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Rezension zu Ingo Stöckmann: Vor der Literatur. Eine Evolutionstheorie der Poetik Alteuropas. Tübingen (Niemeyer) 2001 (= Communicatio; Bd. 28). 402 Seiten.
Der Titel könnte mißverständlich sein: Es handelt sich nicht um eine 'soziobiologische' Erklärung, sondern um eine systemtheoretische Untersuchung der europäischen Poetik im 17. und 18. Jahrhundert.
Rezension zu Bernhard F. Scholz: Emblem und Emblempoetik. Historische und Systematische Studien, Berlin (Erich Schmidt) 2002 (= Wuppertaler Schriften; Bd. 3). 421 Seiten.
Der Titel der Arbeit verbirgt, was der Autor seinen Lesern sogleich offenherzig eingesteht: Bei der Studie des ausgewiesenen Emblematik-Kenners Bernhard F. Scholz handelt es sich um eine Zusammenstellung von "Arbeiten zur Poetik des Emblems", die "während der letzten drei Jahrzehnte geschrieben" wurden (11). Manches ist an dieser Stelle erstmals veröffentlicht, manches erstmals übersetzt, vieles überarbeitet oder wiederveröffentlicht, und dies alles in einer Form, die auf das Verhältnis zwischen der vorliegenden Textfassung und den teils älteren, teils unveröffentlichten Überlegungen nicht transparent ist; was von ihnen an welcher Stelle Eingang in den Band gefunden hat, bleibt jedenfalls einigermaßen im Dunkel, sieht man davon ab, dass die Bibliographie rund 35 Arbeiten aus der Feder des Autors verzeichnet (403-406), deren früheste auf das Jahr 1982 datiert. Dass die ambitionierte Arbeit auf diesem Weg die Hypothek mitführt, nicht nur punktuell auch die aktuellere Forschung berücksichtigen zu müssen, liegt auf der Hand.
Rezension zu Robert Matthias Erdbeer: Die Signatur des Kosmos. Epistemische Poetik und die Genealogie der Esoterischen Moderne. Berlin, New York (de Gruyter) 2010 (= Studien zur deutschen Literatur, Bd. 190). 766 S.
Friedrich Schlegels Würdigung der schriftstellerischen Leistungen Georg Forsters bietet Anlaß zur einleitenden Exposition des Themas dieser groß angelegten Studie, einer Tübinger Dissertation, die qualitativ wie quantitativ den Vergleich mit Habilitationsschriften bestens aushält: In den Blick rücken Schreibweisen, die inhaltlich zwar auf die Vermittlung von Wissen über die Welt, insbesondere über die Natur, abzielen, damit aber ästhetische Merkmale und Arrangements verbinden, die sie der literarischen Sphäre naherücken lassen.
Rezension zu Geert Brône u. Jeroen Vandaele (Hg.): Cognitive Poetics. Goals, Gains and Gaps. Edited by. Berlin, New York (Mouton de Gruyter). 561 S.
Der von Geert Brône (Leuven) und Jeroen Vandaele (Oslo) herausgegebene Band zeigt auf einem sehr hohen und sachkundigen Niveau, an welchen Stellen tatsächlich Skepsis angebracht ist, aber zugleich auch, dass es sich bei den 'Cognitive Poetics' um ein außerordentlich vielfältiges, interdisziplinäres und forderndes Gebiet handelt.
Rezension zu Andreas Härter: Digressionen. Studien zum Verhältnis von Ordnung und Abweichung in Rhetorik und Poetik. Quintilian - Opitz - Gottsched - Friedrich Schlegel. München (Fink) 2000 (= Figuren; Bd. 8). 336 Seiten.
Eine Studie über die Abschweifung (lat. 'excursus', 'egressio' oder 'digressio') setzt sich nolens volens einem Vorwurf aus, nämlich selbst abschweifend zu sein. Nun, dieser Vorwurfkann Andreas Härters Habilitationsschrift, die 1998 von der Universität St. Gallen angenommen wurde, in keiner Weise gemacht werden. Im Gegenteil, seine Studien zu Quintilians 'Institutio oratoria', Opitz' 'Buch von der Deutschen Poeterey', Gottscheds 'Versuch einer Critischen Dichtkunst' und Friedrich Schlegels kunsttheoretischen Schriften, insbesondere den 'Athenäums'-Fragmenten, sowie dessen Roman 'Lucinde' sind alles andere als unsystematisch und abschweifend.
Rezension zu Peter Brandes: Goethes "Faust". Poetik der Gabe und Selbstreflexion der Dichtung, München (Wilhelm Fink) 2003. 298 Seiten.
Wenn eine Dissertation über Goethes Faust als Untersuchung der Selbstreflexion der Dichtung angelegt ist, drängt sich die Versuchung auf, die Selbstreflexivität noch weiterzuführen und die auf Goethes "Geben und Nehmen" berechneten Ausführungen in der Einleitung auf die vorgelegte Arbeit selbst zu beziehen, denn auch die Begabung des Faust-Dissertanten zeigt sich nicht zuletzt in der Fähigkeit, sich andere Texte "einzuverleiben und für sich fruchtbar zu machen" (9 f.).