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Bei aller Diversität und Variabilität der Körperbilder und Körperregimes, über die die Genese kollektiver Identität erfolgt, ist eine ihnen allen gemeinsame Dimension kaum zu übersehen: als sichtbare‚ Verkörperung des Imaginären der Nation werden ausschließlich weibliche Körperbilder eingesetzt. Plastisch lässt sich diese eigentümliche Politisierung des weiblichen Körpers an künstlerischen Darstellungen der Nation wie etwa an der französischen Marianne als Sinnbild Frankreichs, an der US-amerikanischen Freiheitsstatue oder aber an der bayerischen Bavaria nachvollziehen. Wie lässt sich diese spezifische (ethno-)nationalistische Funktionalisierung des weiblichen Körpers erklären? In welchem Verhältnis steht sie zum jeweiligen historischen Geschlechterdiskurs? Welchen psychosozialen Bedürfnissen kommt sie entgegen? Welche konkreten Folgen zieht sie für die Repräsentantinnen des "anderen Geschlechts" (S. de Beauvoir) nach sich? - diesen Fragen geht der erste Teil des vorliegenden Beitrags nach, während der zweite die "aufgerichteten" weiblichen Siegesallegorien im Nationalsozialismus genauer unter die Lupe nimmt.
Die Zigarettenalben entwickelten sich in den 1930er Jahren zu einem vitalen Instrument der Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation. Da sowohl die Zigarettenindustrie als auch das NS-Regime manipulativ auf soziale Gruppen einwirken wollten, war es folgerichtig, dass Wirtschaft und Politik das beliebte Massenmedium als Kommunikationsinstrument einsetzten, um von dem propagandistischen Synergieeffekt zu profitieren. In den Zigarettenbildern mit NS-Inhalten manifestiert sich die Assimilation ökonomischer und propagandistischer Interessen, die seit Beginn der Professionalisierung von Werbung und Propaganda eingesetzt hatte. Die NS-Propaganda knüpfte bei der strategischen und operativen Planung an die Forschung der Weimarer Zeit an, die sich mit den sozialpsychologischen Grundlagen der Propaganda, Massenkommunikation und Werbewirkung sowie der Propaganda der Entente während des Ersten Weltkrieges auseinandergesetzt hatte.
Die kommunikationspolitische Allianz zwischen Politik und Wirtschaft beruhte nicht auf gesellschaftspolitischer Konformität, sondern auf einem vielschichtigen, beidseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Die Beteiligung der Zigarettenindustrie an der NS-Propaganda war bis auf wenige Ausnahmen kein Ausdruck einer politischen Gesinnung, sondern rein monetären Motiven geschuldet oder wie bei Reemtsma auch unternehmenspolitische Strategie. Letztendlich profitierten die Zigarettenfabrikanten wirtschaftlich, denn sie konnten an dem gesellschaftpolitischen Interesse der Bevölkerung in Bezug auf NS-Themen im Rahmen der Sammelwerke partizipieren. Aber auch das NS-Regime profitierte wirtschaftlich. Neben den finanziellen Vorteilteilnahmen und der Multiplikation der NS-Ideologie profitierte das NS-Regime von den Zigarettenbildern auch als psychologisches Instrument der Truppenbetreuung, denn das Oberkommando der Wehrmacht erachtete die Zigarettenbilder für die Betreuung der Soldaten als unerlässlich.
Mit der Nutzung der Zigarettenalben begab sich aber auch das NS-Regime in Abhängigkeit zur Zigarettenindustrie, denn Populärkultur erfordert effektive Produktionsmittel und Distributionskanäle, die die Multiplikation der Medien gewährleisten sowie ambitionierte Unternehmer, die eine Gewinnmaximierung verfolgen. Das RMVP musste der Wirtschaft daher einen gewissen Freiraum bei der Themenwahl belassen, damit das Medium insgesamt nicht an Akzeptanz bei der Bevölkerung verlor. Angesichts der Tatsache, dass die so genannte Bekenntnisliteratur bei der Bevölkerung nie auf große Resonanz gestoßen und ab 1934 kaum noch nachgefragt war, bildeten die Zigarettenalben eine der wenigen Plattformen, auf der das NS-Regime über soziale Schichten hinweg Bevölkerung erreichen konnte. Die Einflussnahme des NS-Regimes war damit ebenso begrenzt, wie die der Unternehmen, denn beide mussten den sozialpsychologischen Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragen. Sowohl Wirtschaft als auch Politik mussten, um Akzeptanz zu finden, die Themen bedienen, die vom Rezipienten nachgefragt wurden.
Die Untersuchungen belegen, dass die Zigarettenalben, die in den 1930er Jahren publiziert wurden, nicht ausschließlich zur Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda verwendet wurden, sondern auch von Gemeinschaften genutzt wurden, die ihre spezifischen politischen und ideologischen Interessen vertreten wollten. Neben den Vertretern des sozialistischen Lagers war es die SA, die die Zigarettenalben als Sprachrohr für ihre eigenen Interessen in Anspruch nahm. Bei der Parteiarmee war es insbesondere der sozialistisch geprägte Flügel um Ernst Röhm, der mit den Alben der sympathisierenden Firma Sturm seine Interessen vertrat, die primär darin bestanden, eine Partizipation an der Macht zu legitimieren und einzufordern. Darüber hinaus boten die Zigarettenalben der Parteiarmee die Möglichkeit, die eigene Historie in der deutschen Geschichte zu verorten und eine Traditionslinie bis zu den Freiheitskriegen zu ziehen. Damit konnte die SA mit den Sturm-Alben sowohl eine faschistische Bewegungskultur etablieren, als auch eine eigene Historie installieren. Die SA und ihre Mitglieder erhielten so einen Identifikationsraum, der ihnen die Möglichkeit bot, sich als selbstbewusste und eigenständige Organisation zu definieren.
Die Lenkungshoheit über die Medien und die nationalen Symbole erlaubte es dem NS-Regime, die kommunikationspolitischen Maßnahmen stringent nach den eigenen politischen Zielen auszurichten. Da die Autonomie des Öffentlichkeitssystems völlig aufgehoben und alle Publikationen der staatlichen Kontrolle unterlagen, mussten auch die Zigarettenfabrikanten die Inhalte der Sammelalben regimekonform ausrichten. Den-noch konnten weder Politik noch Industrie bei der Kommunikationspolitik völlig autark agieren, denn aufgrund der Wechselbeziehung zwischen Kommunikator und Rezipient waren beide Parteien gezwungen, die Bedürfnisse der Bevölkerung und ihre sozialpsychologischen Identifikationsräume zu berücksichtigen. Die Propaganda des Nationalsozialismus war daher, wie in den Kommunikationswissenschaften vielfach dargestellt, kein dispositionales Konzept, bei dem das Individuum einem Reiz-Reaktions-Schema folgt.
Die Berücksichtigung der sozialpsychologischen Bedürfnisse der Rezipienten wurde insbesondere bei der Integrationspropanda verfolgt.
Wissenschaftler, Unternehmer, Mäzen, NS-Opfer : zur Erinnerung an Arthur von Weinberg (1860 –1943)
(2007)
Im öffentlichen Bewusstsein sind die Brüder Arthur und Carl von Weinberg vielleicht wenig präsent. Aber bei den ehemaligen »Cassellanern«, in der Universität, im »Senckenberg«, im »Städel«, in der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft, bei den Leitern von Zoo oder Palmengarten, auf dem Rennplatz in Niederrad oder im dortigen Golfclub weiß man sehr wohl, wer die Brüder von Weinberg waren. Es gibt auch ausreichend Literatur, in denen ihre Verdienste hervorgehoben werden. Anlässlich der Übergabe des Schreibtischs von Arthur von Weinberg an die Universität sei versucht, die Geschichte der Familie Weinberg, insbesondere die von Arthur von Weinberg, aus fünf verschiedenen Perspektiven wenigstens anzudeuten.
Von der Schuld, noch am Leben zu sein : einige Bemerkungen zum Roman "Der Boxer" von Jurek Becker
(1992)
Der 1976 erschiene Roman "Der Boxer" folgt in seiner Handlungszeit, die sich über den Zeitraum von 1945 bis 1970 erstreckt, chronologisch der ersten gelungenen Erzählung "Jakob der Lügner". In diesem Roman läßt Becker die Überlebenden aus den nazistischen Lagern zu Wort kommen; aus der Distanz von nahezu dreißig Jahren verfolgt er Geschehnisse aus der Geschichte des Vaters und aus dessen Leben im Berlin der ersten Nachkriegszeit. Aron Blank, die zentrale Gestalt des Romans, ein in Riga geborener Jude, hat das Konzentrationslager als einziger seiner Familie überlebt. [...] Um psychisch überleben zu können, ist Aron entschlossen, die faschistische Vergangenheit aus seinem Gedächtnis zu löschen. [...] Es ist eine jener paradoxen Situationen, die in Beckers Prosa häufig vorkommen: obwohl unschuldig, muß sich das Individuum mit einer Täuschung dem unerbittlichen Zugriff der Geschichte entziehen. Anna Chiarloni stellt in ihren Bemerkungen zum Roman "Der Boxer" von Jurek Becker Vergleiche und Bezüge zu (u.a.) anderen Werken des Autors selbst wie "Der Verdächtige" sowie Rainer Werner Faßbinders Bühnenstück "Die Stadt, der Müll, der Tod" und Christa Wolfs Erzählung "Störfall" her.
Der nachfolgende Bericht basiert auf dem Manuskript für einen Vortrag vor Mitgliedern des Verbandes ehemaliger Breslauer in Israel im September 2006. Viele der heute dort lebenden ehemaligen Breslauer waren Schülerinnen und Schüler der jüdischen Schulen in ihrer Heimatstadt. Das Ende des jüdischen Schulwesens wird im Folgenden vor allem nach den im (polnischen) Staatsarchiv zu Breslau [Archivum Panstwowe we Wrocławia] befindlichen Akten des Magistrats der schlesischen (Provinz) Hauptstadt Breslau und darunter insbesondere den der Magistratsschulverwaltung und soweit Dokumente darüber vorlagen für die Zeit zwischen 1933 und 1942 in groben Zügen aufgezeichnet. Auf die Wiederholung von Einzelheiten, die bereits in anderen Publikationen veröffentlicht wurden, und die breite Einbeziehung anderer Quellen wurde im Sinne, einen Überblick über die Ereignisse und die betroffenen Schüler und Lehrer zu vermitteln, verzichtet. Eine umfangreichere Arbeit mit vielen weiteren Details, die sich aus den Archivalien in Wrocław / Breslau ergeben und die auch anderes Quellenmaterial mit einschließt, ist unter dem Arbeitstitel „Breslaus jüdische Schüler, Lehrer und Schulen 1919 – 1943“ in Vorbereitung. Diese geplante Publikation und der vorliegende Artikel sollen dazu beitragen, dass das Andenken an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes gewahrt wird. Deshalb werden auch die Namen der Lehrer, von denen viele ermordet wurden, genannt. Sie sollen unvergessen bleiben. Zugleich sollen über diese Veröffentlichung Kontakte zu anderen Forschern, die sich auch mit der Thematik der Jüdischen Schulen in der Zeit der Weimarer Republik und während der Herrschaft des Nationalsozialismus befassen, hergestellt und weitere Berichte von Zeitzeugen und Dokumente erschlossen werden, um dazu beizutragen, Einzelschicksale bzw. Lebenswege von Lehrern und Schülern und auch von jenen, die sich schuldig gemacht haben, aufzudecken.
Zu leugnen gibt es schon seit über zwanzig Jahren nichts mehr. Hans Robert Jauß, der vielleicht bedeutendste, ganz sicher aber der wirkmächtigste deutsche Romanist nach 1945 war ein hoch dekoriertes Mitglied der Waffen-SS. [...] Fest steht: Jauß war nicht jener kleine und durchschnittliche 'Mitläufer', als der er aufgrund manifester Falschaussagen 1948 'entlastet' wurde, als den er sich vermutlich selbst zeit seines Lebens sah und als den einige seiner Schüler ihn bis heute sehen wollen. Jauß war bis 1945 ein militanter Faschist. [...] Mit Bezug auf seine SS-Vergangenheit lassen sich bestimmte Dimensionen des Jauß'schen Werks neu oder anders perspektivieren, aber man dringt damit kaum zu seinem epistemologischen oder ideologischen Kern vor. [...] Das Verstörende am Wissenschaftler Jauß besteht nicht darin, dass seine Texte elementar vom NS infiziert wären. Das Verstörende besteht darin, dass sie das nicht sind.
Im Rahmen des Kongresses „Literaturwissenschaften in Frankfurt, 1914 – 1945“, der von Bernd Zegowitz (Germanistik) und Frank Estelmann (Romanistik) am 20. und 21. Juni 2014 an der Universität Frankfurt am Main organisiert wurde, gaben 13 Vortragende an zwei Tagen Einblicke sowohl in die Geschichte als auch in exemplarische Werke von Literaturwissenschaftlern, die in der Zeit zwischen der Universitätsgründung im Jahr 1914 und dem Ende des Nationalsozialismus 1945 an der Universität Frankfurt lehrten und forschten.
In folgendem Beitrag soll versucht werden, den Werdegang Dr. Ludwig Goldschmidts, eines bemerkenswerten Kasseler Juristen der Vor- und Nachkriegszeit, zu schildern. Er war, wie Dr. Robert Raphael Geis, der letzte Kasseler Rabbiner, schreibt, "Zeuge eines deutschen Judentums ..., von dem wir Juden nicht mehr wissen, daß es eine seltene Höhe unserer Kultur bedeutete".