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Kuhlmann bleibt zwar dabei, dass in seinem Buch alles steht, wie es "in allen Propheten geweissaget", bemüht also wieder die Gedankenfigur der literarischen Erfüllung der Prophetien. Gleichzeitig behauptet er, dass sein Buch sich nicht endgültig aus der zeitlichen Prozessualität der Wissensproduktion und -reproduktion befreien kann. Das Buch ist noch nicht in der "Ewigkeit", sondern nur Samen, aus dem erst das erschriebene bzw. zu erschreibende Jenseits der Zeit erwachsen wird. Entgegen allen anderslautenden Äußerungen kann der Jüngste Tag eben doch noch nicht angebrochen sein, wenn die Feder noch kratzt, die ihn oder sie be- oder eben erschreiben soll. Und so macht Kuhlmann das einzig konsequente: Er bricht den Kühlpsalter ab.
Im vorliegenden Themenschwerpunkt wird die zentrale Frage aufgeworfen, wie Literatur in interdiskursiven Formationen durch ihre spezifischen Mittel das Wissen von verschiedener (hauptsächlich jedoch wissenschaftlicher) Provenienz kommuniziert. In den Beiträgen wird auch explizit auf die Problematik der theoretisch-methodologischen Erfassung des Zusammenhangs von Literatur und Wissen eingegangen und die jeweilige Art und Weise der Reflexion des konstruktiven Charakters der Literatur als Interdiskurs modelliert. Dadurch wird auf die Funktion der Literatur fokussiert, von der wir annehmen, dass sie die Spur der interdiskursiven Kommunikation in sich trägt. In dieser Perspektive lassen sich entsprechende Transformationsstrategien und Strukturen herausarbeiten, durch die wir uns in der Regel identifizieren und die Tragsäulen unseres Weltbildes darstellen. Im Wesentlichen jedoch wird der Blick auf die Frage gerichtet, was genau geschieht, wenn Wissensbestände über die Grenzen der Spezialdiskurse hinausgehen, oder genauer, in welchem Verhältnis das Wissen der Spezialdiskurse zu ihrer literarischen Kommunikation steht. Der zuletzt angesprochene Aspekt betrifft auch Fragen der Rezeptionsästhetik. Mit der Fokussierung der Besonderheiten der literarischen Kommunikation, also der Integration und der Darstellung des Wissens der Spezialdiskurse im Spektrum der literarischen Mittel wird ein Bereich betreten, der für die Literaturwissenschaft eine Herausforderung darstellt. Diese Neuperspektivierung rekurriert auf Foucaults Postulat von der Entprivilegierung des Wissens der Spezialdiskurse durch Interdiskurse wie Literatur (korrelierende und kompensierende Funktion von Interdiskursen), indem sie Wissen in Zusammenhänge bringt, die für den gegebenen Spezialdiskurs unzugänglich oder vielmehr unzulässig sind. Das Themenheft versammelt eine Serie von Aufsätzen, die jeweils ganz spezifische Perspektiven auf die aufgestellte Problematik eröffnen.
Im vorliegenden Themenschwerpunkt wird die zentrale Frage aufgeworfen, wie Literatur in interdiskursiven Formationen durch ihre spezifischen Mittel das Wissen von verschiedener (hauptsächlich jedoch wissenschaftlicher) Provenienz kommuniziert. In den Beiträgen wird auch explizit auf die Problematik der theoretisch-methodologischen Erfassung des Zusammenhangs von Literatur und Wissen eingegangen und die jeweilige Art und Weise der Reflexion des konstruktiven Charakters der Literatur als Interdiskurs modelliert. Dadurch wird auf die Funktion der Literatur fokussiert, von der wir annehmen, dass sie die Spur der interdiskursiven Kommunikation in sich trägt. In dieser Perspektive lassen sich entsprechende Transformationsstrategien und Strukturen herausarbeiten, durch die wir uns in der Regel identifizieren und die Tragsäulen unseres Weltbildes darstellen. Im Wesentlichen jedoch wird der Blick auf die Frage gerichtet, was genau geschieht, wenn Wissensbestände über die Grenzen der Spezialdiskurse hinausgehen, oder genauer, in welchem Verhältnis das Wissen der Spezialdiskurse zu ihrer literarischen Kommunikation steht. Der zuletzt angesprochene Aspekt betrifft auch Fragen der Rezeptionsästhetik. Mit der Fokussierung der Besonderheiten der literarischen Kommunikation, also der Integration und der Darstellung des Wissens der Spezialdiskurse im Spektrum der literarischen Mittel wird ein Bereich betreten, der für die Literaturwissenschaft eine Herausforderung darstellt.
Die Auseinandersetzung mit freimaurerischen Themen hat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bekanntlich auch in Texten ihren Niederschlag gefunden, die sich an Schnittstellen der freimaurerischen Literatur und des Schaffens literarisch-philosophisch etablierter Autoren befanden, als solche später mitkanonisiert und als repräsentativ für freimaurerische Problemlagen ausgelegt wurden. [...] Das historisch Kontingente - das Enttäuschende des Logenalltags - wird durch dessen nicht-freimaurerische Theorie nicht nur korrigiert, sondern restlos beseitigt. In dem Maße, wie sich das Geheimnis als inhaltslos zu erkennen gibt, wird Freimaureltum zum leeren Namen. Womit jedoch ein Soziales, das von geheimen Gesellschaften dauernd akzentuierte Bewusstsein, Gesellschaft zu sein verloren geht. Für die freimaurerische Quantitätssteigerung von Soziabilität - für deren spezifische Verschärfung der Zwischenlage zwischen Individuum und Gesellschaft - hat, so die hier zu entwickelnde Ansicht, nicht die (eh unzugängliche) historische Praxis des Freimaurertums an sich einzustehen. Es muss da noch mehr geben, z.B. andere Sprach- und Theorieregister, die gewissermaßen zwischen dem historisch Kontingenten und dem allgemein Historischen zu liegen kommen. Hier gilt es anzusetzen. Gesucht wird ein Verständnis, nicht des Sozialen im Allgemeinen, vielmehr der Ausgestaltung des Sozialen unterhalb makrosoziologischer Perspektiven. Eine Erfassung des Institutionellen, das nicht lediglich mit der Geschichte von Logen, aber auch nicht mit dem Prinzip selbst zusammenfällt, eher zu deren Schnittstelle wird. An der sich die organisatorische Potenz der Institution als eines Dritten (das nicht nur Ritual und auch nicht nur Literatur ist) entäußert. Unter diesem Blickwinkel werden im Folgenden Herders Annäherungen ans Problem des Freimaurertums gesichtet und ausgewertet.
"His ignorance", so lesen wir im zweiten Kapitel von Conan Doyles 'A Study in Scarlet', das den Titel "Science of Deduction" trägt, "his ignorance was as remarkable as his knowledge". Sherlock Holmes, seines Zeichens Meisterdetektiv und Fürsprecher exakten Detailwissens, überrascht seinen Freund durch eklatantes Nicht-Wissen: von Gegenwartsliteratur, Philosophie und Politik; "he appeared to know next to nothing", schreibt Watson, und seine Überraschung erreicht ihren Höhepunkt, als er herausfindet, dass Holmes nichts über die Zusammensetzung unseres Sonnensystems weiß: "[H]e was ignorant of the Copernican Theory". Wie kann es sein, so fragt sich Watson, dass ein zivilisierter Mensch des neunzehnten Jahrhunderts nicht weiß, dass sich die Erde um die Sonne dreht? Wie kann sich ein Sherlock Holmes derartige Lücken im Feld des Allgemeinwissens leisten? Die Antwort, die Holmes seinem Freund gibt, setzt Nicht-Wissen und Wissen in ein strategisches Verhältnis, das unter dem Vorzeichen einer professionalisierten, dem Gesetz der Ökonomie gehorchenden episteme steht: Nur das nützliche Wissen – das Wissen, das für die spezielle Arbeitsaufgabe eines consulting detectives nötig ist – erhält überhaupt Zugang zu seinem Gedächtnis, wobei dieses, topologisch nicht allzu originell, als Dachboden eines oikos beschrieben wird, in dem – hier wird das Grundgesetz der Ökonomie, die Verknappung, auch in räumlicher Hinsicht in Anschlag gebracht – nur wenig Platz ist. […]Der 'brain-attic' ist mithin nicht nur dem ökonomischen Dispositiv knappen Raums, sondern auch einem pragmatischen Prinzip der epistemischen Auslese unterworfen, das quasi darwinistische Züge trägt: Nur das nützliche Wissen überlebt. Dieser Verdrängungskampf der Gegenstände des Wissens, eine Antizipation dessen, was Peirce und Popper später als 'evolutionary theory of knowledge' propagieren werden, offenbart den strategischen Aspekt des Nicht-Wissens: Angesichts begrenzter Raumkapazitäten wird das Leerräumen überfüllter Wissensspeicher zur Voraussetzung dafür, dass sich neues Wissen einrichten kann. Anders gewendet: Nur das Vergessen von Bereits-Gewusstem schafft Raum für zukünftiges Wissen – und unter dieser Prämisse wird das Nicht-Wissen zu einem ebenso bemerkenswerten Phänomen wie das Wissen.