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Rechtswissenschaftliche Abhandlungen und Veranstaltungen zu internationalen Gerichten stehen häufig unter dem Titel „Internationale Streitbeilegung“. Es wäre aber viel besser, so die Leitthese dieses Beitrags, solche Texte und Veranstaltungen als „internationale Gerichtsbarkeit“ zu betiteln. Dies ist keineswegs ein bloßer Streit um Worte, da hinter diesen Alternativen unterschiedliche rechtswissenschaftliche Auffassungen stehen. Im Folgenden sei gezeigt, dass anders als die Be-zeichnung „Internationale Streitbeilegung“ suggeriert, nicht nur eine, sondern vier Funktionen die Rechtsprechung heutiger internationaler Gerichte kennzeichnen. Es handelt sich dabei um: Streitbeilegung im Einzelfall, Stabilisierung normativer Erwartungen, Rechtschöpfung sowie Kontrolle und Legitimation öffentlicher Gewalt. Die Ana-lyse dieser Funktionen zeigt, dass die Bezeichnung „Internationale Streitbeilegung“ überkommen ist. Entsprechend sollte die Bezeichnung des Fachs geändert und es als Teil des Fachs internationale Institutionen verortet werden.
Der Beitrag untersucht das in jüngerer Zeit verstärkt diskutierte Phänomen einer – tatsächlichen oder vermeintlichen – „anglo-amerikanischen Rechts-hegemonie“. Es geht dabei um die Frage, ob die Rechtsordnungen Deutschlands und der Europäischen Union unter eine Vormachtstellung des amerikanischen Rechtsdenkens und amerikanischer Regelungsmuster geraten sind oder eine solche vielleicht sogar selbst aktiv befördert haben. In dem Beitrag wird diese Diskussion aus zivilrechtlicher Perspektive aufgegriffen. Nach einer Konkretisierung des Topos der Rechtshegemonie werden dabei zunächst einige Grundcharakteristika des amerikanischen Rechtssystems und des deutschen Rechtssystems gegenübergestellt und zusammengefasst, in welchen Bereichen das deutsche und das europäische Recht in den vergangenen Jahrzehnten durch amerikanische Denk- und Regelungsmuster überformt worden sind. Im Anschluss erfolgt eine Bewertung der zuvor skizzierten Entwicklung, wobei die Unterscheidung zwischen einem intrinsisch orientierten und einem funktional orientierten Verständnis von Rechtskultur als ein Kernproblem der jüngeren rechtsvergleichenden Diskussion im Zentrum steht. Im Ergebnis wird eine tendenziell skeptische Perspektive gegenüber dem suggestiven Bild eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen eingenommen und die in jüngerer Zeit häufig geäußerte These der globalfunktionalen Überlegenheit eines wettbewerbsorientierten Rechtsmodells in Zweifel gezogen.
Der Aufsatz untersucht das Verhältnis von Antidiskriminierungsrecht und Diversität in der Rechtswissenschaft. Das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander ist nicht spannungsfrei. Der Aufsatz befasst sich näher mit der Frage, wie Gleichheit zu verstehen ist und stellt zwei Modelle zum Verständnis von Gleichheit vor: Differenzierungsverbot und Dominierungsverbot. Im Vergleich erweist sich ein Verständnis als Dominierungsverbot wesentlich leistungsfähiger als eine Deutung als Differenzierungsverbot, jedenfalls wenn es um komplexere Formen von Benachteiligung geht.
Im Anschluss wird erörtert, welche Faktoren die Leistungsfähigkeit des Antidiskriminierungsrechts im Hochschulbereich, in dem Frauen auf höheren Positionen immer noch unterrepräsentiert sind, beeinflussen. Hierbei werden verschiedene Erklärungsansätze dargestellt und strukturelle Hürden des Antidiskriminierungsrechts aufgezeigt. Denn die Frage der Durchsetzbarkeit rechtlicher Normen ist ein zentrales Thema für die praktische Wirksamkeit von Antidiskriminierungsrecht. Insoweit ist freilich auch ein Rückgriff auf die Herstellung von Diversität wenig erfolgversprechend.
Das Leistungsfähigkeitsprinzip als zentraler Grundsatz der Einkommensbesteuerung ist in hohem Maße konkretisierungsbedürftig und damit für Wertentscheidungen offen. Diese Offenheit wird von der traditionellen Steuerrechtswissenschaft mit Wertungen gefüllt, die aus der Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit äußerst problematisch sind. In diesem Aufsatz werden zunächst Einnahmenseite und Ausgabenseite des Einkommens für die Bemessung der Leistungsfähigkeit betrachtet. Dabei wird aufgezeigt, dass die fehlende Berücksichtigung der Reproduktionsarbeit in Kombination mit dem Ehegattensplitting auf Seite der Einnahmen das Leistungsfähigkeitsprinzip erheblich verzerrt und die Verweigerung der vollen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten beispielsweise auf Seite der Ausgaben das traditionelle Familienmodell weiterhin begünstigt. Einem solchen Steuerrecht, das die Genderperspektive systematisch ausblendet, stehen aber Verfassungsnormen entgegen, die im Folgenden anhand der argumentativen Leitlinien skizziert werden. Daher muss das Steuerrecht weiter entwickelt und an die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Gleichberechtigung von Mann und Frau gekoppelt werden.
This text is an only slightly modified version of the Herbert Krüger Memorial Lecture that I held upon invitation of the Arbeitskreis Überseeische Verfassungsvergleichung on 4 July 2014 at Bucerius Law School in Hamburg. My point of departure is the observation that even though the economic exploitation of natural resources triggers a multitude of distribution conflicts, international and transnational law treat these conflicts inadequately. While the New International Economic Order had as one of its objectives distributional justice between resource exporting poor states (former colonies) and resource importing high income states (mostly former imperial powers) its demands were never fully realized. Instead a transnational economic law emerged which can be interpreted as itself establishing a distribution order -- albeit a distribution order that is not oriented towards distributional justice, but rather posits the market as the best distribution device. This distribution order has depoliticized and deterritorialized distribution conflicts between resource exporting and resource importing states and has secured – through the promotion of privatizations, protection of foreign investments and dismantling of trade barriers – access to resources for the resource importing states. At the same time it has freed importing states from responsibility for the harms that accrue from resource exploitation to the resource exporting states and their populations. I call in this text for a repoliticization of distribution conflicts at the international as well as the (trans)national level, a repoliticization that may be achieved not only through the reform of political, but also economic institutions.
Bei Erlass des PUAG verzichtete der einfache Gesetzgeber bewusst auf eine mögliche Vereidigung von Zeugen vor Untersuchungsausschüssen. Das Recht zur Zeugenvereidigung ist aber, wie dargelegt wird, in der Verfassung selbst gewährleistet. Damit sind intrikate Fragen sowohl zum Verhältnis von Verfassung und Gesetz sowie im bundesstaatlichen Verhältnis aufgeworfen. Dem einfachen Gesetzgeber steht zwar die Befugnis zu, ein Gesetz über Untersuchungsausschüsse zu erlassen, fraglich ist aber, ob er berechtigt ist, Untersuchungsausschüssen des Bundestages Rechte zu nehmen, die ihnen nach dem Grundgesetz zustehen; dies ist im Ergebnis zu verneinen. Die bundesrechtlichen Änderungen zeitigten indes sogar Folgen für das Verfassungsrecht der Länder. Infolge der mit Einführung des PUAG gleichzeitig erfolgten Änderung des StGB entschied der Hessische Staatsgerichtshof im Jahr 2011, dass Untersuchungsausschüssen des Landtages ein Vereidigungsrecht nicht mehr zustehe, welches er zuvor aus der Hessischen Verfassung abgeleitet hatte. Der Gerichtshof gesteht dadurch dem Strafrecht die Macht zu, öffentlich-rechtliche Kompetenzen in den Ländern zu ändern.
Prozesse der Konstitutionalisierung jenseits des Nationalstaates ver-laufen in zwei unterschiedlichen Richtungen: in transnationalen Politikprozessen jenseits der Nationalstaatsverfassungen, gleichzeitig außerhalb der internationalen Politik in den “privaten” Sektoren der Weltgesellschaft. Die Verfassungssoziologie, die solche Prozesse analysiert, distanziert sich damit von den Verengungen des traditionellen Konstitutionalismus auf den Nationalstaat und fokussiert gesellschaftliche Verfassungen im nationalen und transnationalen Raum. Doch was ist das Gesellschaftliche im gesellschaftlichen Konstitutionalismus? Dies ist aktuell Gegenstand einer vielstimmigen Kontroverse über die Subjekte nichtstaatlicher Verfassungen, ihren Ursprung, ihre Legitimation, ihre Reichweite und ihre inneren Strukturen. Der Beitrag versteht die Kontroverse als „Thema mit Variationen“ und stellt folgende Leitfragen an die zahlreichen Variationen: Was ist in der einzelnen Variation das jeweilige „Kompositionsprinzip“? Welche Schwierigkeiten zeigen sich in dessen Durchführung? Welches sind seine aufhebenswerten Motive? In diesem Sinn wird zunächst das von David Sciulli vorgegebene Thema des gesellschaftlichen Konstitutionalismus kurz vorgestellt. Dann werden sechs Variationen in zwei unterschiedlichen Variationsreihen vorgeführt, einer ersten, die Konstitutionalisierung als Expansion einer einzigen Rationalität in alle gesellschaftlichen Bereiche versteht, einer zweiten, welche trotz der Pluralität des gesellschaftlichen Konstitutionalismus auf der Einheit der Verfassung besteht. Im Schlussteil nehmen drei weitere Variationen schließlich die Motive, die sich als aufhebenswert herausgestellt haben – Meta-Verfassung, Nomos und Narrativ, mediale Reflexivität - wieder auf und entwickeln sie weiter.
Essayistisch setzt sich diese Kolumne mit der Bevölkerungspolitik auseinander. Die Geburtenrate und die Angst vor dem Bevölkerungsschwund sind zu einem wesentlichen Thema im medialen und politischen Tagesgeschehen geworden. Die Sorge um den ausbleibenden Nachwuchs führt zu Forderungen, dass der Staat zur Erhöhung der Geburtenrate tätig werden müsse im Sinne einer obligatorischen Staatsaufgabe, z.B. um die Sozialsysteme zu sichern. Doch die Steigerung der Geburtenrate ist kein legitimes staatliches Ziel. Die grundrechtliche Freiheit der Eltern verlangt, dass der Staat sich eines Einflusses enthält und keine Anreize zum Kinderbekommen setzt. Familienförderung hat lediglich dafür zu sorgen, dass die Bedingungen für die bereits bestehenden Familien adäquat sind und muss sich als „Ausgleich“ für (finanzielle) Lasten deuten lassen. Einige Förderungsmittel sind kritisch zu be-trachten, da sie überproportional relativ wohlhabenden Familien zugutekommen sowie Anreize setzen, viele Kinder zu bekommen - durch die Anrechnung auf Sozialleistungen jedoch nicht bei armen Familien. Die Veränderung in der Bevölkerungsentwicklung wird Folgen haben, die sich nicht durch eine rückwärtsgewandte, allein an der Steigerung der Geburtenrate orientierte Politik verhindern lassen. Stattdessen ist es an der Zeit, die notwendigen Anpassungsprozesse anzugehen und zu gestalten.
Die „Frankfurter Schule des Strafrechts“, eine strafrechtskritische, aber nicht abolitionistische Perspektive auf das Strafrecht, verneint die Möglichkeit eines gänzlich unpolitischen Strafrechts, und betreibt, an der Wirklichkeit des Strafrechts interessiert, grundlagenorientiert Strafrechtstheorie und -dogmatik. In dieser Tradition werden die kriminalpolitischen Herausforderungen gekennzeichnet: Das Strafrecht in der globalisierten und ökonomisierten Mediengesellschaft zunehmender Pluralität und Diversität. Die Herausforderungen, die mit diesen gesellschaftlichen Entwicklungen verbunden sind, lassen sich kennzeichnen als Balanceakt zwischen Flexibilität und Prinzipientreue. Das Strafrecht darf sich nicht fundamentalistisch auf das beschränken, was schon seit Ewigkeiten Straftat ist, muss aber auf seinem Charakter als ultima ratio beharren, und darf sich und seine Zurechnungsprinzipien, provoziert durch die neuen Gegenstände (wie z.B. die Wirtschafts- und Umweltkriminalität) und die steigenden Sicherheitsbedürfnisse einer verunsicherten und nach Prävention strebenden Gesellschaft, nicht bis zur Unkenntlichmachung verbiegen lassen.