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Den 'Gray Room' des künstlerischen Kollektivs Archizoom als Metapher für eine kuratorische Situation avant la lettre nach Bismarck aufgreifend, verbindet Nicole Kandioler diesen mit dem Konzept des "Sensoriums" nach Jacques Rancière, mit dem Letzterer das Setting des Aufeinandertreffens von Kunst und Politik beschreibt. Der als Sensorium gedachte Gray Room entfaltet in der Gegenüberstellung und Konfrontation dreier künstlerischer Positionen (Alfons Mucha, Kara Walker und Kateřina Šedá) konkrete Politiken des Medialen, die sich an post-imperialen, post-kolonialen und post-sozialistischen Motiven abarbeiten.
Urbane Ordnungen der (Post-)Migration : Staatsrassismus in der (neoliberalen) "Stadt der Vielfalt"
(2023)
In Städten ist die (post)migrantische Gesellschaft verortet. Obwohl Menschen mit (familiären) Migrationsgeschichten große Teile der Stadtbevölkerung stellen – bei Kindern längst in der Mehrheit –, birgt diese Vielfalt keine gleichen Rechte: Gesellschaft und Ökonomie sind von rassistischen Ordnungen geprägt und der Staat ignoriert dies oder trägt dazu bei. Mathias Rodatz zeigt am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main, wie aktuelle städtische Vielfaltspolitiken eine andere, gleichberechtigte Stadt versprechen – und unter neoliberalen Umständen doch ins Leere laufen. Er theoretisiert sie als Politiken transnationaler Stadtbürgerschaft, deren Potenzial zu einer tatsächlichen Herausforderung des Staatsrassismus in der Stadt es noch zu realisieren gilt.
In dem Beitrag wird ein intersektional perspektiviertes Analysemodell für multimodale Erzähltexte (Bilderbücher) vorgestellt. Zunächst wird das Korpus der sogenannten queeren Kinder- und Jugendliteratur kursorisch aufgefächert und dabei gezeigt, dass in den Erzähltexten, die als 'diversitätssensibel' vermarktet werden, meist auf die klassische Außenseiterfigur zurückgegriffen und somit die Binarität einer vermeintlichen Norm und deren Abweichung perpetuiert wird. Durch das Analysemodell sollen literarische Darstellungen von Positionierungen innerhalb einer 'Matrix der Macht' desavouiert werden: Entlang der interdependenten Kategorien Age, Race, Geschlecht, Familie und Körper sollen die Positionierungen der Figuren auf der histoire-Ebene zugeordnet werden, während die Kategorien auf der discours-Ebene wählbar und erweiterbar sind. Mit dem Blick auf das Bilderbuch als multimodales Erzählmedium müssen die literarischen Inszenierungen nicht nur auf Bild- sondern auch auf Schrifttextebene berücksichtigt und hierbei insbesondere auf intermodale Spannungsverhältnisse geachtet werden. Der Beitrag schließt mit der exemplarischen Analyse der Bilderbücher "Weihnachtspost für Ayshe" (Scheffler/Spanjardt 2005) und "Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm" (Schami/Könnecke 2003).
Die Verbindung feministischer Themen und Fragestellungen mit dem Dispositiv der Populärkultur wird unter dem Label 'Popfeminismus' verhandelt. Um diesen Sammelbegriff ist eine lebhafte Diskussion entbrannt: Ist die Performativität des Pop als Chance zu begreifen, breiten Gesellschaftsschichten feministische Anliegen zugänglich zu machen? Oder handelt es sich dabei doch nur um die marktwirtschaftliche Vereinnahmung einer gesellschaftspolitischen Strömung? Das skizzierte Spannungsverhältnis verschärft sich in einem sexualisierten und hypermaskulinen Subgenre wie dem Gangsta Rap. Das Online-Magazin der Wochenzeitung "Die Zeit" kürte den deutschen Gangsta Rap jüngst zur erfolgreichsten Jugendkultur der 2010er-Jahre. Rapper wie Bonez MC oder Gzuz landen einen Chart-Erfolg nach dem anderen, und zwar mit äußerst sexistischen, misogynen, homo- und transphoben, ableistischen und gewaltverherrlichenden Texten. Angesichts der nicht von der Hand zu weisenden kulturellen Prägekraft des Gangsta Raps und seiner identitätsstiftenden Wirkung auf junge Menschen gewinnt die Frage nach der Kommensurabilität von Feminismus und Hip-Hop noch einmal an Bedeutung: Sind feministische bzw. intersektionale Perspektiven mit der Sprache, den Bildern und Symbolen einer männlich-chauvinistischen Szene überhaupt vereinbar? Mit welchen sprachlich-medialen Strategien antworten Künstlerinnen der Rap-Szene auf diesen Widerspruch? Mit diesen und anderen Fragen befasst sich der vorliegende Beitrag.
Sie ist Schwarz, Heidin und regiert ein Königreich. Mit der Figur Belacane präsentiert Wolfram von Eschenbach im "Parzival" seinem Publikum eine Frau, die den höfischen Schönheitsvorstellungen widerspricht. Immer wieder wird die Schwarze Hautfarbe Belacanes und ihres Volkes explizit im Kontrast zum dagegen unmarkierten weißen Protagonisten betont und abgewertet. Erst die Information über Belacanes Jungfräulichkeit macht sie für den christlichen Ritter Gahmuret attraktiv, der ihre Tugendhaftigkeit als Zeichen ihrer innerlichen Taufe sieht. Dass Belacane unter all den Menschen, die "höllenfarben" (51,24) sind, eine Ausnahmestellung zugesprochen wird, offenbart die Abwertung aller anderen BIPoC und macht sie für Gahmuret zum Objekt der Begierde. Er befreit die Jungfrau in Nöten erst von ihren Belagerern, dann von ihrer Keuschheit und wird so zum König über ihr Land, bis er die schwangere Belacane plötzlich heimlich verlässt. Der Brief, den er ihr hinterlässt, dokumentiert die Mehrfachabwertung Belacanes: aufgrund ihres Frau-Seins wird sie zum Medium der Stammeserhaltung, aufgrund ihres zukünftigen Mutter-Seins zum Kommunikationsmittel mit dem noch ungeborenen Sohn und aufgrund ihres heidnischen Glaubens zur Legitimation für die Trennung. Hannah Mieger analysiert anhand der Belacane-Episode, wie die drei Differenzkategorien Race, Religion und Gender miteinander interagieren und zeigt dadurch, dass prämoderne Texte intersektional lesbar sind.
Intersektionalität hält als Forschungsgegenstand, als Schauplatz theoretischer Diskussion und als Analyseperspektive seit Jahren verstärkt Einzug in unterschiedliche akademische Disziplinen und Bereiche. Es verwundert daher nicht, dass sich das Intersektionalitätsparadigma auch im Bereich der Literaturwissenschaft und -didaktiken zunehmend als produktiv erweist, wie wir mit dem Sammelband zeigen wollen, der intersektionale literaturwissenschaftliche und -didaktische Fallstudien aus unterschiedlichen Philologien versammelt und so ein Prisma der Erforschung literarischer Repräsentationen des Zusammenspiels von einander verschärfenden bzw. abschwächenden Diskriminierungskategorien bietet. Inwiefern die Einzelbeiträge kritische Reflexionen verschiedener Positionen der Intersektionalitätsforschung präsentieren und Beispiele für die vielfältige Ausgestaltung intersektional orientierter Textanalyse auf theoretischer und methodischer Ebene anbieten sowie didaktische Lesarten des Intersektionalitätsparadigmas aufzeigen, machen wir aufbauend auf einer ausführlichen Begriffs- und Theoriereflexion einleitend deutlich.
Der vorliegende Band versammelt intersektionale literaturwissenschaftliche und -didaktische Fallstudien aus unterschiedlichen Philologien und bietet so ein Prisma der Erforschung literarischer Repräsentationen des Zusammenspiels von einander verschärfenden bzw. abschwächenden Diskriminierungskategorien. Die Einzelbeiträge präsentieren kritische Reflexionen und Modifizierungen verschiedener Positionen der intersektionalen Forschung sowie Beispiele für die vielfältige Ausgestaltung intersektional orientierter Textanalyse auf theoretischer und methodischer Ebene. Da wissenschaftliche und literarische ebenso wie zeitgenössische und historische Texte in verschiedenen Sprachen (Englisch, Deutsch, Italienisch, Niederländisch, Spanisch etc.) aufgegriffen werden, zeigt der Band auf, dass Machtstrukturen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten Analogien aufweisen, deren Analyse von Differenzierungen verschiedener Herrschaftsstrukturen profitiert.
Im Anschluss an eine queer-theoretische reparative Perspektive betrachte ich lustvolle Strategien des Überlebens in zwei Film- bzw. Videoarbeiten. Ming Wongs "Lerne deutsch mit Petra von Kant" (2007) und Cana Bilir-Meiers "This Makes Me Want to Predict the Past" (2019) erzeugen unvorhergesehene, lebenserhaltende und "transhistorische Beziehungen". Beide respektieren dabei die mediale Lücke im Zugriff auf die Vergangenheit.