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"Auflösung des Judentums" : zu einem literaturwissenschaftlichen Großprojekt Friedrich Gundolfs
(2015)
Von seiner jüdischen Herkunft trägt das wissenschaftliche Werk Gundolfs keine merklichen Spuren. Im Gegenteil hat er solche Spuren systematisch verwischt. Völlig unkenntlich sind sie damit allerdings nicht geworden. Zwischen den Zeilen prägt just sein 'abgelegtes' Judentum wesentliche Teile von Gundolfs Wissenschaftskonzeption, so auch deren sprachliche Verfasstheit und den Zuschnitt ihrer wichtigsten Gegenstände. Auf der Grundlage dieser Annahme will ich im Folgenden ein paar Schlaglichter auf einige wenige, sehr wohl aber repräsentative Gundolf'sche Texte werfen. In Augenschein zu nehmen sind dabei zwei Themenkomplexe: Erstens Gundolfs Vorstellungen von Literatur, Heldentum und Geschichtsphilosophie, die einen zutiefst apolitischen Geschichtsbegriff zu erkennen geben, der ein Phänomen wie die deutsch-jüdische Geschichte nicht mehr erzählbar macht, der v. a. aber die Huldigung eines Kunstideals impliziert, das als heidnisch-christliche Symbiose imaginiert wird. In diesem Kontext wird durchgehend auch die Frage nach den Implikationen einer Wissenschaftsprosa virulent, die sich als performative Umsetzung eines Heldenkultes und säkularen Gottesdienstes begreift und die das Judentum religiös, historisch und kulturell gleichermaßen zur Leerstelle macht. Zweitens Gundolfs Konzeption des 'deutschen Geistes', wie sie prominent bereits im Titel seiner bekannten Habilitationsschrift 'Shakespeare und der deutsche Geist' aus dem Jahr 1911 auftaucht. Es ist in erster Linie die dezidiert transnationale Anlage des 'Deutschtums', die es hier zu analysieren gilt.
Die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat eine beispiellose Reihe von Skandalen deutscher Sicherheitsbehörden öffentlich gemacht. In der vergangenen Woche hat ein Artikel in der Welt am Sonntag von den Journalisten Stefan Aust, Dirk Laabs und Per Hinrichs ein neues Kapitel in die Geschichte des NSU-Komplex eingefügt. ...
"Betriegliche Apparentzen" : Techniken der Imaginationssteuerung in Andreas Gryphius' "Leo Armenius"
(2015)
Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist die Geisterbeschwörung im zweiten Eingang der vierten Abhandlung von Gryphius' "Leo Armenius". Die Analyse wird deutlich machen, dass diese Szene weniger ein teuflischer Ritus denn eine Inszenierung ist, welche auf den Mitteln der zeitgenössischen Optik und Katoptrik beruht. In einem zweiten Schritt soll die Theatertechnik analysiert werden, die es ermöglicht, den Zuschauer glauben zu machen, die teuflische Beschwörung sei bei näherem Hinsehen technisch erzeugt. Zum Schluss erfolgt die Rekonstruktion der theologischen Bedingungen dieser in sich gedoppelten Darstellung. Es wird zu zeigen sein, dass sich bei Gryphius medial evozierte Illusion und göttliche Botschaft keinesfalls ausschließen. Vielmehr gehen sie eine bemerkenswerte Allianz ein, die das Wort Gottes jedoch nicht nur sichtbarer, sondern zugleich auch unkenntlicher werden lässt.
So wie alle anderen Ebenen der Inszenierung wird auch die Kleidung zum Mittel im Kampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauer - schließlich gilt es, im Wettstreit mit etwa 25 Konkurrenten zu beeindrucken und in Erinnerung zu bleiben. Die Auftritte bestehen daher zumeist aus Performances, die bis auf Sekundenbruchteile präzise durchchoreografiert sind, in denen nicht nur das Geschehen auf der Bühne, sondern auch die Vermittlung an den Fernsehzuschauer - jede Kameraeinstellung, jeder Schnitt - exakt vorgeplant ist. Dabei darf jeder Auftritt nach aktuellem Regelwerk maximal drei Minuten dauern. Kein Wunder, dass Trickkleider unter diesen Bedingungen relativ häufig zum Einsatz kommen. Schließlich bilden sie eine Möglichkeit, in dieser kurzen Dauer der Performance durch eine überraschende Veränderung im Aussehen der Künstler für einen besonderen Effekt zu sorgen.
The idea that human beings are inextricably bound to one another is at the heart of this book about African agency, especially drawing on the African philosophy Ubuntu, with its roots in human sociality and inclusivity. Ubuntu's precepts and workings are severely tested in these times of rapid change and multiple responsibilities. Africans negotiate their social existence between urban and rural life, their continental and transcontinental distances, and all the market forces that now impinge, with relationships and loyalties placed in question. Between ideal and reality, dreams and schemes, how is Ubuntu actualized, misappropriated and endangered? The book unearths the intrigues and contradictions that go with inclusivity in Africa. Basing his argument on the ideals of trust, conviviality and support embodied in the concept of Ubuntu, Francis Nyamnjoh demonstrates how the pursuit of personal success and even self-aggrandizement challenges these ideals, thus leading to discord in social relationships. Nyamnjoh uses a popular Ivorian drama with the same title to substantiate life-world realities and more importantly to demonstrate that new forms of expression, from popular drama to fiction, thicken and enrich the ethnographic component in current anthropology.
In seinem unlängst erschienenen Buch „Citizen Science“ untersucht der Wissenschaftstheoretiker Peter Finke die Rolle von Laiinnen und Laien für die Wissenschaft. Sein Anliegen ist es, ihre Bedeutung für den Erkenntnisfortschritt wie auch für ein praxisbezogenes bürgerschaftliches Engagement darzulegen. Aus zahlreichen Blickwinkeln variiert Finke den Grundgedanken einer Kontinuität des Handelns von Laiinnen und Laien zu dem von Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern, die durch die institutionalisierten Erscheinungsformen der Wissenschaft verschleiert wird. Demgegenüber sollen im vorliegenden Beitrag Aspekte der Diskontinuität hervorgehoben werden, die es zu berücksichtigen gilt, gerade wenn man von der Wichtigkeit einer Etablierung und Förderung von „Citizen Science“ überzeugt ist.
"Das Elementare in der Musik" : Zeitkritik und 'primitive' Musik in Thomas Manns Doktor Faustus
(2015)
Thomas Manns 'Doktor Faustus' (1947) ist ein Altersroman, ein Exilroman, ein Deutschlandroman, aber vor allem natürlich ein "Musik[]roman". Das ist im Hinblick auf die Frage nach einem gerade auch intermedial konstituierten Primitivismus im frühen 20. Jahrhundert signifikant. Denn der in jener Zeit beginnende und im Nationalsozialismus kulminierende Umschlag von Kunst und "Kultur" in Krieg und "Barbarei" koinzidiert im zeitdiagnostischen Panorama von Manns Roman mit einem ästhetischen Interesse am "Elementaren", am "Primitiven und Uranfänglichen". Dieses aufkeimende Interesse und seine politischen Weiterungen werden in Betrachtungen über zeitgenössische Kunst reflektiert und insbesondere am Schaffen des Tonsetzers Adrian Leverkühn exemplifiziert. Anders ausgedrückt: Der zeitgenössische Diskurs über das 'Primitive' spiegelt sich in Struktur und Handlung des Romans. Wenn im Folgenden der Frage nachgegangen wird, wie diese Vorstellung des 'Primitiven' im 'Doktor Faustus' funktionalisiert ist und aus welchen Quellen sie sich speisen könnte, ist ein "ausgeweitete[r] Primitivismus-Begriff" in Anschlag zu bringen, der sich in der Literaturwissenschaft erst zu etablieren beginnt.
Else LaskerSchüler (1869-1945), among the significant expressionist woman writers, did not only suffer from being both a woman and author, but also had to struggle under difficulties of being a hebrew. In this paper, especially the letter novel titled "Der Malik : Eine Kaisergeschichte" has been handled in the light of Homi K. Bhabha's 'Third Space Theory'. In regard to this, the "Third Space", which is defined by postcolonial theoretician Homi K. Bhabha as an extra place where minorities and outcast groups can express themselves in his work "The Location of Culture", is adapted to the literary "Orient" and defined once again in Else Lasker-Schüler's novel as it was never approached and interpreted before. In this sense, this supports the relevance to analyze her mentioned works in terms of the "Third Space Theory". Else Lasker-Schüler constructed a new world for herself through literature; her works were her life and her life was her works.
This study attempts to determine what methodological approach is suitable for studying speeches about Germanness that were written in Germany in the 1980s. The corpus of the speeches was chosen to cover multiple areas and disciplines. It includes literary, political and historiographical speeches authored by G. Grass ('Geschenkte Freiheit'), M. Walser ('Über Deutschland reden'), R. von Weizsäcker ('Der 8. Mai 1945'), E. Nolte ('Vergangenheit, die nicht vergehen will') and H. Lübbe ('Der Nationalsozialismus im Bewußtsein der deutschen Gegenwart'). The study illustrates the limitations of the ideological and purely disciplinary methodological approach. Instead it seeks a starting point for an analysis which proceeds in an intertextual and interdisciplinary manner.
"Du bist nur Bild" – diese Worte setzen das Signal für eine mediologische Lektüre nicht nur des Dramas, dem sie entnommen sind – Goethes Egmont –, sondern nicht minder für eine solche von Friedrich Schillers Maria Stuart, jenem "Trauerspiel", das am 14. Juni 1800 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird und zur Ostermesse 1801 beim Tübinger Verleger Cotta in einer Auflage von 4000 Exemplaren im Druck erscheint.
Wenn nämlich Marin im fünft en Aufzug verkündet, "auf meinem Weg zum Himmel" zu sein, dann ist mit dieser Wendung auf einer Metaebene der epistemische Bruch aufgerufen, den Michel Foucault in Die Ordnung der Dinge als den Übergang von der frühneuzeitlichen Lehre von den Ähnlichkeiten zur klassischen Wissensformation rekonstruiert und dessen Durchsetzung Friedrich Schiller gemeinsam mit Johann Wolfgang Goethe mittels ihrer Weimarer Theaterreform betreibt. Einer mediologischen Lektüre stellen sich die politischen Konsequenzen der Entweltlichung der Wahrheit, durch die Foucault die klassische Episteme bestimmt sieht, als das zentrale Thema von Schillers "Maria Stuart" dar.
"Die Flüchtlinge", "die Rassisten" und "Wir" – zu den Ambivalenzen im aktuellen Flüchtlingsdiskurs
(2015)
Dies ist der dritte Artikel unseres Blogfokus zu Flucht und Migration. Die vehemente Verurteilung der verbalen und gewaltvollen Übergriffe auf Geflüchtete, die zivilgesellschaftliche Solidarität, mit der Geflüchtete an Bahnhöfen, in Vereinen und Nachbarschaften Willkommen geheißen werden, die kleinen und großen Gesten privater Flüchtlingshilfe – all dies sind wichtige Signale gegen rassistische Hetze und Abschreckungspolitik. Der Flüchtlingshilfediskurs bleibt dennoch ambivalent und lässt sich aktuell an mindestens drei Fragen diskutieren: Wann verfehlen Positionierungen ‚gegen Rechts‘ das Ziel, rassistische Verhältnisse in der Gesellschaft aufzubrechen? Wann läuft das private Engagement im Flüchtlingsbereich Gefahr, politisches Handeln zu ersetzen? Und welche Schwierigkeiten gehen mit der Konjunktur des ‚Helfer-Wirs‘ einher? Eine Gratwanderung.
"Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht" : Licht und Schatten im (Musik-)Theater der Vormoderne
(2015)
Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts waren Akteure und Zuschauer in einem geschlossenen Theaterraum gleich stark beleuchtet, wenn auch nur mit Kerzen und Öllampen. Erst danach geriet die Bühne – nicht ohne Protest der Besucher – ins Zentrum der Beleuchtung. Auf der Opernbühne führte der Einsatz der Kohlenbogenlampe, auch "Prophetensonne" genannt, im 19. Jahrhundert zu einem radikalen Umbruch: Endlich konnten Übergänge vom Dunkel zum Licht musikalisch und szenisch realisiert werden.
Kern der Atatürk’schen Reformen war die These, dass nur ein radikaler Bruch mit der osmanischen Vergangenheit die Türkei auf ein 'zivilisiertes' Niveau heben könne. Die Neuerungen sorgten für radikale Veränderungen etwa im Bildungswesen (Vereinheitlichung des Schulwesens) und in der Sprache (Wechsel vom arabischen zum lateinischen Alphabet sowie Ersetzen des arabischen und persischen Wortschatzes durch 'rein türkische' Neuschöpfungen), aber eben auch im äußeren Erscheinungsbild. Typisch für die Reformen war, dass sie oft durch symbolische, sorgfältig inszenierte Ereignisse begleitet wurden, bei denen Atatürk die Hauptrolle spielte und die den Auftakt für begleitende Maßnahmen darstellten.
Sigmund Freud hat 1926 in einem Interview bekannt: "Meine Sprache ist deutsch. Meine Kultur, meine Bildung sind deutsch. Ich betrachtete mich geistig als Deutschen, bis ich die Zunahme des antisemitischen Vorurteils in Deutschland und Deutschösterreich bemerkte. Seit dieser Zeit ziehe ich es vor, mich einen Juden zu nennen." Aus dem Bekenntnis 'Meine Sprache ist Deutsch' sind zwei Einstellungen herauszuhören, sowohl der offensichtliche Stolz auf die deutsche Sprache, sofern der Akzent auf dem Wort 'Deutsch' liegt ('Meine Sprache ist 'Deutsch''), Deutsch also im Unterschied zum Englischen, Französischen oder Jiddischen, als auch eine leisere Abgrenzung, sofern das Wort 'Sprache' betont wird ('Meine 'Sprache' ist Deutsch'), Sprache also im Unterschied zur ethnischen Herkunft oder kulturellen Tradition, die durchaus noch anders als deutsch definiert sein kann. In beiden Fällen geht es um die Komplexität einer heterogenen Identitätsbildung und dabei um die Rolle der Sprache, also darum, ob Sprache konstitutiv ist dafür, wer ich bin, was ich denke und wie ich mich verhalte: Es geht also letztlich um das sprachphilosophische Problem der Sprachlichkeit von Kultur überhaupt, ein Problem, das die Geisteswissenschaften schon immer beschäftigt hat.
Rezension zu Funda KIZILER EMER, Duino Ağıtları (Rainer M. Rilke) ile Bir Meleğin Yakarışı –Dualar (Hertha Kraeftner) Adlı Yapıtlarda Melek İmgesi, Konya: Çizgi Kitabevi Yayınları, 2014.
In diesem Jahr feiert die Bundesrepublik fünfundzwanzig Jahre Deutsche Einheit. Ein vereintes Deutschland ist für jüngere Generationen bereits selbstverständlich und selbst bei vielen Älteren sind die brisanten Entwicklungen und historischen wie geopolitischen Veränderungen dieser Zeit bereits in Vergessenheit geraten. Die meisten Deutschen nehmen ein Leben in einem geeinten Deutschland als selbstverständlich hin! Wenn man sich jedoch mit den Umbrüchen im Herbst 1989 beschäftigt und die damalige Situation analysiert, wird einem schnell bewusst, dass es sich bei dem friedlichen Mauerfall und der anschließenden Vereinigung der beiden deutschen Staaten um ein einschneidendes, ja epochales Ereignis handelt. Nichts von dem, was heute als selbstverständlich und gegeben angesehen wird, war damals absehbar noch zu erwarten. Erst ein politischer Dreiklang – bestehend aus den vier Siegermächten sowie der Bundesregierung und den Resten der politischen Klasse der DDR unter Einflussnahme der dortigen Friedensbewegung – ermöglichte die Umsetzung der damaligen „Road-Map“. Der von Helmut Kohl präsentierte Zehn-Punkte-Plan muss im Nachhinein als vorentscheidender Schritt hin zur Wiedervereinigung betrachtet werden. Das Programm symbolisierte in gewisser Weise auch das Ende der bisherigen Bonner Deutschlandpolitik. Zudem lieferte es, so scheint es zumindest im Nachhinein, die politische Blau-Pause für einen geordneten Zusammenschluss zwischen Ost und West und trug somit de facto zur friedlichen Abwicklung der implodierten DDR bei. Im Zentrum meiner Dissertation stehen nicht die einzelnen Schritte hin zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 oder der Weg dorthin – dies ist in vielen Darstellungen bereits erörtert worden. Mein Interesse gilt der Beurteilung der Deutschlandpolitik der Regierung Kohl in ausgewählten Printmedien, um so zu zeigen, wie die öffentliche Resonanz auf einzelne deutschlandpolitische Schritte des neuen Kanzlers war und wie sein Vorgehen in dieser Frage beurteilt wurde. Hiermit soll nicht nur das Meinungsspektrum zu diesem Thema abgesteckt, sondern auch danach gefragt werden, wieweit sich die Beurteilung Kohls im Untersuchungszeitraum verändert hat. Herangezogen wurden 5 Leitmedien im Printbereich: 1. Die Welt 2. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 3. Süddeutsche Zeitung (SZ) 4. Die Zeit 5. Der Spiegel Wert gelegt wurde darauf, ein breites Meinungsspektrum zu repräsentieren. Bei allen Vorbehalten gegen derartige Etikettierungen können die herangezogenen Printmedien als national-konservativ (Die Welt), bürgerlich-konservativ (FAZ), sozial-liberal (SZ), bürgerlich-liberal (Die Zeit) bis links-alternativ (Der Spiegel) bezeichnet werden. Damals wie heute gelten sie als Leitmedien, was sich nicht nur in ihrer Auflage und Verbreitung, sondern auch in der Qualität und Differenziertheit ihrer Berichterstattung festmachen lässt. Als Untersuchungszeitraum habe ich die Zeit vom Amtsantritt des neuen Kanzlers am 1. Oktober 1982 bis zum Zehn-Punkte-Plan am 28. November 1989 definiert. Nach Kohls Auftritt im Deutschen Bundestag an diesem Tag traten die konkreten Schritte hin zur deutschen Einheit in den Vordergrund, was dann doch eine strategische und inhaltliche Veränderung bedeutete. Deshalb wird der weitere Weg hin zum 3. Oktober 1990 aus der Untersuchung ausgeklammert. Um das Thema wissenschaftlich handhabbar zu machen, habe ich fünf Ereignisse in den Fokus meiner Untersuchung gestellt: 1. Der Kanzlerwechsel von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl am 1. Oktober 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Wie beurteilten die fünf Printmedien diesen Schritt und wie schätzten sie Kohls deutschlandpolitische Agenda ein? 2. Der Milliardenkredit der BRD an die DDR, der der Stabilisierung der maroden DDR-Wirtschaft dienen sollte und von Franz-Josef Strauß eingefädelt wurde. Wie wurde diese spektakuläre Aktion in den untersuchten Zeitungen eingeschätzt, insbesondere die Rolle des bayerischen Ministerpräsidenten, der ein scharfer Kritiker der sozialliberalen Deutschlandpolitik gewesen war? 3. Helmut Kohls Besuch in Moskau vom 4. Juli bis zum 7. Juli 1983, also der offizielle Antrittsbesuch des neuen Kanzlers in der Sowjetunion. Wie sah man sein Auftreten dort? 4. Der Besuch von Erich Honecker in der BRD vom 7. September bis zum 11. September 1987, ein Höhepunkt der bisherigen Deutschlandpolitik – und zugleich ein Wendepunkt. Wie wurde die Tatsache dieses Staatsbesuchs beurteilt, aber auch das Agieren des Kanzlers bei dieser Visite? 5. Der Zehn-Punkte-Plan, der am 28. November 1989 im Deutschen Bundestag in Bonn von Helmut Kohl verkündigt wurde.
Die passende Hose und die Dramatik Shakespeares, diese Konstellation ist - einerseits - ein Witz Thomas Bernhards, der Stoff und Sujet, Schnitt und Stil in seinem Dramolett 'Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen' (1986) in eins denkt und damit die Theaterversessenheit des Regisseurs Claus Peymann in Szene setzt. Die Verbindung von Hosenkauf und Dramatik eröffnet aber - andererseits - auch eine sehr plastische Auseinandersetzung des Autors mit der eigenen Beziehung zum Theater. Diese Auseinandersetzung verrät nicht nur einiges über Thomas Bernhard und das Theater, über das Burgtheater und das 'Theater Österreich'. Sie verrät auch einiges über die Moden und Modernisierungen des Theaters in der 'Postmoderne'.
Dass das Mittelalter "dunkel", gar "finster" gewesen sei, kann als handelsüblicher Topos gelten. Der stillschweigende Verweis etwa auf Autoritäten der Geistesgeschichte wie Luther, Voltaire oder Heine erübrigt jeglichen Beleg. Doch professionelle Mediävisten wagen, ein anderes Mittelalterbild zu zeichnen und werfen gleichzeitig ein Licht darauf, wie es zu diesem falschen Verständnis kam.
This paper tries to present Ernst Jüngerʼs perception of „the enemy“ in his first publication, the novellike, personal report on his experiences in WW I, „Storm of Steel“, published for the first time in 1920. Interestingly his characterization of the French, English, Scottish – and a squad of Indian – Soldiers varies in the different editions of this work, which suffered six to seven revisons (the last one for editing the opera omnia in 1978). While especially the 1924 edition had a nationalistic bias, as Jünger for example mocked on French civilization, such passages were eliminated during a revison in 1934. Generally, also in the earlier editions, Jüngerʼs approach towards describing the enemy is distinguished by high respect and an outmoded chevalersque ethos of a warrioar-caste, which was in WW I already part of the historical past. Only some traces of every-day racism, typical for the German imperial age, found its way also in the last editions: the description of colonial military forces (Moroccans, Indians).
Das Konzept "Heimat" besitzt für die Identitätsstiftung eine große Bedeutung, in jüngerer Vergangenheit sogar in zunehmendem Maße. Dies wird durch den Rechtsextremismus aufgegriffen und für den Transport der eigenen xenophoben Ideologie genutzt. Dabei wird auch an die Ausdeutung des Themas im Nationalsozialismus angeknüpft. Heimat wird dabei zu einem bedrohten Wert erklärt, den es vor dem Fremden zu schützen gilt. Aus diesen Gründen spielen Heimatdiskurse schon seit langem eine wichtige Rolle im deutschen Rechtsextremismus. Wesentliche identitätsstiftende Momente von Heimat sind das Brauchtum und die Sprache, durch deren Besonderheiten Zugehörigkeit signalisiert und erkannt wird. Zugleich bieten diese Spezifika die Möglichkeit, sich von anderen abzugrenzen. Lässt man das Brauchtum im Hinblick auf die sprachwissenschaftliche Ausrichtung des Beitrages unberücksichtigt, so ist es die Sprache, genauer die Verwendung von Dialekt oder doch zumindest eines Regiolektes oder einer landschaftlichen Färbung, die landläufig ebenfalls als Marker für die regionale bzw. lokale Identität gilt [...]. Dementsprechend liegt die Frage nahe, ob dialektale bzw. regiolektale Elemente auch in rechtsextremer Kommunikation irgendeine Rolle bei der Konstituierung des Heimatbezuges spielen.
[Der] Status des Rechts [ist] in der Odyssee grundsätzlich ambivalent [...]: Auf der einen Seite grenzt sich Odysseus unter Berufung auf eine allgemeine "rechtliche Ordnung" (thémis) und die öffentliche Versammlung (agorá) von der rechtlosen Welt der Kyklopen ab, auf der anderen liegt Interpretation und Durchsetzung von Recht im Konfliktfall beim Einzelnen: Was "Recht" ist, wird zu einem großen Teil von Macht, Einfluss und Ansehen der Parteien bestimmt. Dennoch hieße es die Komplexität der in der Odyssee beschriebenen Ordnung zu vereinfachen, wollte man sie auf ein rohes Recht des Stärkeren zurückführen – Odysseus wird in seinem Epos schließlich gerade nicht durch Verbindlichkeit durchsetzende Stärke, sondern durch wendige, ja unverbindliche Listigkeit charakterisiert. Doch wie ließe sich dann die zuguterletzt wiederhergestellte rechtliche Ordnung differenziert beschreiben? Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst eine Reflexion auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen Recht und Epos vorzunehmen. Sie soll in den folgenden Abschnitten in der Diskussion einiger maßgeblicher rechtshistorischer Ansätze am Beispiel der Ilias geleistet werden. Im zweiten Hauptteil dieses Textes wird dann eine Lektüre der Odyssee unter dem Aspekt epischer Verbindlichkeit im Vordergrund stehen; sie wird in die Frage münden, in welchem Verhältnis die formale Geschlossenheit des Epos zur Herstellung von Ordnung steht. Die Problematik der epischen Form wird ihrerseits abschließend zum Verhältnis von Epos und Recht zurückführen, wobei nun allerdings das Epos als Gegenstand von mündlicher Überlieferung und (mythischer) Gesetzgebung im Zuge der pólis-Werdung Athens im Mittelpunkt steht.
"Jedes einzelne Bild nur ein Mosaikstück"? : zur Funktion des Erzählens in Eva Menasses Werken
(2015)
Eva Menasses erzählerisches Werk hat seit dem Erscheinen ihres ersten Romans Vienna (2005) sowohl bei Kritikern als auch beim lesenden Publikum einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In den vielen, überwiegend positiven Besprechungen ihrer Bücher werden immer wieder deren dichte Atmosphäre, die kunstvolle Komposition, vor allem aber der darin zu findende "scharfe Witz" hervorgehoben, und ihre literarische Qualität wird nur selten in Zweifel gezogen. Angesichts dessen ist es nur wenig verwunderlich, dass auch die Literaturwissenschaft sich bereits für ihre Werke zu interessieren begonnen hat, wenn auch vorwiegend für die spezifischen Identitätsprobleme, die Menasse in Vienna unter den Nachfahren der jüdischen Überlebenden des Holocaust ausmacht. An dieser Schwerpunktsetzung lässt sich insofern auch kaum etwas aussetzen, als Menasse selbst großen Wert auf diese Frage gelegt und nachdrücklich betont hat: "Das einzige für mich wirklich wichtige Thema [in Vienna] ist die Geschichte des 20. Jahrhunderts und die Frage der Identität. Das allein ist der Antrieb gewesen, diesen Roman zu schreiben." Dennoch ist durch die Konzentration auf diese Fragestellung die ästhetische Seite ihrer Bücher bislang weitgehend unbeleuchtet geblieben, obwohl sich dazu in den Texten mehr als genug Reflexionen finden, gerade was die Frage nach der möglichen Leistung, aber auch nach den Grenzen des Erzählens anbelangt. Dies ist umso bedauerlicher, als genau darin der Kern der bislang erschienen Werke zu bestehen scheint, insofern diese Reflexionen nicht nur das Thema der Identität entscheidend zu erhellen vermögen, sondern überhaupt erst sichtbar werden lassen, dass auch die Bücher nach Vienna, trotz ihrer sonst sehr unterschiedlichen Thematik und ästhetischen Anlage, allesamt auf die im ersten Buch bereits aufgeworfenen Probleme bezogen bleiben. Im Folgenden soll deshalb versucht werden, diese Probleme und die Verbindungen zwischen den einzelnen Werken klarer herauszuarbeiten, um so zu einer möglichst deutlichen Anschauung und einer ersten Einordnung von Menasses bisherigem Schaffen zu gelangen.
This study offers in its first part a brief description of the text genre, analysing the specific lexical and formal features as well as the specific text composition means. As wedding announcements haven’t been examined from a contrastive (German/Romanian)/intercultural point of view yet, it is relevant to mention some research directions and methods.
Melissa Williams ist Professorin für Politikwissenschaft und Gründungsdirektorin des Center for Ethics an der Universität von Toronto. Sie forscht auf dem Gebiet der Demokratietheorie. Seit September 2015 ist Williams Fellow im Justitia-Amplificata-Programm und am Forschungskolleg Humanwissenschaften. Sie bleibt bis Juli 2016. UniReport fragte Melissa Williams nach ihren Plänen, Erwartungen und Wünschen
Tagungsbericht "Medium - Medialität - Intermedialität." Tagung der Franz Werfel-StipendiatInnen in der Nachbetreuung in Wien, 27. - 28. März 2015
Am 27. und 28. März 2015 veranstaltete die Wiener Germanistik in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Austauschdienst-Gesellschaft in Wien die Tagung der Franz Werfel-StipendiatInnen in der Nachbetreuung zum Thema 'Medium - Medialität - Intermedialität. Beiträge zur österreichischen Kulturgeschichte'.
Im alltäglichen Gespräch lässt sich beobachten, dass bei vielen in der Bundesrepublik aufgewachsenen Personen die Kinderbücher Astrid Lindgrens einen hohen Stellenwert und einen starken Einfluss auf Lebensvorstellungen und Werte des zwischenmenschlichen Miteinanders haben. Wenn die eigene Lebenswelt - wie etwa bestimmte Situationen, Lebensumstände, zwischenmenschliche Beziehungen, die äußere Umwelt, das Lebensgefühl - als besonders beglückend, ja geradezu als ideal empfunden werden, ziehen viele Menschen Parallelen zu den in den Texten Astrid Lindgrens modellierten Lebenswelten. Umgekehrt wird auch versucht, die eigene Lebenswelt nach dem Muster dieser Textwelten zu gestalten, um das Leben so schön, harmonisch und beglückend zu gestalten, wie es die Figuren in den Texten vorleben. Da Texte, die einen solch prägenden Eindruck auf uns ausüben und einen so hohen Stellenwert für die eigenen Lebensvorstellungen und die Lebensgestaltung haben, in der Regel auch an die Nachkommen weitergegeben werden, werden die in den Büchern modellierten Lebensvorstellungen und Werte häufig über mehrere Generationen hinweg tradiert und erhalten einen wichtigen identitätsstabilisierenden Platz im kollektiven Gedächtnis. So können bestimmte Welt-, Lebens- und Wertkonstrukte innerhalb einer Gesellschaft über einen längeren Zeitraum Bestand haben und ein fester Teil des gesellschaftlichen Diskurses werden. Ausgehend von diesen Beobachtungen und Hypothesen scheint es lohnend zu sein, folgende Fragen zu stellen: 1. Lässt sich die eingangs formulierte Alltagsbeobachtung von der Wichtigkeit der Bücher Astrid Lindgrens für die Lebensvorstellungen vieler Deutscher auch durch eine umfassende Untersuchung, also durch konkretes Zahlenmaterial, bestätigen? Oder allgemeiner gefragt: Gibt es Bücher, in denen viele Menschen eine ideale Lebenswelt wiederfinden? 2. Falls es wirklich eines oder mehrere solcher Bücher gibt: Wie genau sieht eine solche ideale Lebenswelt für uns aus? Um diese Fragen zu beantworten, wende ich eine Untersuchungsmethode an, die aus drei Schritten besteht: erstens einer quantitativen Befragung zur Ermittlung eines Textkorpus; zweitens einer literaturwissenschaftlichen Analyse der so ermittelten Texte zur Untersuchung der Rezeptionsangebote dieser Texte; drittens Leitfadeninterviews, um herauszuarbeiten, welche der Textangebote tatsächlich von den Rezipienten aktualisiert werden.
Ein kritischer Diskurs ist essentiell für die Wissenschaft. Das ist zwar banal, wird aber im gegenwärtigen Streit um „Münkler Watch“, einem Blog, in dem Studierende der Humboldt-Universität Berlin eine Vorlesung des Politikwissenschaftlers Prof. Herfried Münkler anonym kritisieren, häufig vergessen. Aber auch den Studierenden scheint es nicht um einen inhaltlichen Dialog, sondern um Aufmerksamkeit zu gehen.
Çocuklara yönelik fantastik yazın çevirisi alanında yaptığımız bu çalışmada "The wonderful wizard of Oz" adlı yapıttan yola çıkarak, Türkçe'ye dört farklı çevirisi karşılaştırmalı olarak incelenmiştir. Araştırmamız, çevirmenleri ve yayınevleri farklı olan fantastik çocuk kitabı çevirilerinde uyarlama yapılıp yapılmadığını belirlemeyi amaçlamıştır. Bu incelemenin ayrıca amacı fantastik çocuk kitapları çevirisinde uyarlamanın tek bir yöntem olarak kullanılmasının olumsuz yönüne dikkat çekmek, aynı zamanda da kitapların biçimsel ve içeriksel olarak iyileştirilmesine katkıda bulunmaktır. Çalışma neticesinde elde edilen verilerden sonuçlar çıkarılarak genel bir değerlendirme yapılmış ve çeşitli öneriler sunulmuştur.
Die Frage was ein Fach ausmacht ist keinesfalls leicht zu beantworten. Dennoch haben sich in den letzten Wochen auf FAZ.net Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Fächer daran versucht. Für Schülerinnen und Schülern dürfte dies bei der Studienfachwahl hilfreich sein. Doch der Versuch von Prof. Korte zur Politikwissenschaft stellt das Fach zu eingeschränkt dar.
In der momentanen politischen und medialen Auseinandersetzung um die Flüchtlingsaufnahme in Deutschland scheinen folgende Punkte selbstevident: Die gegenwärtige Flüchtlingsbewegung in die Bundesrepublik sei in ihrer Größe eine seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einzigartige Belastung für die Sozialsysteme. Auch seien für die meisten Skeptiker die ankommenden Flüchtlinge in ihrer kulturellen Eigenart von der deutschen Gesellschaft so verschieden, dass eine Integration quasi aussichtslos erscheine. Schließlich erwachse daraus eine fundamentale Gefahr für die soziale und politische Ordnung in Deutschland. Wobei (paradoxerweise) mit der Berufung auf dieses vermeintliche Bedrohungsszenario dann wiederholt der Ruf nach einer tatsächlichen rechtlichen und politischen Revision der bundesdeutschen Ordnung begründet wird.
"Que d'eau! Que d'eau!" : narrative Strategien literarischer Überflutungen bei Puschkin und Zola
(2015)
Nicht erst in der Literatur der Gegenwart lassen sich Beispiele finden, in denen Naturphänomene und nicht-menschliche Agenzien zu Protagonisten oder sogar zu Erzählinstanzen eines literarischen Textes werden. Gerade das Wasser (in Form von Flüssen oder des Meeres) scheint prädestiniert dafür, innerhalb der Diegese wie auch der Erzählsituation zur handlungsbestimmenden Instanz zu werden und damit den Menschen in die Passivität zu drängen – und teilweise sogar existentiell zu gefährden. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Überschwemmungen, die programmatisch die Macht der Natur bei gleichzeitiger Machtlosigkeit von Mensch und Zivilisation spiegeln. Zwei literarische Beispiele aus dem 19. Jahrhundert sollen exemplarisch aufzeigen, mit welchen narrativen Mitteln das Wasser auf inhaltlich-motivischer und formal-erzählerischer Ebene den Text "überflutet": Alexander Puschkins Poem "Der eherne Reiter" (1833) und Émile Zolas Erzählung "L'Inondation" (1875).
Jede wissenschaftliche Debatte im 19. Jahrhundert, unabhängig von der Disziplin, musste sich auf den Boden von Tatsachen, im zeitlichen Sprachgebrauch 'facta' oder 'data', stellen. Die Theologie bildete darin keine Ausnahme, besonders nicht auf den Gebieten der Dogmen- und Kirchengeschichte oder der Evangelien-Forschung. Um neue Fakten in die Diskurse einzubringen, mussten diese zunächst "im Feld" gewonnen, in Daten transformiert und als neues Wissen veröffentlicht werden. Genau dies war der Grund für Tischendorfs Orientreise gewesen. Nur so war eine auf Autopsie, Authentizität, Interdisziplinarität und Historizität basierende wissenschaftliche Forschungspraxis in der Theologie möglich. Diese These soll durch den Vergleich des Vorgehens zweier Forschungsreisender - der Gemeinsamkeiten und Unterschiede berücksichtig - belegt werden.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den religionskritischen Tendenzen im Werk Louise Astons. Ausgehend vom grundsätzlichen, in der Forschung bereits gut dokumentiertem, Befund des Zusammenschlusses von religiöser Opposition, Frauenemanzipation und demokratischer Bewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts soll ein Blick auf die spezifisch kirchenkritischen Einflüsse und Ausprägungen des Schreibens einer Autorin geworfen werden, die Renate Möhrmann als Kämpferin für die "Revisionierung der christlichen Krämerwelt" beschreibt. Dabei konzentriert sich die Betrachtung vor allem auf Louise Astons journalistisches und schriftstellerisches Engagement, weniger auf ihren Status als "enfant terrible des Feminismus" im 19. Jahrhundert. Diese Perspektive ermöglicht zum einen eine stärkere Kontextualisierung Louise Astons innerhalb religionskritischer und liberaldemokratischer Strömungen des Vormärz. So steht ihr Schreiben, wie zu zeigen sein wird, in Auseinandersetzung mit dem Saint-Simonismus, auf dessen Rezeption sie nicht explizit verweist, an dessen Gedanken zur Neubestimmung der Rolle der Frau sie jedoch offenkundig anknüpft. Zum anderen offenbart sie einen exemplarischen Blick auf die Beteiligung von Frauen am öffentlichen Diskurs jener Zeit und den Wandel von der beschriebenen zur schreibenden Frau.
Monologic dialogues and dialogue structures in Wedekind's 'Frühlings Erwachen' A drama presents a plot which is constituted through dialogues between the characters. This article therefore attempts to explore several instances of dialogue from Wedekind's 'Frühlings Erwachen' by conversationalanalytical means; such an approach facilitates a clear description of the characters' failures in their interactions. This in turn reveals the specific features of literary dialogues from this period, which are constituted in writing and thus precisely planned; an author not only imitates acts and actors via a play's dialogues, but fundamentally creates and moulds the characters through dialogue.
Die Sowjetunion unter Stalin war ein Ort, an dem Terror und Gewalt herrschten, in der öffentlichen Propaganda aber wurde sie zeitgleich als Hort der "Brüderlichkeit" und "Völkerfreundschaft" inszeniert. Die Kulturpolitik jener Jahre zielte auf eine sowjetweite Repräsentation der nationalen Kulturen und die Etablierung einer "multinationalen" Sowjetliteratur bzw. Sowjetkultur. Ungeachtet der ideologischen Gleichschaltung war das Arsenal von Figuren des Nationalen keineswegs für alle gleich, sondern hing von den jeweiligen geschichtlichen und (religions-)kulturellen Traditionen der einzelnen Völker ab. Am Beispiel Georgiens lassen sich kulturelle Phänomene - wie etwa die Kolchis, das georgische Pantheon nationaler Heroen oder die Figur des mittelalterlichen Dichters Šota Rust'aveli - als "Figuren des Nationalen im Sowjetimperium" untersuchen. Georgien ist nicht nur deshalb ein interessantes Beispiel, weil Stalins Heimat in den offiziellen Diskursen viel Aufmerksamkeit erhielt. Die georgische Kultur - und damit gleichsam die Sowjetkultur generell - ließ sich auch durch ihre weit in die Vergangenheit zurückreichende kulturelle Tradition als eine besonders alte Kultur inszenieren.
Animal experiments report contradictory findings on the presence of a behavioural and neuronal anisotropy exhibited in vertical and horizontal capabilities of spatial orientation and navigation. We performed a pointing experiment in humans on the imagined 3-D direction of the location of various invisible goals that were distributed horizontally and vertically in a familiar multilevel hospital building. The 21 participants were employees who had worked for years in this building. The hypothesis was that comparison of the experimentally determined directions and the true directions would reveal systematic inaccuracy or dimensional anisotropy of the localizations. The study provides first evidence that the internal representation of a familiar multilevel building was distorted compared to the dimensions of the true building: vertically 215% taller and horizontally 51% shorter. This was not only demonstrated in the mathematical reconstruction of the mental model based on the analysis of the pointing experiments but also by the participants’ drawings of the front view and the ground plan of the building. Thus, in the mental model both planes were altered in different directions: compressed for the horizontal floor plane and stretched for the vertical column plane. This could be related to human anisotropic behavioural performance of horizontal and vertical navigation in such buildings.
Peter Oestmann unterscheidet in seiner Intervention drei Arten der Rechtsgeschichtsschreibung, die er Normen-, Wissenschafts- und Praxisgeschichte nennt. Als bekennender Vertreter der letzten Kategorie setzt er sich für deren Emanzipation von der rechtsdogmatischen "Normenkontrolle" ein. Er bezeichnet es als "unfair, wenn Vertreter der Normengeschichte erwarten, diejenigen, die sich mit der Rechtspraxis beschäftigen, müssten im gleichen Maße die Rechtsliteratur und normative Quellen in ihre Untersuchungen einbeziehen wie andere Rechtshistoriker auch" (8). Zugleich bricht er eine Lanze für die "erheblich unjuristischere" Rechtsgeschichte der Praxis (ebd.). Wir pflichten diesem Anliegen vorbehaltlos bei. Zugleich beobachten wir, dass Oestmanns Kritik an Grundlagen des rechtshistorischen Selbstverständnisses rührt, die zur Diskussion zu stellen im deutschsprachigen Raum erfahrungsgemäß schwer fällt. Auch bleibt Oestmann zu oft in den Kategorien des von ihm Kritisierten befangen. Unsere Replik setzt sich mit den historischen Ursachen dieses strukturellen Unbehagens in der Rechtsgeschichte auseinander.
El presente artículo se propone analizar la interpretación benjaminiana de Kafka tomando como eje central el problema de la tradición y su resignificación política en el contexto de producción tardío. Son relevantes en este sentido, los conceptos de hagadá y halajá con los que Benjamin estructura sus análisis. El objetivo es entonces rastrear los elementos que en la elaboración de una teoría política permiten recuperar al narrador checo para la revisión de un concepto de lo humano.
Die Lyrik-Anthologie "Klio" des Historikers Adolf Schottmüller gilt als ein repräsentatives Beispiel für die Konjunktur der Geschichtslyrik im 19. Jahrhundert. Ohne den Verlauf der Weltgeschichte im Einzelnen abbilden zu wollen, zielt der Herausgeber auf die Veranschaulichung epochaler historischer Ereignisse, deren spezifisch dichterische Darstellungsform den Leser unmittelbar affizieren soll. Anhand von Schottmüllers einleitenden Reflexionen werden die strukturellen Bedingungen für die Übertragung historischer Ereignisse in den Gattungsbereich der Geschichtslyrik diskutiert. Am Beispiel von August von Platens Rollengedicht "Klaglied Kaiser Otto's III." und Ernst Moritz Arndts Ereignisgedicht "Die Schlacht bei Leipzig" kommen ferner die ästhetischen Verfahren in den Blick, mit denen diese Transformationsleistung realisiert wird.
"Mehr Licht!", um die "Seele" der Natur zu erfassen – das verband die Impressionisten mit der vorangegangenen Künstlergeneration um Camille Corot. Claude Monet und seine Kollegen suchten die Wälder und Parks auf, um Licht, Atmosphäre und Farbigkeit in ihrer Malerei festzuhalten. Dabei reagierten sie eher intuitiv auf die in jener Zeit intensiv erforschten optischen Gesetzmäßigkeiten.
"Vortreffliche Belichtung!" : die Erfindung des Oberlichts und der Weg zum modernen Kunstmuseum
(2015)
Der Umgang mit Licht ist beim Kuratieren von Ausstellungen und Sammlungspräsentationen von zentraler Bedeutung. Welchen Status erhalten die Exponate, welche Position nehmen sie innerhalb des Raums ein? Werden nur einzelne Objekte im Halbdunkel punktuell angestrahlt und geradezu auratisch inszeniert, oder wird der Raum gleichmäßig ausgeleuchtet? Die Debatte um diese Fragen erhielt durch den Bau der Kasseler Gemäldegalerie 1750 entscheidende Impulse.
Der vorliegende Artikel untersucht die Thematik 'Geschichtstransformationen' in einer literatur- und kulturwissenschaftlichen Hinsicht durch die Analyse von Eugen Ruges Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts" (2011). In diesem Buch beschäftigt sich Ruge mit der deutschen Geschichte des 20. und anfänglichen 21. Jahrhunderts mittels einer Beschreibung der Interaktionen zwischen den Individuen und einer lebendigen Vergangenheit. Ruge vermittelt kein kristallisiertes Bild von Geschichte, diese wird vielmehr als eine Art gesellschaftliches und demzufolge kulturelles Konstrukt, als Entfaltung und Entwicklung einer personalen Identitätsfindung verstanden. Ruges fokussiert sich auch auf das Wechselspiel zwischen dem Individuum und der Kultur einer bestimmten Zeit, um dessen Zugehörigkeitsgefühl zu schildern. Die Geschichte einer (ost-)deutschen Familie, die im Mittelpunkt des Romans steht, wird zu einer aus historischen Ereignissen bestehenden sinnbildlichen Welt: Durch diese Familiensaga will Ruge keinen Familienkampf präsentieren, sondern er versucht, die unterschiedlichen Generationen in ihren wechselseitigen Handlungen darzustellen. Damit ergibt sich eine vielstimmige Erzählung eines Stücks deutscher Geschichte.
Dies ist der neunte Artikel unseres Blogfokus zu Flucht und Migration. Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich für die Situation Geflüchteter verantwortlich und wollen „helfen“. Im Zuge dieser „Helfer-“ bzw. „Willkommenskultur“ werden Flüchtlinge jedoch oft zu hilflosen „Opfern“ stilisiert, die keine eigene Stimme besitzen, um ihre Belange selbst zu äußern. Dabei gerät in Vergessenheit, dass durchaus schon seit einiger Zeit Anstrengungen der Geflüchteten bestehen, ihre Situation aus eigener Kraft zu verbessern und eigene politische Ziele zu artikulieren. „We Will Rise!“ lautete der Titel einer Ausstellung der Berliner Geflüchtetenbewegung zu vergangenen Protestaktionen, die vor kurzem in Berlin zu sehen war. Anstatt „Ärger zu machen“ forderte Thomas de Maizière jedoch jüngst im Gegenzug für die deutsche „Willkommenskultur“ eine „Ankommenskultur“ von Seiten der Geflüchteten. Er sorgte für Empörung, als er AsylbewerberInnen, die sich über die unsagbaren Zustände in überbelegten Massenunterkünften beschwerten, Undankbarkeit und zu hohe Ansprüche vorwarf. Bleibt also kein Platz für die Stimmen der Geflüchteten im aktuellen Diskurs um die deutsche „Willkommenskultur“?
Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Im Jahre 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften Tage und die Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: 'Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht', und hätte die Bauern und Bürger zumGewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag: sie wohnen inschönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und redeneine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. DerBauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.
Mit dieser rhetorischen Fanfare beginnt der Hessische Landbote, jene politische Flugschrift, die Georg Büchner 1834, noch vor seinen eigentlich literarischen Werken, veröffentlichte. Es ist der Text in Büchners Werk, in dem die biblischen Bezüge am deutlichsten sind, wie in der zitierten Passage nicht nur die explizite Erwähnung der Bibel im ersten Satz und die deutliche Anspielung auf Jesaja 1.7 "Fremde verzehren eure Acker vor euren Augen" zeigt. Auch der gesamte Tonfall, jene Mischung von Vehemenz und Anschaulichkeit, die den Landboten insgesamt auszeichnet, ist biblisch geprägt. Allerdings wissen wir nicht einmal sicher, ob dieser zitierte Anfang von Büchner stammt, denn der Landbote hat zwei Autoren: Georg Büchner und Friedrich Ludwig Weidig, der einen nicht überlieferten Entwurf von Büchner überarbeitet und ergänzt hat, so dass am Ende kaum zu sagen ist, wer hier was geschrieben hat.
In der Oberzips sind [...] die durch das benachbarte Schlesien vermittelten Merkmale des Ostmitteldeutschen vorherrschend. Einen Sonderfall stellen das Kesmarker Stadtprotokoll aus den Jahren 1554-1614 sowie das zweitälteste Gerichtsbuch von Kesmark aus den Jahren 1607-1624 dar, in denen die ostmitteldeutschen Merkmale gänzlich fehlen. [...] Nach Piirainen könnte dies auf eine eigene Schreibtradition in der Kesmarker Stadtkanzlei hinweisen. Die Teilergebnisse der sprachlichen Analyse von Originalhandschriften der Zunftsatzungen aus den Jahren 1573-1636 deuten jedoch darauf hin, dass man den ostmitteldeutschen bzw. schlesischen Einfluss in der Kesmarker Kanzleisprache nicht ausschließen kann.