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Die landläufige Meinung über Meisels Komposition zu "Berlin - Die Sinfonie der Grossstadt" diskreditiert die Musik vorrangig als illustrativ, die Bildinhalte allein verdoppelnd, klischeehaft und deswegen künstlerisch als nicht sonderlich wertvoll. Diese Einstufung trifft, so pauschal und plakativ wie beispielsweise bei Helga de la Motte-Haber und Hans Emons (1980, 60f) sowie Werner Sudendorf (1984, 20ff) deklariert, nicht zu.
Nur wenigen ist bekannt, dass Anthony Burgess (1917–1993) neben seiner literarischen Tätigkeit zeitlebens auch ein sehr produktiver Komponist war. In einem Zeitraum von etwa 60 Jahren entstand ein OEuvre, das über 170 Werke umfasst und Beiträge zu fast allen großen, musikalischen Gattungen aufweist. So komponierte Burgess unter anderem eine Oper, ein Ballett, drei Symphonien, Konzerte und Kammermusik für diverse Besetzungen (vgl. Burgess 2001, 36–40; Phillips 2001, 614f.).
Ohne Film wäre die Geschichte der Rockmusik zweifellos eine andere geworden, als die, die sich uns heute im Rückblick darstellt. Bereits die Geburtsstunde des Rock‘n‘Roll, die Premiere des amerikanischen Films SAAT DER GEWALT (BLACKBOARD JUNGLE, USA 1955), weist dem Zweckbündnis von jugendorientiertem Musikmarkt und Filmgeschäft den Weg. Die Titelmusik des Films, Bill Haleys Rock Around the Clock, wurde durch den Film zum Hit und machte zugleich den Film zu einem Kassenschlager beim jugendlichen Publikum.
Schon im Jahr 1970 rechnet der noch junge und von Film und Rockmusik gleichermaßen begeisterte Wim Wenders mit einem Genre ab, "das es nicht gibt": mit dem Musikfilm, vor allem mit den "Rock'n'Roll- und Popmusikfilmen" (Wenders 1989, 82), die bis dato entstanden und denen er insgesamt vorwirft, gerade an der Darstellung der Musik zu scheitern. "Sie zeigen mehr ihr Desinteresse, ihr Missfallen oder ihre Verachtung als ihren Gegenstand. Das, was es zu sehen gibt, die Musiker, die Instrumente, die Bühne, die Arbeit, der Spaß oder die Anstrengung, Musik zu machen, erscheint ihnen nicht wert genug, so wie es ist, gezeigt zu werden" (83). Wenders wirft den Musikfilmen vor, nicht dem authentischen Entstehen der Musik im Augenblick, also live auf der Bühne, und nicht dem Ausdruck der Musik gerecht werden, sondern die eigene Sprache der Rockmusik in eine andere, in die des Films zu übertragen.
Als Bob Dylan 1965 seine erste Konzert-Tournee in England gab, galt er nicht nur als ein musikalischer Grenzgänger zwischen Folk und Rock’n’Roll, sondern wurde von der Musikpresse und dem Fanpublikum auch als Protestsänger gegen das Establishment, gegen Krieg und Unterdrückung gewertet. Als Bob Dylan im Frühjahr 1965 in London aus dem Flugzeug stieg, tat er dies nicht nur als Musiker, sondern – unfreiwillig – auch als eine Ikone der Protestbewegung. Da in der Arena der Massenmedien ökonomisch verwertbare Nachrichten von der Personalisierung von Ereignissen abhängig waren, wurde Dylan bereits lange vor seiner Ankunft in Europa zur umstrittenen Leitfigur einer jugendkulturellen Gegenkultur stilisiert. Doch bereits vor seiner Ankunft in Europa distanzierte sich Dylan in zahlreichen Interviews und Statements von der Erwartungshaltung der Medienöffentlichkeit, die ihn als populär-intellektuellen Fürsprecher der Protestbewegung zu etikettieren versuchte.
1991 - The year Punk broke
(2010)
1991 begleitete der Regisseur Dave Markey die Bands Sonic Youth und Nirvana, damals noch eher unbekannte Underground-Bands, auf ihrer Tour durch Europa. Wer jetzt allerdings eine objektive Dokumentation erwartet, die intime Einblicke in das Bandleben und das Leben als Musiker gewährt, wird bei der Sichtung von 1991 – THE YEAR PUNK BROKE enttäuscht werden. Obwohl der Film dem Titel nach das Ende der Punk-Ära verkündet und somit versucht, sich in einen größeren Zusammenhang mit der Musikszene zu setzen, zeigt sich dies im Verlauf des Films eher als zufälliges Nebenprodukt denn als konkretes künstlerisches Anliegen. Der Film erweist sich eher als en passant bei einer Tournee entstandenes Nebenprodukt – man stecke ein paar überdrehte Rockmusiker zusammen und gebe ihnen eine Kamera; das Ergebnis veröffentliche man ein Jahr später (in diesem Fall 1992 auf VHS). Prinzipiell ließe sich durch eine solche Aufnahmeform ein durchaus authentisches Bild des Touralltags zeigen. Allerdings verfährt Markey nicht nach dem Prinzip des direct cinema, in dem die Kamera zum stillen Begleiter der Handlung wird. Die Kamera ist vielmehr immer präsent und lädt die Musiker zur Interaktion mit ihr ein. Beispielsweise begibt sich Thurston Moore, Frontman von Sonic Youth, mit einem Mikrofon bewaffnet auf die Suche nach hilflosen, gerne des Englischen nicht mächtigen Interviewpartnern und verwickelt sie in einigermaßen sinnlose Gespräche. Dass sich diese Szenen auch ohne Beisein der Kamera abgespielt hätten, ist zu bezweifeln.
65 Revisited
(2010)
Pennebaker hat doch zurückgeblickt. In weiteren fünfundsechzig Minuten zeigt er mit 65 REVISITED neue und ergänzende Facetten von Bob Dylan auf seiner 1965er Tournee durch England aus bisher unveröffentlichtem und digital aufgearbeitetem Material. Couchman (2002, 94) betont, dass Dylan über vierzig Jahre nach DON‘T LOOK BACK (1965) noch immer nichts von seiner enigmatischen Ausstrahlung verloren habe. Das gleiche gilt auch für den Film und für seine Ergänzung.
Als die amerikanische Rockband Matchbox Twenty im Jahr 2004 nach dem Start ihres Albums More Than You Think You Are auf Tour durch die Vereinigten Staaten gingen, beschlossen sie, der Tour einen Konzertfilm folgen zu lassen. Er wurde unter dem Titel SHOW: A NIGHT IN THE LIFE OF MATCHBOXTWENTY als Doppel-DVD veröffentlicht.
Anmerkungen zur Geschichte und Praxis der Stummfilmmusik : eine Einführung und Gedankensammlung
(2010)
Vom Beginn der Filmgeschichte und damit auch der Geschichte der Filmmusik an stand das kommerzielle Interesse durchaus im Vordergrund. Das Bestreben, eine möglichst große Zahl von Adressaten zu erreichen, prägte schon immer die Gestaltung der Filme. Der Wandel der Gesellschaftsschichten, aus denen das Publikum stammte, in den ersten Jahrzehnten der Entwicklung der Filmindustrie – zunächst weniger gebildete Zuschauer auf Jahrmärkten, dann ein weltweites Publikum möglichst aller gesellschaftlichen Klassen – bestimmte in zentralen Punkten die Entwicklung der filmischen Inhalte und Formen und somit auch deren musikalische Begleitung. Die Musikauswahl oder Komposition zu Filmen war und ist dementsprechend von damals bis heute von dem von künstlerischer Leitung und Produktion erwünschten Kundenkreis abhängig und zwischen zwei Extremen angesiedelt: populär und avanciert.
Ausgehend von der These, dass insbesondere psychologisierende Filmmusik oft in einer changierenden Bedeutungsbeziehung zur Szene und den Figuren steht und dass das Akzeptieren von Musiken als Darstellung der inneren Realität von Figuren auf einem Prozess der Synthese diverser Kontextinformationen beruht, wird ein Modell der Perspektivität der Filmmusik und ihrer damit einhergehenden semantischen Aufladung vorgeschlagen und an einem Beispiel durchgespielt.