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Viele Untersuchungen zu Brutvogelarten in der Agrarlandschaft setzen die Abundanzen einzelner Arten in Beziehung zu bestimmten Eigenschaften (Parametern) der Landschaft. Nur wenige Studien berücksichtigen interspezifische Wechselwirkungen, wie etwa den Einfluss von Prädatoren auf die Habitatwahl. Im Allgemeinen wird angenommen, dass Beutetierarten ein Habitat mit geringem Prädationsrisiko bevorzugen, wobei allerdings die populationsbiologischen Konsequenzen für Beutetiere mit einem solchen Meidungsverhalten weitgehend unbekannt sind. Die Habitatwahl und Reproduktion des Neuntöters (Lanius collurio), eines in buschreichem Grünland lebenden Singvogels (Passeriformes), wurde über 7 Jahre hinweg untersucht. Dabei standen Einflüsse von potentiellen Gelegeräubern, insbesondere Corviden, im Mittelpunkt der Untersuchung. Verschiedene Experimente mit künstlichen „Neuntöternestern“ ergaben, dass hauptsächlich Elstern (Pica pica) als Gelegeprädatoren auftreten. Daneben konnten aber auch mit geringerer Intensität Nebelkrähen (Corvus corone cornix) und Eichelhäher (Garrulus glandarius) als Nesträuber nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Experimente mit Kunstnestern bestätigten sich im Freiland dahingehend, dass Neuntöter bei der Brutplatzwahl die Nähe von Elstern und Nebelkrähen mieden. Darüber hinaus fand sich über die Jahre eine gegenläufige Beziehung zwischen den räumlichen Verteilungsmustern des Neuntöters und denen brütender Elstern und Nebelkrähen. Nahm etwa die Distanz zur nächsten brütenden Elster von einem zum nächsten Jahr hin ab, oder stieg die Brutdichte der Elster im Umkreis von einem km2 an, so wurden selbst gut geeignete, traditionelle Bruthabitate verlassen. Dieses Meidungsverhalten gegenüber Rabenvögeln hat einen hohen adaptiven Wert: Neuntöter, die in größerer Entfernung zu besetzten Elstern- und Rabenkrähennestern brüten, tragen ein geringeres Prädationsrisiko als in Nachbarschaft brütende Individuen. Die vorliegenden Ergebnisse widersprechen teilweise anderen Studien, wonach die Habitatwahl von Vogelarten der Kulturlandschaft nicht von Prädatoren beeinflusst wird. Darüber hinaus legen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nahe, dass interspezifische Interaktionen (z.B. Risiko der Gelegeprädation) Individuen durchaus dazu veranlassen können, in Bruthabitate minderer Qualität zu wechseln. Es ist daher möglich, dass die festgestellten Populationszunahmen bei zahlreichen generalistischen Prädatoren (z. B. Corviden) sowohl direkt (z.B. geringerer Bruterfolg durch Prädation) als auch indirekt (z.B. Produktion von Küken geringerer Qualität in suboptimalen Habitaten) zur Abnahme von Vogelarten der Agrarlandschaft beitragen. Allerdings sind hier weitere detaillierte Studien an anderen Populationen und Arten der Agrarlandschaft notwendig um genauere Angaben zu einer möglichen Populationsregulation durch Nestprädatoren machen zu können.