'Der Tasche'". Oder wie es in Hoppes Schlussgeschichte 'Not und Tugend' heißt: "[A]m Ende, beim Öffnen der Säcke, kam alles zum Vorschein, Feigheit und Gier und schlechte Gewohnheit und daß wir zu spät und mit Dreck an den Stecken ans Tageslicht gekrochen waren". Doch, und das ist das Wesentliche, "hier ist das Buch unserer Rettung", sodass wir „alt [werden können] in Würde". Damit birgt, wie Adorno es für Benjamin formuliert, die "Allegorie des eigenen Untergangs", das zersplitterte Geschichtswerk, auch bei Hoppe die Möglichkeit zur Selbstbehauptung.