Refine
Year of publication
- 2012 (144) (remove)
Document Type
- Part of a Book (144) (remove)
Language
- German (115)
- English (24)
- Multiple languages (3)
- Italian (2)
Has Fulltext
- yes (144)
Is part of the Bibliography
- no (144) (remove)
Keywords
- Rilke, Rainer Maria (26)
- Pasolini, Pier Paolo (16)
- Freud, Sigmund (12)
- Psychoanalyse (9)
- Ausdruck (8)
- Lyrik (8)
- Sakrament <Motiv> (8)
- Deutsch (7)
- Katastrophe <Motiv> (7)
- Das Sakrale (6)
Institute
Psycholinguistik
(2012)
Der Beitrag 'Katastrophe als Metapher' von Chrsitoph Willmitzer beleuchtet das lyrische Werk Ewald Christian von Kleists unter dem Gesichtspunkt der metaphorischen Ausgestaltung von Affekten im Rahmen von literarischen Darstellungen von Naturkatastrophen und Kriegen. Willmitzer geht damit dezidiert auf den frühneuzeitlichen Kontext ein, der in Bezug auf das Katastrophale noch nicht von den Deutungs- und Diskursivierungsmustern geprägt ist, die nach dem Erdbeben von Lissabon 1755 dominant werden.
Sebastian Wildes Aufsatz 'Die Wirklichkeit der Katastrophe' beleuchtet diesen Konflikt vom Standpunkt des betroffenen Subjekts aus: Der Schriftsteller Marcel Beyer wurde 2002 nicht nur zum Zeugen, sondern in vielerlei Hinsicht zum 'Opfer' des Elbehochwassers. Wie Kluge nutzt auch Beyer die spezifischen Eigenschaften seines Mediums, um sich kritisch mit der Presseberichterstattung auseinanderzusetzen. Im Essay 'Wasserstandsbericht' setzt Beyer dem scheinbar dokumentarischen Überblick der Bildmedien den tatsächlich betroffenen Körper als 'Rezeptionsapparat' entgegen und macht die Katastrophe somit durch sprachliche Mittel unmittelbar erfahrbar.
Weil die Bibel als formativer Text der europäischen Kultur bis in die Neuzeit hinein einen zentralen epistemischen Ort hatte sind an ihr historisch schon sehr früh Instrumente zur Suche entwickelt worden, die nicht nur für die Vorgeschichte modernen Suchens interessant sind, sondern auch auf paradigmatische Weise zeigen, wie die Instrumente der Suche das Wissen selbst prägen: in diesem Sinne das besondere geistliche Wissen der Schrift, das in ihrer Durchsuchbarkeit immer wieder aktualisiert, ja erst eigentlich konstituiert wird. Denn zur Heiligen Schrift wird die Schrift gerade in dem Maße, in dem man sie in jeder Situation verwenden kann, und das kann man eben besonders gut, wenn man schnell das Richtige in ihr findet. Das soll im Folgenden an einigen der wichtigsten und charakteristischsten Suchinstrumente gezeigt werden: den Konkordanzen, den Polyglotten, den Kanontafeln, Harmonien und Synopsen.
Die Frühe Neuzeit gilt oft als das rhetorische Zeitalter: Viel stärker als durch das Konzept des Zeichens und durch die Semiotik wird sie von der Kunst der Rede und der elaborierten Disziplin der Rhetorik bestimmt, die nicht nur bei der Produktion sprachlicher Äußerungen, sondern auch bei jener von Bildern und von Wissen eine konstitutive Rolle spielt. Seit die Rhetorik mit der Reformation ins Zentrum der Ausbildung der Gelehrsamkeit gerückt ist – bei den Protestanten vor allem durch Melanchthon, bei den Katholiken besonders durch die Jesuiten – bestimmt sie die Wissensproduktion, so dass die Frühe Neuzeit insgesamt und das 17. Jahrhundert im Besonderen wohl mit höherem Recht als Episteme der Rhetorik denn als Episteme der Repräsentation bezeichnet werden könnten. Ganz besonders bestimmt die Rhetorik naturgemäß die Dichtung: Wie die Forschung der letzten Jahrzehnte immer wieder gezeigt hat, kann die barocke Dichtung nicht am Modell der Erlebnislyrik oder des lyrischen 'Ausdrucks' gemessen werden, weil die Texte nichts Innerliches ausdrücken und auch nicht originell sein wollen; ihre rhetorische Oberfläche oder Machart ist keine äußerliche Einkleidung von Gehalten, sondern ihnen wesentlich: Dichtung ist eigentlich angewandte Rhetorik und die poetische Praxis lässt sich meist mehr oder weniger klar auf rhetorisches Lehrbuchwissen zurückführen. Dabei hat die Forschung dieses Wissen oft eher auf die humanistische und antike Tradition zurückgeführt und seine säkulare und technische Natur betont – gerade aufgrund dieser Natur sei das rhetorische Wissen letztlich wichtiger als die Absichten, die einzelne Autoren mit ihrer Dichtung zu verfolgen behaupten.
Ein Beispielfall nach der Reformation : Sakrament, Rhetorik und Repräsentation bei Théodore de Bèze
(2012)
1550 oder 1551 wurde in Lausanne eine tragédie française mit dem Titel Abraham sacrifiant aufgeführt. [...] Das Stück stammt von Théodore de Bèze, der sich erst kurz zuvor, 1548, nach einer glänzenden humanistischen Laufbahn zum reformierten Glauben bekannt hatte, deswegen aus Frankreich emigrieren musste und als Professor für Griechisch in Lausanne wirkte. [...] Abraham sacrifiant ist also das Jugendwerk eines der wichtigsten Theologen des Calvinismus, und sein Schluss zeigt, wie radikal das neue Verständnis des Glaubens und auch des Sakraments nicht nur die christliche Botschaft, sondern auch deren Darstellung und damit die Möglichkeiten von Darstellung überhaupt verändern konnte. Diese Veränderung besteht zunächst in einer Verschiebung der Gewichte, denn an die Stelle des rituellen Geschehens tritt jetzt etwas anderes. Aufgabe der Dichtung ist es, die Passionen zu zeigen, ja sie sogar lebendig zu machen. Natürlich geschieht das nicht um ihrer selbst willen, sondern um sie – stoisch – zu überwinden, und wie Abraham mit seinem Glauben seine Leidenschaften überwindet, wird das Thema des auf den Prolog folgenden Stücks sein. Aber wie kann man die Überwindung als solche darstellen, zumal wenn man auf die traditionellen Darstellungsformen der Mistères verzichtet? In dieser Hinsicht lässt sich der Prolog nicht nur als inhaltliche, sondern auch als theatertheoretische Aussage lesen: Dargestellt wird nicht nur die Überwindung der Leidenschaften durch den Glauben, sondern auch die Überwindung der 'lebendigen Darstellung'. Denn das, worauf es eigentlich ankommt, den Glauben, kann man eben nicht sehen. Theater wird hier dazu verwendet, das Unsichtbare darzustellen, das aber seinerseits das Theater in Frage stellt bzw. es transformiert und zu einem Theater des Unsichtbaren macht. Es geht also nicht um die Darstellung des Glaubens, sondern um die gläubige Darstellung, und das heißt: eine Darstellung, die sich selbst immer schon problematisiert.
Das Marburger Religionsgespräch kann man als eine Urszene des neuzeitlichen Übergangs von Präsenz- zu Repräsentationskultur lesen, die sich an dem zentralen christlichen Ritual der Eucharistie entfaltet: Zwinglis Versuch, das Abendmahl als zeichenhafte Repräsentation zu verstehen, steht Luthers Bestehen auf der Präsenz gegenüber. Urszenen sind freilich immer komplex – und komplexer, als dass sie in allgemeine Formeln wie etwa ‚von der Präsenz zur Repräsentation‘ aufzulösen wären. Bemerkenswert ist bereits, dass der Dissens nicht zwischen der traditionellen Interpretation als Messe und der neuen Abendmahlspraxis verläuft, sondern innerhalb der letzteren. Bemerkenswert ist weiter, dass nicht zwei Deutungen miteinander konkurrieren, sondern mindestens drei Modelle im Spiel sind, die sich verschiedener Begrifflichkeiten bedienen: Form und Substanz in der Transsubstantiationslehre, Sinn und Bedeutung in Zwinglis Modell, Tropen und Redefiguren bei Luther. Diese Modelle durchdringen einander nicht nur, sie werden auch eigenartige Kompromisse eingehen, wenn etwa die lutherische Theologie bald in ihrer Polemik gegen die Reformierten immer häufiger auf das Substanzmodell zurückgreifen wird. Die Rede von Modellen macht aber auch deutlich, dass hier mehr auf dem Spiel steht als einfache konzeptuelle Unterscheidungen: Es geht auch um das Verhältnis von Diskursen, Disziplinen, Evidenzquellen, also etwa um die Frage, welche Argumente in der Kontroverse herangezogen werden dürfen, oder wie man mit der Schrift umzugehen habe – bis hin zu Praktiken der Inszenierung dieser Argumente wie Luthers Kreideschrift. Vor allem wird die Logik der Kontroverse deutlich, in der sich beide Seiten beständig voneinander abgrenzen und gerade dadurch gegenseitig negativ bestimmen, so dass auch die Unterscheidung von Präsenz und Repräsentation nicht einfach vorausgesetzt werden kann, sondern Teil der Kontroverse ist und sich in ihr herausbildet.
Das Theater ist für die Frage nach der Sakramentalen Repräsentation der Frühen Neuzeit schon aufgrund der schlichten Tatsache interessant, dass es als Verbund von Zeichen, Bildern und Gesten in größter denkbarer Nähe zur Liturgie steht. Die Nähe ist gefährlich und immer heikel, und so gehört es zu den Gemeinplätzen der protestantischen Kritik an der Messe, diese sei bloßes Theater. Umgekehrt benutzen aber auch die Reformatoren selbst immer wieder die Metaphorik des Theaters, etwa wenn Calvin die Welt als großes Theater der Herrlichkeit Gottes bezeichnet oder Luther sich selbst als Zuschauer der Heilsgeschichte imaginiert. An dieser schwierigen Grenze bildet sich eine kirchliche und insbesondere protestantische Theaterfeindschaft heraus, die den Anspruch des Theaters, Wirklichkeit darzustellen, aufs Schärfste bekämpft, aber gerade dadurch auch ein neues Verständnis von Theater gewinnt.
Der [...] Beitrag besteht aus drei Teilen, die nur locker miteinander verbunden sind. Der Eindruck des Unzusammenhängenden, der zunächst entstehen mag, wird dadurch gefördert, dass die Abschnitte nicht explizit Bezug aufeinander nehmen und sich in sehr unterschiedlichen Perspektiven der Fragestellung nähern. Sie gehen von der Nahsicht (auf einen Traum) zum Blick auf größere historische Zusammenhänge über. Die Fragestellung jedoch ist allen drei Teilen gemeinsam: Wie steht es um die Natur des Freudschen psychischen Apparates?
Mitte des 18. Jahrhunderts versuchten Vertreter der französischen Kunstkritik und Ästhetik die Sprachen des visuellen Ausdrucks, die man aus dem vorausgegangenen Jahrhundert und insbesondere den durch Charles Le Brun (1619–1690) formulierten Prototypen des Ausdrucks übernommen hatte, zu modifizieren und umzuformulieren. Im Mittelpunkt dieses Prozesses der Umformulierung stand die zunehmend populärer werdende Idee des 'Natürlichen'. Der Begriff 'Ausdruck' bezieht sich hier besonders auf die Darstellung der Gesichter und Körper gemalter menschlicher Figuren, und dabei vor allem auf die Konfiguration der Gesichtszüge, der Körperhaltungen und Gebärden. Die Suche nach neuen oder modifizierten Ausdrucksformen trat besonders deutlich bei den Genrebildern zutage, also Gemälden, die Szenen aus dem zeitgenössischen Alltagsleben darstellten und traditionell mit der Erwartung eines stärkeren Naturalismus verbunden waren. Als Ort des visuellen Ausdrucks nahmen Genrebilder einen bestimmten Punkt innerhalb eines breiten Spektrums gegensätzlicher Konzepte im zeitgenössischen ästhetischen Diskurs ein, und ihr Verhältnis zu den rhetorischen Ausdrucksformen der Historienmalerei war häufig problematisch. Die einschlägigen Begriffe im zeitgenössischen ästhetischen Diskurs, zwischen denen die Genremaler ihre Werke zu positionieren versuchten, waren Manierismus und Natur, Unangemessenheit und Schicklichkeit, das Erhabene und das Pathetische, expliziter und suggestiver oder 'offener' Ausdruck. Es handelte sich um eine Frage des visuellen Tons oder Registers, die häufig durch die intellektuellen, moralischen und sozialen Ambitionen der präsentierten Genremalerei und durch die erwünschte Beziehung zum Betrachter geklärt wurde. Das Ausdrucksregister war weniger vielfältig bei Gemälden, die primär dem Ziel der Unterhaltung oder Verzierung dienten, weniger imposant oder explizit bei denjenigen, die eher den interpretatorischen und moralischen Fähigkeiten der Öffentlichkeit vertrauten, und wesentlich größer bei denjenigen, die versuchten eine anspruchsvolle moralische Botschaft zu vermitteln.
Um diese Suche nach einem angemessenen moralischen und ästhetischen Register zu veranschaulichen, werde ich mich auf die Salonkritiken Denis Diderots (1713–1784) aus der Mitte der 1760er Jahre, auf einige der von ihm besprochenen Genrebilder sowie auf das Schaffen und die theoretischen Schriften Michel François Dandré-Bardons (1700–1783) beziehen, dessen Ausdruckslehre die Académie royale in Paris in der Jahrhundertmitte (1752–1755) beherrschte.
Die Handschriften, im Jahr 1952 von den Erben verkauft, befinden sich jetzt im Rilke-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern. Ernst Zinn wurden Photokopien aller Manuskripte zur Verfügung gestellt; dazu gehören auch eine Reihe von Widmungsexemplaren und zehn photographische Ansichten von Ronda mit Erläuterungen von Rilke auf der Rückseite. Dieser Bestand, der bis jetzt in kein Archiv eingegliedert ist, wird ergänzt durch Notizen von Ernst Zinn, durch Listen und Protokolle. Wolfgang Herwig, Schüler und Mitarbeiter von Ernst Zinn, hat im Jahr 1950 ein Verzeichnis des ganzen Bestandes angelegt und darüber hinaus alle Briefe in ein maschinenschriftliches Manuskript übertragen; es ist Grundlage dieses Textes, der erneut an den Autographen der Briefe überprüft wurde; Entwürfe zu den Briefen konnten nicht nachgewiesen werden. Ihr Text ist diplomatisch getreu wiedergegeben, das heißt Verschreibungen und Flüchtigkeitsfehler sind nicht korrigiert, lediglich durch ein <sic> gekennzeichnet.
Nutri(epi)genomik
(2012)
Ich arbeite zur Nutrigenomik, und zwar insbesondere zur Wirkung von Milch auf den Humanorganismus. Als ich diese Einladung erhielt, war das von daher für mich auch Gelegenheit, die Literatur zu Epigenetik und Ernährung zu sichten. Mein Beitrag hat drei Teile: Zunächst werde ich eine kurze, allgemeine Einführung in die Nutrigenomik geben. Da das Thema des Workshops ja die transgenerationale Übertragung epigenetischer Effekte ist, werde ich im zweiten Teil den Schwerpunkt auf Beispiele hierzu aus der Ernährungsforschung legen - zuerst in Tieren, meistens in Mäusen, und dann in Menschen. Abschließend werde ich für die Diskussion ein paar allgemeine Gedanken zur Relevanz dieser Forschung formulieren.
1. Introduction: The autosomal dominant cerebellar ataxias (ADCA) are a clinically, pathologically and genetically heterogeneous group of neurodegenerative disorders caused by degeneration of cerebellum and its afferent and efferent connections. The degenerative process may additionally involves the ponto- medullar systems, pyramidal tracts, basal ganglia, cerebral cortex, peripheral nerves (ADCA I) and the retina (ADCA II), or can be limited to the cerebellum (ADCA III) (Harding et al., 1993). The most common of these dominantly inherited autosomal ataxias, ADCA I, includes many Spinocerebellar Ataxias (SCA) subtypes, some of which are caused by pathological CAG trinucleotide repeat expansion in the coding region on the mutated gene. Such is the case for SCA1, SCA2, SCA3/MJD, SCA6, SCA7, SCA17 and Dentatorubral-pallidoluysian atrophy (DRPLA) (Matilla et al., 2006). Among the almost 30 SCAs, the variant SCA2 is the second most prevalent subtype worldwide, only surpassed by SCA3 (Schöls et al., 2004; Matilla et al., 2006; Auburger, 2011)...
Der Begriff 'Verstreute Gedichte' klingt im Deutschen nicht gut, der Terminus 'Einzelgedichte' lenkt den Blick hin auf das Singuläre jedes Texts und weg von Gemeinsamkeiten und Gedichtgruppen. Der Titel "Uncollected Poems", den William Waters für das Treffen der Internationalen Rilke-Gesellschaft in Boston (2011) in Vorschlag gebracht hat, vermag die Balance gut zu halten, allerdings nur in der englischen Sprache. Eine erste, noch provisorische Übersetzung ins Deutsche mit 'Ungesammelte Gedichte' war wenig überzeugend, denn eine solche Fügung findet sich nicht im Repertoire der deutschen Sprache. Zusammen mit der englischen Prägung wird aber sofort klar, was gemeint ist, auch wenn ein passender editorischer Fachbegriff in der deutschen Sprache nur schwer zu finden ist. Ein Blick auf die Editionsgeschichte von Rilkes Werken erklärt, worin die Besonderheit des Falles besteht.
Giovanna Trento's article 'Pier Paolo Pasolini and Panmeridional Italianness' engages Pasolini's aesthetic, poetic, and political approach in terms of the complementary dichotomy of national and 'local' issues, on the one hand, and transnational and panmeridional topoi, on the other. Trento argues that despite his 'Third World' and Marxist sympathies, Pasolini showed strong poetic and political attention to national narratives and the building of Italianness. But Pasolini's 'desperate love' for Italy and Italianness, Trento argues, can be fully grasped only if we read it in the light of his fluid, transnational and panmeridional approach marked by different - and at times antithetical - factors, such as the pan-Africanist perspective and the colonial memory. Pasolini was indeed able to build a deterritorialized and idealized never-ending South: the Pan-South (Panmeridione) - that is, a fluid, non-geographical topos where 'traditional' values are used in non-traditional and subversive ways with the goal of resisting industrialization, mass media, and late-capitalist alienation.
Jacob Taubes (1923-1987) und Carl Schmitt (1888-1985) zählen zu den umstrittenen, aber auch faszinierenden intellektuellen Figuren der Bundesrepublik: hier der jüdische Denker und Religionsphilosoph, ausgewiesener Kenner der apokalyptischen Strömungen in Judentum, Christentum, Gnosis samt ihren Folgen, die - nicht nur im christlichen Sinn - Filiationen innerhalb der Antike und ihres Nachlebens darstellen, dort der katholische Autor und Staatsrechtler, bekannt als Wortführer politischer Theologie, berüchtigt für seinen "aufhaltsamen Aufstieg zum 'Kronjuristen'" (Mehring) des Nationalsozialismus - ein Umstand, der sein Werk bis heute tief verschattet. Taubes und Schmitt haben polarisiert und tun es immer noch. Zu Lebzeiten provozierten sie durch ein Verhalten, das vielen als gemein, willkürlich, oft auch irritierend erschien, weil es übliche akademische Kabalen und Winkelzüge auf brüske Weise überschritt. Auch ergriffen sie rücksichtslos Partei, selbst bis zur fast völligen Isolierung: etwa wenn sich Schmitt 1933 als einziger aus der Kölner Juridischen Fakultät weigerte, für den Kollegen Hans Kelsen zu sprechen, als dieser von den Nationalsozialisten entlassen worden war (vgl. Rüthers), etwa wenn Taubes sich in erbitterte, persönliche Verletzungen bereitwillig in Kauf nehmende, akademische Kämpfe verstrickte, die er Ende der 1970er Jahre am notorischen Fachbereich 11 der Freien Universität Berlin [im Folgenden: FU] gegen nahezu alle führte. Doch verstanden es beide auch, geistig anzuziehen und intellektuell anzuregen, wenn sie Debatten begannen oder in sie eingriff en und Ideen aufnahmen, eben eine akademische Kardinaltugend aufs Beste beherrschten: das Verknüpfen von Wissen zwischen den Fächern, um persönliche oder sachliche Verbindungen für neue Fragen produktiv zu machen. Gerade durch die Missachtung gesetzter Grenzen ihrer jeweiligen Disziplin vermochten sie zu einer reicheren Erkenntnis vorzudringen. Darin sind sie Pioniere: Schmitt am Schnittpunkt von staatlichem Recht und christlicher Religion, Taubes in den Konstellationen jüdisch-christlicher Debatten jenseits aller konfessionell betriebenen Bemühungen um Dialog und Versöhnung. Weil ihr Einsatz als Denker - ungeachtet von Eskapaden und Eklats - ein geistig-existentieller war, wirken ihre Impulse weiter, in den letzten Jahren sogar zunehmend, davon zeugen die amerikanischen Übersetzungen, die viele ihrer Schriften und Texte erfahren haben, davon zeugt das Interesse, das sie gerade bei Jüngeren in Europa, Israel und den USA finden, die Philosophie, Jüdische Studien, Kultur-, Literatur-, Religionswissenschaft betreiben.
Der Begriff der 'Ausdrucksästhetik' entstammt nicht dem 18. Jahrhundert, das selbst nur die beiden Elemente des Kompositums, also 'Ausdruck' und 'Ästhetik' hervorbrachte. Die Genese des Begriffs ist in der Forschung bislang noch nicht aufgearbeitet worden. Das ist paradox, weil es der zentralen Bedeutung des Konzepts für die Ästhetikgeschichtsschreibung der Aufklärung entgegen läuft. 'Ausdrucksästhetik' scheint im wissenschaftlichen Sprachgebrauch eines jener Begriffsphantome zu sein, die zwar ständig benutzt, aber kaum je eingehender bestimmt worden sind.
"quillend ins Herz alle Breite der Nach-Tat" : Rilkes 'große Liebende' als Männer mordende Figur
(2012)
Im Sommer 1911 besucht Rilke in Paris mehrfach Aufführungen des berühmten "Russischen Balletts". Besonders angetan zeigt er sich dabei vom jungen Startänzer Vačlav Nijinsky. [...] Die Idee einer Bearbeitung des Judit-Stoffs wird wieder aufgegriffen und mit dem Vorhaben, etwas Nijinsky auf den Leib zu schreiben, löst sich zunächst auch die formale Frage: Der Text für Nijinsky soll, wie das Fragment erkennen lässt, eine Art Libretto sein, das an einzelnen Stellen lyrisch verdichtete Prosa ist. [...] Bei dem nicht einmal drei Seiten umfassenden Fragment, von der Rilke-Forschung bislang fast vollständig außer Acht gelassen, handelt es sich allerdings um ein überaus viel versprechendes Vorhaben, bei dem rätselhaft bleibt, warum Rilke dieses nicht weiter verfolgt. Immerhin löst er, nur geringfügig verändert, einen Teil davon heraus und lässt es als eigenständiges Gedicht stehen: Es ist das Gedicht "Judith's Rückkehr", das Rilke Marie von Thurn und Taxis in ein kleines Buch einträgt. Das sehr verdichtete Gedicht ist in Prosaform geschrieben, Umbrüche sind durch Schrägstriche gekennzeichnet. Da Rilke das Gedicht aus dem Entwurf "Figurines pour un Ballet" herausgelöst und somit als eigenständig eingestuft hat, soll auch die nun folgende Interpretation mittels Close Reading weitgehend unabhängig vom ursprünglich angedachten Kontext erfolgen. Theeles Vorschlag ist, das Gedicht vor dem Hintergrund von Rilkes Theorie der Intransitiven Liebe zu betrachten. Diese besagt - sehr verkürzt -, dass zum einen der Mann an sich gänzlich ungeeignet sei für die Liebe und sich auf diese auch noch nie völlig eingelassen habe, während die Frau das Potential in sich trage, die "schwere Arbeit der Liebe" zu leisten. Frauenfiguren, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben, hat Rilke bekanntermaßen in seinem Werk verschiedentlich zu 'großen Liebenden' stilisiert. Zum anderen soll die Theorie der Intransitiven Liebe zeigen, dass deren höchste Form erst dadurch erreicht werden könne, dass sie eben nicht erwidert wird; die Liebende richtet ihr 'großes Gefühl' stattdessen vollkommen auf sich selbst.
High impact events, political changes and new technologies are reflected in our language and lead to constant evolution of terms, expressions and names. Not knowing about names used in the past for referring to a named entity can severely decrease the performance of many computational linguistic algorithms. We propose NEER, an unsupervised method for named entity evolution recognition independent of external knowledge sources. We find time periods with high likelihood of evolution. By analyzing only these time periods using a sliding window co-occurrence method we capture evolving terms in the same context. We thus avoid comparing terms from widely different periods in time and overcome a severe limitation of existing methods for named entity evolution, as shown by the high recall of 90% on the New York Times corpus. We compare several relatedness measures for filtering to improve precision. Furthermore, using machine learning with minimal supervision improves precision to 94%.
Ich möchte kurz voranstellen, dass ich als Umweltwissenschaftlerin ausgebildet bin, in der Epidemiologie promoviert und mich daraufhin der Wissensgeschichte und -soziologie und insbesondere den Science & Technology Studies zugewandt habe. Mein Interesse an den alltäglichen Praktiken der Wissensbildung und technischen Formalisierungsprozessen in der Ernährungsepidemiologie ist zum einen inspiriert durch den practice turn und den material turn in der Wissenschaftsforschung, zum andern aber auch durch meine eigene Forschungserfahrung in der Epidemiologie. Im Hinblick auf Epigenetik und Ernährung als Medium der Übertragung frage ich nach so banalen Dingen wie: "Wie werden Äpfel in Experimenten formalisiert?", um einigen konkreten Arbeitsweisen der Postgenomik innerhalb des Feldes Nahrung - Ernährung - Stoffwechsel nachzugehen. Im Sinne der bereits erwähnten Unterscheidung zwischen intra- und intergenerationaler Bedeutung des Begriffs Epigenetik von Testa und Boniolo geht es in den folgenden Beispielen primär um intragenerationale Epigenetik. Allerdings gibt es auch in der Ernährungsepidemiologie durchaus Forschung zu inter- oder transgenerationalen Effekten, hier werden oft die Langzeitstudien genannt, in denen die Folgen des niederländischen Hungerwinters 1944, während der deutschen Besatzung, als die Wehrmacht die Versorgungswege der Bevölkerung blockierte, über mehrere Generationen untersucht wurden (vgl. auch den Beitrag von Guy Vergères).
Anhand von Gustav Freytags Roman 'Soll und Haben' analysiert Stullich den Parasiten als eine Figur, die in einer Überschneidung biologischer, ökonomischer und politischer Diskursfelder als eine den Staatskörper schädigende und somit eine biopolitische Katastrophe verursachende Gefahr wahrgenommen wurde. Während also Naturereignisse oder technische Störfälle mit zerstörerischer und tödlicher Wirkung gerade im alltäglichen Verständnis naheliegenderweise als Katastrophen bezeichnet werden, können katastrophische Szenarien gerade in politischen Diskursen als Denkfigur genutzt werden, um bestimmte Ideologien rhetorisch tragfähig zu machen.
Der Ansatz, dass Katastrophen als diskursive Produkte immer auch ein Symptom der Sinnsuche sind, wird auch in Bernhard Strickers Aufsatz 'Hiob - unser Zeitgenosse?' aufgegriffen. Die Unglücksfälle, die Hiob im Alten Testament widerfahren, können als eine Akkumulation persönlicher Katastrophen gedeutet werden, die sich zunächst durch ihre scheinbare Sinnlosigkeit auszeichnen. Stricker vergleicht zwei zeitgenössische filmische Neugestaltungen der Hiob-Geschichte ('A Serious Man' und 'Das Leben ist zu lang'), die ein ironisches Spiel mit den narrativen Strategien der Sinnstiftung im Angesicht des Realen in Form der Katastrophe treiben.
Bad Rippoldsau: wieder einmal hat die Rilke-Gesellschaft, durch günstige Umstände befördert, einen Tagungsort gewählt, an dem einst Rilke unter förderlichen Bedingungen zu weilen vermochte und der ihm in guter, durchaus sympathischer Erinnerung geblieben ist. Beide Male - sowohl 1909 wie 1913 - war es der Kur-Charakter des Ortes, der für den Dichter diese Wahl bestimmt hat. Zum zweiten Mal seit dem Frühjahr 1905 - als Rilke sich zusammen mit seiner Frau Clara Westhoff im Lahmannschen Sanatorium "Weißer Hirsch" bei Dresden einer Kur hatte unterziehen müssen - war es eine zugleich kreative wie (wenn auch leichtere) gesundheitliche Krise, die einen solchen Schritt aus physiologischen und psychologischen Gründen ratsam erscheinen ließ. Werkgeschichtlich bestimmte diese Krise ein Stocken in der Weiterarbeit an den "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", und ebenso die wachsende Erkenntnis Rilkes, daß, nachdem 1908 nun auch der "Andere Teil" der "Neuen Gedichte" erschienen war, in seiner lyrischen Produktion ein Beharren auf ihre spezifische Typologie zu einer Erstarrung hätte führen müssen; daß somit auch ein neuer, noch ungewisser poetologischer Ansatz zu erproben sei.
Die Werke Ralph Waldo Emersons und die seines Schülers und Freundes Henry David Thoreau (1817-1862) hat Rilke schon vor der Jahrhundertwende kennengelernt und studiert und sie haben ihn in entscheidenden Positionen seiner Lebensführung, seiner Weltsicht und seiner Dichtung mindestens bestätigt und bestärkt. Dass Rilke auf die "amerikanischen Transzendentalisten" aufmerksam wurde, ist nicht verwunderlich, denn die führenden Köpfe, allen voran Emerson, waren um die Jahrhundertwende beinahe unübersehbar. [...] Wer Rilke und den "dichterischen Prediger" aus Boston nebeneinander liest oder auch nacheinander, wird immer wieder von dem einen auf den anderen verwiesen.
Es ist beinahe eine Ewigkeit her, dass mich der damalige Präsident der Rilke-Gesellschaft, Jacob Steiner, gebeten hat, einen kurzen Bericht über die neueste Rilke-Literatur zu liefern. Ich sagte unbekümmert und sofort "ja", wahrscheinlich sogar "ja gerne". Jacob Steiner hatte gewissermaßen beiläufig und undramatisch gefragt, wie es seine Art war, ich fühlte mich geehrt und ich hatte keine Ahnung von dem, was da auf mich zukommen sollte. [...]
Prof. Dr. Joachim W. Storck, Ehrenmitglied der internationalen Rilke-Gesellschaft, langjähriger Vizepräsident, einer der großen und ausdauernden Rilke-Forscher, Herausgeber, Kommentator, Interpret und Lehrer, ist am 26. Mai 2011 im Alter von 88 Jahren gestorben. Der im Folgenden abgedruckte Nachruf wurde auf der Gedenkfeier in der Einsegnungshalle des Freiburger Hauptfriedhofs am 3. Juni vorgetragen.
Gilles Deleuze und Félix Guattari haben ein polemisches Buch geschrieben, das seinen Gegner im Titel benennt: Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie. Man fände kein Ende, wenn man allen seinen Bezügen zur Psychoanalyse nachgehen wollte. Als es 1972 herauskommt, wird es als Rück fall hinter deren Errungenschaften kritisiert. André Green zieht einen Vergleich mit Sigmunds Freuds voranalytischen Schriften: [...] Worauf der Vergleich aus ist, ist ein Tertium comparationis, das in der Rolle der Naturwissenschaften für die Theorie des Unbewussten liegt. Obwohl der Anti-Ödipus keinen unmittelbaren Verweis auf die voranalytischen Schriften enthält, scheint der Vergleich gerechtfertigt, weil Deleuze und Guattari in Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Biochemie und Molekularbiologie eine neuartige Konzeption des Unbewussten vorschlagen. Green sieht in der Attacke gegen den Ödipus-Komplex einen Angriff auf das Kernstück der Psychoanalyse: Ohne Ödipus gibt es nur mehr einen diffusen Nexus zwischen biologischem und psychischem Geschehen. Während Green oder Leopold Szondi versuchen, neuere biologische Forschungen in die Psychoanalyse zu integrieren, aber hierbei am Ödipus-Komplex festhalten, verfolgen Deleuze und Guattari einen »vagen Monismus«, indem an die Stelle eines durch den ödipalen Konflikt gebildeten Unbewussten ein molekulares Unbewusstes tritt.
Das Gutenberg-Museum in Mainz besitzt mit mehr als 100.000 Blättern eine der bedeutendsten Exlibris-Sammlungen weltweit. In der Reihe "Exlibris des Monats" werden jeweils ausgewählte Objekte in einer Sondervitrine präsentiert. Im Rosenmonat Juli stand 2011 ein Blatt für Rainer Maria Rilke im Mittelpunkt - Anlass, auch einmal einen Blick auf weitere Exlibris auf den Namen des Dichters und seine Wirkung im Exlibris zu werfen.
In der entscheidenden Phase der Schöpfungsgeschichte der Psychoanalyse machte Sigmund Freud seine eigenen Krankheitssymptome, Träume und Fehlleistungen zum Gegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit. Diese »Selbstanalyse«, wie er sie nannte, erreichte ihren Höhepunkt in den Jahren vor der Jahrhundertwende und gipfelte in der Publikation der »Traumdeutung«. Sie ist bis heute ein irritierender, neuralgischer und faszinierender Punkt in der Geschichte der Psychoanalyse, gewissermaßen das aktuelle Rätsel einer modernen Sphinx, die den Zugang zum Freudschen Königreich bewacht. Doch anders als im Altertum, wo nur Ödipus das Rätsel lösen konnte, werden heute in Bezug auf die Selbstanalyse Freuds verschiedene Lösungen für richtig gehalten. Für den Interpreten, den professionellen Freud-Deuter, verspricht auch kaum etwas einen größeren Lustgewinn, als ausgerechnet ihn, den Schöpfer der Psychoanalyse, nachträglich auf die eigene Couch zu legen und zu analysieren, ja, womöglich in noch tiefere Tiefen vorzustoßen, als es dem Meister selber beschieden war, der bekanntlich die Couch der Kollegen mied und vermutlich das Sitzen am Schreibtisch der horizontalen Lage vorzog.
Monika Schmitz-Emans' Beitrag 'Literarische Echos auf Lissabon 1755' beleuchtet verschiedene Texte, die sich auf das Lissaboner Erdbeben - eine paradigmatische Katastrophe - beziehen: Im Vergleich der Texte von Heinrich von Kleist, Thomas Mann, Peter Sloterdijk und Reinhold Schneider zeigt sich die diskursive Bedingtheit von Katastrophen, die letztlich das Produkt zeitspezifischer Wissensformationen sind. Das Reflexionsniveau literarischer Katastrophendarstellungen erlaubt es, diese Prozesse der Diskursivierung und Sinnstiftung neu zu denken.
Mediale und vor allem fiktionale Inszenierungen von Katastrophen in den Bildmedien referieren jedoch nicht nur auf eine 'Wirklichkeit', sondern prägen auch umgekehrt die Realitätswahrnehmung. Die Terroranschläge vom 11. September 2001, so zeigt Mark Schmitts Beitrag 'The Blowback of Reality', erschütterte die Wahrnehmungsgewohnheiten der Zeugen und Zuschauer dieses Ereignisses so fundamental, dass das Verhältnis von ›Fiktivem‹ und ›Realen‹ infrage steht. Schmitts Analyse stellt die sich direkt auf 9/11 beziehenden Filme, die geradezu einem Darstellungstabu unterliegen, dem Monsterfilm 'Cloverfield' gegenüber und geht dabei der Frage nach, inwiefern die 'derealisierende Übertragung' der Gefahr ins Fantastische die Konventionen der 'richtigen' Darstellung unterlaufen.
"Und wie steht es denn in Ägypten?" - das möchten in Ludwig Tiecks Roman Franz Sternbalds Wanderungen (1798) zwei europäische Reisende von einem dritten wissen, der dagewesen ist. Die Frage ist von besonderer zeitgenössischer Brisanz, beginnt doch im gleichen Jahr, in dem der Roman erscheint, eine militärische Unternehmung, die Ägypten (wieder einmal) in den Blickpunkt des europäischen Interesses rücken wird. Von der napoleonischen Campagne d'Égypte können Tiecks Protagonisten freilich noch nichts wissen. Deren Teilnehmer - neben den Soldaten zahlreiche Wissenschaftler, Künstler und Abenteurer - versorgen im Laufe der nächsten Jahre Europa mit einer Fülle von Berichten, Informationen und Materialien.
Modelling protein structure seems a challenging enterprise because the number of structure parameters required ordinarily exceeds the amount of independent data points available from experimental observations. Expressing the predominant conformation of a protein in terms of a geometry model, a polypeptide chain consisting of N atoms would command 3N – 6 Cartesian coordinates be fixed. Even for small proteins, this becomes a daunting number. Fortunately, so-called holonomic constraints limit the number of variables, leaving substantially fewer, truly relevant parameters for folding the polypeptide chain into its native tertiary structure. For example, adjusting bond lengths and the many angles between the covalent bonds connecting the atoms is of little concern and appropriate standard values can be inserted from tableworks (Pople & Gordon, 1967; Engh & Huber, 1991, 2006). Table 1 exemplifies for the 147-residue protein Desulfovibrio vulgaris flavodoxin how the number of truly independent internal rotational degrees of freedom amounts to less than one-tenth of the Cartesian coordinate set size...
Das Faszinierende an Rilke geht weit über sein Werk hinaus: es ist dieses radikale Leben als Dichter, diese extreme Vereinzelung, die sich doch in den Priester-Dienst am Allgemeinsten stellt, das Menschen überall verbindet: die Sprache, die Natur, das Gefühl, die Kunst. Christusgleich, dornengekrönt, vaterlos, elternenttäuscht, die Mutter mehr Last und Pflicht als Halt, muss Rilke sich seine Gläubigen erst erschaffen, muss um sie werben, redet jeder Einzelnen zu, als sei sie die Einzige, unvergleichlich , unerreicht, jeder Hingabe wert - wenn nur die begrenzten Kräfte nicht wären und nicht das Werk, die Arbeit, die es jeden Tag zu beginnen gilt, die alle schön finden sollen, während das Ich des Dichters sich an keinem der erreichten Erfolge dauerhaft erfreut oder auch nur soviel Halt gewinnt, dass die Ängste weichen und die Abgründe sich schließen. Wer sich einer solchen Person psychologisch nähert, sollte jeden seiner Begriffe kritisch prüfen, ehe er ihn auf sie anwendet. Angesichts von Rilke scheinen hier die Begriffe der Hysterie und der Depression besonders problematisch, aber auch das Konzept der narzisstischen Störung funktioniert nur eingeschränkt.
Der Sakramentalen Repräsentation und ihren Diskursen ist zu eigen, dass die (Un-)Möglichkeit von Repräsentation, ihre Paradoxe und ihr Scheitern genauso verhandelt werden wie ihre Überdeterminiertheit und Übersteigerung. In den sakramentalen Zeichenoperationen ist es der Begriff der Repräsentation selbst, der immer wieder auf dem Prüfstand steht. Gerade im Fall der Bilder wird eine anschauliche und materielle Wirklichkeit geschaffen, in der es zwar eine Referenzbeziehung zu etwas Abwesendem gibt, die aber von dem Moment ihrer Erschaffung selbst durch eine ganz eigene dingliche Existenz und substantielle Dynamik in Handlungszusammenhängen gekennzeichnet und somit nicht auf die Beziehung zu dem Signifikat bzw. Referenten des Bildes zu reduzieren ist. Dies gilt auch für die Eigenmaterialität und den Eigenwert der Farbe des Bildes, deren Substanz nicht von ungefähr gerade zu dargestellten liquiden Stoffen in ein besonderes Spannungsverhältnis treten kann.
Jede Kultur operiert mit Zeichen, und jede Zeichenoperation birgt in sich ein Konzept der Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Schriftlich gefasste Theorien zu dieser Beziehung entstehen in Mittelalter und Früher Neuzeit vor allem da, wo die Zeichenoperation von hoher Relevanz und dabei in ihrer genauen Bedeutung strittig ist. In der christlichen Kultur der Vormoderne hat die theologische Notwendigkeit einer Exegese der Konsekrationsformel hoc est corpus meum zu einer Arbeit am Zeichenkonzept geführt, die in ihren Folgen nicht auf die eucharistische Kernbedeutung beschränkt bleibt. Und alle anderen Begriffe, die im Kontext der sakramentalen Leitfigur der Zeichenkonzepte eine zentrale Rolle spielen, werden ebenfalls von den Debatten imprägniert, so wie beispielsweise 'Substanz' und 'Präsenz'. Es sind jedoch nicht nur die theologischen Debatten zwischen den verschiedenen Lagern in Mittelalter und Früher Neuzeit, die den Zeichen-, Substanz- und Präsenzbegriff formieren, sondern auch das Ritual selbst als komplexe institutionalisierte und sakral überhöhte Zeichenoperation. Der Vollzug ist die für die Geltung und Gültigkeit des sakramentalen Status relevante Instanz, die im Diktum ex opere operato explizit angesprochen ist. Es gilt für die vorreformatorischen und katholischen Sakramente und besagt, dass das Sakrament aus dem kirchlichen Ritual direkt und zwingend hervorgebracht wird, unabhängig von äußeren, kontingenten Bedingungen. Es ist bezeichnend, dass sich im Sakrament die beiden gebräuchlichen Begriffe von Performativität treffen: Im Sinne der linguistischen Sprechakttheorie (nach John L. Austin) bringt die Konsekrationsformel das Sakrament performativ hervor, und der medientheoretische Begriff der Performanz im Sinne komplexer, bedeutungsgeladener Handlung ist ebenfalls auf den Vollzug des gesamten Rituals auch außerhalb seiner Sprachlichkeit anwendbar. Dieser im Ritual erfolgende Vollzug des Sakraments, die Performanz der Zeichenoperation bzw. die Performanz des Sprechaktes der Konsekrationsformel, ist innerhalb der vormodernen christlichen Kultur das zentrale Modell für andere Zeichenoperationen, und zwar vor allem dort, wo es um die Geltung von Vereinbarungen und die Wirksamkeit der Institutionalisierung von politischen Verfahren geht. Dies gilt im Besonderen für den Vertrag und den Eid. Dass das Bildmedium bzw. die Kunst bei diesen rechtlichen Umsetzungen der sakramentalen Leitfigur eine entscheidende Rolle spielen, sollen die folgenden Ausführungen deutlich machen. Die Übertragungen der sakramentalen Bedeutungsmuster auf profane Zusammenhänge der rechtlichen Zeremonien und der Vertragsschlüsse sind, wie zu zeigen sein wird, überkonfessionell geprägt. Die kulturelle Arbeit in den Debatten über das Wesen des Sakraments hat auch dort sinnstiftende Konsequenzen, wo man es zunächst nicht erwartet, und diese Sinnstiftungen außerhalb des religiösen Kernbereichs können sich auch aus den Vorstellungen der jeweils anderen Konfessionen speisen.
Das Bild und das (Altar-)Sakrament stehen aus vielfältigen Gründen in einer engen Beziehung zueinander. Dies betrifft bereits ihre ursprüngliche Institutionalisierung bzw. Legitimation: Für beide ist die Inkarnation des Gottessohnes grundlegend. Während die Leibwerdung in der Eucharistie, d. h. die Verwandlung des Brotes und Weines zu Leib und Blut Christi, immer wieder analog zu der Fleischwerdung des Logos im Leib der Maria gesehen wurde, galt die Menschwerdung Christi als Argument für eine Aufhebung des alttestamentlichen Bilderverbots: Gott hatte sich selbst zum Bild auf Erden gemacht. Im Bilderstreit und in den Eucharistiedebatten des Mittelalters wird die enge Beziehung zwischen Bild und Sakrament an den gegenseitig entliehenen Begriffen und Argumentationen deutlich. Ihre engste Verbindung aber gehen Bild und Sakrament am Altar ein, wo der wahre Leib Christi (in der eucharistischen Gestalt der Hostie) und das anschauliche Bild Christi zusammentreffen, ihre jeweilige mediale Defizienz ausgleichend.
Wie die Religion überhaupt in der bürgerlichen Gesellschaft wird auch die Sakramentale Repräsentation ein Nachleben führen. Denn auch wo sie ihre Hegemonie verloren hat, wo sie nicht mehr im Vollsinn die Matrix der kulturellen Repräsentation ist, wo ihre lineare, mächtige, lebendige Geschichte vorbei ist, werden Figuren und Ideen der Sakramentalen Repräsentation doch aufrufbar bleiben und aufgerufen werden. Dieses Nachleben hat – wie überhaupt das Nachleben der Religionen, wie jener gespenstische und schwer zu verortende Schatten des toten Gottes – eine doppelte Zeitlichkeit: Es ist ein Fortleben, eine andauernde Präsenz oder Wirkung, es ist aber auch ein paradoxes Leben nach dem Leben, das eher den Charakter einer unheimlichen Wiederkehr hat. Auf der einen Seite zeigt sich, dass Momente der Sakramentalen Repräsentation auch dort fortbestehen, wo sie nicht mehr zwingend von den Differenzen in der Auffassung vom Wesen des Sakraments bestimmt werden, sondern sich von der allgemeinen Rolle und Wirkkraft des Sakramentes als Leitfiguration speisen. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder auch Reste, Überlebsel, vielleicht auch Wiedergänger jener konfessionellen Debatten, die an den Rändern und im kulturell Unbewussten jener neuen Ordnung auftauchen, welche diejenige der Sakramentalen Repräsentation ablöst. Die umfassende Untersuchung dieses Nachlebens der Sakramentalen Repräsentation muss anderen Zusammenhängen vorbehalten sein, bereits einige Hinweise zeigen jedoch auf eindrucksvolle Weise, wie bedeutend die Sakramentale Repräsentation auch nach dem konfessionellen Zeitalter noch ist.
Rilkes Verfassung ist 1913 weder seelisch noch körperlich die beste, und er sucht erneut in Rippoldsau Erholung, neue Kraft und Inspiration. Die 24-jährige Schauspielerin Hedwig Bernhard kommt am 22. Juni 1913 in Rippolddsau an. Die Abreise erfolgt am 5. Juli, nach vierzehn Tagen, während derer sie Rilke kennenlernt, der, wie erwähnt, die vielleicht größte Krise seiner Dichterexistenz durchlebt. [...] Einen interessanter Ansatz zur Betrachtung der wenn auch kurzen, so doch wichtigen Beziehung zwischen Rilke und Hedwig Bernhard bietet die Analyse der Literatur, die die beiden in Rippoldsau gelesen haben. [...] Danach wird der Briefwechsel zwischen Rilke und Hedwig Bernhard kurz skizziert, der ausführlicher bei Schmid (1984) und Storck (2000) kommentiert ist. Rein statistisch betrachtet, finden sich die meisten Briefe verständlicherweise zu Anfang, im ersten Monat ihrer Begegnung: im Juli 1913 schreibt Rilke vier Briefe, im August zwei, von September bis Dezember jeweils einen Brief monatlich an Hedwig Bernhard. Dann dünnt die Korrespondenz aus. Dieses allmähliche Abklingen hat verschiedene Gründe, allen voran wohl die Tatsache, dass Rilke am 22. Januar 1914 den ersten Brief von Magda von Hattingberg, seiner berühmten 'Benvenuta', erhielt und damit eine briefliche Leidenschaft und Liebe begann, die ihn das folgende halbe Jahr vollauf beschäftigte.
Im Jahre 1548 erschien in Frankfurt am Main eine Schrift, die den merkwürdig modern anmutenden Titel „Psychopharmakon hoc est: medicina animae“ trug. Doch dieses, von einem Hadamarer Geistlichen herausgegebene, Werkchen illustriert[…] lediglich im Nach hinein einen Einbruch des Realen in die reinen Ordnungen des Wortes. Natürlich enthält es noch »nur« eine Sammlung von Gebeten und Trostsprüchen und keine chemischen Rezepte, doch sein Titel schlägt historisch eine Brücke von der vormaligen Macht der Geistlichkeit zu der Mach t, die in eben diesem Namen Psychopharmakon der Psychiatrie einmal zugekommen sein wird. Die heilsame institutionelle Macht, die Wörter über Seelen haben können und sollen, verwandelt sich mit der Geschichte eines griechischen Wortes in eine Macht, die auch eben jene organischen Zentren und Werkzeuge biochemisch affiziert, die Wörter allererst ausdenken und -sprechen; dass dies historisch in Gang gesetzt wird durch ein Psycholytikum, eine Droge, die dem Medikamentierten seine Seele lösen soll wie die Segensformel des Beichtigers einst die Zunge des reuigen Sünders, dies ist in der Tat eine Verschiebung im Feld eines Wissens vom Mensch en, die Macht und Mächte in diesem umstrittenen Geviert zwischen Geist und Seele, Physis und Logos historisch präzise umreißt.
In diesem Zusammenhang scheint vielleicht eine kurze Geschichte der Auffassungen von Sprache als Gegenstand von Psychiatrie und Neurologie von Philippe Pinel bis zu Sigmund Freud zunächst einen Seitenweg beschreiten zu wollen; doch wird sich im Verlauf meiner Ausführungen zeigen, dass weder die Entstehung der modernen Sprachwissenschaft oder Linguistik, noch die Abenteuer einer modernen Ästhetik sich davon unbeeinflusst darstellen lassen.
Wenn eine Katastrophe die Hinwendung zum Schlimmen ist, die schweres Leid und ein verderbliches oder schmerzliches Geschehen verursacht, so sind die Protagonistinnen in Émile Zolas 'Nana' und Frank Wedekinds 'Lulu' sowohl Verursacherinnen als auch Opfer von Katastrophen. Ausgelöst werden diese durch die destruktiven Naturen der Figuren, welche Zola und Wedekind unterschiedlich interpretieren. Während Nana als ein sich ihres Handelns nicht bewusstes Tier auftritt, erscheint mit Lulu eine Gestalt, die scheinbar jedwede Rolle annehmen kann, abhängig davon, wie ihr Betrachter sie sehen und heißen will.
Das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist am 14. April 2011 vom Deutschen Bundestag beschlossen worden; der Bundesrat hat am 25.05.2011 zugestimmt. Dieses Gesetz trat – mit einigen Ausnahmen, die erst ein Jahr nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten – am 6.7.2011 in Kraft. Der Schwerpunkt dieses Beitrags soll nicht bei den durch diese Reform bereits erfolgten bzw. demnächst in Kraft tretenden Änderungen und den sich bereits abzeichnenden Schwierigkeiten seiner Umsetzung liegen, vielmehr soll es um die Ziele und Grundsätze einer noch weitergehenden Reform (zweite Stufe) gehen, die die Rechtspolitik im Rahmen der Verabschiedung dieses Gesetzes für erforderlich gehalten und bereits in Aussicht gestellt hat (zweite Stufe). Dennoch sollen zunächst die Essentials dieses ersten wichtigen und richtigen Reformschritts nochmals in Stichworten am Anfang dieses Beitrags stehen. Dieses Gesetz wurde auch schon als "Amtsvormundschaftsverbesserungsgesetz" und als Minimalkompromiss apostrophiert, was angesichts der Fokussierung dieses ersten Reformschrittes nicht überrascht.
Was die schiere Produktivität betrifft, stellt der Zeitraum 1906-1911 einen Höhepunkt in Rilkes Schaffen dar. Schon seit seiner ersten Ankunft in Paris im Jahre 1902 hatte sich Rilke mit mehreren Projekten zugleich beschäftigt. Im Vergleich zu der Schaffensphase 1894-1902 veröffentlicht er allerdings weniger Aufsätze, und die Hoffnungen, die er für einen Erfolg im Theater gehegt hatte, hat er jetzt aufgegeben. [...] Die vielen, sich teilweise überschneidenden Projekte Rilkes lassen sich gleichsam als tektonische Platten vorstellen, die manchmal horizontal aneinander vorbeigleiten, manchmal miteinander zusammentreffen, und manchmal sich unter oder über einander schieben. Diese Seismologie wird zum Teil verdeckt durch die separate Erscheinung des "Buchs der Bilder" und der zwei Bände der "Neuen Gedichte". Wenn man nicht aus verständlichen Gründen die einzelnen Bände als geschlossene Einheiten behalten wollte, könnte eine Ausgabe der Gedichte in der Reihe ihrer Entstehung zu höchst faszinierenden Einsichten führen. Indem frühere Arbeiten neue, oft revidierte Auflagen erhalten, stellt sich die Frage nach den unterschiedlichen Kunstvorstellungen zurückliegender Werkphasen in besonders zugespitzter Form.
Verschiedene Gedichte Rilkes mit englischer Übersetzung, darunter "Poem of Capri I", "Der Ursprung der Chimäre" / "The Origin of the Chimera", "Lied" / "Song" und eine Auswahl der "Uncollected Poems".
Die in der Neuzeit so auf Universalität abzielende Neubewertung der Geste erscheint in komprimierter Form in den Schriften des Londoner Arztes John Bulwer, der in vielerlei Hinsicht weniger einen radikalen Neuansatz als eine Synthese zeitgenössischer psychophysiologischer Gebärdentheorien vorlegt. Seine Erstschrift Chirologia: or the Naturall Language of the Hand, Composed of the Speaking Motions, and Discoursing Gestures thereof (1644), veröffentlicht im Kontext einer in England zur Mitte des 17. Jahrhunderts bereits blühenden Suche nach einer universalen Sprache, offenbart noch die Nähe zur Rhetorik und der ihr inbegriffenen Affektlehre als Deutungsmuster der Gebärde; und in der Tat ist, wenngleich unter separater Paginierung, diesem Buch ein zweites Buch zur Chironomia angefügt, welches sich explizit mit der Geste als rhetorischem Mittel befasst. Zuvor nimmt Bulwers Chirologia allerdings Anregungen Ciceros, Quintilians und vor allem Giovanni Bonifacios auf und verabsolutiert die Geste selbst zum Universal: "It speakes all languages, and as an universall character of Reason, is generally understood and knowne by all Nations, among all formal differences of their Tongue."
Ausdruck kann in seiner Gegebenheitsweise als äußere Erscheinung, als Performanz nicht ohne die Beziehung auf ein mögliches Subjekt gedacht werden, dem der Ausdruck als Ausdruck erscheint, und zwar vermittels des Eindrucks, den er auf es macht. Doch nicht nur auf seinen Adressaten bzw. Rezipienten wird der Ausdruck bezogen, sondern auch auf seine Herkunft, seine verursachende Instanz, sei es ein individuelles Subjekt oder eine komplexe Situation. Dabei ist es für die Analyse der Erscheinung von Ausdruck entscheidend, dass der Konstituierung des Ausgedrückten nicht nur subjektive und objektive, sondern auch intersubjektive, vermittelnde, mediale Bedingungen zugrunde liegen, wie sich in der historischen Bestimmtheit von Ausdrucksphänomenen, in ihrer epochen-, kultur- und medienspezifischen Ausprägung zeigt. Besonders deutlich wird dies in geschichtlichen Umbruchphasen, wenn die Rahmenvorgaben sozialer, sprachlicher, technologischer Art sich wandeln und neue Standards des Wissens und Handelns setzen. Deshalb stellen sich mit dem Ausdrucksverstehen nicht nur Deutungsfragen, die sich um das Verständnis einzelner gegebener Ausdrücke bemühen; vielmehr müssen die sich wandelnden Bedingungen von Ausdruckskonstitution und –rezeption eigens in den Blick genommen werden, um das veränderte Verständnis von Ausdrucksphänomenen und das mit ihnen entsprechend sich ändernde gesellschaftliche und individuelle Verhalten zu analysieren.
Anhand von fünf Schritten sei dieser Zusammenhang [...] entfaltet. Zunächst werden medien- und begriffsgeschichtliche Umbrüche in Bezug auf das Verständnis von 'Ausdruck' skizziert, um dann in wissenssoziologischer Perspektive 'Ausdruck' als stillschweigend vorausgesetztes Konstituens des Sozialen zu erläutern. In welcher Weise 'Ausdruck' als immer auch medial bestimmte Kategorie der Geistesgeschichte (mit Blumenberg über Leibniz) konzipiert wurde, führt schließlich zur wissensgeschichtlichen Verortung des Lessingschen Ausdrucksbegriffs sowie zur Diskussion der Ausdrucksmöglichkeiten von Kunstgattungen, wie Lessings Laokoon sie in ihrer Medienspezifik begreifbar macht.
In genauer Umkehrung des Programms der rhetorischen Kalkulierbarkeit expressiver Gesten einerseits, des Topos ihrer Ursprünglichkeit und Inkommensurabilität andererseits, werden die Bewegungen des Körpers wie die Affekte der Seele nun also als experimentell generierte Reaktionen begriffen. Die Gebärden des Körpers sind unter diesen Prämissen zwar immer noch Ausdruck eines inneren Zustands, dieser Zustand selbst aber ist dem Eindruck gezielt induzierter äußerer Reize geschuldet. Natur und Rhetorik des Körpers werden somit gleichermaßen unter die Ägide experimenteller Kalküle und Steuerungstechniken gestellt.
Wie ich im Folgenden an ausgewählten Beispielen zeigen möchte, ist dieser 'dritte Weg', den die experimentellen Wissenschaften vom Menschen zwischen die rhetorische und die empfindsame Semantik von 'Ausdruck' gebahnt haben, äußerst folgenreich gewesen: Obwohl das System der Rhetorik ebenso wie die Annahme natürlicher Empfindungen im kulturellen Gedächtnis der Moderne beide fest verankert bleiben, werden sie im Feld der Anthropologie im Zuge der Experimentalisierung der Wissenschaften vom Leben zunehmend marginalisiert. Dies allerdings nicht in dem Sinne, dass die Lebenswissenschaften sich schlicht an die Stelle vormals kulturalistisch argumentierender Paradigmen gesetzt hätten. Vielmehr legt gerade ein Prozess wie derjenige der Umcodierung expressiver Gesten zu mechanischen Reflexen die Notwendigkeit offen, Fragen der Wissenschafts- und Kulturgeschichte im Rahmen einer integralen Perspektive zu betrachten. In diesem Sinne ist auch die Geschichte des experimentellen Blicks auf Ausdrucksfiguren, um eine kulturelle Dimension zu erweitern – und das nicht nur hinsichtlich der allgemeinen Begleitumstände experimenteller Forschung wie z. B. der Materialität der Labore, der sozialen Interaktion der Forscher oder der diskursiven und nicht selten imaginären Entwürfe von Wissen.8 Vielmehr kann anhand der Geschichte der experimentellen Wissenschaften vom menschlichen Ausdruck eine ganz spezifische Dynamik der kulturellen Prägung von Wissen nachgewiesen werden: Die Experimentalisierung von Figuren des Ausdrucks führt nicht nur zur Verdrängung rhetorischer und empfindsamer Modelle, sondern wird von einem Diskurs mitgeschrieben, der von beiden Modellen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein geprägt wird, und sei es im Modus der kritischen Reflexion: vom Diskurs der Literatur, der in dieser Hinsicht als konstitutiver Bestandteil einer Geschichte des Wissens zu betrachten ist.
Charakteristischerweise geht die Praxis der Physiognomie mit deutlichen Linien, Markierungen und Figuren einher und verheißt so etwas wie ein System, Entzifferbarkeit und Universalität. In dieser Hinsicht ist Le Bruns 'Grammatik des Gesichts' exemplarisch. Doch hier werde ich mein Augenmerk auf Situationen und Gemälde richten, in denen die physiognomische Information partiell, mangelhaft, vage oder doppeldeutig ist. Oberflächlich betrachtet sind derartige Szenarien das Gegenteil der Le Brun'schen Lesbarkeit und dem ordnungsbewussten Physiognomiker damit ein Gräuel. Doch ich werde im Folgenden deutlich machen, dass diese pikturalen Lücken und Fehlstellen Bedeutung keineswegs negieren, sondern die Imagination des Betrachters vielmehr anregen und ihn emotional einbeziehen. Es gilt, einen physiognomischen Prozess des Entschlüsselns und Analysierens zu untersuchen, der sich etwas von dem Le Brun'schen Modell unterscheidet, gleichwohl aber auf körperlicher Expressivität beruht. Außerdem werde ich die These vertreten, dass die hier identifizierten Tendenzen in der Malerei sich im Einklang mit kognitiven Prozessen und Betrachtungsweisen jener Zeit befinden.
In its elusive form between drama, novel and film, "Teorema" marks a 'new turning point in Pasolini's oeuvre'. Both the narrative and the style are remarkable, juxtaposing elements of different genres, nourishing the unresolved tensions within the film: the family members are shown in various scenes that follow one another in seemingly random order. Instead of a cohesive narrative unfolding in time, there reigns a sense of timelessness that gives rise to an oppressive feeling of drifting. Claudia Peppel's essay 'The Guest: Transfiguring Indifference in "Teorema"' explores the figure of the guest, which has always been closely connected with myth and whose appearance often triggers the dramatic conflict. Peppel focuses on "Teorema", in which a sensual stranger causes a bourgeois family to acknowledge its delusions. When he departs, the members of the family are left in a state of unfulfilled yearning, searching for new meaning. While critical literature on Pasolini regularly points to the importance of the figure of the guest but rarely analyzes it, Peppel discusses theories of the guest and hospitality to illuminate the role of the stranger in Pasolini's film. The guest's exceptional state, which is removed from everyday life and removes others from their everyday lives, is meticulously staged and resembles the evenly-suspended attention of the psychoanalyst. He triggers projections, desires, and, ultimately, existential crises.
Einleitung
(2012)
'Gyser', 'grøsser' oder 'skrekkfilm' – in den skandinavischen Sprachen gibt es mehr als nur eine Bezeichnung für Filme, die dem Horrorgenre zugerechnet und in der Übersetzung alle synonym als 'Horrorfilm' bezeichnet werden. [...] Doch entgegen dieser terminologischen Vielfalt und Uneindeutigkeit ist die Geschichte des Horrorfilms in Skandinavien – auch im weiteren Sinne – sehr übersichtlich, was die quantitative Produktionsmenge betrifft. Bis zur Mitte der 1990er Jahre erschienen lediglich vereinzelte Filme, die allein wegen ihrer singulären Stellung Aufmerksamkeit erregten. Das hat sich in den letzten fünfzehn Jahren deutlich geändert. Nicht nur die allgemeine Filmproduktion in Dänemark, Schweden und Norwegen ist wieder deutlich angestiegen, insbesondere die von Horrorfilmen verzeichnet einen geradezu exponentiellen Zuwachs. Waren es bis in die 1990er wenig mehr als ein Dutzend Filme insgesamt, erreichen nun starke Jahrgänge wie 2005 oder 2008 alleine solche Zahlen. Ein "Aufblühen" der skandinavischen Horrorfilmproduktion seit 2003 kann länderübergreifend beobachtet werden.
All dies hat seine Gründe. Historische, ökonomische, soziale – viele davon interferieren. Im Vergleich zu den USA oder Großbritannien ist nicht nur die Zahl der Filmschaffenden, RegisseurInnen und DrehbuchautorInnen deutlich geringer, auch die jeweiligen Märkte sind es, die die Filmproduktion ebenso bestimmen wie mögliche Koproduktionen oder Exporte. Die skandinavischen Filmförderungsfonds haben in den letzten fünfzehn Jahren ihr Volumen deutlich erhöht. Ein Grund, weswegen es möglich war, dass mehr Projekte junger, noch nicht etablierter Regisseure (wie etwa Ole Bornedals NATTEVAGTEN, 1994) realisiert werden konnten, die durch internationale Erfolge wiederum neue Möglichkeiten eröffneten.
"[…] Scheffel hat hier Spuren hinterlassen, die peinlich sind, ist offenbar hier zu Kräften gekommen und hat sofort fürchterlich gereimt." Die Passage stammt bekanntlich aus dem späteren der beiden Briefe, die Rilke aus Bad Rippoldsau an die Fürstin Marie von Thurn und Taxis geschrieben hat. Wenn man sie liest, fragt man sich vielleicht, wer es war, der ihn bereits durch Spurenelemente seines Lebens und Dichtens so peinigen konnte; und man fragt sich weiter, in welchem Kräfteverhältnis Dichtungs- und Lebensspuren dabei standen. Dass Joseph Victor von Scheffel (1826-1886) in der Zeit zwischen 1870 und 1920, also bis weit über sein Lebensende hinaus, zu den erfolgreichsten Autoren aus dem Geist des 19. Jahrhunderts zählte, ist im heutigen kulturellen Panorama kaum mehr wahrnehmbar. Dementsprechend problematisch ist es, Rilkes Äußerung aus heutiger Sicht angemessen einzuordnen. Jörg Paulus versucht, die Disproportion, mit der wir - in Folge der erwähnten kulturgeschichtlichen Verschiebung - die beiden so unterschiedlichen Dichter heute wahrnehmen, etwas auszugleichen. Ein solcher Ausgleich zielt natürlich nicht auf eine Revision mit Blick auf den künstlerischen Niveauunterschied, der Scheffel und Rilke trennt, wohl aber auf eine Revision ihrer Stellung in der literarischen Welt, der sie zumindest in einer kulturhistorischen Überlappungsphase beide zugehörten. Rilkes Äußerung gegenüber der Fürstin von Thurn und Taxis ist dabei in ihrer Bezogenheit auf die angedeutete Konfrontation mit unerwünschten Spuren Scheffels vielleicht noch zu impulsiv, um daraus weiterreichende Rückschlüsse zu ziehen. Es erscheint sinnvoll, diesen Impuls in einem weiteren zeitlichen Radius zu betrachten.
Bandung is the Indonesian city where on 18-24 April 1955 a meeting of twenty-nine Asian-African states took place with the view of opposing colonialism or neo-colonialism, dissociating from the Cold War, and promoting Afro-Asian economic and cultural cooperation, as well as Neutralism and the Non-Aligned Movement. The two boys quoted in the poem - the Indian Revi and the Kenyan Davidson - appear as characters, respectively, in the travel notebook "L'odore dell'India" (1961) and in the screenplay "Il padre selvaggio" (on which Pasolini began to work in 1962). 'L'uomo di Bandung' was published first in the journal "Julia Gens" in 1964. This is the first time the poem appears in English and the translation is by Robert S.C. Gordon.
The nascent field of neuropsychoanalysis positions itself as a putative bridge between two »historically divided disciplines«. In this chapter, we address this attempt to bridge these two disciplines, through considering a particular scientific and conceptual debate that is taking place within this new field. Neuropsychoanalysis is a diverse and loosely defined interdisciplinary field that comprises the efforts of researchers and clinicians within several branches of both psychoanalysis and the neurosciences to construct a shared space of inquiry in which clinical concepts and findings can be correlated with neuronal data and models. While researchers differ in how they conceptualize the specific contours of this shared space, they tend to converge in their desire to figure out how Freudian concepts might be anchored through neurobiological and anatomico-functional investigations.
So aufschlussreich die versuchte Alternativbildung der romantischen Ethnographie zur Ethnographie der Aufklärung für den Historiker sich darstellt, insbesondere den spezifischen Versuch Schlegels, ein kritisches Gegenstück zu Montesquieus und Mme de Staëls Überlegungen zum deutsch-französischen Verhältnis zu schreiben, so ist die ethnographische Verschiebung des kritisierten Schlechten zum Bösen nicht zu verharmlosen. Ernst Robert Curtius und in seinem Gefolge Ernst Behlers These von der vorbildlichen Vermittlungsleistung der beiden Kulturen Frankreich und Deutschland durch Friedrich Schlegel, etwa im Sinne von Heinrich Heine und Romain Rolland, ist neu zu überdenken.
Wechselseitige Infiltration von Grenzregion und Interieur in Joseph Roths "Das falsche Gewicht"
(2012)
Es existieren viele Leitworte in der Erzählung "Das falsche Gewicht". Dominant und führend ist das Wort 'Zuhause'. [...] Die Geschichte "Das falsche Gewicht" stellt einen Auszug von 'Zuhause' dar, einen Weggang von 'Zuhause' in Etappen und dem Versuch ein oder zwei oder drei 'Ersatzzuhause' zu finden.
Auf dem Weg zu Nicht-Flektierbaren : die Deflexion der deutschen Eigennamen diachron und synchron
(2012)
Im heutigen Deutsch sorgt die Flexion von Eigennamen im Genitiv für einen echten Zweifelsfall, mehr noch bei geographischen Namen als bei Personennamen, vgl. des Orinoko(s), des Iran(s), des vereinigten Deutschland(s), ebenso im Plural: die beiden Deutschland(s). Personennamen werden, wenn ihnen ein Artikel (mit oder ohne Adjektiv) vorangeht, in aller Regel schon nicht mehr flektiert, vgl. die 1. Auflage (1774) von "Die Leiden des jungen Werthers" mit Genitivendung mit der 2. Auflage (1787), wo diese Endung schon fehlt. Heute dominiert die Nichtflexion: der Geburtstag des kleinen Julian, des Helmut Kohl. Aus diachroner Sicht stellt dieses Stadium nur einen weiteren Schritt in Richtung onymische Deflexion dar. Dieser Deflexion und ihren Gründen soll in diesem Beitrag nachgegangen werden. Flektierten Eigennamen im Althochdeutschen noch ausgiebig (in mehreren Flexionsklassen), so haben sie im Laufe der Zeit ihre Flexion in zweierlei Hinsicht stark eingeschränkt: a) paradigmatisch durch den Abbau an Allomorphie und die Durchsetzung sog. überstabiler Marker, die oft erstes Indiz für den Beginn von Deflexion sind; b) syntagmatisch durch den sukzessiven Abbau von Flexiven am Wortkörper. Neben Kasus und Numerus haben sich auch bei Genus tiefgreifende Veränderungen vollzogen: Genus wird zunehmend pragmatisch "von außen" fixiert, d.h. immer mehr von Eigenschaften des Referenzobjekts gesteuert.
Das Hauptziel dieses Beitrags besteht darin, anhand einer tiefergehenden prosodisch-phonologischen Analyse der häufigsten Rufnamen von 1945-2008 der Frage nachzugehen, ob im Laufe der Zeit eine Androgynisierung unserer Rufnamen dahingehend stattgefunden hat, dass Strukturen, die bislang dominant für das eine Geschlecht galten, zunehmend auch für das andere Geschlecht gewählt werden bzw. geschlechtspräferente Strukturen nivelliert oder gar abgebaut werden. Ein weiteres Ziel besteht darin, auf onymischer Ebene der These nachzugehen, dass in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen eine sog. Informalisierung und Intimisierung stattgefunden habe, die sich möglicherweise in heutigen Namen wie Lilly oder Nico statt früher Elisabeth und Nikolaus niederschlagen.
Ich möchte […] drei Beispiele für den produktiven Dialog zwischen Historischer Sprachwissenschaft und Sprachtypologie liefern: 1. Den phonologisch-typologischen Wandel des Deutschen von einer Silben- zu einer Wortsprache, 2. die frühnhd. 'Justierung' der Abfolge grammatischer Kategorien am Verb gemäß der universellen Relevanzskala, und 3. die Entwicklung unseres Höflichkeitssystems am Beispiel der Anredepronomen. Weder liefere ich Neues noch kann ich ins Detail gehen. Es geht hier nur darum, für die gegenseitige Wahrnehmung und Zusammenarbeit linguistischer Disziplinen zu werben.
Zu den Vielen, die im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts in den Bann jenes Malers gezogen wurden, der in neuerer Zeit und noch bis heute vornehmlich (wenn auch zu Unrecht) unter dem Namen des Matthias Grünewald firmiert, gehört auch Rainer Maria Rilke. Recht genau in Rilkes Lebensspanne fällt nicht nur die Wiedererkennung und Neuentdeckung des weitaus größten Teils von Grünewalds erhaltenen Werken; zu seiner Zeit wurde nicht nur die wahre Identität dieses Künstlers - als des in Würzburg, vermutlich um 1480, geborenen Mathis Gothart Nithart - ans Licht gebracht; in Rilkes zweiter Lebenshälfte kam es überdies zu einer geradezu enthusiastischen Wertschätzung dieses Zeitgenossen Albrecht Dürers und der Reformation, der zu den Hauptexponenten einer einzigartigen Blütezeit der Kunst in Deutschland, kurz vor deren abruptem Ende, zählt.
Abschließend stellt Solvejg Nitzke in ihrem Aufsatz 'Apokalypse von innen' dar, wie traditionelle Narrative vom Ende der Menschheit in Debatten um das Verhältnis von Mensch und Natur aktualisiert und verschärft werden. Natur wird in diesen Narrativen (wieder) zum Subjekt, das sich gegen die sie bedrohende Menschheit zur Wehr setzt. Diese Umkehrung des (Natur-)Katastrophenbegriffs zurück zu einer intentional agierenden Kraft als ihrer Ursache, stellt die Frage wer die Macht besitzt zu entscheiden, wann und vor allem für wen Gefahr und Zerstörung zur Katastrophe werden.
Die hier vorgelegten Briefe erstrecken sich über einen Zeitraum von rund sieben Jahren. Sie beginnen im August 1917, zu dem Zeitpunkt, als die Briefpartner sich während des Aufenthaltes Rilkes auf Gut Böckel kennenlernten. Ende Dezember 1924 reißt der Briefwechsel ab. Gründe dafür lassen sich nicht erkennen. Rilkes Krankheit, sein langer Paris-Aufenthalt 1925, der durch den Umzug der Ledeburs weggefallene Bezug zu Obernfelde mögen eine Rolle gespielt haben. Leider sind die Gegenbriefe nicht erhalten. Rilkes Briefe befanden sich bis Ende des vorigen Jahrhunderts im Privatbesitz der Familie in Österreich, über einen Oxforder Antiquar gelangten sie in den Auktionshandel und wurden vom Deutschen Literaturarchiv Marbach erworben.
Besteht ein substantieller Zusammenhang zwischen dem akustischen Material der Musik und ihrer ästhetischen Realität? Sind die Möglichkeiten der Musik als Medium emotioneller Kommunikation aus der Schwingungsnatur des Klangs begründbar? Lassen sich Relationen zwischen der inneren Organisation des akustischen Materials und musikalischer Form nachweisen?
Der vorliegende Artikel stellt zwei punktuell aus der Geschichte der Musikästhetik herausgegriffene Positionen nebeneinander, mit denen sich diese Fragen positiv beantworten lassen. Ein erster Zugang gilt den Ideen einer besonderen Affinität zwischen dem 'bewegten Innern' einerseits und dem Klangmaterial der Musik andererseits, dem die deutsche Musiktheorie des späten 18. Jahrhunderts Ausdruck verleiht. Der andere bezieht sich auf den philosophierenden dänischen Physiker Hans Christian Ørsted und seine Vorstellungen eines Zusammenhangs zwischen musikalischer Form und der inneren Beschaffenheit des musikalischen Tons, die er zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus Betrachtungen über Chladnis Klangfiguren entwickelte.
Verbal storytelling – in a sense broad enough to include all forms from casual conversation across oral folklore to written literature – seems to be a universal human activity and has thus been considered an evolutionary adaptation several times in the past few years. The fact that a particular trait is a species-wide universal, however, does not automatically make it an adaptation; it could also be a contingent universal, that is, a cultural behavior which notably relies on biological substrates and therefore emerges in similar fashions in all human cultures, times, and milieus. Yet verbal storytelling is not only universal but also distinct to our species. The uniqueness of a trait can indeed be indicative of a biological adaptation1 in that we have reason to assume that this trait emerged newly in the given animal lineage and thus might owe its existence to the process of natural selection. However, since verbal storytelling completely depends on language, that is, another uniquely human faculty, the uniqueness of storytelling is hardly surprising and cannot serve as a conclusive argument for considering storytelling itself to be a specifically selected trait. Storytelling could simply be a particular use of language (though we shall see below that the relationship between language and narration is a little more complicated). A third possible indication of a biological adaptation, however, is the fact that storytelling seems to be a notably self-rewarding activity. It occurs on a much larger scale than would seem justified by rational choice or other reasons. As fitness-enhancing behaviors should, as a rule, be intrinsically motivated under certain conditions, the unusually high frequency of storytelling might indeed be revealing of an innate preference for this behavior.
Pasolini's first visit to a Third World country dates to 1960-61. His impressions and experiences during this journey are told in the collection of articles "L'odore dell'India", which, in Silvia Mazzini's opinion, also reveals his (perhaps characteristic) tension between being up-to-date and being out of time. This essay can thus be understood as a small journey through the author's travels in and relations with India. It argues that while in the 1960s the myth of India became a veritable spiritual fashion, for Pasolini this fashion trivialized the sharp contradictions of a country at once poor and splendid, full of traditions and subversive, rich with mysticism and pragmatic vitality. The collection of journalistic articles "L'odore dell' India" (1961) and the documentary "Appunti per un film sull'India" (1968), which originate from Pasolini's first journeys to the so-called 'Third World', intertwine sharp sociological analyses with instinctual observations and remarks. Mazzini shows that between the effluvia of incense and the adventures of a tiger, one can catch a glimpse of the Pasolinian vision of a humanity which is at once disruptive, archaic, and subversive, and which represents an alternative to the standardization of the consumerist society and its tendency to suppress and absorb any cultural difference.
Im Folgenden wird […] [z]unächst […] an Daniel Cramers Emblemata sacra die dem Emblem eignende sakramentale Prägekraft als Einprägung des Wortes Gottes in die Seele des Rezipienten erläutert. Dieses der Emblematik zugesprochene Vermögen thematisiert Cramer nicht nur in einem metareflexiven Emblem, er legt es seinem Emblembuch auch konzeptionell als ein Element des Heilsweges zu göttlicher Gnade zugrunde. Diese meditative Funktion der Emblematik wird vor allem durch den Status des Wortes als göttliches Wort gewährleistet, das durch die Pictura, das äußere Bild, der Seele des Gläubigen, gleichsam als inneres Bild (imago), eingeprägt werden kann. Insbesondere in den Schriften der Sprachtheoretiker Justus Georg Schottelius und Georg Philipp Harsdörffer lassen sich Zusammenhänge zwischen den göttlichen Zeichen der Hieroglyphik als Grundlage der Emblematik und einer ontologischen Zeichentheorie festmachen, die sich auf die unmittelbare Verbindung von Sache und Wort vor der Folie der lingua adamica beruft. Beide Konzepte, die Präsenzwerdung des absenten göttlichen Predigtwortes durch die Prägekraft der Pictura in Cramers heiligen Emblemen sowie der sprachpatriotische Status des göttlichen Wortes, finden eine messtheologische Synthese in Johann Michael Dilherrs Predigtsammlung der Heiligen Sonn- und Festtags-Arbeit. Abschließend wird hier der emblematische Vollzug des Sakramentalen exemplarisch zu rekonstruieren sein.
Im Folgenden sollen [...] diskursive[] Wechselwirkungen zwischen Schauspieltheorie und Medizin in den Blick genommen werden – und zwar auf zweifache Weise: zum einen, indem schauspieltheoretische und medizinische Auffassungen über die Symptomatik extremer Affekte bzw. pathologischer Leidenschaften zueinander in Beziehung gesetzt werden, zum anderen, indem die Bildlichkeit dieser leidenschaftlichen und leidenden Körper selbst herangezogen wird. Zwischen beiden Wissensfeldern vermittelt der Begriff der 'Figur', der nicht primär als Redefigur, sondern vielmehr unter Berufung auf Roland Barthes "im gymnastischen oder choreographischen" Sinne als Figuration des bewegten Körpers, gewissermaßen als 'Bewegungsmelder' des Diskurses selbst verstanden werden soll: "Die Figuren heben sich nach Maßgabe dessen ab, was sich, im Zuge des Diskurses, daran als Gelesenes, Gehörtes, Erlebtes wieder erkennen lässt. Die Figur ist eingekreist wie ein Zeichen) und erinnerbar (wie ein Bild oder eine Geschichte)." In solchen Abhebungen, Einkreisungen und Erinnerungen des Körpers im Rausch des Affekts wie im Wahnsinn der Leidenschaft begegnen sich Schauspieltheorie und Medizin um 1800. Von ihnen wird als Figuren des Ausdrucks zu sprechen sein.
Sozialgeschichte des Theaters - das soll im folgenden bedeuten: eine Geschichte der Berührungen der Institution und des Mediums Theater mit "Gesellschaft". Diese Formel lenkt den Blick auf zwei Sachverhalte, nämlich zum ersten auf die Gruppe(n) derjenigen, die Theater rezipieren, also auf bestimmte Gesellschaftsausschnitte, aus denen sich gewissermaßen Publikum konstituiert, zum zweiten auf die Reflexion sozialer Konstellationen und Prozesse im Rahmen des künstlerischen Produkts "Theater", etwa auf der Ebene der behandelten Themen und Stoffe. Beide Sachverhalte sind nicht zu trennen von der grundsätzlichen Frage nach der gesellschaftlichen Funktion von Theater. [...] Nähert man sich Wien und seinem Theater über Konzepte wie Identität oder Image, so erhebt sich die Frage, wie sich dieses "Wien" eigentlich fassen lässt. Wien als räumliches und soziales Gebilde besaß und besitzt eine überaus komplexe Struktur. [...] Um sich diesen Sachverhalten immerhin anzunähern und Wien als einen in einzigartiger Weise geordneten Raum des sozialen Miteinanders, des Wohnens, des Arbeitens und des Vergnügens zu erschließen, bietet sich das Modell einer kulturellen Topographie an. [...] Mit den Begriffen Identität und Topographie sind jene beiden Kategorien benannt, an denen sich die folgenden Ausführungen zum Wiener Theater vornehmlich orientieren. Diese Zugangsweise erhebt ebenso wenig Anspruch auf Objektivität wie die Auswahl der Aspekte der Wiener Theatergeschichte, die aus der vorgegebenen, drei Jahrhunderte umfassenden Zeitspanne herausgegriffen und diskutiert werden. Einige hauptsächliche Prämissen der Darstellung seien gleichwohl benannt: Erstens wird im Sinne einer integralen Theatergeschichtsschreibung die dem Miteinander und Gegeneinander der Disziplinen (Sprech-)Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft nach wie vor zugrunde liegende, vom historischen Theateralltag aber nicht gedeckte Trennung von Sprechtheater und musikalischem Theater aufgegeben, fallweise auch die Trennung von institutionalisiertem Theater und semitheatralen Formen. Zweitens werden - entsprechend der im vorliegenden Kontext erforderlichen Entprivilegierung (hoch-)kultureller Erscheinungen - populäre, auf ein breites Publikum zielende Genres besondere Berücksichtigung finden, Genres, die übrigens fast durchwegs dem musikalischen Theater angehören. Drittens wird es im Hinblick auf die Berührung zwischen der Gesellschaft bzw. ihren Teilen und dem Theater vorrangig um Zugänge und um Zugänglichkeiten gehen: das Stichwort "Zugänge" bezieht sich auf Räume für Theater, und zwar auf Räume der Stadt, die dem Theater erschlossen werden, und auf die eigentlichen Theatergebäude / Institutionen als Orte des Aufeinandertreffens von Theaterspiel und Zuschauer; mit "Zugänglichkeiten" sind jene Bereiche der Theatergesetzgebung (inklusive herrschaftlicher Einzelentscheidungen) gemeint, die gleichsam die Rezeption von Theater steuern, wie etwa das Konzessions- und Privilegienwesen und die Zensur.
Quanto narrato da Franz Kafka nella Colonia penale (In der Strafkolonie, 1914) è forse troppo noto per raccontarne la trama. Mi limito a ricordare l'essenziale di questo racconto, che è uno die pochi pubblicati dall'autore in vita. Un viaggiatore approda, nel corso di una sua esplorazione, in una terra di nessuno, tra il noto e l'ignoto, tra il familiare e il perturbante. Si tratta di un’isola tropicale che è sede di una colonia penale. I Tropici di Kafka non presentano nulla di esotico; sono piuttosto il luogo della extraterritorialità par excellence, di una "civiltà" arcaica amministrata da una legge brutale, disumana e palesemente ingiusta. Lo strumento di questa "barbarie" è una macchina omicida, che prima era in auge, ma che ormai – essendo stata messa al bando dal nuovo comandante della colonia – ha assunto le sembianze di un relitto del passato. Rispetto a questo vecchio macchinario, che associa al dolore fisico l'ordine sociale, si sta infatti ormai affermando un nuovo paradigma, simbolo di un sistema più moderato. Il funzionamento dell'apparecchio in dismissione, posto in un insolito campo di sperimentazione, viene illustrato all'esploratore da parte di uno zelante oratore. È un ufficiale, orgoglioso e fedele custode "nei tempi nuovi" del macchinario di ieri, ma soprattutto convinto avvocato difensore della tecnica come barbarie.
Queste note su memoria e oblio prendono le mosse da due fenomeni noti, pur nella loro enigmaticità, e apparentemente opposti come il déjà-vu e il jamais-vu. Accade qualcosa e si ha l'impressione che si stia ripetendo un evento già vissuto, oppure ci si trova in un luogo praticato da anni e, a un certo punto, letteralmente, non lo si riconosce più, percependolo come nuovo ed estraneo. Si tratta di sentimenti che, pur facendo parte dell'esperienza più comune, conservano un alone di opacità. Sia nella "familiarità estranea" sia nella "estraneità familiare" si ha a che fare con uno spaesamento, una vertigine emotiva che sulle prime fa retroagire la nostra comprensione. In entrambi i casi lo stupore si accompagna all'inquietudine: la portata dirompente del nuovo strappa fuori dal riparo delle proprie certezze, dall'impalcatura delle proprie conoscenze. Sono i momenti di interferenza di livelli temporali diversi, in cui alla finitudine dell'evento vissuto si giustappone l'illimitata dimensione del ricordo. La simultaneità delle sfere contrapposte, il loro cortocircuitare e sovrapporsi, dà luogo a uno spaesamento, che talvolta assume un carattere demonico, perturbante (unheimlich), per dirla con Freud. Il senso dell'Unheimlichkeit fa tutt'uno con il sentimento di angoscia o di terrore che si genera nella conversione dell'opposto, quando il noto diventa fonte di terrore, quando il familiare si fa estraneo, o anche quando l'estraneo appare come familiare. Il ritorno del rimosso, sotto forma di paure o desideri inconfessabili, rinvia ai conflitti dell'infanzia e alle fase arcaiche della vita umana. In questo senso rappresenta una "promessa" che il presente non ha saputo esaudire, e che sopravvive in tutta la sua carica sovversiva.
In den ersten Tagen des Krieges 1992 pflegte man in Sarajevo in besorgten Gesprächen über die Situation der belagerten Stadt zu sagen: "Samo da ne bude Beirut" (Dass hier nur kein Beirut kommt). Wenn man jedoch, als jemand, der sich mit den Nachkriegskulturen der Balkanregion, speziell Bosnien-Herzegowina, beschäftigt, den Libanon besucht, dann scheint einem mitten in Beirut Sarajevo zu begegnen. Die Parallele zwischen Beirut und Sarajevo mochten die Sarajevoer 1992 aus naheliegenden Gründen nicht sonderlich - schließlich dauerte der libanesische Bürgerkrieg von 1975 bis 1990. Aufgrund der (oft anti-arabisch gefärbten) Präsenz des Libanons in europäischen und westlichen Massenmedien hält sich auch im heutigen Bosnien-Herzegowina beharrlich ein weitgehend negatives Bild des Landes. Dennoch werden immer wieder Vergleiche über die Kulturen beider Länder gezogen, meist von Personen, die Bosnien-Herzegowina und den Libanon nur mittelbar kennen, d. h. deren Kenntnisse allein auf Repräsentationen beruhen. Aus diesem Grund findet sich ihr und so auch mein Vergleich in der gleich en Falle wieder, wie die Repräsentationen selbst.
Der Terminus Ausdruck entwickelt sich (ebenso wie l'espressione, the expression, l'expression) zwischen 1700 und 1850 schrittweise zu jenem anthropologisch, künstlerisch und naturwissenschaftlich besetzten Begriffsfeld, dessen epistemischer Höhepunkt erst im späten 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreicht wird. Gerade den praktischen und diskursiven Veränderungen der verschiedenen Ausdruckskulturen während dieser mindestens eineinhalb Jahrhunderte umfassenden Formationszeit des Begriffs soll diese Zusammenstellung von insgesamt zehn Aufsätzen im Rahmen eines interdisziplinären Gedankenaustausches zwischen Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft sowie Philosophie-, Wissenschafts- und Kulturgeschichte nachgehen.
Die von älteren Untersuchungen aufgrund der mangelnden Berücksichtigung ihres wissensgeschichtlichen Umfelds insgesamt verkannte Bedeutung der Engelschen Abhandlung liegt in ihrer bei den Zeitgenossen so nicht anzutreffenden Systematisierung einer seit der Mitte des Jahrhunderts nicht mehr allein auf den Vorgang adäquater Darstellung zu reduzierenden, zugleich aber zunehmend unscharf verwendeten Terminologie. Dabei bettet sie den Ausdrucksbegriff – als einen charakteristischen Sonderfall, wie auch als Gegenstück zur Malerei – in einen durch die Auflösung von Rhetorik und Affektenlehre geprägten psycho-physischen und anthropologischen Diskussionszusammenhang ein, während seine musikalische Umsetzung zugleich zum Vorbild für weitere "energische Künste" wie Deklamation, Tanz oder Pantomime avanciert. In Engels Arbeit und ihrem diskursiven Umfeld ist die gleichzeitige Verwendung und textuelle Näherung zweier Begriffsfelder zu beobachten, die sich im 19. Jahrhundert zu dem diskursmächtigen Terminus der "Ausdrucksbewegung" vereinigen werden: Parallel zur Diskussion des schrittweise subjektivierten Verhältnisses von Ausdruck und Malerei wird auch die kinetische Metapher der »Bewegung« von Engel als Vermittlung zwischen einem physischen, u. a. dem Verlauf von Tönen entsprechendem Vorgang und seiner seelischen Wirkung auf den Rezipienten bemüht. Engels Bestreben, seine Ideen an einem breitgefächerten Repertoire zu illustrieren, das sich von Arien Grauns und Hasses über die opéra comique und das Singspiel bis hin zum durch seine Verbindung von Schauspiel und Musik neuartigen Melodram erstreckt, verleiht seinen ästhetischen Überlegungen durch den ersichtlichen Kontakt mit der künstlerischen Praxis dabei zusätzliches argumentatives Gewicht.
Der vorliegende Band trägt den Titel "Freuds Referenzen", da wir das Spannungsfeld, das die Bedeutung von Referenz ausmacht, geeignet fanden, um Freuds Bezüge, wie die Bezüge auf Freud zu thematisieren: Referenz lässt sich mit "Bericht" oder "Auskunft "übersetzen. Der Bedeutungsumfang des lateinischen Verbs "referre", von dem Referenz abgeleitet ist, ist hingegen breiter: von "berichten" über "sich auf etwas beziehen", "auf etwas zurück führen" bis "etwas zurück tragen" reicht das Spektrum der Bedeutung. Damit scheint mit dem Sprechen von der Referenz und mit dem damit aufgerufenen Bedeutungsfeld die Dynamik der Bezüge Freuds und der Bezüge auf die Psychoanalyse auf.
Zeitmaschinen regulierten den Verkehr zwischen Gegenwarten und Vergangenheiten – und nichts anderes als eine Zeitmaschine war es auch, was Freud im Angesicht der Ruinen unter dem Titel Psychoanalyse entwickelte. Unter dem Eindruck wissenschaftlich vertiefter Ruinenfreuden wird der freie Verkehr zwischen beiden Domänen wissens- und sichtbestimmend: Die phantastische Topographie Roms hing in Gestalt einiger Piranesis in Freuds Arbeitszimmer; ein Gipsabdruck der Gradiva hing zwischen Couch und Kachelofen. Weil Freuds Blicke beständig an der Antike hingen, musste er eine Theorie entwickeln, in der sich Vergangenheit und Gegenwart ebenso wechselseitig durch drangen wie in seiner Lieblingsstadt. Ebenso wie er auf seinen Reisen Orte sah, an denen sich Vergangenheit und Gegenwart, Häuser und Ruinen "nicht deutlich unterscheiden lassen", wird die Überlagerung, Überblendung und Verkeilung von Gegenwart und Vergangenheit zum Merkmal einer avantgardistisch en Wissenschaft namens Psychoanalyse. Angesichts der Piranesis war es nur noch ein kleiner Schritt zu der "phantastischen Annahme", die nicht nur dem Unbehagen in der Kultur von 1930, sondern der gesamten Psychoanalyse zugrunde lag: nämlich der, "Rom sei nicht eine menschliche Wohnstätte, sondern ein psychisch es Wesen von ähnlich langer und reichhaltiger Vergangenheit, in dem also nichts, was einmal zustande gekommen war, untergegangen ist, in dem neben der letzten Entwicklungsphase auch alle früheren noch fortbestehen."
Die Zukunft der Psychoanalyse scheint [...] von ihrer naturwissenschaftlichen Begründung abhängig zu sein. Ist dies das, was Freud sich für die Psychoanalyse erhofft hatte? Oder sollte man angesichts dieses Unterfangens nicht vielmehr erneut die Frage nach dem stellen, was weggelassen wurde?
Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich zuerst exemplarisch zwei Passagen aus Freuds Werk, die als Beleg dafür dienen, dass Freud seine Hoffnung darin setzte, dass die Psychoanalyse einmal neurowissenschaftlich begründet werden könnte, einer genauen Lektüre unterziehen. In einem zweiten Schritt werde ich untersuchen, inwiefern die Psychoanalyse Freuds ein anderes Verhältnis zur Hoffnung auf Erfüllung von Wünschen unterhält, als die oben vorgestellte Argumentationsfigur impliziert. Dabei gehe ich auf die Funktion des Aufschubs in den Anfängen des Psychischen ein, sowie auf das Konzept der Kastration und auf die Figur der Reihenbildung. Vor diesem Hintergrund werde ich abschließend erneut nach der Bedeutung der Neurowissenschaften für Freud und für die Psychoanalyse fragen.
Rippoldsau ist nicht nur biographisch bedeutungsvoll als einer der vielen Orte, an denen Rilke Erholung suchte. Das Kurbad im Schwarzwald zählt auch zu jenen Fluchtpunkten einer räumlichen Ordnung, die die Forschung als 'innere Geographie' namhaft gemacht hat. Im Folgenden soll diese Topographie von Fluchtlinien unter dem Aspekt ihrer Modellhaftigkeit in den Blick genommen werden - allerdings nicht im Hinblick auf poetologische Aspekte, auf die vieldiskutierte, komplexe Verräumlichung in Rilkes lyrischen Szenarien. Am Leitfaden von Rilkes 'innerer Geographie' lässt sich auch sein Konzept von Autorschaft erschliessen. Denn Rilke ist in vielerlei Hinsicht repräsentativ für ein bestimmtes Autorschaftsmodell; ein Modell, das so erfolgreich ist, dass es nicht nur die klassische Moderne über weite Strecken prägt, sondern auch den unüberschaubaren Kunstbetrieb des 20. Jahrhunderts.
Figura lacrima
(2012)
Hervé Joubert-Laurencin’s article 'Figura Lacrima', which explores Pasolini's figure of Christ, consists of two interconnected parts. The part called 'Lacrima' argues that Pasolini's Christ sheds a small tear which is analogous to the salvific tear of Dante's Bonconte da Montefeltro. This heretical tear is not explicitly referred to or shown but can only be perceived through the coherent text represented by the ensemble of Pasolini's films. The part called 'Figura' argues that Pasolini invents the new concept of 'figural integration', which extends beyond Erich Auerbach's analysis of medieval figural and typological interpretation and allows him to conceptualize a kind of non-dichotomous tension between the poles structuring his thought and art. Joubert-Laurencin argues thereby that Pasolini's scandal of Christ's small tear is not the simple provocation of a sinful Christ, but the utopian image of a West that frees itself from its own closure through the promise of another world, coming not from somewhere else but from the powers of an outside that it possesses within itself.
Am 25. Februar 1789 teilt Friedrich Schiller seinem Freund Christian Gottfried Körner mit: „Das lyrische Fach, das Du mir anweisest, sehe ich eher für ein Exilium, als für eine eroberte Provinz an. Es ist das kleinlichste und auch das undankbarste unter allen. Zuweilen ein Gedicht lasse ich mir gefallen […].“ Diese unverblümte Selbstaussage lässt Schillers Verhältnis zur Lyrik in einem bedenklichen Licht erscheinen: Weder scheint er sich auf dem Feld der lyrischen Dichtung heimisch gefühlt zu haben, noch hat er offenbar die Ausarbeitung von Gedichten für sonderlich lohnenswert gehalten. Gemildert wird diese entschiedene Distanzierung einzig durch den Umstand, dass er zugesteht, wenigstens „zuweilen“ im lyrischen Fach tätig werden zu wollen. Ist daraus nun zu schließen, dass Schiller seine Gedichte nur als gelegentliche Nebenprodukte begriffen hat?
Es hatte sich eingestellt, was für einige Jahrzehnte, nicht nur für Herder und nicht nur für Männer den Weg eines Topos zu einer Gattung und einer Gattung zum Buch bahnen sollte. Und vice versa. Es begann die Karriere ,zerstreuter Blätter', deren Mode - soweit es sich bei der gegenwärtigen Forschungslage beurteilen lässt - um 1800 ihren Anfang nahm und die sich bis um 1900 behauptete. In dieser Erfolgsgeschichte geht es genau um die genannte Titelgebung, deren Herkunft sich aus dem Wortfeld ,zerstreuter Sachen' sozusagen bequem herauskristallisiert. Denn es steht fest, dass die Sprache auch Schriften und Papieren immer schon erlaubte, zerstreut zu werden oder eben einfach chaotisch herumzuliegen. Seit dem frühen 18. Jahrhundert verzeichnen die Kataloge zerstreute Gedanken, Gedichte, Anmerkungen, Nachrichten und Aufsätze. Auch finden sich genug vermischte, gesammelte, ,verlohrene' und natürlich fliegende Blätter, und man begegnet auch jener professionellen Tätigkeit, die später die Herausgeber zerstreuter Blätter kennzeichnen wird.
Eine Reihe von Sprachgesten des jungen Herder haben nachhaltige Wirkung gehabt und wurden zum literaturhistorischen Paradigma des Lebensgefühls einer Generation, zu Merkmalen des Sturm und Drang. Allem voran pflegt man jene Rhetorik zu diesen Gesten zu zählen, mit der sich Herder von den „vielen Beyträge[nl des Jahrhunderts“, d. h. von der zeitgenössischen Gelehrsamkeit distanziert. Tatsächlich werden in seiner Schrift Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit (1774) die „Erfahrung“, die „That“, die „Anwendung des Lebens, in dem bestimmtesten Kreise“ dem „abgezogne[nl Geist“, der selbstgefälligen Sprachgewalt der Aufklärung gegenübergestellt und auch die Institutionen der „Letternkultur“ kritisiert. […] Herders Charakterisierung seiner Epoche als des „Jahrhundert[sl des Bücherlesens“ wird darüber hinaus in der Attesten Urkunde des Menschengeschlechts (1774) verbunden mit einem apokalyptischen Denken, das eine Schelte der Aufklärung einschließt. Für Ralf Simon schafft die Buchkultur eine „medientheoretisch“ signifikante Situation: Das große Archiv, das durch den Buchdruck ermöglicht und bis einschließlich des 18. Jahrhunderts errichtet wurde, erhebt sich über die Zeit und wird zum Medium einer Art papierenen Posthistoires.
Herders Agency
(2012)
Die Titelgebung des vorliegenden Beitrags ist eine wortkarge und durchaus irritierende Formulierung. Wer weiß, ob ein wiedergeborener Herder hier nicht gleich die aktuelle Version von „Gallikomanie“, das fortgeschrittene Stadium des englisch-amerikanischen Sprachimperialismus des anfänglichen 21. Jahrhunderts diagnostizieren und darin ein ihm vertrautes Problem, das eigene Fremde im Fremden des Anderen wiedererkennen würde? Und da würde er bezüglich des Titels eigentlich richtig liegen, geht es hier doch um eine Entfremdung, um die Aufstellung eines hermeneutisch nur bedingt zulässigen Vergleichs eines neueren Kulturkritikers mit einem älteren, oder was noch schlimmer ist, des älteren mit einem neueren - um einen Begriff von Handlungsmacht, agency. Darüber hinaus ist bei dieser Anknüpfung an Herder aus mindestens zwei weiteren Gründen Vorsicht geboten. Zum einen haftet Herders Werk und dessen Rezeptionsgeschichte ein unguter Nachgeschmack an, der den Namen Herder gerade in politischen, ideologiekritischen und auch postkolonialen Diskursen zu einem Label geraten lässt, das die falsche Strategie der Identitätsschaffung bezeichnet. Zum anderen ist der postkoloniale Diskurs auf ein politisches Handeln ausgerichtet, dessen Konsequenz man bei Herder bei noch so großer Anstrengung - schon aus historischen Gründen - nicht zufriedenstellend finden würde. In Bezug auf beide Einwände gilt es also das Gebot zu beherzigen, „jede Form der politischen Aktualisierung im Interesse Herders mit äußerster Vorsicht und geschärftestem Blick für historische Differenzen aufzunehmen.“ Die Rettung ist im vorliegenden Zusammenhang just aus dem unerlässlichen hermeneutischen Bewusstsein zu holen, dass die Beachtung der genannten Differenz, die Bewahrung einer Differenz zwischen „Nachahmung“ und „Nacheiferung“, wie Herder sagen würde, die produktive Aneignung des älteren Kulturkritikers im Kontext des neueren nicht nur vorstellbar und sinnvoll macht, aber auch zu beherzigende Resultate für die Lektüre beider Autoren verspricht.
So schnell der Dichter und die Schauspielerin sich gegenseitig schätzen lernen, so kurz währt die Freundschaft. Nach einer kurzen, intensiven Beziehung bleibt nur eines übrig: die zwei Gedichte, die Rilke in der Nacht des 4. Juli in Geschenkexemplare des "Buch der Bilder" beziehungsweise des "Stunden-Buchs" eingetragen hat. Man kann zwar die zwei Gedichte als Denkmäler einer flüchtigen, dafür aber intensiven Begegnung begreifen, doch führt dieser hier kurz skizzierte biographische Kontext bei einem so innigen Dichter wie Rilke in die Irre. Denn das erste, längere Gedicht hat mit der vermeintlichen Geliebten gar nichts zu tun; wie so oft in seinem Leben nimmt Rilke die Beziehung zu einem anderen vielmehr zum Anlass, seine eigenen Gefühle zu erkunden. Was Sigmund Freud wohl als narzisstische Selbstliebe bezeichnet hätte, mag man etwas wohlwollender als die nötige Selbstbesessenheit des lyrischen Dichters verstehen. Wie dem auch sei: dem ersten Gedicht bleibt das Zwiegespräch, das "Du", vorenthalten. Dafür wendet sich das zweite, knappere Gedicht direkt an die Geliebte. Dass dieses Gedicht mit "Rainer", jenes mit der formelleren Unterschrift "RM Rilke", unterzeichnet ist, scheint die These einer Zuspitzung der Liebesgefühle, einer Öffnung des solipsistischen Ichs zugunsten einer wahren 'Begegnung', zu bestätigen. Was geschieht also im Übergang vom ersten zum zweiten Gedicht? Wie sind diese beiden Gedichte - sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres unmittelbaren biografischen Kontextes - zu verstehen?
Before completing his uncharacteristically hopeful filmic vision of an African Oresteia, Pier Paolo Pasolini invented a theatrical continuation of Aeschylus's trilogy. "Pilade" (1966/70) imagines what happens after Orestes, having being absolved by the Aeropagos in Athens, goes back to Argos. With its clear allusions to political developments in the last century - fascism, the Resistance, and Communist revolutions - the play reads as a mythical allegory for the situation of engaged intellectuals in thetwentieth century. As Christoph F. E. Holzhey's contribution '"La vera Diversità": Multistability, Circularity, and Abjection in Pasolini's "Pilade"' shows, Pasolini's imagined continuation of the Oresteia challenges an ideology of rational foundation and progress by moving through a series of aspect changes prompted by sudden events that allow for some integration while also creating new divisions. After all possible alliances among the principal characters - Orestes, Electra, and Pylades - have been played through, Pylades curses reason for its deceptive, consoling, and violent function and embraces his abjected position of true diversity beyond intelligibility. However, Holzhey argues, rather than functioning as the play's telos, this ending is an open one and participates in the paradoxical performance of a self-contradictory subjectivity and a circular temporality without entirely giving up hope for a truly different alternative.
Im Ganzen gesehen verfügen Rilkes verstreute Widmungsgedichte nicht über eine defizitäre, sondern über eine andere Poetik als die in Gedichtsammlungen veröffentlichten, aber auch als die verstreuten nicht-gewidmeten Texte. Gründe genug also, im Folgenden einmal genauer nach einer Typologie und der Poetik von Rilkes verstreuten Widmungsgedichten zu fragen - zumal sich die Rilke-Forschung bisher weder mit diesen noch mit anderen Widmungen näher beschäftigt hat.
Wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) stellt eine spezielle Form der Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) im Bereich von 780–1400 nm dar, die aufgrund ihrer sehr guten Verträglichkeit in der Medizin zur Prävention und Therapie verwendet wird. wIRA entspricht dem Großteil der in gemäßigten Klimazonen die Erdoberfläche wassergefiltert erreichenden Infrarotstrahlung der Sonne (Filterwirkung des Wassers und des Wasserdampfs der Erdatmosphäre). Durch die Wasserfilterung werden die Strahlungsanteile gemindert, die sonst durch Wechselwirkung mit Wassermolekülen in der Haut eine unerwünschte thermische Belastung der obersten Hautschicht hervorrufen würden. Technisch wird wIRA in speziellen Strahlern erzeugt, in denen die gesamte Strahlung eines Halogenstrahlers durch eine Wasser enthaltende Küvette hindurchtritt. wIRA wirkt beim Menschen über thermische und nicht thermische Effekte. Es steigert Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe. Wesentliche klinische Wirkungen sind – indikationsübergreifend – eine Minderung von Schmerzen, Entzündung und vermehrter Sekretion sowie eine Verbesserung der Infektabwehr und der Regeneration. wIRA kann eingesetzt werden zur Therapie von akuten und chronischen Wunden, bei verschiedenen Hauterkrankungen (vulgären Warzen, Herpes labialis, Herpes Zoster, Sklerodermie, Morphaea, Akne papulopustulosa), zur Resorptionsverbesserung topisch aufgetragener Substanzen, im Rahmen einer photodynamischen Therapie (PDT; zur Therapie aktinischer Keratosen), bei bewegungssystembezogenen Erkrankungen (muskulären Verspannungen, Myogelosen, Lumbago, rheumatischen Erkrankungen, Morbus Bechterew, Arthrose, Arthritis, Fibromyalgie), zur Regeneration nach Sport, zur lokalen Beeinflussung der Fettverteilung sowie zum Aufrechterhalten oder Erhöhen der Körpertemperatur (z.B. in der Neonatologie) einschließlich Kompensation einer Hypothermie. Außerdem kann wIRA zur lokalen oder systemischen Hyperthermie im Rahmen der Onkologie mit Strahlentherapie oder Chemotherapie kombiniert werden.
Wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) stellt eine spezielle Form der Infrarotstrahlung im Bereich von 780–1400 nm dar, die aufgrund ihrer sehr guten Verträglichkeit in der Medizin zur Prävention und Therapie verwendet wird. wIRA steigert Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe. wIRA mindert indikationsübergreifend Schmerzen, Entzündung und vermehrte Sekretion und verbessert die Infektabwehr und Regeneration. wIRA hat in den letzten 20 Jahren eine deutliche Verbreitung in der Medizin gefunden. So wird wIRA z. B. in 1045 (ca. 28%) von 3767 erfassten dermatologischen Praxen oder Versorgungszentren in Deutschland genutzt (Stand: Februar 2012). wIRA-Strahler werden auch bei Patienten zu Hause eingesetzt...
Wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) stellt eine spezielle Form der Infrarotstrahlung im Bereich von 780–1400 nm dar, die aufgrund ihrer sehr guten Verträglichkeit in der Medizin zur Prävention und Therapie verwendet wird. wIRA entspricht dem Großteil der in gemäßigten Klimazonen die Erdoberfläche wassergefiltert erreichenden Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) der Sonne (Filterung der Infrarotstrahlung der Sonne durch Wasser und Wasserdampf in der Erdatmosphäre). Durch die Wasserfilterung werden die Strahlungsanteile gemindert, die sonst durch Wechselwirkung mit Wassermolekülen in der Haut eine unerwünschte thermische Belastung der obersten Hautschicht hervorrufen würden. Technisch wird wIRA in speziellen Strahlern erzeugt, in denen die gesamte Strahlung eines Halogen-Strahlers durch eine Wasser enthaltende Küvette hindurchtritt. wIRA wirkt beim Menschen über thermische und nicht-thermische Effekte. wIRA steigert Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe. wIRA mindert indikationsübergreifend Schmerzen, Entzündung sowie vermehrte Sekretion und verbessert Infektabwehr und Regeneration, insbesondere auch nach sportlicher Belastung. Zudem kann wIRA als kontaktfreies Verfahren simultan mit Bewegung und Training kombiniert werden. Außer zur Regeneration nach sportlicher Belastung kann wIRA eingesetzt werden zur Erwärmung der Muskulatur vor sportlicher Belastung sowie vor und während Massage, bei bewegungssystembezogenen Erkrankungen (muskulären Verspannungen, Myogelosen, Lumbago, rheumatischen Erkrankungen, Arthrose, Arthritis, Morbus Bechterew, Fibromyalgie), zur lokalen Beeinflussung der Fettverteilung, zur Therapie von akuten und chronischen Wunden und Verletzungen, bei verschiedenen Hauterkrankungen (vulgären Warzen, Herpes labialis, Herpes Zoster, Sklerodermie, Morphea, Akne papulopustulosa), zur Resorptionsverbesserung topisch aufgetragener Substanzen, im Rahmen einer photodynamischen Therapie (PDT; zur Therapie aktinischer Keratosen) sowie zum Aufrechterhalten oder Erhöhen der Körpertemperatur einschließlich Kompensation einer Hypothermie.
Wassergefiltertes Infrarot A (wIRA) stellt eine spezielle Form der Infrarotstrahlung im Bereich von 780–1400 nm dar, die aufgrund ihrer sehr guten Verträglichkeit in der Medizin zur Prävention und Therapie verwendet wird. wIRA entspricht dem Großteil der in gemäßigten Klimazonen die Erdoberfläche wassergefiltert erreichenden Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) der Sonne (Filterung der Infrarotstrahlung der Sonne durch Wasser und Wasserdampf in der Erdatmosphäre). Durch die Wasserfilterung werden die Strahlungsanteile gemindert, die sonst durch Wechselwirkung mit Wassermolekülen in der Haut eine unerwünschte thermische Belastung der obersten Hautschicht hervorrufen würden. Technisch wird wIRA in speziellen Strahlern erzeugt, in denen die gesamte Strahlung eines Halogen-Strahlers durch eine Wasser enthaltende Küvette hindurchtritt. wIRA wirkt beim Menschen über thermische und nicht-thermische Effekte. wIRA steigert Temperatur, Sauerstoffpartialdruck und Durchblutung im Gewebe. wIRA mindert indikationsübergreifend Schmerzen, Entzündung sowie vermehrte Sekretion und verbessert Infektabwehr und Regeneration, insbesondere auch nach sportlicher Belastung. Zudem kann wIRA als kontaktfreies Verfahren simultan mit Bewegung und Training kombiniert werden. Außer zur Regeneration nach sportlicher Belastung kann wIRA eingesetzt werden zur Erwärmung der Muskulatur vor sportlicher Belastung sowie vor und während Massage, bei bewegungssystembezogenen Erkrankungen (muskulären Verspannungen, Myogelosen, Lumbago, rheumatischen Erkrankungen, Arthrose, Arthritis, Morbus Bechterew, Fibromyalgie), zur lokalen Beeinflussung der Fettverteilung, zur Therapie von akuten und chronischen Wunden und Verletzungen, bei verschiedenen Hauterkrankungen (vulgären Warzen, Herpes labialis, Herpes Zoster, Sklerodermie, Morphea, Akne papulopustulosa), zur Resorptionsverbesserung topisch aufgetragener Substanzen, im Rahmen einer photodynamischen Therapie (PDT; zur Therapie aktinischer Keratosen) sowie zum Aufrechterhalten oder Erhöhen der Körpertemperatur einschließlich Kompensation einer Hypothermie.
Im ersten Teil der Publikation werden die Bedeutung von Bewegung und Prävention sowie präventionsbezogene Begriffe erläutert.
Im nächsten Abschnitt werden die Auswirkungen von Bewegungsmangel und von körperlicher Aktivität auf verschiedene Organsysteme dargelegt.
Es folgen die hieraus zu ziehenden Konsequenzen für ein präventiv nutzbares Training. Es werden dabei auch zur Motivierung Sporttreibender einsetzbare Faustregeln zur Leistungsfähigkeit und zur Trainierbarkeit (maximale Sauerstoffaufnahme, maximale ergometrische Leistungsfähigkeit und deren Veränderungen mit dem Alter und ihre Trainierbarkeit) erläutert.