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Die Absicht dieses Aufsatzes ist es, den stofflichen Rahmen einer vier- bis fünfstündigen Unterrichtseinheit abzustecken, deren Ziel es sein soll, an einem geschichtlichen Beispiel die soziale Funktion einer literarischen Form, der des Trauerspiels, und einer ästhetischen Kategorie, der des Tragischen, zu demonstrieren. Der Text, auf den sich unser Vorschlag bezieht, ist Heinrich Leopold Wagners Trauerspiel "Die Kindermörderin". Dieser Text soll also nicht als Dokument für eine sozial- oder rechtsgeschichtliche Betrachtung des Kindesmords behandelt werden, sondern als Dokument einer literarischen Darstellungsweise und einer ästhetischen Interpretationsweise des Kindesmords. Obwohl zunächst auch von den sozialen Voraussetzungen und den strafrechtlichen Folgen dieses Verbrechens zu sprechen sein wird, ist unser Thema die sozialgeschichtliche Analyse einer Darstellungs- und Vermittlungsweise.
"Die Kritik der Politik", schreibt Johannes Agnoli, "stellt [...] die Frage nach dem herrschaftssichernden Charakter aller Reformen und vergißt also die Frage nach dem cui bono nicht und nach der Zweckrationalität irrationalen Verhaltens der politischen Macht. Im Mittelpunkt steht nicht die Klage und das Klagen über die Unrichtigkeit der Protagonisten und die Lügenhaftigkeit des legitimatorischen Verfahrens [...]; sondern die Anklage gegen das Prinzip, daß Herrschaft naturnotwendig und höchstens zu bändigen sei; und als Schlußerkenntnis [...], daß Herrschen, daß das autokratische oder oligarchische oder parlamentarische Bestimmen über Gesellschaft allemal zu negieren sei - möge "die Form des Staates sein wie sie wolle" (Hölderlin)." Doch dies, so fügt Agnoli hinzu, "wäre immer noch Gesinnung, kein Bewußtsein." Es genüge nicht festzustellen, "daß sich die Form Staat inzwischen als falsches Projekt erwiesen, als gescheiterter Versuch in die Geschichte eingegangen ist [...] Alle Kritik - will sie mehr sein als Gesinnung - hat ein Kriterium auszuweisen, an dessen Kategorie die Übersetzung des richtigen Denkens in die Anleitung zum Handeln möglich wird." Es gehe "weder um die Wiederherstellung der Identität von Norm und Wirklichkeit noch um die Lobpreisung des Gemeinwohls als Ziels allen politischen Handelns. Will man [...] andere Verhältnisse schaffen und nicht bloß verbesserte Herrschaft, so wird die Kategorie von vornherein selbst keine formale (bonum commune) noch eine normativ-moralische (gute Verfassung gegen schlechte Politik) sein können, sondern eine materielle." Aus der Frühzeit der Form Staat stammen die ersten großen Klagen über die Unrichtigkeit der Protagonisten der Politik und die Lügenhaftigkeit des legitimatorischen Verfahrens der Demokratie. Im Unterschied jedoch zum späteren demokratischen Gejammer verschleiern sie die Frage nach dem cui bono und nach der Zweckrationalität des Verhaltens der politischen Macht noch kaum. So wenig sie auch das Prinzip, daß Herrschaft naturnotwendig und höchstens zu bändigen sei, in Frage stellen und sosehr sie im Grunde nur die Wiederherstellung der Identität von Norm und Wirklichkeit einklagen, sie beschränken sich keineswegs auf formale oder normativ-moralische Kategorien - und was damit unmittelbar zusammenhängt: sie gewähren ästhetischen Genuß. In der Frühzeit des Staats konnte dessen Kritik eben noch tragische oder komische Form annehmen.
Das künstlerische Verhältnis zwischen Richard Strauss und seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal ist auch heute noch in der Forschung ein kontrovers diskutiertes Thema. Viele Interpreten sind offenbar durch die sehr unterschiedlichen Temperamente beider Künstler dazu angeregt worden, ihre bewertenden Urteile weniger durch Werkanalysen als vor allem durch Persönlichkeitsstudien zu belegen.
"Wenn man die Meisterstücke des Shakespeare, mit einigen bescheidenen Veränderungen, unsern Deutschen übersetzt hätte, ich weiß gewiß, es würde von bessern Folgen gewesen sein, als daß man sie mit dem Corneille und Racine so bekannt gemacht hat." (Briefe, die neuere Literatur betreffend, Lessing 1967,616) Mit diesen Worten formuliert Lessing eine Kritik an der französischen klassischen Tragödie, die für die Herausbildung der deutschen Nationalliteratur von kaum zu unterschätzender Bedeutung gewesen ist. Sie hat dazu beigetragen, daß die Vorbildfunktion der französischen Tragödie im ausgehenden 18. Jahrhundert durch das Naturgenie Shakespeare und dessen melancholischen Helden Hamlet abgelöst wird.
Rezension zu Peter-Andre Alt: Der Tod der Königin. Frauenopfer und politische Souveränität im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts, Berlin, New York (de Gruyter) 2004. 261 Seiten.
Der Würzburger Germanist Peter-Andre Alt hat mit 'Der Tod der Königin' eine Studie zur Literatur der Frühen Neuzeit vorgelegt, die weit mehr enthält und verhandelt, als es Titel und Untertitel anzudeuten vermögen. Es geht nicht allein um die theatralische Darstellung weiblicher Herrschaft in deutschen und englischen Trauerspielen des 17. Jahrhunderts, wobei auch Seitenblicke auf die französische Klassik geworfen werden, sondern um einen generellen Problemaufriss der politischen, sozialen und geschlechtsspezifischen Rollenzuweisungen im Rahmen präabsolutistischer Machtkonzepte sowie deren theologische und rechtliche Legitimationsmuster.
"Schillers praktische Idee der Tragödie." - Sein eigenes Leiden an den Existenzbedingungen des Menschen, der zwischen dem "Zustand" der Gebundenheit an die Widersprüchlichkeiten des Daseins, und der "Person" der befreienden Tätigkeit des Geistes, hin- und herschwebt, hat Hölderlin in Schiller meisterhaft widergespiegelt gesehen. Es ist aber Schillers Fähigkeit des Austragens dieser gespannten Existenzbedingung sowohl in seinen Werken als auch in seinem Leben, die Hölderlin am meisten bewundert hat.
Die Geschichte der Folter und die der Märtyrer, das zeigt nicht erst Gallonio, gehen Hand in Hand. Bereits im Mittelalter bezeichnete 'cruciatus' auch die Folter und die Pein, ebenso wie das mhd. 'Marter' aus dem Leiden Christi über das Blutzeugnis die Bedeutung Folter entwickelt hat. Rein begrifflich landeten somit die Passion und das Martyrium wieder dort, wo sie ihren Ausgang genommen hatten: in der Geschichte des Rechts und seiner Zeugen. Im Martyrium ist immer schon ein gewisser Juridismus am Werk: Es beginnt mit einer Konfrontation vor Gericht, vollzieht sich in einer spezifischen Verbindung von Zwang und Zeugenschaft und bezeugt zuletzt, in seiner eschatologischen Dimension, die Hoffnung auf eine weltgeschichtliche Wiederherstellung des Rechts. Vergleichbar aber sind Folter und Martyrium auch darin, dass sie beide 'diskursive Praktiken' im strengen Sinn darstellen: Beide bestehen in einem Sprechakt, der durch einen Akt körperlicher Gewalt beglaubigt werden muss. Erst unter der Folter kommt das Bekenntnis oder Geständnis ganz zu sich, und so sehr die Marter und das Martyrium gerade über die sprachlose Evidenz der Schmerzen 'sprechen' machen, so sehr produzieren sie weitere Diskurse: Zuvorderst entstehen Protokolle der peinlichen Befragung oder des Bekenntnisses; und zuletzt wird ein rechtsgültiges Urteil oder aber die kanonische Beurteilung darüber zu den Akten genommen, ob es sich um einen Pseudomärtyrer, um ein gescheitertes Martyrium oder um einen wahren Blutzeugen gehandelt hat. In beiden Fällen sind es Schmerzen oder Leiden, die positiviert und - nach Maßgabe einer weltlichen oder geistlichen Macht - in einer Wahrheit aufgehoben werden. Somit ist selbst jene Selbstautorisierung, die die 'confessores' der ersten Stunde auszeichnet, nur von Gnaden einer Diskursgewalt, welche rechtsgültige Verbrecher 'ex post' in Leidende ('pathontes') und diese in Zeugen ('martyres') verwandelt. Im Archiv der Märtyrer lässt sich dieses Zusammenwirken unterschiedlicher Diskurspraktiken schon am Grundstock der frühchristlichen Märtyrerakten studieren: Zuweilen als Briefe verfasst und als solche an die gesamte expandierende Christenheit adressiert, vermischen sie Augenzeugenberichte und Dokumente, Urkunden und Fälschungen, Glaubensunterweisungen und Erzählungen, Protokolle und authentische Textzeugen. Stets präsentieren sie eine juristische Fallgeschichte und statuieren aus ihr ein heilsgeschichtliches Exempel. Als Gallonios Kollegen an der Wende zum 17. Jahrhundert die Märtyrerakten historisch-kritisch bearbeiteten, vereinigten sie die verstreuten Textzeugnisse und brachten die diskursive Ordnung der Blutzeugnisse auf den neuesten Stand. Martyrologie ist so gesehen immer auch eine fortlaufend aktualisierte Ableitung der Heils- aus der Rechtsgeschichte.
"In der Machination", so Walter Benjamin, "hat die neue Bühne den Gott." Das gilt nicht nur für die Theatermaschinerie, die den Gott auf der Barockbühne erscheinen lässt, sondern ebenso für die weiteren Bedeutungen des Wortes: "Machination" im Sinn des kunstfertigen Verstands und der trügerischen List, wie sie sich in der Intrige, dem dramatischen Kern des Trauerspiels, verkörpert. Der Aufsatz entfaltet den Zusammenhang zwischen Machination und Theophanie in einem Vergleich zwischen den barocken Dichtern Gryphius und Racine. Während die Spiele des Ersteren sich vorrangig auf die anschauliche Wirkung der Maschine stützen, um die Souveränität des 'christlichen' Gesetzes zu demonstrieren, präsentieren sich die Dramen des Letzteren als Musterbeispiele für ingeniöse Handlungsführung im Namen eines Regelwerks, dessen poetologische Autorität als 'göttlich' anerkannt wird. Zwischen diesen beiden Modellen theatralen Spiels vermittelt die Analyse einer Edition der aristotelischen Poetik, die Daniel Heinsius herausgegeben hat und einen besonderen Schwerpunkt auf die Deutung des deus ex machina legt.
Die leitende Prämisse der folgenden Überlegungen besteht auch in der These, dass Hegel mit dem Ende der Kunst eine Einsicht formuliert hat, die für die literarische Moderne konstitutiv ist. Mit der vordergründigen Wiedereinsetzung Hegels verbindet sich allerdings ein kritischer Einwand, der sich wiederum von Hölderlin her formulieren lässt. Wie die Auseinandersetzung mit Hegels Ästhetik deutlich macht, lässt die Verschränkung von Gattungspoetik und Geschichtsphilosophie, den Ort der modernen Literatur auf eigentümliche Weise unbestimmt. In dem Maße, in dem Hegels einseitiger Blick auf die seiner Meinung nach vorbildliche Kunst der Antike an der Eigengesetzlichkeit der Poesie in der Moderne vorbeigeht, erscheint Hölderlins Poetik als ein Korrektiv, das die negative These vom Ende der Kunst erst produktiv werden lässt. Das Ziel der folgenden Ausführungen liegt dementsprechend darin, ausgehend von der gattungspoetischen und geschichtsphilosophischen Bestimmung von Tragödie und Lyrik bei Hegel und Hölderlin einen Begriff der Poetik zur Geltung zu bringen, der die These vom Ende der Kunst ernst nimmt und es dennoch erlaubt, eine Poetik der Moderne zu entwickeln. Damit ist zugleich das methodische Vorgehen der Arbeit gekennzeichnet. In einem ersten Schritt geht es darum, Hegels These vom Ende der Kunst in einem kritischen Durchgang durch seine Ästhetik noch einmal eine bestimmte Plausibilität abzugewinnen. Die Diskussion der Verschränkung von Geschichtsphilosophie und Gattungspoetik, die Hegels Ästhetik auszeichnet, führt in einem zweiten Schritt zu einer kritischen Rekonstruktion seiner umstrittenen Lektüre der Sophokleischen "Antigone", die zugleich zu Hölderlins Poetik als einer Alternative zu Hegels Ästhetik überleitet, in deren Zentrum die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Recht steht.
[D]ieser Veranstaltungstyp [wurde] 1996 etabliert […] und die komparatistisch angelegte Konferenz der Abteilung 2012 [wird] nunmehr zum 17. Mal in Folge ausgerichtet […]. Über den Kreis der 15 Referenten hinaus war sie mit etwa 120 aktiv mitdiskutierenden Teilnehmern gut besucht. Thematisch orientiert sich die Konferenz jeweils an einem Semesterkurs, den die Studierenden der am Department angebotenen Master‐Studiengänge (Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch) durchlaufen.