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Gegenstand der qualitativen, empirischen Untersuchungen sind die sozialen Beziehungen in Anwendungen des Internets (web 2.0 / social networks) am Beispiel der virtuellen Welt "Second Life". Neben umfangreichem Hintergundwissen zu dieser Anwendung, aber auch zur Chatkommunikation, bietet sie in der Hauptsache Interpretationen zum Nutzerverhalten. Grundlage dafür sind Daten, die in Form von Interviews mit den Nutzern und teilnehmender Beobachtung gewonnen wurden. Diese Daten wurden mit Hilfe der Reflexiven Sozialforschung und der Objektiven Hermeneutik (Sequenzanalyse) ausgewertet und analysiert. Als Interpretationsstütze dienen u.A. die Kritische Theorie und Richards Sennetts Theorien zur Arbeitsgesellschaft. Die Arbeit wurde mit der Note 2,0 bewertet und von den Gutachtern für den innovativen Zugang zum Forschungsgegenstand gelobt.
Die vorliegende Arbeit diskutiert Auffassungen über Authentizität und Nationale Identität in Julian Barnes’ England, England und Brian Moore’s The Great Victorian Collection. Julian Barnes und Brian Moore bearbeiten postmoderne Themen in ihrer Auseinandersetzung mit Realität und Authentizität. Brian Moore diskutiert die Möglichkeit der Ununterscheidbarkeit zwischen Original und Replika, Julian Barnes verdeutlicht die Konsequenzen eines Nationalgefühls, das sich auf die Vorstellung einer verklärten Vergangenheit stützt anstatt sich den Problemen der Gegenwart zu stellen.
Die postmoderne Diskussion hinterfragt Theorien der Moderne. In der Moderne entwickelten sich Nationalstaaten zur grundlegenden politischen Struktur, die eine für den aufkommenden Kapitalismus unabdingbare Einheit und Gleichheit ermöglichte. Die postmoderne Kritik unterstreicht, dass diese Ordnung nicht natürlich ist, sondern auf ein tatsächliches Chaos von Fragmenten aufgezwungen wurde. Theorien der Postmoderne betonen die Uneinigkeit und Künstlichkeit von Nationalstaaten. Es wird aufgezeigt, dass ein Nationalstaat aus vielen verschiedenen und sogar untereinander gegensätzlichen Gruppierungen besteht. Die einheitliche Identifikation der Bürger mit einem Nationalstaat basiert auf der Vorstellung einer andauernden, geteilten Geschichte, und einer Betonung von Gemeinsamkeiten und vermeintlichen Unterschieden gegenüber Anderen. Diese Vorstellung von Einigkeit und Gemeinsamkeit wird in der Postmoderne als Konstrukt enthüllt.
In ähnlicher Weise betonen postmoderne Theorien die Konstruiertheit der Vorstellung eines einheitlichen, wahren Selbst. Das Selbst wird empfunden als eine Ansammlung von zahlreichen, untereinander teilweise widerstreitenden, Teilen.
Die Entwicklung der Industrialisierung im Kapitalismus der Moderne führte zur Auflösung bestehender lokaler Strukturen, und somit zu einer Entwurzelung der Individuen. Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts verlangt der Konsumkapitalismus von den Menschen Mobilität und Wandelbarkeit. In dieser Phase der Globalisierung verlieren Nationalstaaten an Bedeutung. Persönliche Qualitäten wie Charakterstärke und Authentizität geraten in den Hintergrund, während die Fähigkeit zur Verstellung und ein hohes Maß an Flexibilität geachtet werden und Erfolg versprechen.
Diese Entwicklung bringt ein Gefühl des Verlustes mit sich, ein Gefühl von Heimatlosigkeit, Wurzellosigkeit, und Uneinigkeit mit sich selbst.
Die postmoderne nostalgische Sehnsucht nach einer idealisierten Vergangenheit basiert auf diesem Gefühl des Verlustes einer ehemaligen Einigkeit.
Die Besucher von Themenparks und heritage sites sehnen sich nach dem Erlebnis einer glorifizierten Vergangenheit, wobei die Authentizität der dargestellten Geschichte zweitrangig ist.
Julian Barnes und Brian Moore beschreiben die Errichtung und den Erfolg von Themenparks. Ungeachtet der Künstlichkeit der dargebotenen Shows und so mancher Ausstellungsstücke genießen postmoderne Besucher von Themenparks deren Hyperrealität, die ein Gefühl von Ganzheit und Einheit vermittelt.
Das erste Kapitel der Arbeit stellt zunächst die Gedankenwelt der Postmoderne dar. Die postmoderne Welt am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts verlangt Mobilität, Anpassung, und Verstellung. Hierin gründet das Gefühl der Nostalgie nach Ganzheit und Zugehörigkeit, welches im zweiten Kapitel untersucht wird. Das dritte Kapitel ist der Struktur des Nationalstaates gewidmet, die in einem komplexen Zusammenspiel von Politik, Geschichte, und den Bedürfnissen der Gegenwart eine Möglichkeit der Identifikation darstellt, welche Ganzheit und Zugehörigkeit verspricht. Das vierte Kapitel zeigt, dass die Identifikation mit einem Nationalstaat auf der Vorstellung einer gemeinsamen Geschichte basiert, wie sie in Museen und heritage sites bewahrt und bestimmt wird, und wie sie durch die Ausübung – oder Einführung – von Traditionen gelebt wird.
Das fünfte Kapitel diskutiert den Zusammenhang zwischen Authentizität und Erschaffung, und zeigt, dass die Grenzen fließend sind, da seit jeher Traditionen und Gepflogenheiten zugunsten der Bedürfnisse der Gegenwart abgewandelt wurden. Julian Barnes und Brian Moore demonstrieren, dass in der Tourismusindustrie Authentizität an Wert verloren hat, da postmoderne Reisende, die an Simulationen gewöhnt sind, sich mit leichter erreichbaren Nachbildungen begnügen. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Vorstellung einer ehemaligen Vollkommenheit und Heimat in der Vergangenheit der Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Gegenwart im Wege steht. Dies äußert sich letztlich politisch, wie das gegenwärtig vorherrschende Misstrauen gegenüber supranationalen Strukturen wie der Europäischen Union zeigt.
Diese Arbeit hat sich der Aufgabe verschrieben, die Bearbeitung des Phänomens 'Scham' in den zwei jüngsten Romanen von Wilhelm Genazino zu untersuchen. Dass 'Scham' ein zentrales Thema bei Genazino ist, zeigt sich allein am quantitativen Vorkommen von Schamsituationen in seinen Texten. Ziel dieser Arbeit ist zum Einen eine interdisziplinäre Analyse unter Einbeziehung psychologischer, soziologischer und philosophischer Fachliteratur zum Schamaffekt. Zum Anderen wird eine literaturwissenschaftlich fundierte Interpretation der Scham-Thematik als zentrales Motiv der Genazino'schen Texte angestrebt. Genazinos Werk, zumal das jüngere, gilt noch nahezu als Tabula rasa, was den Stand der Sekundärliteratur betrifft. So wird mit dieser Arbeit selbstverständlich auch bezweckt, ein kleines Stück zur literaturwissenschaftlichen Erforschung des Autors Genazino beizutragen.
Die Arbeit behandelt die Aspekte des „habsburgischen Mythos" in den Grillparzerschen Dramen „König Ottokars Glück und Ende" (1823) und „Ein Bruderzwist in Habsburg" (1848). Hierbei liegt ein dreigliedriger Aufbau zu Grunde. Im ersten Teil werden Entstehung und allgemeine Merkmale des „habsburgischen Mythos" erläutert, wobei als Ausgangspunkt das Konzept von Claudio Magris, entwickelt in dessen Schrift „Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur" (dt. 1966), dient. Es wird außerdem auf die spezifischen, von Magris angeführten Merkmale des „habsburgischen Mythos" in Franz Grillparzers Werk eingegangen. Als Abschluss erfolgt ein kurzer Überblick über die Grillparzer-Forschung und ihre Auseinandersetzung mit dem „habsburgischen Mythos“ nach 1966 sowie über Grillparzers Verhältnis zur Habsburgermonarchie. Der Hauptteil der Arbeit besteht aus zwei je einzeln durchgeführten Analysen der beiden oben erwähnten Dramen. Anhand von vier Fragestellungen und den im Einführungsteil vorgestellten Kategorien werden die beiden Werke Grillparzers gedeutet, um diese gleichzeitig mit Magris’ eigener Interpretation abzugleichen sowie mit weiteren Ergebnissen der Forschung in Verbindung zu setzen. Die vier Fragestellungen, denen in der Arbeit nachgegangen wird, sind folgende: 1. Wurde und wird der „habsburgische Mythos“ als relevantes Interpretationskriterium für beide Dramen in der Forschung der letzten vierzig Jahre angesehen und benutzt? 2. Sind die Thesen und Interpretationen, die bezüglich der Verbindung beider Werke mit dem Konzept des „habsburgischen Mythos“ aufgestellt werden, plausibel? 3. Wieso werden beide Werke weitestgehend zum Phänomen des „habsburgischen Mythos“ gezählt, obwohl sie das Haus Habsburg und die relevanten „Mythos“- Aspekte unterschiedlich darstellen? Kann das negative Ende des „Bruderzwist“ mit der verherrlichenden Funktion des „habsburgischen Mythos“ übereinstimmen? 4. Welche Rolle spielen beide Werke für die Begründung des „habsburgischen Mythos“ in der Literatur des 19. Jahrhunderts?
Die Dogon sind eine kleine, akephale, in Dorfgemeinschaften und Großfamilien unterteilte Gesellschaft von ca. 300.000 Mitgliedern, die am südlichen Rande des Sahel ganz im Osten Zentralmalis siedelt. Die Großfamilie ist patrilinear sowie patrilokal organisiert und in acht Altersklassen gegliedert. Der Dorfalltag wird von einer strikten Trennung der Geschlechter bestimmt. Anfangs angelockt durch ethnographische Berichte der französischen Ethnologen um Marcel Griaule, später durch Filme und Reportagen, besuchen jedes Jahr Zehntausende von reisehungrigen Alternativ- und Bildungstouristen das Land der Dogon. Es empfängt sie eine pittoreske Felslandschaft voll exotischer, kultureller Vielfalt und geheimnisvoller Authentizität, die von der UNESCO 1989 in das Verzeichnis des Weltkulturerbes und Weltnaturerbes aufgenommen wird. In Folge des anwachsenden Tourismus hat sich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte ein neuer Berufstand herausgebildet, die Touristenführer. Im Rahmen der Lehrforschung Mali des Instituts für Historische Ethnologie der Johann Wolfgang von Goethe Universität Frankfurt werden während zweier Forschungsaufenthalte im Sommer 2006 und im Oktober 2007 in verschiedenen Dörfern an der Falaise von Bandiagara Touristenführer und Dorfbewohner mehrerer Generationen interviewt. So werden Guides befragt, die ihren Beruf bereits seit Beginn des Tourismus in den 1960ern ausüben – bzw. ausgeübt haben. Damals besuchen nur einige Hundert, meist ethnologisch interessierte Touristen das Pays Dogon. Die Mehrzahl der Gesprächspartner beginnt in den 80er und 90er Jahren des vorherigen Jahrhunderts mit der guidage der ausländischen Gäste. Ebenfalls interviewt werden junge Guides, die erst seit wenigen Jahren Touristenführer sind. Aus den Interwiews ergibt sich ein vielfältiges Spektrum von Aussagen und Erzählungen über die Berufsfindung, den Umgang mit den fremden Besuchern, den Status eines Touristenführers bei der Dorfbevölkerung. Zentrales Element im Austausch mit den internationalen Gästen ist die eigene Kultur, die die Dogon mit Selbstbewusstsein vorzeigen und gegen das Geld der Touristen eintauschen. Und sind es normalerweise die Alten, die für die Jüngeren im Dorf und in den Familien Kultur und Tradition interpretieren, sind es im Tourismus nun die Jungen, die den fremden Gästen die eigene Gesellschaft präsentieren. Der Tourismus eröffnet der bäuerisch geprägten Dogongesellschaft einträgliche Nebentätigkeiten und –geschäfte und trägt, trotz seiner saisonalen und regionalen Begrenztheit, wesentlich zur Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen im Pays Dogon bei. Die Einkünfte der so genannten Antiquitätenhändler, der Träger, Maskentänzer, Köche, Holzschnitzer und nicht zuletzt die der Guides werden von ihren Familien dringend benötigt. Deshalb zeigen sich die Dogon dem Tourismus meist recht positiv gegenüber und verfolgen mit großem Stolz das wachsende Interesse an ihrer Kultur. Mit den Associations des Guides haben sich erste Strukturen der Selbstorganisation etabliert, Beratungsgremien, die repräsentative Aufgaben, aber auch Kontrollfunktion haben und bei schlechter guidage sogar Sanktionen gegen ihre Mitglieder veranlassen können. Der Tourismus im Pays Dogon hat zu einem positiven Trend geführt. So konnte beispielsweise die Landflucht der jungen Leute vermindert, die Infrastrunktur verbessert und die Ausbildung – insbesondere auch die der Touristenführer – intensiviert werden.
Der kubanische Schriftsteller Leonardo Padura Fuentes, Autor des Krimi-Quartetts Los cuatro estaciones, versucht in jedem seiner Romane ein Kuba zu zeichnen, wie er es wahrnimmt. Hierfür bediente sich Padura bisher des Genres des Kriminalromans und kreierte damit ein für seine Texte typisches Schema, das in der Figur des Mario Conde Ausdruck findet. Eine meiner Absichten ist es nun herauszufinden, ob Padura dieses Muster auch als Grundlage für seinen ambitionierten Roman La novela de mi vida genommen hat. Spricht der Schriftsteller auch in diesem Roman von einem Kuba, wie er es wahrnimmt? Wie viel ist von Kuba zu sehen und welche Facetten der vielseitigen Insel sind im Roman skizziert worden? Trifft man auf das Kuba, das hier bisher unter anderem mit den Worten Éduardo Manets beschrieben wurde? Gibt dieser Text Antworten auf die Fragen, die ich mir stelle? Kann man aus dem Werk heraus die kubanische Kultur und Identität begreifen und wenn ja, in welchem Ausmaß? Zwar werde ich versuchen mit Hilfe des Romans Antworten zu finden, doch es bedarf mehr als nur der Betrachtung eines literarischen Werks, um solch komplexen Begriffen, wie denen der kubanischen Kultur und Identität eine Definition oder Beschreibung abzuringen. Es ist wichtig, nicht nur den Text an sich zu betrachten, sondern sich auch den Hintergründen zu widmen. Die ersten drei Kapitel dienen daher als Basis, von der zur Analyse des Romans übergegangen werden kann. Zu Beginn wird Kuba als geographischer Ort mitsamt dem kulturhistorischen Hintergrund eingeführt. Es wird sowohl eine räumliche Situierung als auch eine Beschreibung der sozialen Strukturen des Landes und der Geschichte Kubas vorgenommen, soweit es für die Analyse von La novela de mi vida nötig ist. Der historische Teil wird ein wenig mehr Raum einnehmen, da nicht nur wichtige Ereignisse der Vergangenheit aufgelistet werden sollen, sondern die Entwicklung nachvollzogen werden soll, um zu den Wurzeln Kubas, seiner Kultur und Identität zu gelangen. Der erste Grundpfeiler dieser Arbeit wird mit einer Art Bestandsaufnahme über die Herausbildung der kubanischen Identität abgeschlossen. Der zweite wichtige Strang ist die Beleuchtung des Diskurses über Hybridität und hybride Identität. Die an dieser Stelle vorgestellten Theorien sollen im Kapitel der Analyse auf ihre Anwendbarkeit hin untersucht werden. Dafür wird zunächst ein Überblick über die Entwicklung des Diskurses und die Weiterentwicklung der Terminologie gegeben, die Fernando Ortiz durch sein Werk Contrapunteo al tabaco y azúcar geprägt hat. Anschließend werden die Konzepte und Theorien von Homi K. Bhabha, Édouard Glissant und Néstor García Canclini vorgestellt und zum Abschluss vergleichend resümiert. Der dritte Grundpfeiler beinhaltet erstens die Vorstellung des Autors Leonardo Padura, zweitens die inhaltliche Betrachtung in Form einer Zusammenfassung und drittens die Formanalyse des Werks. Das fünfte zentrale Kapitel der Arbeit soll unter Rückbezug auf die drei Grund-pfeiler klären, wie der Roman funktioniert. Das bedeutet, dass festgestellt werden soll, was La novela de mi vida an kulturellen Elementen und Werten vermittelt. Die Hauptfrage, auf die eine Antwort gesucht wird, ist, wie Kuba in der kubanischen Literatur dargestellt wird. Die in den einführenden Kapiteln vorgestellte kubanische Realität wird in der Analyse der Fiktion gegenüber-gestellt. Wie stellt sich die ethnische Beschaffenheit der fiktionalen im Vergleich zur realen Gesellschaft dar? Und wie viel Historizität findet sich im Roman wieder? Wie wird Kuba aus landschaftlicher und geographischer Perspektive in der Literatur wiedergegeben? Trifft man in La novela de mi vida auf eine Idylle oder werden auch soziale Probleme berücksichtigt? Und wie steht es um das kubanische Thema, das Exil? All diese Fragen werden in diesem ersten Teil der Analyse bearbeitet, bevor in einem zweiten Schritt herausgestellt wird, inwieweit die Konzepte der eingeführten Wissenschaftler anwendbar sind. Jede der drei ausgewählten Theorien wird dem Roman gegenübergestellt, um eine Antwort darauf zu erhalten, wie auf Kuba mit der Mischung verschiedendster Elemente umgegangen wird und inwieweit sich auch die kubanische Identität als hybrid beschreiben lässt. Es wird an dieser Stelle auch der Frage nachgegangen, ob die Homogenisierungspolitik der Insel in der Realität weiterhin funktionstüchtig ist. Außerdem wird es um Literatur als einer Komponente der Kulturvermittlung gehen. Welchen Anteil hat Literatur an der Mediation kultureller Werte und Güter? Und welche Bedeutung hat die Literatur mit ihren Instrumenten für Leonardo Paduras La novela de mi vida?
Seitdem die Junggrammatiker den Begriff des Lautgesetzes geprägt haben, sind deren fast ebenso viele aufgestellt wie in der Folge hinterfragt, widerlegt und vielleicht am Ende sogar doch wieder erfolgreich verteidigt worden. Jedes Lautgesetz wirkt in einem unterschiedlichen Zeitraum. Ist aus dem Zeitraum des Wirkens mehrerer zeitlich benachbarter oder gar einander zeitlich überlappender Lautgesetze ein ausreichend großes Textkorpus erhalten, so ist es ein Leichtes, die Reihenfolge des Wirkens der Gesetze zu ermitteln, oder, im günstigsten Fall, den Zeitraum ihres Wirkens sogar mit gewisser Präzision datieren zu können. Anders verhält es sich hingegen, wenn schriftliche Überlieferungen der untersuchten Sprache in der entscheidenden Epoche nur spärlich oder gar nicht vorliegen. Hier muss daher traditionell darauf zurückgegriffen werden, die Reihenfolge anhand der allein möglichen Entwicklung einzelner Wörter, auf die besonders viele der betreffenden Lautgesetze gewirkt haben, zu bestimmen. Diese Methode birgt jedoch die Gefahr menschlicher Fehler, insbesondere in Fällen, in denen eine klare Reihenfolge nur unter Betrachtung mehrerer Wörter zu ermitteln ist. Die Forscher vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte hatten hier allerdings keine andere Wahl. Mit den heute verfügbaren Computern eröffnen sich jedoch ungeahnte Möglichkeiten. Zuvor in Programmiersprache umgeschriebene Lautgesetze können in Sekundenschnelle auf immense Textkorpora angewandt werden. Um aber – ohne jegliche Zuhilfenahme außersprachlichen Wissens – die eine oder mehrere mögliche Reihenfolgen verschiedener Lautgesetze zu bestimmen, ist es nötig, sämtliche Möglichkeiten anhand eines Wortkorpus durchzuspielen und die jeweiligen Ergebnisse mit den tatsächlichen, vorliegenden Ergebnissen zu vergleichen. Dieser Versuch soll im Folgenden unternommen werden. Auf diese Weise könnten dann relative Chronologien von Lautgesetzen, die als längst etabliert gelten, noch einmal auf den Prüfstand gestellt und möglicherweise sogar noch präzisiert werden. Nach einer kurzen Begriffsgeschichte des Lautgesetzes soll zunächst auf sprachliche Problemstellungen eingegangen werden, die das Vorhaben erschweren, bevor die Auswahl zweier den Untersuchungszeitraum begrenzender Sprachstufen sowie eine Beschreibung des Datenmaterials – Wortkorpus und Lautgesetze – folgen. Nun soll das Computerprogramm, von den Anforderungen bis hin zur Umsetzung, erläutert werden. Anschließen soll sich hieran eine Darstellung der Erkenntnisse, die die Ergebnisse des Programms gewähren. Im Schlussteil sollen die offen gebliebenen und die neu entstandenen Fragen noch einmal zusammengefasst und Möglichkeiten zur hierauf basierenden weitergehenden Forschung erörtert werden.
Jeanne d´Arc im Kino
(2008)