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Der folgende Beitrag stellt kein GIP-Projekt vor, das Projekt hat aber doch Einfluss auf die GIP Bochum-Ulan Ude genommen, die sich seit langem mit Multimediaaspekten im DaF-Unterricht beschäftigt. So werden etwa einige der im Folgenden beschriebenen Erfahrungen genutzt, um für das landeskundlich orientierte Lehrwerk Burjatien im Deutschunterricht (2005) eine multimediale Ergänzung zu schaffen.
Eine Auslandsgermanistik ist von vornherein auf so genannte inlandsgermanistische Musterbeispiele angewiesen und eingestellt. Darin liegt eine allgemeine Regel, der auch die russische Germanistik nolens volens folgt, wenn sie sich anschickt, die kulturwissenschaftliche Wende mitzumachen. Davon zeugen etwa die sich mehrenden Versuche, neue kulturell bedeutungsvolle Themen in wohlbekannten Texten aufzuspüren oder vermeintlich nichtliterarische Texte im Hinblick auf ihre Literarizität zu lesen.
Das im Titel aufgerissene Problemfeld des Projekts hat drei Dimensionen, (1) ästhetisch-poetologische Aspekte, (2) Funktionsformen der Grenze in den Sprachen der Kunst, (3) Grenzerfahrung und das Problem der Sprache der Grenzerfahrung. Von dieser Problemstellung aus werden verschiedene literarische Erscheinungen untersucht – die Werke von Franz Grillparzer, Thomas Mann, Hermann Broch, Ernst Jünger, Ernst Jandl, Johannes Bobrowski, Wolfgang Borchert, Thomas Bernhard, Peter Handke, Elfriede Jelinek, auch die Sprachen der Musik – von Bach, Mozart, Beethoven, Liszt, Wagner. Obwohl alle drei Dimensionen miteinander innerlich verbunden sind, werden sie im Rahmen dieses Forschungsberichtes der Reihe nach knapp erläutert.
Seit einem Jahrzehnt zählt Russisch zu den häufig gesprochenen Migrationssprachen an deutschen Schulen und rückt nun als weitere Lernersprache in den Fokus der linguistischen Migrationsforschung. Russischsprachige Schüler und Schülerinnen, die als Aussiedler vornehmlich aus Russland und Kasachstan immigrieren, bilden seit Beginn der 90er Jahre die bedeutendste Gruppe jugendlicher Einwanderer nach Deutschland. Aussiedlerjugendliche erhalten zwar in den meisten Fällen kurz nach ihrer Einreise die deutsche Staatsangehörigkeit, diese ist jedoch längst kein Garant mehr für eine reibungslose Integration. Neuere Befunde zeigen, dass eine wachsende Zahl junger AussiedlerInnen aus den GUS-Staaten Gefahr läuft, den Anschluss an eine adäquate schulische und berufliche Ausbildung zu verpassen (vgl. Dietz/Roll 1998, Strobl/Kühnel 2000). Ihre Bildungsbeteiligung hat sich der benachteiligten Bildungssituation anderer Immigrantenjugendlicher angenähert.
Die deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen sind historisch in einer Weise fundiert, die bis heute ihre Wirkungsmacht bewahrt hat. Als Peter der Große in Russland nicht nur ein Fenster nach Europa öffnete, sondern seinem Land eine Modernisierungsrevolution von oben nach westeuropäischen Mustern auferlegte, waren es auch und vor allem Deutsche, die er ins Land holte, um das Bildungsund Wissenschaftssystem der europäischen Neuzeit zu importieren. Deutsche waren es, die ganz wesentlich an der Konzeption und ab 1724 am Aufbau der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg beteiligt waren, das deutsche Universitätssystem stand Pate, als 1755 in Moskau die erste Universität unter anderem durch den in Marburg ausgebildeten Michail Lomonosov gegründet wurde. Mag es auch in der Geschichtswissenschaft umstritten sein, ob der Anteil der Deutschen am Aufbau des Wissenschafts- und Bildungssystems so extraordinär war, wie es in der Überlieferung oft behauptet wird, in jedem Fall ist diese Frage im kollektiven historischen Gedächtnis zugunsten der Deutschen fest entschieden.
Kiew, die reichste Region der Ukraine, ist von Armut gekennzeichnet. Die Mittel des Staates – finanziell wie administrativ – sind begrenzt. Korruption und Einflussnahme durch Oligarchen sind allgegenwärtig. Die politische Führung lebt(e) in einer reichen Scheinwelt. Das schier unendliche Anwesen von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch zeigt dies. Teil 2 meiner Reiseimpressionen.
Rezension zu Francine-Dominique Liechtenhan (Hg.): L'ours et le coq. Trois siècles de relations franco-russes. Festschrift für Michel Cadot. Paris (Presses de la Sorbonne Nouvelle) 2000. 286 Seiten.
Michel Cadot ist unter anderem als Germanist bekannt geworden, wie die ihm zu Ehren verfaßte Festschrift durch eine im Anhang abgedruckte Bibliographie dokumentiert, die dem umfangreichen Oeuvre Cadots gewidmet ist. Der thematische Schwerpunkt des Bandes bilden drei Jahrhunderte französisch-russischer Beziehungen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Rezension zu Rostislav Danilevskij: Schiller in der russischen Literatur. 18. Jahrhundert - erste Hälfte 19. Jahrhundert. Dresden (Dresden University Press) 1998 (= Schriften zur Kultur der Slaven. Neue Folge der MAISK-Schriften. Hg. von Hans Rothe; Bd. 1 (20)). 365 Seiten.
Rostislav Danilevskij vom Institut für Russische Literatur der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg unternimmt mit der hier vorgelegten Studie eine Auslotung des russischen "Schiller-Bildes", worunter der gesamte Komplex literarischer und ideengeschichtlicher Vorstellungen zu verstehen ist, die für russische Leser mit diesem Namen verknüpft sind.
Rezension zu Schmid, Ulrich: Ichentwürfe. Die russische Autobiographie zwischen Avvakum und Gercen. Zürich (Pano Verlag) 2000 (= Basler Studien zur Kulturgeschichte Osteuropas; Bd. 1). 438 Seiten.
Obwohl sich die hier vorgelegte Habilitationsschrift der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel in ihren Materialien nur in einer einzigen Nationalliteratur, der russischen, bewegt, ist ihre theoretische Konzeption derart, dass sie für die Allgemeine Literaturwissenschaft von Interesse ist. Es wird nämlich eine Typologie der Autobiographie geliefert, deren Kennwort der Titel der Arbeit bereitstellt: 'Ichentwürfe'.
Die russische Literaturwissenschaft entwickelte sich auf der Basis der russischen Literaturkritik des 19. Jahrhunderts und setzte sich schon früh mit Problemen der komparatistischen Einfluss- und Beziehungsforschung auseinander. Sie war von Beginn an supranational und interdisziplinär ausgerichtet. Hingegen hatten die Einzelphilologien in der russischen universitären Tradition einen schweren Stand. So war z. B. anlässlich des erst im Jahre 2003 gegründeten russischen Germanistenverbandes festzustellen, dass die Vertreter der russischen Germanistik Probleme hatten, ein fachdisziplinäres Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln und sich eher als allgemeine Literaturwissenschaftler oder Komparatisten definierten. Während sich die Komparatistik in Deutschland erst nach der Überwindung eines langwierigen und schwierigen Prozesses der Abgrenzung in Bezug auf die Einzelphilologien in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre einen festen Platz eroberte, nahm die russische Komparatistik eine völlig andere Entwicklung, da es dort einer besonderen Legitimation der vergleichenden literaturwissenschaftlichen Forschung nicht bedurfte.
Mein Beitrag geht dem russischen Interesse an Vitalität und Transformation im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nach. Dabei rücken insbesondere kulturspezifische Unterschiede zu vergleichbaren Phantasmen und Phänomenen in Westeuropa ins Blickfeld, die sich aus der Berücksichtigung der ostkirchlichen Tradition, insbesondere der orthodoxen Anthropologie, ergeben. Das Auferweckungsparadigma der russischen Moderne zeichnete sich zum einen durch seine Doppelreferenz auf Religion und Wissenschaft aus und manifestierte sich zum anderen durch die Synthese von Glauben und Technik, Kunst und Leben. Wie es zunehmend den russischen und sowjetischen Alltag durchdrang, wird anhand folgender Faktoren nachvollzogen: der Begründung der genuin russischen religionsphilosophischen Strömung des "Kosmismus", der aufkommenden performanzorientierten Konzepte des Lebendigen in Sprach- und Literaturtheorie und schließlich der Versuchsanordnungen zur Vitalisierung und Immortalisierung in Wissenschaft, kultureller Praxis und Literatur.
Dass ich Franz Hessel und Walter Benjamin hier als Flaneure in einen Zusammenhang bringe, mag nicht weiter verwundern. Beide verfolgten ein gemeinsames literarisches Projekt, dessen Titel für sich selbst spricht: „Passagen“. Beide haben nicht nur diese Miniatur über Paris verfasst, sie haben auch ihr je eigenes Bild von Berlin gezeichnet. Aber auch ihre Lebensläufe kreuzen sich in Berlin und Paris als den Orten hauptstädtischer Weltläufigkeit, in die Flaneure gehören. Hessel und Benjamin verbindet nicht nur, dass der bürgerliche Alte Westen Berlins zwischen Landwehrkanal und Tiergarten Ort der Kindheit ist, beide zieht es auch in die Wahlheimat Paris, die sich allerdings nach 1933 in einen Fluchtort wandelt.
Im Sommersemester 2001 begann auf Initiative des Goethe-Instituts Warschau ein langfristig angelegtes Projekt zur deutschen Gegenwartsliteratur nach 1989. Ein zentrales Ziel bestand darin, neueren Entwicklungen nachzugehen und neben herausragenden Texten der 1990er Jahre vor allem auch eine junge Autorengeneration in den Blick zu bekommen. In diesem Rahmen waren neue Stoffe und Themen der älteren, mittleren wie jungen Autorengeneration in den 1990er Jahren Gegenstand der Diskussion.
Dass die russische Führung auf der Suche nach Verbündeten in Europa auch auf die extreme Rechte zurückgreift, wurde bereits mehrfach diskutiert und analysiert. Ebenso wurde deutlich, dass ganz verschiedene Akteure jenes heterogenen Zielpublikums in Russland wiederum den Hegemon sehen, an dessen Seite sie gegen die ‚neue Weltordnung‘ oder ‚westliche Werte‘ aufbegehren möchten. Die autoritäre Durchsetzung des nationalen / völkischen Interesses im Blick, verweist jenes Spektrum auf die Ideologie des Neo-Eurasismus als Anknüpfungspunkt für außen- und sicherheitspolitische Überlegungen. Die griechische Golden Dawn als stärkste Vertreterin des militanten Flügels der extremen Rechten Europas fügt jener strategischen Russophilie eine historisch-kulturelle Komponente hinzu und unterstreicht damit ihre revisionistischen Ansprüche...
Choks, Reflexe, Asja : zu Benjamins 'Vertiefung der Apperzeption' im russischen Avantgarde-Film
(2010)
Walter Benjamin hatte vor allem zwei Themen im Kopf, als er sich Ende 1926 in Moskau aufhielt: Asja Lacis und die russische Avantgarde. Seine Geliebte Asja Lacis allerdings war infolge eines Nervenzusammenbruchs in einem Sanatorium untergebracht und somit für Benjamin kein guter Zeitvertreib. Umso mehr widmete er sich seinem anderen Interesse, traf Vertreter der russischen Avantgarde - neben Schriftstellern auch den Theaterregisseur Vsevolod Mejerchol'd - ging allabendlich in Theatervorstellungen oder ins Kino. Benjamins 'Moskauer Tagebuch' weist einige der Orte aus, die er sah, viele aber auch nicht. Die meisten Gedanken galten ja bekanntlich der sich ihm immer wieder verweigernden Asja. So ist nicht verwunderlich, dass in seinen Aufzeichnungen nur die berühmtesten Filme Erwähnung finden: Sergej Ejzenštejns 'Panzerkreuzer Potëmkin', Dziga Vertovs 'Sechster Teil der Erde', Vsevolod Pudovkins 'Mutter', Lev Kulešovs 'Nach dem Gesetz'. Die schlechten Filme bleiben ungenannt. Doch es erstaunt gerade angesichts seiner Kino-Umtriebigkeit, dass Benjamin in einem Artikel "Zur Lage der russischen Filmkunst" 1927 schrieb: "Die Spitzenleistungen der russischen Filmindustrie bekommt man in Berlin bequemer zu sehen als in Moskau." Er schien damit nicht nur den Erfolg des Avantgarde-Films in Russland zu ignorieren, sondern vor allem den Höhenflug eines Films, der im Winter 1926 gerade anhob - genau in der Zeit also, als Benjamin in Moskau war. Im November kam 'Die Mechanik des Gehirns' als erster so genannter 'Kulturfilm' in die Kinos, eine populärwissenschaftliche Dokumentation über Ivan Pavlovs Reflexlehre, entstanden unter der Regie von dem Benjamin sicherlich bekannten Avantgarde-Filmemacher Vsevolod Pudovkin. Und diese Ignoranz wiederum verwundert umso mehr, wenn man den Kulturfilm vor dem Hintergrund Benjamins damaliger Interessen sieht - Asja und die Avantgarde oder auch: Kindererziehung und politisierte Kunst. Ich werde im Folgenden einer Sache nachgehen, mit der sich Benjamin scheinbar nicht beschäftigt hat und will versuchen zu klären, weshalb seine Auseinandersetzung mit dem Kulturfilm nicht offensichtlich stattgefunden hat, sondern fast unmerklich und wie es doch möglich ist, diese Auseinandersetzung zu entdecken. Dann, so die These für meine folgenden Ausführungen, erscheint auch Benjamins "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" mit seinen zentralen Begriffen 'Chok', 'Zerstreuung' und 'vertiefende Apperzeption' in einem neuen, im sozialistischen Sinne geradezu materialistischen Licht. Um diese nicht offensichtlichen Zusammenhänge darzustellen werde ich die Filmpraxis des von den russischen Pädagogen so intensiv propagierten Kulturfilms mit Begriffen Benjamins, also mit seiner Theorie vergleichen. Dies ist natürlich schon dort geschehen, wo Benjamin sich selbst auf Filme bezieht, wie auf Ejzenštejns 'Panzerkreuzer Potëmkin' oder Vertovs 'Mann mit der Kamera'. Die Herausforderung an den folgenden Ausführungen ist, dass Benjamin selbst über 'Die Mechanik des Gehirns' schwieg, und das vielleicht aus gutem Grund, doch darüber lässt sich nur spekulieren.
Russland und Dadaismus, Russland und Dada – auf den ersten Blick scheint es, als seien dies zwei ganz unvereinbare Dinge, schon deshalb, weil „Dada“ außerordentlich negative, destruktive Energien vertritt, während es im Russischen die zweifache Bestätigung „Ja, ja!“ bedeutet. Man wird zugeben müssen: Dieses Wort passt nicht als „Etikett“ für eine avantgardistische Bewegung oder Strömung in Russland, da es mit einer ganz bestimmten Bedeutung behaftet ist. Es hat allerdings in anderen als der russischen Sprache, vor allem in westeuropäischen Sprachen Wurzeln schlagen können, weil es dort jeglichen Sinnes entbehrte.
Als 2011 der 50. Jahrestag von Juri Gagarins Weltraumflug vom 12. April 1961 gefeiert wurde, fiel der "hohe Grad der Ratlosigkeit" auf, der bei den Feierlichkeiten rund um den Globus vorherrschte. Zwar gab es eine Vielzahl von Veranstaltungen, Ausstellungen und anderen medialen Events, doch sei das Gedenken, bei dem "unterschiedliche Sinngebungen und Politisierungen" sich kreuzten, insgesamt eher ungeordnet und gedankenlos verlaufen. Seither ist einiges passiert, vor allem bei den alten Konkurrenten des Wettlaufs im All und der aufstrebenden Industriemacht China. Die Volksrepublik hat erfolgreich ihr eigenes Weltraumprogramm mit bemannten und unbemannten Flügen sowie einer eigenen Raumstation aufgelegt, und in den USA entfalten die NASA mit ihren Marsmobilen und Privatunternehmen wie SpaceX des Elektroautobauers Elon Musk wieder stärkere Aktivitäten. Selbst Russland hat sich nach dem "verkorksten Gagarin-Jahr"] 2011 wieder ambitioniertere Ziele gesetzt. Juri Gagarin als Kulturheros und Erinnerungsfigur kommt dabei eine zentrale, symbolträchtige Rolle zu, wie ein Blick auf das Gedenken an Gagarins Pionierleistung zum 60. Jubiläum im vergangenen Jahr zeigt.
Dies ist der 17. Artikel in unserer Blogreihe Trouble on the Far-Right.
Um eines gleich deutlich zu machen: Über rechtsradikale Tendenzen in der Ukraine zu schreiben ist ein Drahtseilakt. Schließlich ist die Debatte in einen größeren Kontext eingebettet: Seit den Ereignissen auf dem Maidan 2014 und dem anschließenden Regime-Change erheben pro-russische Medien die sachlich schwer begründbare Beschuldigung, dass der Westen den Charakter der „faschistischen Junta in Kiew“ verkenne. Auf der anderen Seite bagatellisieren einige Publikationen die real existierenden rechten Umtriebe in der Ukraine beträchtlich. So handelt man sich schnell den Vorwurf ein, wahlweise „die faschistischen Ukrainer“ zu protegieren oder sich „den imperialistischen Russen“ anzubiedern. An dieser Stelle bleibt die notwendige Aufgabe Meinungen von Fakten zu trennen.
Die bedeutendste Kraft der parlamentarischen Rechten in der Ukraine ist die „Freiheitspartei“ Swoboda. Ihre Beteiligung an der Übergangsregierung nach den Maidan-Protesten galt einigen Beobachtern als Beweis für einen Rechtsruck in der Ukraine. Mittlerweile verfügt diese Partei nicht einmal mehr über eine parlamentarische Fraktion. Wie ist es dazu gekommen? Welche Dynamiken stehen dahinter? Ist letztendlich alles in trockenen Tüchern und die Gefahr von rechts gebannt?
Fußball ist ohne Zweifel das weltweit populärste Mannschaftsspiel. Nicht zu Unrecht wird es daher seit Jahrzehnten als „König“ metaphorisiert. Nach allem, was heute bekannt ist, wurde eine Urform in China schon vor 5000 Jahren gespielt. In Europa soll seit dem 12. Jahrhundert vor allem im nördlichen Frankreich und in England ein fußballähnliches Spiel betrieben worden sein, und in Florenz und anderen norditalienischen Städten war seit dem 15. Jahrhundert das noch recht urwüchsige calcio sehr beliebt, bei dem je 27 Spieler darum kämpften, den Ball mit Faust oder Fuß über die Begrenzung der gegnerischen Schmalseite des Spielfeldes zu schlagen und so ein „Mal“ zu erzielen.
Die Krimkrise lässt nicht nach und jeder Staat scheint eine eigene Agenda zu verfolgen. Wer aber verfolgt seine Agenda so, dass sie am Ende auch erfolgreich ist? Die Krise ist noch nicht ausgestanden, doch eine erste Bestandsaufnahme lässt bereits interessante Schlüsse zu. Russland scheint sich momentan nicht schlecht zu schlagen, in Angesicht eines Westens, der immer noch damit ringt, eine klare Linie zu fahren. Doch der wahre Gewinner der gesamten Auseinandersetzung könnte ein Staat sein, der sich bis jetzt sehr ruhig verhalten hat: China.
„Wir sind im Krieg mit Russland.“ Diese gleichermaßen lakonische wie wuchtige Bewertung des Journalisten Jan-Philipp Hein lässt den Leser unwillkürlich zusammenzucken, klingt sie doch wie ein aus der Zeit gefallenes Zitat einer längst überwundenen Ost-West-Konfrontation. Zudem erscheint sie verstörend irreal, da die sich in den Vordergrund drängenden aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen wie islamistischer Terrorismus, anhaltend große (und vielfach unkontrollierte) Flüchtlingsströme und eng damit verknüpft ein Erstarken rechtsextremistischer Kräfte in den vergangenen Monaten die gesamte Aufmerksamkeit zu absorbieren schienen...
Das Treiben der Kunst-Avantgarden in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war ein übernationales gesamteuropäisches Phänomen - nicht nur im Sinne wechselseitiger transnationaler Einflüsse und Kooperationen, sondern auch in Strukturanalogien zwischen den Programmen und Produktionen in verschiedenen Ländern. Eine Verwandtschaft zwischen deutschsprachigem Dada und den russischsprachigen 'kubofuturistischen' Gruppen Gileja und 41° wurde, ausgehend vor allem von der in beiden literarischen Avantgarden gepflegten Lautpoesie, immer wieder beschworen, doch begnügte man sich dabei entweder mit ganz allgemeinen Feststellungen oder beschränkte sich auf eng begrenzte Teilaspekte. Ziel dieses Aufsatzes ist es, interkulturelle Kongruenzen und kulturspezifische Kontraste hinsichtlich der beiden poetischen Formen Laut- und visuelle Dichtung in den beiden Kulturräumen darzustellen und dabei zu zeigen, dass man es mit verschiedenen, doch verwandten Ausprägungen avantgardistischen Handelns zu tun hat.
Deutschsprachige und bilinguale Studiengänge : eine Chance für Deutsch als Fremdsprache in Russland
(2008)
Der Bericht der Ständigen Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (2006) für das Jahr 2005 zeigt, dass Russland, trotz eines Rückgangs der Lernerzahlen, immer noch das Land mit den meisten Deutschlernern (mehr als 3,3 Millionen) und mit dem größten Deutschlernangebot an den Schulen und den Universitäten (ca. 1000 Hochschulen) ist. Bei einer Umfrage unter 1025 Personen in den Städten Jakutsk, Kaliningrad, Moskau, Saratov und St. Petersburg waren 100 % der Befragten der Meinung, dass Englisch für die beruflichen Aussichten die wichtigste Sprache sei, aber 89 % schätzten die Kenntnis des Deutschen für ebenso wichtig ein und 95 % waren sogar der Meinung, dass durch ein sehr gutes Erlernen der deutschen Sprache im bilingualen Unterricht an Schulen sich die Berufschancen der Lerner erheblich verbessern (vgl. Baur 2005).
Im geographischen Areal der ehemaligen Sowjetunion existiert ein fast dreihundertjähriges Wechselverhältnis zwischen dem Feld der Macht und dem Feld der Literatur (und Kunst). Das "Denkmal" fungiert als Medium dieses Wechselverhältnisses, als ein Relais, das das Oszillieren des Heroischen zwischen dem Politischen und dem Künstlerischen, vom Staatslenker zum Künstler und zurück ermöglicht. Im Folgenden verfolgt Zaal Andronikashvili die Entstehung und Rezeption des Kulturheros aus und im Denkmal in fünf Schritten. Im ersten Schritt geht er auf die Aporien des Denkmals als eines absolutistischen Repräsentationsmediums ein. Der absolutistische Monarch ist zwischen dem Anspruch auf die ewige Präsenz und der nekrotischen Semantik des Denkmals hin- und hergerissen: er ist einerseits lebendig und immer präsent, andererseits erhebt er diesen Anspruch in und durch die Maske verstorbener Heroen. Im zweiten Schritt geht er den Konsequenzen nach, die die Einführung monarchischer Repräsentationsformen im Medium der Vollplastik im orthodoxen religionskulturellen Kontext hat: Sie setzt ikonoklastische Ressentiments frei und aktualisiert idolatrische Gefühle. Das Denkmal wird semantisch mit den Qualitäten des ambivalenten - sowohl heil- als auch unheilspendenden - Heros aufgeladen. Im dritten Teil untersucht Andronikashvili die künstlerische Kritik an solchen absolutistischen Repräsentationsformen sowie Fragen der Repräsentierbarkeit eines Künstlers am Beispiel der Denkmal-Gedichte von Aleksandr Puškin. Diese ist zugleich ikonoklastisch und ikonodul. Als ikonoklastische Kritik prangert sie das Gemachte, Künstliche, Tote der Repräsentation an. Der Künstler eignet sich aber auch monarchische Repräsentationsformen an, selbst wenn er sie sakral (freilich nicht im religiösen Sinne, sondern als Freiheitskampf) umdeutet. Dadurch begründet der Künstler einerseits einen vom Monarchischen unabhängigen politisch-poetischen Raum, andererseits übernimmt er sowohl die heilspendende als auch die nekrotische Semantik des Heros. Im vierten Teil verfolgt Andronikashvili die Transformation der künstlerischen Rezeption des Denkmals als Metapher zum tatsächlichen Denkmal des Künstlers im Russland des 19. Jahrhunderts. Im letzten Schritt wird gezeigt, wie die ikonoklastische Rezeption der Avantgarde den Künstler von seinem (metaphorischen) Denkmalpostament stürzt und das Künstlerische im Zuge der Oktoberrevolution wieder dem Politischen unterordnet. Die dadurch entstandene Leerstelle des Künstlerischen wird wiederum von der politischen Führer-Repräsentation gefüllt, die nicht nur die Erbschaft monarchischer Repräsentation, sondern auch die der kulturheroischen Repräsentation antritt.
In meinem Vortrag geht es um Gastfreundschaft als kulturologisches Konzept. Mein Fokus wird sich auf die russische und sowjetische Konzeptualisierung der einer speziellen Art der Gastfreundschaft richten, bei der die für die Beziehung "Gastgeber - Gast" konstitutive "Fremdheit" durch eine Differenz im Lebensstil und nicht durch die Zugehörigkeit / Nichtzugehörigkeit zu Familie, sozialer Gruppe, Staat oder Ethnie definiert ist. Ich meine das Phänomen des "stranničestvo", d.h. einer für die russische Kultur spezifischen Form des wandernden, wohnsitzlosen Lebens, welches christlich-religiöse Ursprünge im Kontext des Altgläubigentums hatte, aber im Lauf der russischen Kulturgeschichte auch zahlreiche sozial motivierte Varianten herausgebildet hat. In der russischen nationalen Kulturgeschichtsschreibung des späteren 19. Jh.s wurde diesem Phänomen eine für den Verlauf der Nationalgeschichte, für die Herausbildung einer nationalen Identität und für die Konstituierung des russischen "Volkes" als Akteur der Nationalgeschichte zentrale Bedeutung zugeschrieben. Ich möchte der Frage nachgehen, welche Art von Gastfreundschaft im Zusammenhang dieser nationalen Konzeptualisierungen des "stranničestvo" entworfen wurde, welche Funktion dieser Gastfreundschaft als Komplement oder sogar Element dieses Verständnisses von "stranničestvo" zugeschrieben wurde und welche Bedeutung dies im Kontext der diskursiven Konzeptualisierung Russlands als Imperium hatte.
Die Altersvorsorge in Russland - Theoretische Analyse, aktuelle Rahmenbedingungen und ihre Umsetzung
(2005)
Das russische Rentenversicherungssystem befindet sich in der Krise. Wie in einer Vielzahl entwickelter Staaten auch, erodiert die Basis des umlagefinanzierten Rentensystems („Generationenvertrag“) auf Grund des demografischen Wandels. Dies wird verstärkt durch die mangelnde Wirtschaftskraft Russlands. Ausgangspunkt der Diskussion des russischen Rentenmodells in diesem Artikel ist die Darstellung der theoretischen Grundannahmen, die Analyse der aktuellen und zukünftigen Rahmenbedingungen sowie eine Prognose der natürlichen und räumlichen Bevölkerungsbewegung in Russland. Hierauf folgt die Präsentation der gegenwärtigen Situation einschließlich der bereits erfolgten ersten Schritte zu einer umfassenden Neuordnung des Rentenversicherungssystems sowie die Darstellung von „hot steps“ auf dem Weg zu einer nachhaltigen Alterssicherung.
Die durch jahrzehntelange Planwirtschaft geprägten Strukturen sind in Russland noch fest verwurzelt. Dementsprechend ist das Bankensystem auch zwölf Jahre nach dem Ende des kommunistischen Regimes unterentwickelt. Die markantesten Merkmale der Finanzwirtschaft sind die ungewöhnliche Größenstruktur der Banken; deren Schwierigkeiten, die rapide zunehmende Zahl kleinster, kleiner und mittlerer Unternehmen mit Finanzdienstleistungen zu versorgen sowie die geringe Rolle ausländischer Banken. Überdies sind die weiterhin bestehenden Systemrisiken nicht zu unterschätzen.
Die Arbeit untersucht die Energieaußenpolitik der Europäischen Union gegenüber Russland. Dabei wird den Fragen nachgegangen, welchen externen Anforderungen sich die EU gegenüber sieht und mit welchen institutionellen Maßnahmen darauf reagiert sind und wodurch diese Reaktionen bestimmt werden. Dabei wird ein akteurzentriertes Forschungsmodell entwickelt, dass sowohl die Entwicklung auf dem russländischen Energiesektor und auf globalen Energiemärkten als Strukturvariable einbezieht, als auch in Bezug auf die Energiepolitik der EU die nationalstaatliche Ebene betrachtet. In Bezug auf den strukturellen Kontext der Energiepolitik wurde deutlich, dass zwischen Russland und der EU auf Grund der hohen Abhängigkeit der EU von Energierohstoffen ein asymmetrisches Interdependenzverhältnis existiert, das Russland strukturelle Machtressourcen zur Verfügung stellt. Dieses Interdependenzverhältnis ist zusätzlich durch fehlende Homologie und Entropie gekennzeichnet, wodurch die konflikthemmenden Funktionen von Interdependenz nur beschränkte Wirksamkeit entfalten. Diese Asymmetrie wird sich durch die wachsende Konkurrenz auf den globalen Energierohstoffmärkten und die Diversifikation der Exportländer durch Russland in Zukunft weiter verschieben, da Russland damit weitere Alternativen zu einer Zusammenarbeit mit der EU erhält. Innerhalb Russlands wurde besonders im Energiesektor eine Politisierung der Ökonomie ausgemacht, in der die strategisch orientierten staatlich-wirtschaftlichen Akteure das politische Potential ökonomischer Abhängigkeiten voll ausnutzen. Diese Politik wird sich auch in Zukunft verstetigen, da die Gruppe der Siloviki zusätzlich zu ihrer Verankerung im politischen System wichtige Positionen im rentenextrahierenden Wirtschaftssektor übernehmen konnte, durch die vielfältige persönliche Bereicherungsmöglichkeiten eröffnet werden. Es entsteht folglich eine neue Schicht aus in das politische System inkludierten Millionären mit Großmachtideologie, bei denen sich persönliche Bereicherungsabsichten mit politischer Ideologie verbinden. Die Energieaußenpolitik Russlands wird daher auch in Zukunft als strategisches Mittel für russländische Großmachtansprüche dienen. In Bezug auf die Energieaußenpolitik der EU wurde gezeigt, dass die EU in ihrer Energiepolitik erhebliche strukturelle Schwächen aufweist. So wurde deutlich, dass die energiepolitischen Strategien der Mitgliedstaaten und der EU deutliche Divergenzen aufweisen, bzw. die Mitgliedstaaten der Gemeinschaftspolitik zuwiderlaufende Ziele verfolgen. Dies ermöglicht zum einen den nationalen Energieunternehmen die Mobilisierung der Nationalstaaten für deren wirtschaftliche Anliegen, wodurch die Energiepolitik der EU außenpolitisch fragmentiert wird. Zum anderen besitzen externe Akteure wie z. B. Gazprom auf Grund der Fragmentierung vielfältige Optionen, um auf den Energiemarkt der EU vorzudringen und diesen zu monopolisieren, da auf Ebene der EU keine Kontrollmöglichkeiten existieren. Dies gefährdet die politische Autonomie der EU, da Gazprom und Transneft’ eng mit russländischen staatlichen Akteuren verbunden sind und neben wirtschaftlichen vor allem strategische Ziele des russländischen Staats verwirklichen. Darüber hinaus ist das in der Innen- und Außenpolitik vorherrschende marktliberale Paradigma der EU inkompatibel mit den generellen Entwicklungen auf den internationalen Energiemärkten, auf denen ein institutioneller Wandel hin zu einem strategischen Paradigma erfolgt. Dies zeigt sich auch im russländischen extraktiven Energiesektor, auf dem eine der EU entgegengesetzte Entwicklung stattfindet. Die Handlungen der untersuchten wirtschaftlichen Akteure in der EU können daher als eine Reaktion auf die Veränderungen im strukturellen Kontext gewertet werden, vor deren Hintergrund das Politikparadigma der EU als ineffektiv empfunden wird. Das marktliberale Paradigma ist dabei auf den in den 1990er Jahren erzielten Konsens zwischen Kommission und Mitgliedstaaten zurückzuführen, wurde jedoch von den Mitgliedstaaten nie voll unterstützt und verlor daher seine Effektivität weitgehend. Da die EU Kommission zudem kaum Handlungsressourcen zur politischen Flankierung strategischer Investitionsprojekte besitzt, dienen die nationalstaatlichen Akteure als primäre Anlaufstelle für Wirtschaftsakteure zur außenwirtschaftlichen Problemlösung. Dies führt zu einer weiteren Schwächung des marktliberalen Paradigmas der EU in der Außenpolitik. Das Beharren der EU-Kommission auf dem ineffektiven marktliberalen Paradigma bedeutet damit nicht, dass die Herausforderungen auf globaler Ebene von der Kommission ignoriert werden, sondern erfolgt auf Grund des institutionellen Defizits fehlender Handlungsressourcen und der inhaltlichen Bezüge des marktliberalen Paradigmas zu institutionellen Arrangements im internen Energiemarkt der EU.
In unserem Beitrag möchten wir die Besonderheiten des systemhaften Aufbaus der funktional-semantischen Kategorien der Modalität und Aspektualität zeigen, und zwar anhand der Konstruktion können + Infinitiv im Deutschen und deren Äquivalente im Englischen. Unser Hauptanliegen ist es, die modalen Konstruktionen zu untersuchen, Unterschiede und Ähnlichkeiten in den beiden germanischen Sprachen zu systematisieren und Sprachmittel verschiedener Ebenen zu diskutieren, um festzustellen, wie diese Mittel bei der Formierung des Plans der Begrenztheit und Unbegrenztheit der Handlung und deren aktionalen Schattierungen funktionieren.
Le poète, philosophe et helléniste Vjačeslav Ivanov (1866-1949) est considéré comme l'un des représentants les plus importants du symbolisme russe et comme une des grandes figures intellectuelles et artistiques de la Russie du début du xxe siècle. Il a été influencé aussi bien par les idées de Nietzsche que par celles des slavophiles. C'est en combinant ces deux traditions qu'il forme sa conception du dionysien. Cette dernière fait partie intégrante de son concept de "'idée russe" et joue un rôle important dans la mise en place de sa doctrine de la sobornost'. Chez Ivanov, le dionysien trouve sa réalisation dans les Scythes. Cette identification reprend la conception classique des "Scythes comme barbares russes", mais assume également l’idée nietzschéenne du dionysien comme moment barbare. On a donc affaire à une réinterprétation créative du Dionysos nietzschéen dans l'esprit de la renaissance slave. Sur la base de trois oeuvres d'Ivanov datant de périodes différentes, l'article met en évidence comment Ivanov construit la figure du Scythe et les raisons pour lesquelles son symbolisme prend la forme d'un discours de la totalité aux ambiguïtés parfois proches du totalitarisme.
Das Zittern in der Ukraine geht weiter. Während Moskau heute die Krim-Annexion verkündet hat, wachsen in Kiew die Befürchtungen, bald weitere Territorialverluste hinnehmen zu müssen. Denn Russland hat kaum verhohlen auch schon Ansprüche an die Ost- und Südukraine angedeutet. Einer eventuellen militärischen Konfrontation um diese Regionen könnte die Ukraine aber heute nicht lange standhalten, zu drückend ist die russische Überlegenheit.
In einer besonderen politischen Situation befanden sich die Architekten der russischen Avantgarde. Nach der Oktoberrevolution im Jahre 1917 bekamen sie (neben anderen Künstlern) die seltene Chance, sich an den gesellschaftlichen Entwicklungen – am Aufbau des staatlichen Sozialismus – zu beteiligen. Sie entschieden mit über die Einrichtung neuer Kunstinstitutionen, entwickelten Lehrprogramme und Aufklärungsprojekte, gestalteten die Infrastruktur der Städte, machten sich Gedanken über Wohnprobleme. Dabei waren sie in der paradoxen Situation, dass sich die sozialistische Bevölkerung, für die sie handelten, erst noch herausbilden musste. Im Zuge der Bürgerkriegswirren und Inflation strömten um 1920 große Menschenmengen aus den ländlichen Regionen in die Städte, die vom Wandel hin zum Sozialismus noch nicht viel gehört hatten. Für diese Bevölkerung moderne Wohnverhältnisse zu schaff en war eine doppelte Herausforderung: Es galt nicht nur die Gebäude der neuen politischen Ideologie gemäß zu gestalten, sondern auch die überforderten und meist ungebildeten Ankömmlinge so zu beeinflussen, dass sie überhaupt Zugang zu den veränderten sozialen Verhältnissen fanden. Neben den sozialistischen Gebäuden waren also auch ihre Bewohner erst noch zu entwerfen, denn es gab Anfang der 20er Jahre in Russland weder sozialen Wohnungsbau noch die für diesen vorgesehenen Arbeitermassen.
Ich möchte mit einer einfachen Frage beginnen, die aber natürlich keine einfache Frage ist: Wie und unter welchen Bedingungen kommt es zu geistesgeschichtlichen Umbrüchen, speziell zum Epochenumbruch um 1800 in der Ästhetik, also dem Beginn der ästhetischen Moderne? Ich verbinde also die Frage auch mit der Frage nach einer angemessenen Theorie der Genese der ästhetischen Moderne.
Dass die EU und die USA auf die russischen Machenschaften in der Ukraine mit Sanktionen reagiert haben, ist ebenso verständlich wie richtig. Darauf zu bauen, dass diese Maßnahmen Russland zu einer Kurskorrektur bewegen, wäre dagegen fatal. Dass die Sanktionen wirkungslos bleiben, ist nämlich noch die eindeutig bessere Aussicht. Im schlimmeren Fall aber unterstützen die Sanktionen gefährliche Tendenzen der russischen Selbstisolation und sind damit sogar kontraproduktiv. Anstatt auf den Erfolg von Sanktionen zu hoffen, sollte Europa auf eine offene wie ebenbürtige, kritische Auseinandersetzung mit Russland und ein Appellieren an dessen Verantwortung als Großmacht setzen...
Wer Berichte über internationale Politik hört oder liest, wird schon einmal über solche Tropen gestolpert sein: Oft verkörpert der Staats- und Regierungschef symbolisch das Land, wenn in den Medien davon die Rede ist, dass Obama oder Merkel eine Entscheidung treffen. Schon der politische Philosoph Thomas Hobbes verband seine Abhandlung über den Leviathan mit der bildlichen Darstellung eines Herrschers, der symbolisch den Staat repräsentierte. Die Verkörperung der Herrschaft in einer Person hat sich dabei über Jahrhunderte als Darstellungsform erhalten, wenn auch die ikonographischen Insignien von Macht und Herrschaft sich gewandelt haben mögen. Das Herrscherbild ist in den Medien, gerade auch den digitalen Medien, präsenter denn je...
Gagarins Raumanzug
(2015)
Raumanzüge gehören zu Astronauten und Kosmonauten wie der Feuerwehranzug zum 'Firefighter' und der Tauchanzug zum Taucher - sie sind Funktionskleidung, ohne die die Retter in der Not, Entdecker der Tiefsee und Pioniere des Weltraums ihre Heldentaten nicht vollbringen könnten. In der populären Ikonographie der bemannten Raumfahrt sind die meist monochromen, häufig amorph wirkenden Ganzkörperkleidungsstücke mit dem runden, überproportional großen Helm, die die Menschen in etwas schwerfällig sich bewegende, leicht roboterartige Wesen verwandeln, untrennbar verbunden mit dem sogenannten 'Space Race', mit 'Star Wars' und mit '2001: A Space Odyssey'. Nur der erste Mensch im Weltraum, Juri Gagarin, hatte keinen.
Der Lehrstuhl für Deutsche Philologie als selbständige Institution an der Philologischen Fakultät der Staatlichen Universität St. Petersburg besteht schon mehr als 80 Jahre. Um die Bedeutung des Lehrstuhls in der Geschichte der russischen Germanistik zu verdeutlichen, möchte ich einige Namen hervorragender Germanisten nennen, die in verschiedenen Perioden des 20. Jahrhunderts den Lehrstuhl geleitet haben und die auch in Deutschland weit bekannt sind.
Wenn wie im Falle des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie der Universität Leipzig eine mehr als zehnjährige Germanistische Institutspartnerschaft mit gleich zwei russischen Partnern – den Übersetzer-Fakultäten der Linguistischen Universitäten Moskau und Pjatigorsk – nunmehr ihren Abschluss findet, so bietet es sich natürlich an zu fragen, was die GIP-Langzeitkooperation beiden Seiten an messbaren wissenschaftlichen, wissenschaftsmethodischen und curricularen Ergebnissen, an „Zuwächsen“ im Sinne der Nachwuchsförderung, des Austauschs von Dozenten und Studierenden gebracht hat. Die Bilanz – von uns dargelegt im Jubiläumsband 52 der Dokumente & Materialien des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes – kann sich durchaus sehen lassen und rechtfertigt nicht nur die aufgewandten Mittel, sondern auch die kontinuierliche Arbeit, den nachhaltigen Einsatz und die vielfältigen Initiativen der zahlreichen Beteiligten auf beiden Seiten.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht nicht darin, verschiedene Varianten der Übersetzungen von Novalis’ Lyrik ausführlich zu analysieren und zu vergleichen (die russische Übersetzung von Vladimir Mikuševič wurde deshalb gewählt, weil sie einfach als die „neueste“ gilt) oder über theoretische Fragen der Übersetzung zu diskutieren und „bessere“ Varianten vorzuschlagen. Die Aufgabe der Arbeit besteht vielmehr darin, an einzelnen konkreten Beispielen aus den Hymnen an die Nacht und den Geistlichen Liedern zu veranschaulichen, dass bei einer Übersetzung unvermeidlich die Semantik von vielen Wörtern, die im Deutschen nicht nur eine bestimmte Bedeutung haben, sondern auch den Leser auf ein bestimmtes Feld von kulturellen Parallelen und Assoziationen führen, verlorengeht. Es geht also um solche Ausdrücke, die selbst im Deutschen eines Kommentares, einer Erläuterung bedürfen.
Länder, die an den Grenzen einer kulturgeographischen Zone liegen, stehen leicht unter dem allgemeinen Vorurteil, dass sie an den progressiven Entwicklungen des Zentrums und der anderen Teile dieser Region nicht teilhaben. Leicht könnte man dieses verallgemeinernde Vorurteil auch auf Russland übertragen wollen, das ja bis um 1700 – sieht man einmal von den Handelsverbindungen der Hanse bis nach Novgorod seit dem Mittelalter und bis 1484 ab – eine Position der Abschottung gegenüber den westlichen Teilen Europas einnahm. Erst die zaristischen Entscheidungen von Peter dem Großen, Katharina II. und Alexander I. führten zu unterschiedlichen Formen der Öffnung Russlands nach dem Westen, die von der westlichen Welt denn auch – bei aller Zwiespältigkeit der Charaktere dieser regierenden Häupter in Russland – aufs Höchste gepriesen und mit Anerkennung begleitet wurden.
Eine dramatische Woche liegt hinter uns: die Verleihung des Friedensnobelpreises und die Proteste in Hong Kong waren dabei beispielsweise wichtige Themen. Da wir über beides schon (hier und hier) gebloggt haben, fokussiert die Netzschau auf drei (tragische) Klassiker der letzten Monate: Irak und Syrien bzw. YPG gegen IS(IS), die Ukraine und Vladimir Putin, Edward Snowden und der Kampf für Privatsphäre – ergänzt durch einen Blick auf den Zusammenhang von Sport und Emanzipation von Frauen im Mittleren Osten.
„Eine neue Woche bringt eine neue Netzschau”. So oder so ähnlich besang es schon Jürgen Marcus, so oder so ähnlich habe ich es auch gehalten. Diese Woche nur „so ähnlich“, da es wenig Blogposts (zu Dschihadismus und dem Wissenschaftsbetrieb), aber dafür viele Artikel (zu Boko Haram, Putins „Kriegspolitik“) und Videos („Art War“, „Die Arier“ etc.) geworden sind. Viel Spaß!
Es war nur eine Fußnote in der deutschen Medienlandschaft: Die USA, genau genommen deren Wirtschafts- und Handelsministerium, verlängern den Vertrag mit ICANN über die Ausübung der IANA-Funktionen. Es hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, denn hinter dieser kleinen Meldung verbirgt sich ein Kampf um die zukünftige Kontrolle des Internets...