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Steilhänge der Mittelgebirge weisen eine kleinräumige standörtliche Vielfalt auf und wurden aufgrund ihrer exponierten Lage bereits frühzeitig durch den Menschen u. a. als Befestigungsanlage genutzt. Daraus resultierte häufig eine hohe floristische und vegetationskundliche Diversität mit hohem Naturschutzwert. Durch Umwelt- und Nutzungsveränderungen hat sich aber auch an diesen Standorten in den letzten Jahrzehnten ein starker Wandel vollzogen. Durch Auswertung alter Florenlisten und Vegetationsaufnahmen und durch aktuelle Erhebungen wollen wir die Vegetationszusammensetzung der Lengder Burg, eines Steilhangs auf Unterem Muschelkalk im südlichen Göttinger Wald (Süd-Niedersachsen, Deutschland), und ihre Veränderung aufzeigen und Rückschlüsse für die zukünftige Behandlung ziehen. Dazu wurden Angaben zur Gefäßpflanzenflora aus dem Zeitraum 1950 bis 1995 mit einer aktuellen floristischen Kartierung des Gesamtgebiets von 2016 verglichen. Die Vegetationszusammensetzung wurde anhand von 37 Vegetationsaufnahmen aus dem früheren Zeitraum harakterisiert. 29 dieser Flächen wurden 2009 bis 2016 erneut aufgenommen. Räumliche und zeitliche Unterschiede in der Diversität und Artenzusammensetzung wurden hinsichtlich verschiedener standörtlicher Parameter und ökologischer Artengruppen analysiert.
Die Vegetation lässt sich zwei Gruppen zuordnen: 1. Das Carici-Fagetum und seine Kontaktgesellschaften an südlich und westlich exponierten Steilhängen. 2. Das Hordelymo-Fagetum mit verschiedenen Ausbildungen auf dem Plateau und an flacheren Süd- und Nordhangbereichen. Im Carici-Fagetum ist ein deutlicher Diversitätsverlust und eine Zunahme in der Dominanzstruktur der Krautschicht zu erkennen, der im Vergleich der Aufnahmezeiträume auf eine zunehmende Homogenisierung der Vegetation hinweist. Zurückgegangen sind dabei besonders die typischen Kenn- und Trennarten dieser Waldgesellschaft bei gleichzeitiger Zunahme der Buche in der Verjüngung. Im Hordelymo-Fagetum bewirkt neben Gehölzen in der Strauch- und Krautschicht vor allem die Zunahme von Allium ursinum eine homogenere Artenzusammensetzung, jedoch ohne Diversitätsverlust. Neben Stickstoffeinträgen, dem Klimawandel sowie einem reduzierten Rehwild-Verbiss bedingt besonders der Nutzungswandel diese Veränderungen. Vor allem im Carici-Fagetum wirkte sich der Übergang zwischen früherer Nieder- und Mittelwald-Nutzung mit Waldweide über eine fast 100jährige Hochwald-Nutzung bis zum jetzigen Schutzwald stark aus. Gleichwohl weisen die steilen Hänge weiterhin einen hohen Anteil an Rote-Liste-Arten auf und tragen wesentlich zur hohen Biodiversität des Gebiets bei. Veränderungen in der Vegetation der Lengder Burg spiegeln die Veränderungen im Göttinger Wald insgesamt wider. Kleinflächige Offenhaltungsmaßnahmen zur Erhaltung wertvoller floristischer Elemente sind teilweise erfolgreich. Kleinwüchsige, lichtbedürftige Magerkeitszeiger verschwinden jedoch zunehmend aus den sich entwickelnden, hochwüchsigen Stauden-Säumen. In den benachbarten, unbewirtschafteten Hangbuchenwäldern sorgt die fehlende Nutzung nach Jahrhunderten der Auflichtung und Aushagerung für eine Sukzession in Richtung mesophilen Kalkbuchenwalds.
Ziel: Die Vegetation der mitteleuropäischen Buchenwälder hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert. Über die Änderungen in den wärmeliebenden Seggen-Hangbuchenwäldern (Carici-Fagetum) unter dem Einfluss des Nutzungs- und Klimawandels, der Eutrophierung und des Schalenwild-Einflusses ist aber bisher wenig bekannt. Wir verglichen Vegetationsaufnahmen des Carici-Fagetum aus den 1950er Jahren mit aktuellen und fragten: (1) Wie haben sich Struktur, Diversität und Artenzusammensetzung verändert? (2) Was sind die treibenden Faktoren dieser Veränderungen? (3) Welche Rückschlüsse ergeben sich für die zukünftige Entwicklung und Behandlung dieser Wälder?
Untersuchungsgebiet: Göttinger Wald (Süd-Niedersachsen, Deutschland, Mitteleuropa)
Methoden: Die Vegetation von 78 Quasi-Dauerflächen in vier Subassoziationen des Carici-Fagetum wurde im Zeitraum 1955 bis 1960 und 2011 bis 2012 aufgenommen. Unterschiede in der Vegetationsstruktur, der Diversität und Artenzusammensetzung sowie hinsichtlich verschiedener forstlicher und standortökologischer Parameter und ökologischer Artengruppen zwischen beiden Aufnahmeterminen wurden mit Hilfe von Ordinations- und Permutations-Verfahren sowie paarweiser Vergleiche analysiert und statistisch geprüft.
Ergebnisse: Strukturell hat vor allem die Strauchschicht stark zugenommen, insbesondere bedingt durch eine Intensivierung der Rehwild-Bejagung. In der Bodenvegetation haben die typischen Arten des Carici-Fagetum stark abgenommen, darunter auch viele Rote-Liste-Arten. Zugenommen haben dagegen neben den Gehölzen die weit verbreiteten Arten der mesophilen Buchenwälder. Dies zeigt sich auch in den Veränderungen der Zeigerwerte nach Ellenberg. Dem Rückgang von lichtliebenden, trockenheitsertragenden Magerkeitszeigern steht eine Zunahme von schattentoleranten, mesophilen und an eine bessere Nährstoffversorgung gebundenen Arten der geschlossenen Buchenwälder gegenüber, was zu einer zunehmenden Homogenisierung der Vegetation führt. Ursachen für diese Veränderungen sind das geänderte Bestandesklima durch eine dichter schließende Strauchschicht und atmosphärische Stickstoffeinträge, wobei letzteres wohl vor allem das Wachstum der Buche förderte. Eine deutliche Zunahme des immergrünen, ozeanisch verbreiteten Efeu (Hedera helix), der sehr empfindlich auf tiefe Temperaturen im Winter reagiert, gleichzeitig aber bei erhöhtem CO2-Angebot seine Wuchsleistung über proportional erhöht, kann als Reaktion auf den Klimawandel der letzten 50 Jahre gewertet werden. Positiv hat sich auch eine Reduktion des Rehwild-Verbisses auf diese und andere Arten – z. B. Lilium martagon als einzige Rote-Liste-Art mit einer positiven Deckungsgradentwicklung – ausgewirkt.
Schlussfolgerungen: Die wärmeliebenden Seggen-Hangbuchenwälder haben in den letzten 50 Jahren charakteristische und wertvolle floristische Elemente – häufig Relikte der früheren Mittelwaldnutzung in Verbindung mit Waldweide – verloren. Mit der Einstellung der forstlichen Nutzung, z. T. bedingt durch Naturschutzmaßnahmen, der Reduktion des Schalenwildverbisses und den atmosphärischen Nährstoffeinträgen zeigt das Carici-Fagetum im Göttinger Wald heute eine Sukzession zum mesophilen Wald, wie sie für viele thermophile Laubwälder in Mitteleuropa nach Jahrhunderten der Auflichtung und Aushagerung typisch geworden ist.