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Wenn man sich an die Frage eines möglicherweise spezifischen Schreibstils der sozialen Medien und seiner Auswirkungen auf Literatur heranwagt, sollte man nicht nur das 'Endprodukt', also den fertigen (Buch-)Text untersuchen, sondern vor allem auch die Bedingungen seiner Hervorbringung. Denn für das Entstehen eines neuen Stils der sozialen Medien spielt die Funktion des Kollektivs eine zentrale Rolle. In Analogie zur soziologischen Beschreibung aktueller urbaner Entwicklungen lassen sich die Beziehungen im Social-Media-Kollektiv als eine Form neuer Nachbarschaft beschreiben: Über die beschleunigte und intensivierte Interaktion in sozialen Netzwerken entstehen neue Geflechte und (virtuelle) Orte, an denen sich dieselben Personengruppen wiedertreffen, lesen und rezensieren - auch wenn sie in völlig unterschiedlichen Stadt- oder Weltteilen leben. Entsprechend können selbstverstärkende und selbstreferentielle Effekte durch Social Media auch für die Literaturproduktion und -rezeption untersucht werden: Markieren Retweets, angeheftete Posts und Hashtags neue Interessen- oder 'Stilgemeinschaften', die eigene Formen, aber auch Regeln und Zwänge ausbilden?
Während Frank am Stil als "Handschrift des stilschöpferischen Individuums" gleichwohl festhält, sieht sich Elisa Ronzheimer anhand ihres Materials gezwungen, sowohl diesen Topos wie die Logik von Norm und Abweichung zu verabschieden. Was bei Frank Kombinatorik heißt, muss radikalisiert und neu gedacht werden, um dem international erfolgreichen südkoreanischen Musik-Video "Gangnam Style" gerecht zu werden, weil in diesem Fall das Original selbst schon parodistisch ist. Ronzheimer schlägt vor, das Individualitätsparadigma zu ersetzen durch ein Verständnis von Stil als kollektiver und partizipatorischer Praxis der Figuration und Defiguration. Damit scheint aber auch die Möglichkeit einer Art Wiederkehr der rhetorischen Regelpoetik am oder nach dem 'Ende' des Stils auf. Die Aussicht, dass heute Bedingungen herrschen, unter denen es eine Praxis, ein 'Üben' geben könnte, das nicht mehr automatisch Abweichungen produziert, sondern zur Homogenisierung tendiert, hat Moritz Baßler jüngst unter dem Titel "Der Neue Midcult" entfaltet.